Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 O 25/16

Gründe

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Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.

2

Der auf § 95 Abs. 1 Satz 3 VwGO gestützte Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2015 über die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz entsprechender Anordnung (§ 95 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht erschienenen Beschwerdeführer ist gemäß § 146 Abs. 1 VwGO beschwerdefähig (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 4. März 1991 - 14 O 96/90 -, juris Rn. 1; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, § 95 Rn. 34). Entgegen der im Nichtabhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts vom 3. März 2016 zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung ist der Beschluss nicht mangels fristgemäßer Beschwerdeeinlegung in Rechtskraft erwachsen. Nach § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. Der Beschwerdeführer hat zwar (erst) am 16. Februar 2016 beim Verwaltungsgericht Beschwerde gegen den Beschluss vom 9. Dezember 2015 eingelegt, nachdem der Senat mit Beschluss vom 3. Februar 2016 - 1 O 9/16 - die am 7. Januar 2016 erhobene Beschwerde der Beklagten gegen diesen Beschluss verworfen hatte. Das Verwaltungsgericht weist auch zutreffend darauf hin, dass - neben den an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Beklagten gerichteten Zustellungen - die gesonderte Zustellung einer Beschlussausfertigung vom 11. Januar 2016 an den Beschwerdeführer veranlasst worden ist. Diese Zustellung gegen Empfangsbekenntnis (§ 56 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 174 ZPO) ist jedoch jedenfalls deshalb unwirksam, weil das Empfangsbekenntnis nicht von dem Beschwerdeführer als Zustellungsadressat persönlich unterschrieben worden ist und die für eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis notwendige Empfangsbereitschaft (daher) nicht festgestellt werden kann. Die für eine Zustellung nach § 174 ZPO erforderliche Empfangsbereitschaft kann nicht allein durch den bloßen Nachweis des tatsächlichen Zugangs im Sinne von § 189 ZPO ersetzt werden. Hinzukommen muss vielmehr noch die zumindest konkludente Äußerung des Willens, das zur Empfangnahme angebotene Schriftstück dem Angebot entsprechend als zugestellt entgegen zu nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015 - VIII ZB 55/14 -, juris Rn. 12 m. w. N.). Umstände, die hinreichend zuverlässig auf eine Empfangsbereitschaft des Beschwerdeführers in Bezug auf die Beschlussausfertigung vom 11. Januar 2016 vor dem Zeitpunkt, zu dem der Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 der Beklagten zugegangen ist, schließen lassen, liegen auch angesichts der Angaben in der eidesstattlichen Versicherung des Beschwerdeführers vom 31. März 2016 nicht vor. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang darauf abgestellt hat, dass dem Beschwerdeführer der Beschluss vom 9. Dezember 2015 bereits bei Einlegung der Beschwerde der Beklagten bekannt gewesen sei, kommt es hierauf unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für die Frage der Heilung eines Zustellungsmangels an.

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Die Beschwerde ist auch begründet. Der angefochtene Beschluss ist sowohl im Hinblick auf die Festsetzung des Ordnungsgelds in Höhe von 500 € als auch im Hinblick auf die ersatzweise Festsetzung einer Ordnungshaft von 3 Tagen rechtswidrig.

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Ein Ordnungsgeld für den Fall der Nichtbeachtung der Anordnung des persönlichen Erscheinens ist in bestimmter Höhe anzudrohen (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 9. November 2000 - 4 O 3740/00 -, juris Rn. 1; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, a. a. O. Rn. 29). Eine solche Androhung, die dem Beschwerdeführer hätte zugestellt werden müssen, ist nach Aktenlage nicht ergangen. Darüber hinaus gibt es für die Festsetzung einer Ordnungshaft - abgesehen davon, dass auch sie nicht angedroht worden ist - schon keine gesetzliche Grundlage. § 95 VwGO sieht bei schuldhaftem Ausbleiben eines Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen das Gericht angeordnet hat, ausschließlich das Ordnungsmittel des Ordnungsgelds vor, so dass die Festsetzung anderer Sanktionen oder Zwangsmittel wie Ordnungshaft nicht in Betracht kommt, und zwar auch dann nicht, wenn ein - anders als hier - rechtmäßig festgesetztes Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann (s. demgegenüber § 380 Abs. 1 Satz 2 ZPO; vgl. im Übrigen NdsOVG, Beschluss vom 4. März 1991, a. a. O. Rn. 2; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, a. a. O. Rn. 32 m. w. N.).

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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die außergerichtlichen Auslagen des erfolgreichen Beschwerdeführers werden von der Kostenentscheidung der Hauptsache umfasst; Gerichtskosten entstehen nicht (vgl. zu § 141 Abs. 3 ZPO. BGH, Beschlüsse vom 12. Juni 2007 - VI ZB 4/07 -, juris Rn. 23, und vom 22. Juni 2011 - I ZB 77/10 -, juris Rn. 23; BAG, Beschluss vom 1. Oktober 2014 - 10 AZB 24/14 -, juris Rn. 24).

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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