Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (3. Senat) - 3 O 77/17

Gründe

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Zur Entscheidung über die Beschwerde ist der Senat berufen, weil der Einzelrichter das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG auf den Senat übertragen hat.

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Die auf eine Aufhebung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts gerichtete Beschwerde ist mangels Beschwer bereits unzulässig.

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Wie jedes Rechtsmittel setzt auch die Streitwertbeschwerde eine Beschwer des Rechtsmittelführers voraus. Zwar handelt es sich bei der angegriffenen Streitwertfestsetzung ausweislich des Inhalts des Beschlusses und der beigefügten Rechtsmittelbelehrung nicht um eine vorläufige, sondern um eine endgültige Festsetzung des Streitwertes. Gleichwohl ist eine Beschwer der Klägerin hiermit nicht verbunden.

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Die Klägerin macht vorliegend nicht geltend, dass der Streitwert durch das Verwaltungsgericht zu hoch oder zu niedrig angesetzt worden sei. Sie meint lediglich, durch die endgültige Streitwertfestsetzung werde dokumentiert, dass der anhängige Rechtsstreit endgültig abgeschlossen sei, was ohne Entscheidung in der Sache die Bestandskraft der erstinstanzlich angegriffenen Bescheide zur Folge habe. Sie habe jedoch ein Interesse daran, das lediglich ruhend gestellte Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt fortzuführen. Zum anderen könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Höhe des Streitwerts im Verlauf des Verfahrens nach dessen Wiederaufgreifen noch ändere.

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Aus diesen Überlegungen vermag die Klägerin eine Beschwer nicht abzuleiten. Sie geht von unzutreffenden rechtlichen Annahmen aus.

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§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG regelt die endgültige Wertfestsetzung durch Beschluss, die erfolgt, wenn eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder das Verfahren sich anderweitig erledigt. Eine Entscheidung über den Streitgegenstand ist vorliegend nicht erfolgt. Der Verwaltungsgericht hat auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 251 Satz 1 ZPO durch den bestellten Berichterstatter zweimal das Ruhen des seit Januar 2011 anhängigen Verfahrens angeordnet, das erste Mal mit Beschluss vom 1. März 2011 und ein weiteres Mal mit Beschluss vom 29. April 2015. Damit konnte eine endgültige Wertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht lediglich dann erfolgen, wenn sich das Verfahren i.S.d. § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG anderweitig erledigt hatte. Ob dies vorliegend der Fall war, mag dahinstehen (zum Streitstand hinsichtlich der Frage, ob eine Beendigung bereits bei einer Anordnung des Ruhens und dem Zeitablauf von sechs zusätzlichen Monaten zu bejahen ist oder erst dann, wenn feststeht, dass das Verfahren nicht mehr fortgeführt wird oder wenn auf unabsehbare Zeit nach den konkreten Umständen mit einem Wiederaufruf nicht gerechnet werden kann, siehe etwa VGH BW, Beschluss vom 2. April 2012 - 11 S 3086/11 -, juris Rn. 10 m.w.N.; daneben auch Sächs. LSG, Beschluss vom 19. März 2012 - L 3 AS 897/11 B -, juris sowie LSG B.-Brb., Beschluss vom 14. Mai 2009 - L 24 KR 33/09 B -, juris).

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Selbst wenn vorliegend von einer anderweitigen Erledigung i.S.d. § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG auszugehen sein sollte, hat dies weder die Bestandskraft der erstinstanzlich angegriffenen Bescheide zur Folge noch ist hierdurch eine nochmalige (vom angegriffenen Beschluss ggf. abweichende) Festsetzung des Streitwerts ausgeschlossen.

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Entgegen der Annahme der Klägerin hat der angegriffene Beschluss nicht die Bestandskraft der erstinstanzlich angegriffenen Bescheide zur Konsequenz. Nach § 251 Satz 1 ZPO hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Diese Regelung soll es ermöglichen, ein begonnenes und noch nicht beendetes Verfahren für angemessene Zeit („legal“) zum Stillstand zu bringen, wenn dafür hinreichend gewichtige Gründe bestehen (Gehrlein, in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2013, § 251 Rn. 1). Die Beteiligten können ein ruhend gestelltes Verfahren deshalb jederzeit wieder aufnehmen. Hieran werden sie auch durch einen zwischenzeitlich ergangenen Beschluss über die „endgültige“ Streitwertfestsetzung nicht gehindert. Selbst wenn das Verfahren sechs Monate nach der Anordnung des Ruhens des Verfahrens statistisch als erledigt gilt (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 der Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Stand 1. Januar 2017) und insoweit auch von einer anderweitigen Erledigung nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG auszugehen wäre, bedeutet dies nicht, dass die mit der Klage angefochtenen Bescheide bestandskräftig würden.

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Auch eine Änderung des durch den angegriffenen Beschluss festgesetzten Streitwerts ist zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausgeschlossen.

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Nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG kann die (Streitwert-)Festsetzung von Amts wegen geändert werden, und zwar von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat (Nr. 1) und von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt (Nr. 2).

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Zwar ist die Änderung gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Diese zeitlichen Grenzen gelten allerdings nur für eine „echte Abänderung“ einer schon erfolgten Festsetzung des endgültigen Kostenstreitwerts (vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, § 63 Rn. 52). Sie gelten nicht für die „Änderung“ einer im Rahmen eines ruhend gestellten Verfahrens erfolgten „endgültigen“ Streitwertfestsetzung. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht (nochmals) eine endgültige Wertfestsetzung vorzunehmen, sofern das ruhend gestellte Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen wird und anschließend eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG). Insofern handelt es sich bei dieser zweiten (die Instanz abschließenden) Festsetzung nicht um eine (echte) „Änderung“ der vorliegend angegriffenen Streitwertfestsetzung i.S.d. § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich auch bei der zweiten (die Instanz abschließenden und damit „echten“ endgültigen) Festsetzung um eine „Änderung“ nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG handelt, fände jedenfalls die Fristenregelung in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG in Fallgestaltungen der vorliegenden Art keine Anwendung. Andernfalls würde die in § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG enthaltene Abänderungsbefugnis für das Beschwerdegericht in diesen Fällen leerlaufen.

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Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (vgl. § 68 Abs. 3 GKG).

13

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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