Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 M 96/18

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist abgelehnter Asylbewerber. Am (…) 2017 heiratete er eine deutsche Staatsangehörige. Den von ihm gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 11.06.2018 ab. Über den hiergegen vom Antragsteller erhobenen Widerspruch ist – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zu einer Entscheidung über den Widerspruch auszusetzen, abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG stehe § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegen. Danach könne einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden sei, vor der Ausreise nur ein humanitärer Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden. Eine Ausnahme gelte nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG lediglich in den Fällen, in denen dem Ausländer ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zustehe. Hierfür müssten aber die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG vorliegen. Dies sei hier nicht der Fall, weil ein Ausweisungsinteresse bestehe (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Der Antragsteller sei am (…) 2012 zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen und am (…) 2013 zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen verurteilt worden. Diese Verurteilungen seien noch nicht tilgungsreif und könnten daher weiter berücksichtigt werden. Da es sich um Vorsatztaten handele, sei auch von einem nicht nur geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften auszugehen, der ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG begründe. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner auch die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG abgelehnt habe. Der Antragsteller habe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass ihm seine vorübergehende Ausreise und spätere Wiedereinreise zur Familienzusammenführung mit einem entsprechenden ordnungsgemäßen Visum unzumutbar sei. Die Ehe bestehe seit dem (…) 2017, gemeinsame Kinder seien nicht vorhanden. Den Eheleuten habe bei ihrer Heirat bewusst sein müssen, dass sich der Antragsteller lediglich geduldet in Deutschland aufhalte und bereits zum damaligen Zeitpunkt ausreisepflichtig gewesen sei.

II.

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A. Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

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Der Antragsteller macht geltend, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass bei der Frage, ob ein Ausweisungsinteresse vorliege, allein die Feststellung von in der Vergangenheit erfolgten Verurteilungen nicht ausreiche, sondern eine auf Gegenwart und Zukunft abgestellte Gefährdungsprognose anzustellen sei. Gemessen daran sei hinsichtlich seiner Person kein Ausweisungsinteresse gegeben. Des Weiteren habe das Verwaltungsgericht versäumt zu überprüfen, ob ggf. die Ausnahmeregelung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG einschlägig sein könnte, wonach von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abgesehen werden könne.

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Damit vermag der Antragsteller jedenfalls im Ergebnis nicht durchzudringen. Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erforderliche Anordnungsgrund ist nicht glaubhaft gemacht.

6

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung für eine einstweilige Anordnung ist demnach das Vorliegen eines Rechts, dessen Sicherung die Anordnung dient (Anordnungsanspruch), sowie die drohende Vereitelung oder Erschwerung dieses Anspruchs (Anordnungsgrund). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

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Für die Sicherung eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels fehlt es in der Regel an dem nach § 123 VwGO erforderlichen Anordnungsgrund, weil mit der Ausreise nach der Konzeption der §§ 4, 6, 81 Abs. 3 und 4, 84 Abs. 2, 99 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AufenthG grundsätzlich keine Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Verwirklichung des Anspruchs im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO verbunden ist und auch die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO in der Regel nicht vorliegen. Eine spezielle Duldung für die Dauer des ausländerbehördlichen Verfahrens bis zur behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung kommt nicht in Betracht, weil das Gesetz einen solchen Fall grundsätzlich nicht vorsieht, sondern gerade ausschließt (vgl. Samel, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., § 81, RdNr. 46; Hailbronner, Ausländerrecht, A 1 § 81 RdNr. 63, m.w.N.). Hat ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels – wie hier – ein Bleiberecht in Form einer Fiktion nach § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG nicht ausgelöst und ist demzufolge ein nach Antragsablehnung gestellter Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig, scheidet aus gesetzessystematischen Gründen die Erteilung einer Duldung für die Dauer des Erteilungsverfahrens grundsätzlich aus; denn die Erteilung einer Duldung widerspräche der in den genannten Vorschriften zum Ausdruck gekommenen gesetzlichen Wertung, für die Dauer eines Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens nur unter bestimmten Voraussetzungen ein Bleiberecht zu gewähren. Aus diesem Grund scheitert regelmäßig ein Anordnungsgrund, und zwar unabhängig davon, wie der Antrag nach § 123 VwGO formuliert ist (Beschl. d. Senats v. 24.02.2010 – 2 M 2/10 –, juris, RdNr. 7, m.w.N.). Eine einstweilige Anordnung wird in aller Regel auch im Hinblick auf den besonderen Versagungsgrund des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht in Betracht kommen, dem – neben § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG – die prinzipielle Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen ist, dass visumspflichtige Ausländer ihre Ansprüche auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nur vom Ausland aus verfolgen und durchsetzen können; daraus folgt allerdings umgekehrt, dass in all den Fällen, in denen Ausnahmen vom Versagungsgrund des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Betracht kommen, grundsätzlich auch der Erlass einer einstweiligen Anordnung möglich sein muss (Funke-Kaiser, in: GK AufenthG, II - § 81 RdNr. 188). Gleiches gilt, wenn der Ausländer den Aufenthaltstitel gemäß § 39 AufenthV im Bundesgebiet einholen kann. Denn in diesen Fällen würde das Recht, den Aufenthaltstitel ohne Durchführung des Visumverfahrens erhalten zu können, durch die Ausreise regelmäßig vereitelt. Von dem Grundsatz, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung aus gesetzessystematischen Gründen ausscheidet, kann zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG eine Ausnahme geboten sein, wenn eine Aussetzung der Abschiebung notwendig ist, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens aufrecht zu erhalten und so sicherzustellen, dass eine aufenthaltsrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zu Gute kommen kann (Beschl. d. Senats v. 14.10.2009 – 2 M 142/09 –, juris, RdNr. 8, zu § 104a Abs. 1 AufenthG; NdsOVG, Beschl. v. 11.09.2018 – 13 ME 392/18 –, juris, RdNr. 13, m.w.N.).

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Kommt eine Ausnahme vom Visumserfordernis im Ermessenswege nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG in Betracht, kann vorläufiger Rechtsschutz nach § 123 VwGO aber nur dann gewährt werden, wenn keine Zweifel am Bestehen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bestehen und auch keine tragfähigen Ermessensgesichtspunkte gleichwohl eine Ablehnung rechtfertigen. Aus der vom Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG gemachten materiellen Vorgabe ist auch ein maßgebliches Kriterium für die Interessenabwägung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abzuleiten für all die Fälle, in denen wegen verbleibender, nicht ausräumbarer Unsicherheiten hinsichtlich des maßgeblichen Sachverhalts keine abschließende Klarheit zum Bestehen eines Anspruchs gewonnen werden kann. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht auszuräumende Zweifel müssen hier regelmäßig zu Lasten des Ausländers gehen. Nur wenn solche nicht bestehen, erweist sich die gesetzgeberische Annahme, mit der Vorschrift solle aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (und nicht zuletzt der Akzeptanz der behördlichen Entscheidung) eine reine Förmelei verhindert werden, gerechtfertigt. Bestehen solche Zweifel, dann ist der Verweis auf das Visumverfahren und seine Steuerungsfunktion gerade gerechtfertigt und tragfähig. Dem Visumverfahren ist u.a. auch die Aufgabe zugewiesen, ungeklärte Sachverhaltsfragen zu beantworten (zum Ganzen: VGH BW, Beschl. v. 20.09.2012 – 11 S 1608/12 –, juris, RdNr. 8).

9

Ein nach § 123 Abs. 1 VwGO sicherungsfähiger Anspruch auf Duldung kann sich auch aus der rechtlichen und tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung (§ 60a Abs. 2 AufenthG) ergeben (Hailbronner, a.a.O., RdNr. 65; Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 46 f.). Allein der Umstand, dass der Antragsteller möglicherweise eine vorübergehende Trennung von seiner Ehefrau für die übliche Dauer des Visumverfahrens hinnehmen muss, steht auch bei Berücksichtigung des Schutzes der Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK einer Abschiebung allerdings nicht entgegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.01.2011 – BVerwG 1 C 23.09 –, juris, RdNr. 34). Eine grundsätzlich andere Sichtweise ist nur in besonderen Fällen geboten, etwa wenn es dem Ausländer im Hinblick auf Art. 6 GG nicht zugemutet werden kann und darf, seine in der Bundesrepublik gelebten familiären Beziehungen auch nur vorübergehend für die Dauer eines vom Ausland zu betreibenden Visumverfahrens zu unterbrechen. So ist dem ausreisepflichtigen Familienmitglied ein auch nur vorübergehendes Verlassen des Bundesgebiets namentlich etwa dann nicht zuzumuten, wenn einer der Ehegatten auf Grund individueller Besonderheiten, etwa infolge einer Krankheit, mehr als im Regelfall auf persönlichen Beistand angewiesen ist (Beschl. d. Senats v. 24.02.2010, a.a.O.).

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Gemessen daran fehlt es vorliegend an einem Anordnungsgrund.

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1. Der Antragsteller, der ohne das nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG grundsätzlich erforderliche Visum in das Bundesgebiet eingereist ist, hat keinen sicherungsfähigen Anspruch darauf, eine Aufenthaltserlaubnis ohne Durchführung eines Visumverfahrens zu erhalten.

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1.1. Ob gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG im Ermessenswege von der Durchführung eines Visumverfahrens abgesehen werden kann, erscheint fraglich, da Zweifel am Vorliegen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bestehen. Unter einem "Anspruch" im Sinne dieser Regelung, ist grundsätzlich nur ein strikter Rechtsanspruch zu verstehen, der nur dann vorliegt, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind (BVerwG, Urt. v. 10.12.2014 – BVerwG 1 C 15.14 – juris, RdNr. 15).

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a) Es lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass einem Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG keine Versagungsgründe nach § 5 Abs. 1 AufenthG entgegenstehen.

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aa) Beim Antragsteller könnte insbesondere der Regelversagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vorliegen, da ein Ausweisungsinteresse nicht ausgeschlossen werden kann.

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Unter einem Ausweisungsinteresse gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist ein Tatbestand zu verstehen, der in § 54 AufenthG definiert ist (BayVGH, Beschl. v. 29.08.2016 – 10 AS 16.1602 –, juris, RdNr. 21). Nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse u.a. dann schwer, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Die Vorschrift ist dahin zu verstehen, dass ein Rechtsverstoß nur dann unbeachtlich ist, wenn er vereinzelt und geringfügig ist, andererseits aber immer dann beachtlich ist, wenn er vereinzelt, aber nicht geringfügig oder geringfügig, aber nicht vereinzelt ist (vgl. zu § 46 Nr. 2 AuslG: BVerwG, Urt. v. 18.11.2004 – BVerwG 1 C 23.03 –, juris, RdNr. 21). Solche Verstöße liegen hier vor. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Frankfurt (Main) vom (…) 2012 wurde der Antragsteller wegen Missbrauchs von Ausweispapieren (§ 281 Abs. 1 StGB) zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt, und mit Strafbefehl des Amtsgerichts Bitterfeld-Wolfen vom (…) 2013 wurde er wegen wiederholten Verstoßes gegen die räumliche Beschränkung des § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen verurteilt. Einen weiteren Verstoß gegen die räumliche Beschränkung des § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG beging der Antragsteller am (…) 2014, als er sich entgegen der ihm erteilten Erlaubnis zum Verlassen des Duldungsbereichs nicht in B-Stadt zum Besuch seiner damaligen Verlobten, sondern in E-Stadt aufhielt (vgl. Bl. 79 ff. des Verwaltungsvorgangs); das eigeleitete Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau gemäß § 153 Abs. 1 StPO wegen Geringfügigkeit ein (vgl. Bl. 90 des Verwaltungsvorgangs).

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Die Verwirklichung eines der in § 54 AufenthG genannten Tatbestände begründet allerdings nicht unmittelbar das Ausweisungsinteresse. Wie der Antragsteller zu Recht geltend macht, besteht ein Ausweisungsinteresse nur dann, wenn von dem Betroffenen eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, der weitere Aufenthalt des Ausländers also eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt oder sonst erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; denn ein Ausweisungsinteresse ist nicht mehr erheblich, wenn ohne vernünftige Zweifel feststeht, dass die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die mit dem Ausweisungsinteresse zusammenhängt, nicht mehr besteht (BayVGH, Beschl. v. 29.08.2016, a.a.O., RdNr. 22, m.w.N.). Das gefahrenabwehrrechtlich und damit zukunftsbezogen zu interpretierende Ausweisungsinteresse muss noch „aktuell“ vorliegen in dem Sinne, dass eine gegenwärtige bzw. in absehbarer Zukunft fortwirkende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland ernsthaft droht; die Anforderungen an die erforderliche Gefahr sind dabei grundsätzlich anhand des Gewichts des jeweils betroffenen Ausweisungsinteresses zu bestimmen (VGH BW, Urt. v. 19.04.2017 – 11 S 1967/16 –, juris, RdNr. 25, m.w.N.).

17

Da eine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen voraussetzt, dass bei dem Ausländer eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht (vgl. Beschl. d. Senats v. 06.02.2017 – 2 L 119/15 –, juris, RdNr. 17, m.w.N.), ist ein Ausweisungsinteresse nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels auch nicht mehr erheblich, wenn eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen werden kann (vgl. VGH BW, Urt. v. 19.04.2017, a.a.O., RdNr. 32; BayVGH, Beschl. v. 27.12.2016 – 10 CS 16.2289 –, juris, RdNr. 6 f.).

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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 12.07.2018 – BVerwG 1 C 16.17 –, juris, RdNr. 16 ff.) können auch allein generalpräventive Gründe ein Ausweisungsinteresse begründen, wobei allerdings ein generalpräventives Ausweisungsinteresse der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ebenfalls nur dann entgegensteht, wenn es noch aktuell ist, das heißt zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung noch vorhanden ist. Für die zeitliche Begrenzung eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses, das an strafrechtlich relevantes Handeln anknüpft, ist für die vorzunehmende gefahrenabwehrrechtliche Beurteilung eine Orientierung an den Fristen der §§ 78 ff. StGB zur Strafverfolgungsverjährung angezeigt. Dabei bildet die einfache Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 StGB, deren Dauer sich nach der verwirklichten Tat richtet und die mit Beendigung der Tat zu laufen beginnt, eine untere Grenze. Die obere Grenze orientiert sich hingegen regelmäßig an der absoluten Verjährungsfrist des § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB, die regelmäßig das Doppelte der einfachen Verjährungsfrist beträgt. Innerhalb dieses Zeitrahmens ist der Fortbestand des Ausweisungsinteresses anhand generalpräventiver Erwägungen zu ermitteln. Bei abgeurteilten Straftaten bilden die Tilgungsfristen des § 46 BZRG zudem eine absolute Obergrenze, weil nach deren Ablauf die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten werden dürfen (§ 51 BZRG). Da das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG objektiv bestimmt wird und es sich bei der Frage, ob die Erteilungsvoraussetzung des fehlenden Ausweisungsinteresses vorliegt, zudem um eine rechtlich gebundene Entscheidung handelt, sind die Grenzen für die Aktualität eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses auch dann zu beachten, wenn die Behörde ihre aufenthaltsrechtliche Entscheidung allein auf spezialpräventive Gründe gestützt hat, objektiv aber zusätzlich ein generalpräventives Ausweisungsinteresse vorliegt.

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Bei Anwendung dieser Grundsätze ist nicht offensichtlich, dass ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG hier nicht mehr besteht.

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(1) Zwar mögen spezialpräventive Gründe, auf die sich der Antragsgegner nach dem Inhalt der Antragserwiderung vom 01.08.2018 maßgeblich gestützt hat, ein Ausweisungsinteresse in der Person des Antragstellers nicht mehr begründen. Die Gefahr, dass sich der Antragsteller erneut des Missbrauchs von Ausweispapieren (§ 281 Abs. 1 StGB) schuldig machen wird, dürfte gering sein, wenn der Antragsteller das begehrte Aufenthaltsrecht erhält. Verstöße gegen § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG sind ausgeschlossen, weil die räumliche Beschränkung des § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nach der seit dem 01.01.2015 geltenden Regelung des § 61 Abs. 1b AufenthG erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält, und der Antragsteller im Fall der Erteilung der angestrebten Aufenthaltserlaubnis auch nicht mehr zu dem von § 61 AufenthG betroffenen Personenkreis der vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer gehört. Zwar kann gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auch eine Aufenthaltserlaubnis mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. § 12 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, der bestimmt, dass der Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet erteilt wird, verdeutlicht aber, dass die räumliche Beschränkung die Ausnahme bildet (vgl. Hailbronner, a.a.O., § 12 RdNr. 26), so dass wenig dafür spricht, dass eine dem Antragsteller zu erteilende Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG mit einer räumlichen Beschränkung verbunden werden würde. Auch der vom Antragsgegner angenommene und angezeigte Verstoß gegen § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (vgl. Bl. 244 des Verwaltungsvorgangs), der darin liegen soll, dass der Antragsteller bei der Erteilung von Duldungen die im Asylverfahren gemachte unrichtige Angabe des Herkunftslandes nicht korrigierte, dürfte aus spezialpräventiver Sicht nicht mehr aktuell sein. Sofern dieser Straftatbestand erfüllt sein sollte, erscheint eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen oder zumindest sehr gering, nachdem die Identität des Antragstellers einschließlich seines Herkunftslandes nach Vorlage des Reisepasses im Zuge der Eheschließung geklärt ist.

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(2) Ein Ausweisungsinteresse aus generalpräventiven Erwägungen besteht aber möglicherweise weiterhin.

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Zwar dürfte der durch Strafbefehl des Amtsgerichts Frankfurt (Main) vom (…) 2012 geahndete Missbrauch von Ausweispapieren (§ 281 Abs. 1 StGB), mit dem der Antragsteller zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt wurde, nicht mehr aktuell sein. Die einfache Verjährungsfrist nach § 78 Abs. 3 StGB beträgt drei Jahre, weil die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht ist. Die absolute Verjährungsfrist beträgt damit sechs Jahre und begann gemäß § 78a Satz 1 StGB mit Beendigung der Tat am 28.05.2012 zu laufen, so dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats bereits abgelaufen ist. Abgelaufen ist zudem die Tilgungsfrist des § 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) BZRG, die bei Verurteilungen zu Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen fünf Jahre beträgt und hier gemäß § 47 Abs. 1 i.V.m. § 36 Satz 1 und § 5 Abs. 1 Nr. 4 BZRG am 07.11.2012, dem Tag der Unterzeichnung des Strafbefehls, zu laufen begann.

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Anders liegt es jedoch bei den vom Antragsteller begangenen (wiederholten) Verstößen gegen die räumliche Beschränkung des § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Nach der seit dem 01.01.2015 geltenden Regelung in § 61 Abs. 1b AufenthG erlischt zwar diese räumliche Beschränkung, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält. Der generalpräventive Zweck des Ausweisungsinteresses, der darauf abzielt, verhaltenslenkend auf andere Ausländer dergestalt einzuwirken, dass sie räumliche Aufenthaltsbeschränkungen einhalten, ist dadurch aber nicht (vollständig) entfallen. Dies betrifft zum einen Ausländer, die sich noch nicht seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhalten, und zum anderen solche vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer, gegenüber denen auf der Grundlage von § 61 Abs. 1c AufenthG eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts unabhängig von § 61 Abs. 1 bis 1b AufenthG angeordnet wurde. Insoweit besteht weiterhin eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG. Die einfache Verjährungsfrist nach § 78 Abs. 3 StGB beträgt auch insoweit drei Jahre, weil die Tat gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht ist. Die absolute Verjährungsfrist beträgt damit ebenfalls sechs Jahre. Für die mit dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bitterfeld-Wolfen abgeurteilten Vergehen begann die Frist gemäß § 78a Satz 1 StGB mit Beendigung der Tat am 27.05.2013 zu laufen, so dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht abgelaufen ist. Nicht abgelaufen ist zudem die Tilgungsfrist des § 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) BZRG von fünf Jahren, die gemäß § 47 Abs. 1 i.V.m. § 36 Satz 1 und § 5 Abs. 1 Nr. 4 BZRG am 19.12.2013, dem Tag der Unterzeichnung des Strafbefehls, begann und erst am 19.12.2018 endet. Für den weiteren Verstoß gegen die räumliche Beschränkung des § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, den der Antragsteller am (…).02.2014 beging und bei dem die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau das Strafverfahren gemäß § 153 Abs. 1 StPO einstellte, ist zwar ebenfalls die einfache Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 StGB abgelaufen, nicht aber die absolute Verjährungsfrist des § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB.

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Zwar kann gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abgesehen werden. Da das Gesetz der Behörde insoweit einen Ermessensspielraum einräumt (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.11.2010 – BVerwG 1 C 17.09 –, juris, RdNr. 23), besteht aber gerade nicht der nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG erforderliche strikte Rechtsanspruch.

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bb) Ungeklärt ist zudem, ob der Lebensunterhalt gesichert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Diese Voraussetzung wird erfüllt sein müssen, auch wenn nach § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in den Fällen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erteilt werden "soll". Aus dem Umstand, dass es nach dieser Sollvorschrift auf die Sicherung des Lebensunterhalts nur ankommt, wenn ein Ausnahmefall vorliegt, ergibt sich nicht, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hat. Eine "Soll"-Bestimmung dürfte einem strikten Anspruch nicht gleichgestellt sein (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 14.05.2018 – 3 A 223/18 –, juris, RdNr. 10, m.w.N.). Zur Sicherung des Lebensunterhalts enthalten weder die Antragsunterlagen noch die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren eingereichten Schriftsätze hinreichende Angaben.

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b) Der in § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG geforderte strikte Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ergibt sich auch nicht aus § 25 Abs. 5 AufenthG, unabhängig davon, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorliegen. Denn diese Vorschrift räumt der Behörde einen Ermessensspielraum ein. Eine Ermessensreduzierung auf "Null" würde nicht genügen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2008 – BVerwG 1 C 37.07 –, juris, RdNr. 21, m.w.N.). Zwar gewährt § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG einen Sollanspruch, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist und wenn auch die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG vorliegen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 27.06.2006 – BVerwG 1 C 14.04 –, juris, RdNr. 22). Die Vorschrift findet auf den Antragsteller aber keine Anwendung, weil seine Abschiebung nicht mehr ausgesetzt ist. Die ihm erteilte Duldung wurde zuletzt am 04.07.2018 bis zum 31.07.2018 verlängert (Bl. 280 des Verwaltungsvorgangs). Mit Schreiben vom 16.07.2018 kündigte der Antragsgegner dem Antragsteller die Abschiebung in sein Heimatland an, und mit Bescheid vom 16.07.2018 befristete der Antragsgegner die Wirkung der Abschiebung, die demnächst vollzogen werden solle, auf sechs Monate nach vollzogener Abschiebung. Im Übrigen ist – wie bereits dargelegt – eine „Soll“-Regelung einem gesetzlichen Anspruch nicht gleichgestellt (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 15.12.2017 – 8 ME 136/17 –, juris, RdNr. 11 ff., m.w.N.). Zudem müssen auch bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG im Grundsatz die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG erfüllt sein, was hier aus den oben bereits dargelegten Gründen fraglich ist. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG "kann" lediglich von der Anwendung der Absätze 1 und 2 des § 5 AufenthG abgesehen werden.

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1.2. Es sind auch keine besonderen Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich, die es als zumutbar erscheinen lassen, das Visumverfahren nachzuholen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG). Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen (BVerfG, Beschl. v. 04.12.2007 – 2 BvR 2341/06 –, juris, RdNr. 6). Allein der Umstand, dass die Eheleute möglicherweise eine vorübergehende Trennung für die übliche Dauer des Visumverfahrens hinnehmen müssen, reicht auch unter Berücksichtigung des Schutzes der Ehe durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht aus (BVerwG, Urt. v. 11.01.2011 – BVerwG 1 C 23.09 –, juris, RdNr. 34, m.w.N.). Eine nur vorübergehende Trennung vom Ehegatten für die übliche Dauer des Visumverfahrens ist nur dann unzumutbar, wenn besondere Umstände im Einzelfall vorliegen, etwa wenn einer der Ehegatte auf Grund individueller Besonderheiten, etwa infolge einer Krankheit, mehr als im Regelfall auf persönlichen Beistand angewiesen ist (Beschl. d. Senats v. 27.05.2015 – 2 M 21/15 –, juris, RdNr. 19, m.w.N.). Dafür liegen hier keine Anhaltspunkte vor.

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1.3. Die Durchführung des Visumverfahrens ist schließlich nicht nach § 39 AufenthV entbehrlich, insbesondere kann sich der Antragsteller nicht auf die Ausnahmeregelung des § 39 Nr. 5 AufenthV stützen. Danach kann ein Ausländer über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn seine Abschiebung nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist und er auf Grund einer Eheschließung oder der Begründung einer Lebenspartnerschaft im Bundesgebiet oder der Geburt eines Kindes während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Diese Vorschrift kommt beim Antragsteller schon deshalb nicht zur Anwendung, weil seine Abschiebung – wie dargelegt – nicht mehr nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist.

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Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Nr. 5 AufenthV ist in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend; dies gilt nach der ganz überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung auch für die Frage, ob die Abschiebung des Ausländers ausgesetzt ist (vgl. OVG NW, Beschl. v. 11.07.2012 – 18 B 562/12 –, juris, RdNr. 16; OVG BBg, Beschl. v. 23.08.2011 – OVG 3 S 87.11 –, juris, RdNr. 3; HambOVG, Beschl. v. 16.11.2010 – 4 Bs 220/10 –, juris, RdNr. 12 ff.; SächsOVG, Urt. v. 16.10.2008 – 3 94/08 –, juris, RdNr. 29; a.A. nur: VGH BW, Beschl. v. 05.03.2008 – 11 S 378/08 –, juris, RdNr. 11, der auf den Zeitpunkt der Antragstellung abstellt). Bei Verpflichtungsklagen, die auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gerichtet sind, ist grundsätzlich, d.h. soweit sich nicht ausnahmsweise aus dem anzuwendenden Recht ein anderer Zeitpunkt ergibt, auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen, wenn zu beurteilen ist, ob schon aus Rechtsgründen der Aufenthaltstitel erteilt werden muss oder nicht erteilt werden darf (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.12.2014 – BVerwG 1 B 21.14 –, juris, RdNr. 6). Ein nach materiellem Recht abweichender Beurteilungszeitpunkt lässt sich § 39 Nr. 5 AufenthV nicht entnehmen (vgl. dazu im Einzelnen: HambOVG, Beschl. v. 16.11.2010, a.a.O., RdNr. 13, m.w.N.). Der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung scheidet auch nicht deshalb als der Maßgebliche aus, weil es die Ausländerbehörden dann in der Hand hätten, durch eine verzögerte Entscheidung über die Verlängerung einer – regelmäßig befristeten – Duldung die Voraussetzungen zu beseitigen, unter denen von der Durchführung des Visumverfahrens abgesehen werden kann. Einem derartigen Missbrauch könnte dadurch entgegengetreten werden, dass man in einem derartigen Fall einen Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung der Duldung genügen ließe (HambOVG, Beschl. v. 16.11.2010, a.a.O., RdNr. 14).

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2. Die Erteilung einer Duldung wegen rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne von § 60a Abs. 2 AufenthG scheidet aus. Es sind – wie oben bereits ausgeführt – insbesondere keine besonderen Umstände vorgetragen, die eine vorübergehende Trennung des Antragstellers von seiner Ehefrau als unzumutbar erscheinen lassen.

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B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 8.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

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D. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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