Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (1. Strafsenat) - 1 Ss 90/11

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 4. Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 13. September 2011 im Schuldspruch mit den dazugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte wegen eines Vergehens gegen das Gewaltschutzgesetz verurteilt worden ist, sowie insgesamt im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) zurückverwiesen (§ 349 Abs. 4 StPO).

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

Gründe

1

Das Amtsgericht – Strafrichter – Ludwigshafen am Rhein hat den Angeklagten mit Urteil vom 1. Februar 2011 wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung und eines Vergehens gegen das Gewaltschutzgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.

2

Das Landgericht Frankenthal (Pfalz) hat die Berufung des Angeklagten verworfen. Hiergegen richtet sich seine Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.

3

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung in dem tenorierten Umfang.

4

1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings die Annahme des Qualifikationsmerkmales eines hinterlistigen Überfalls im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Der hinterlistige Überfall besteht in einem Überraschungsangriff, bei dem der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung seiner wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dadurch dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen (BeckOK-StGB/Eschelbach, § 224 Rn 35 m.w.N.). Hierzu muss der Täter dem Opfer jedoch nicht offen entgegengetreten und ihm Friedfertigkeit vortäuschen (BGH, Beschluss vom 17.06.2004, NStZ 2005, 40 m.w.N.). Mittels eines hinterlistigen Überfalls verletzt der Täter das Opfer vielmehr auch dann, wenn er sich vor dem geplanten Angriff vor ihm verbirgt und ihm auflauert (BGH GA 1969, 61). Die Feststellungen der Kammer belegen ein in diesem Sinne gezieltes und planmäßiges Vorgehen des Angeklagten, indem er in Kenntnis der Gewohnheiten der Zeugin auflauerte. Im Hinblick auf die Wahl des Angriffsortes, des Angriffsmittels und der Art und Weise des Angriffs war seine Handlungsweise als planmäßig und auf Verdeckung der wahren Absichten ausgerichtet und nicht lediglich ein Überfall oder die Ausnutzung eines Überraschungsmomentes.

5

2. Die von der Kammer getroffenen Feststellungen tragen jedoch die Verurteilung wegen eines Vergehens gegen das Gewaltschutzgesetz nach § 4 GewSchG nicht. In dem Berufungsurteil ist hierzu festgestellt:

6

„Darüber hinaus war dem Angeklagten bei Tatbegehung bewusst, dass er sich aufgrund einer Entscheidung des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 27. April 2009 nach dem Gewaltschutzgesetz der Zeugin weder nähern noch sonstigen Kontakt zu ihr aufnehmen durfte. Dieser Beschluss war ihm zeitnah bekannt gegeben worden. Trotzdem beging der Angeklagte die oben dargestellte Tat.“

7

Diese Feststellungen lassen offen, welcher Art die Entscheidung nach dem Gewaltschutzgesetz war, insbesondere ob es sich dabei um eine einstweilige Verfügung oder um eine endgültige Entscheidung gehandelt hat, bis zu welchem Zeitpunkt die Entscheidung befristet war (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 GewSchG) und ob die Anordnung zum Tatzeitpunkt vollstreckbar war. Voraussetzung hierfür war vor dem Inkrafttreten des FamFG am 1. September 2009 (die zu vollstreckende Entscheidung erging unter dem 27. April 2009) im Falle einer einstweiligen Anordnung nach § 936 i. V. m. § 922 Abs. 2 ZPO die Zustellung der Entscheidung an den Angeklagten im Parteibetrieb, die nicht durch andere Formen der Bekanntgabe ersetzt werden kann (BGHSt 51, 257). Ob eine solche Zustellung erfolgt war, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen in der angegriffenen Entscheidung nicht beurteilen.

8

3. Im Weiteren tragen die Feststellungen des Landgerichts auch nicht die Erfüllung des Qualifikationstatbestandes des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Zwar ist zähflüssiges Teergemisch ein anderer gesundheitsschädlicher Stoff im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Es fehlt indes an einer „Beibringung“. Beibringen ist ein solches Einführen der Stoffe in oder Auftragen der Stoffe auf den Körper eines anderen, dass sie ihre schädigende Eigenschaft zu entfalten in der Lage sind. Bei der Anwendung des gesundheitsgefährdenden Stoffes „von außen“ erfordert ein „Einbringen“ im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB allerdings, dass die Schwere der hierdurch verursachten Gefahr für die Zerstörung der Gesundheit derjenigen bei „innerlicher“ Anwendung gleichkommt (BGH NJW 1960, 2254). Diese Voraussetzung ist hier durch die Verklebung der Haare des Tatopfers nicht erfüllt.

9

Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil milder ausgefallen wäre, wenn die Kammer diesen weiteren Qualifikationstatbestand der gefährlichen Körperverletzung nicht bejaht hätte, weshalb das Urteil auf diesem Fehler beruht.

10

4. Schließlich ist die Strafzumessung auch aus weiteren Gründen rechtsfehlerhaft. Der Strafausspruch hat zum einen keinen Bestand, weil die Kammer zu Lasten des Angeklagten dessen „hohe kriminelle Energie“ bei der Tatbegehung verwertet hat, ohne dass die tatsächlichen Anknüpfungspunkte für diese Wertung ersichtlich sind. Dies lässt es als möglich erscheinen, dass die Kammer hierbei Merkmale des Tatbestandes bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten herangezogen hat, die der Gesetzgeber bereits bei der Bestimmung des Strafrahmens als maßgeblich angesehen hat (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Körperverletzung 2). Auch die Erwägung, der Angeklagte habe die Tat „von langer Hand geplant“ findet in den Feststellungen keine Entsprechung.

11

Die Strafzumessung ist im Weiteren rechtsfehlerhaft, soweit die Kammer zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat, dass er eine Falschaussage seiner Mutter vor Gericht zugelassen habe. Da keine Anhaltspunkte dafür festgestellt werden könnten, dass der zur Sache schweigende Angeklagte einen Entlastungszeugen zu einer Falschaussage veranlasst hat, war er nicht verpflichtet, die Falschaussage zu verhindern oder auf eine Berichtigung hinzuwirken. Würde dieses Verhalten gleichwohl strafschärfend berücksichtigt, liefe dies auf eine Verpflichtung zur Selbstbelastung hinaus (BGH, StV 1994, 125).

12

5. Das angefochtene Urteil war daher auf die Revision des Angeklagten aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Revision an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuweisen.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen

This content does not contain any references.