Urteil vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (7. Zivilsenat) - 7 U 302/11
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das Teilendurteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 28. November 2011 wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Zwangsvollstreckung des Beklagten zu 1) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
- 1
Die Kläger begehren Ersatz für Schäden an ihrem Hausgrundstück, die durch Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück entstanden sind.
- 2
Die Kläger und der Beklagte zu 1) sind Grundstücksnachbarn in 6... Sch..., M...straße 4 und 6. Ihre Grundstücke bildeten ursprünglich eine Einheit, die zu einem nicht näher benannten Zeitpunkt geteilt wurde. Der ursprüngliche Eigentümer veräußerte im Jahr 2005 das Grundstück M...straße 4 mit dem ca. 1979 erbauten Haus an die Kläger. Später erwarb der Beklagte zu 1) den unbebauten zweiten Grundstücksteil (M...straße 6).
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Im Jahr 2006 begann der Beklagte zu 1) mit dem Bau eines Wohnhauses. Anschließend beauftragte er im Jahr 2007 den Beklagten zu 2), Inhaber eines Baubetriebs in Sch..., mit der Erstellung des Rohbaus für eine an das Wohnhaus anschließende Garage einschließlich der hierzu notwendigen Bodenarbeiten.
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Der Beklagte zu 2) führte die Arbeiten im November 2007 aus. Während der Ausschachtungsarbeiten entdeckten seine Mitarbeiter ein graues PVC-Rohr, welches in Richtung des klägerischen Grundstücks in ca. 20 bis 30 cm Tiefe lag. Die Mitarbeiter des Beklagten zu 2) untersuchten das Rohr, indem sie eine Eisenstange einführten, und gingen, als sie in Richtung des klägerischen Grundstücks auf Widerstand stießen, irrig davon aus, dass das Rohr hier ende bzw. durch einen Florwallring abgedichtet sei.
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Tatsächlich endete das Rohr jedoch nicht, sondern knickte rechtwinklig nach unten ab und führte unter der Stützmauer zwischen den Grundstücken hindurch in das Abwassersystem des klägerischen Hausanwesens.
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Die Mitarbeiter des Beklagten zu 2) deckten das aufgefundene Rohr lediglich mit einem Brett ab. Als sie die Betonarbeiten für die Garage auf dem Grundstück des Beklagten zu 1) ausführten, verschob sich das Brett, und es drang Beton in das Rohr ein. Der Beton lief in das Kanalsystem der Kläger und verstopfte schließlich ein Abwasserrohr vollständig. In der Folge funktionierte die Entwässerung des klägerischen Grundstücks nicht mehr, die im Bereich des Lichthofes vor der Kellerwohnung über einen Gully erfolgt und auch die Dachentwässerung umfasst. Mitte Dezember 2007 drang deshalb gestautes Wasser, das vom Lichthof nicht mehr abfließen konnte, in die klägerischen Kellerräume ein. Das Wasser stand im Kellerflur und im Gästezimmer, wobei der Estrich im Gästezimmer und im Vorflur nass wurde und der Laminatbelag im Gästezimmer beschädigt wurde.
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Wegen der Beschädigungen durch den Beton mussten die Entwässerungsleitungen und der Gully im Lichthof des klägerischen Anwesens erneuert werden.
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Die W... Versicherung AG, Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 2), wies unter dem 1. Februar 2008 gegenüber den Klägern Schadensersatzansprüche zurück, weil keine Pflichtverletzung des Beklagten zu 2) erkennbar sei.
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Am 4. Februar 2008 teilte das für die W... Versicherung tätige Versicherungsbüro A... und G... GmbH dieser mit, dass der Beklagte zu 2) das Rohr nicht ordentlich verschlossen und den Schaden verschuldet habe.
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Der Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 2) rechnete daraufhin mit Schreiben vom 2. April 2008 (Anlage K12, Anlagenband) eine Entschädigung ab. Darin ermittelte er einen Gesamtschaden von 11.111,00 €. Unter Anrechnung eines Mitverschuldens der Kläger von 60 % zahlte er diesen einen Betrag von 4.444,00 € aus.
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Die Kläger haben erstinstanzlich geltend gemacht:
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beide Beklagte seien für den Schaden an ihrem Anwesen verantwortlich.
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Der Beklagte zu 1) habe seine Sorgfaltspflichten als Bauherr verletzt. Denn er habe Kenntnis von der Freilegung der Kunststoffleitung gehabt und dennoch den Beklagten zu 2) nicht beauftragt, das Rohr näher zu untersuchen oder sicher zu verschließen. Vielmehr habe er dessen Mitarbeitern die falsche Auskunft erteilt, dass die Leitung nicht mehr benutzt werde.
- 14
Der Beklagte zu 2) habe gewusst, dass die Rohrleitung auf das Klägergrundstück führte. Zudem habe er bei den Bauarbeiten in unmittelbarer Nähe zur Grundstücksgrenze nicht die erforderliche Sorgfalt angewandt. Er habe die freigelegte Rohrleitung ungeachtet der Auskunft des Beklagten zu 1), die Leitung sei „tot“, näher untersuchen und geeignete Maßnahmen zur Schadensabwehr ergreifen müssen.
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Die Kläger haben ihren Schaden zuletzt mit insg. 17.125,87 € beziffert. Unter Abzug der Versicherungsleistung von 4.444,00 € berechnen sie ihren Anspruch mit 12.681,87 €. Bezüglich der Zusammensetzung der Schadensforderung wird auf den Schriftsatz der Kläger vom 15. November 2010, Bl. 287 f d. A., verwiesen. Den größten Posten bilden die Kosten für das neue Entwässerungssystem, das im Laufe des Rechtsstreits errichtet wurde (10.295,67 €, s. Anl. K15, Bl. 210 d. A., sowie das Angebot Anl. K14, Bl. 146 d. A.).
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Darüber hinaus begehren sie die Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner ihnen den weiteren Schaden zu ersetzen haben. Erstinstanzlich haben sie diesen Antrag auf Schäden durch eine etwaige Schimmelkontaminierung der Wärmedämmvorsatzschale auf der Innenseite der Außenwand im Untergeschoss ihres Hauses bezogen.
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Die Kläger wehren sich gegen den Vorwurf des Mitverschuldens: Einer etwaigen Schimmelkontaminierung hätten sie wegen der erforderlichen Schadensbegutachtung nicht durch frühere Trocknungsmaßnahmen entgegenwirken können.
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Nach Reduzierung des Zahlungsantrags (ursprünglich 13.272,10 € nebst Zinsen) mit Schriftsatz vom 15.11.2010 (Bl. 287 d. A.) haben die Kläger zuletzt beantragt:
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1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 12.681,87 € nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern sämtlichen Schaden zu ersetzen, welcher durch eine etwaige Schimmelkontaminierung der Wärmedämmvorsatzschale auf der Innenseite der Außenwand im Untergeschoss der Immobilie der Kläger entstanden ist.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
- 23
Der Beklagte zu 1) hat vorgetragen,
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er habe mit der Beauftragung einer anerkannten Fachfirma die ihm obliegenden Sorgfaltsmaßnahmen getroffen und sich darauf verlassen können, dass der Beklagte zu 2) die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen ergreife. Er habe von der Leitung nichts gewusst und auch nicht die Auskunft erteilt, die Leitung sei tot.
- 25
Die Kläger treffe erhebliches Mitverschulden, weil sie mit schadensmindernden Maßnahmen im Hinblick auf die Regulierung durch den Haftpflichtversicherer abgewartet hätten.
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Darüber hinaus bestreitet der Beklagte zu 1) die Angemessenheit der Schadensbeseitigungskosten und die Ersatzfähigkeit von Eigenleistungen.
- 27
Der Beklagte zu 2) hat unter anderem vorgetragen,
- 28
seine Mitarbeiter hätten von dem Beklagten zu 1) die Information erhalten, dass das bei der Ausschachtung aufgefundene Rohr nicht mehr gebraucht würde.
- 29
Die Kläger haben vor Einreichung ihrer Klage vom 8. Dezember 2008, eingegangen am 9. Dezember 2008 und dem Beklagten zu 1) zugestellt am 30. Dezember 2008, kein Mahnverfahren und kein Schlichtungsverfahren durchgeführt.
- 30
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 9. Juli 2009 darauf hingewiesen, dass der Beklagte zu 1) in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB haften könne. Es hat sodann den Beklagten zu 2) als Partei und die Zeugen K.-H. W., T. Sch. und V. Sch. vernommen und ein bautechnisches Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing (FH) B. H. vom 8. April 2010 sowie ein Ergänzungsgutachten vom 25. Februar 2011 eingeholt (Gutachten siehe Anlagen). Die Zeugenvernehmung ist nach Richterwechsel in der mündlichen Verhandlung vom 09. August 2011 wiederholt worden.
- 31
Der Einzelrichter der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau hat nach Zustimmung der Parteien am 11. Oktober 2011 das schriftliche Verfahren angeordnet. Mit Teilendurteil vom 28. November 2011, auf das im Übrigen zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wie auch wegen der Einzelheiten der Urteilsbegründung Bezug genommen wird, hat er die Klage gegen den Beklagten zu 1) als unzulässig abgewiesen.
- 32
Zur Begründung hat der Erstrichter im Wesentlichen ausgeführt, das obligatorische Schlichtungsverfahren nach § 15 a EGZPO und §§1, 2 Landesschlichtungsgesetz Rheinland-Pfalz sei nicht durchgeführt worden. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 e LSchlG sei die Schlichtung Voraussetzung für eine Klage über Ansprüche wegen der im Nachbarrechtsgesetz geregelten Nachbarrechte. Die Parteien stritten über einen Anspruch wegen der Beeinträchtigung einer gemeinschaftlichen Versorgungsleitung, deren Nutzung die §§ 26 bis 32 LNRG regelten, die nicht auf das Leitungsnotwegerecht beschränkt seien. Es handele sich um eine gemeinsame Leitung, auch wenn erst die nachträgliche Grundstücksteilung zum Nachbarschaftsverhältnis hinsichtlich der Leitung geführt habe. In die Prüfung sei zumindest § 31 LNRG mit einzubeziehen. Es genüge, dass die Vorschrift aus dem Nachbarrecht für den Interessenkonflikt von Bedeutung sei. Die subjektive Klagehäufung stehe der Notwendigkeit der außergerichtlichen Schlichtung im Verhältnis zu dem Beklagten zu 1) nicht entgegen.
- 33
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge gegen den Beklagten zu 1) weiterverfolgen.
- 34
Die Kläger tragen vor:
- 35
Die angegriffene Entscheidung beruhe auf einer Rechtsverletzung, weil das Landgericht irrig von der Unzulässigkeit der gegen den Beklagten zu 1) gerichteten Klage ausgegangen sei. Ein Schlichtungsverfahren sei nicht durchzuführen gewesen, weil es sich nicht um eine nachbarrechtliche Streitigkeit handele.
- 36
Insbesondere sei die Leitung keine gemeinsame Versorgungsleitung im Sinne der §§ 26 ff. LNRG gewesen. Es habe sich lediglich um ein nicht genutztes Leerrohr gehandelt. §§ 26 ff. LNRG erfassten zudem nur Leitungsnotwege für Wasserversorgungs- und Entwässerungsleitungen. Die Vorschrift des § 31 LNRG sei nicht einschlägig. Auch habe das Gericht in seinem Hinweisbeschluss vom 31.08.2011 hierauf nicht hingewiesen.
- 37
Schließlich sei ein Schlichtungsverfahren wegen § 3 Abs. 1 LSchlG in Verbindung mit der Schiedsamtsordnung nicht erforderlich gewesen. § 31 Abs. 3 Nr. 1 SchO sehe die Ablehnung des Sühneversuchs vor, wenn für die Klageerhebung die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts begründet wäre.
- 38
Die Kläger beantragen,
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1. unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des LG Landau in der Pfalz vom 28. November 2011 (Az.: 2 O 385/08) den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
- 40
2. im Falle einer eigenen Sachentscheidung des Berufungsgerichts das angefochtene Teil-Endurteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 28. November 2011 (Az.: 2 O 385/08) abzuändern und wie folgt zu entscheiden:
- 41
a) Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Kläger 12.681,87 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 42
b) Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, den Klägern sämtlichen Schaden zu ersetzen, welcher durch die Einleitung von Beton am 14. Dezember 2007 in das auf dem Grundstück der Kläger befindliche Rohrleitungssystem entstanden ist.
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Der Beklagte zu 1) beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
- 45
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe und betont, dass das betroffene Leerrohr eine wesentliche Funktion hinsichtlich der Entwässerung der Grundstücke, insbesondere des Kellergeschosses des klägerischen Anwesens innegehabt habe.
II.
- 46
Die Berufung der Kläger gegen den Beklagten zu 1) ist zulässig, führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg.
A.
- 47
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
- 48
Das Feststellunginteresse für den Feststellungsantrag Ziff. 2 ist gegeben. Dem Vorrang der Leistungsklage ist entgegenzuhalten, dass eine Bezifferung des Anspruchs ohne eine aufwendige Begutachtung (Öffnung der Wärmedämm-Vorsatzschale) nicht möglich ist.
- 49
Auch die Klageänderung hinsichtlich des Feststellungsantrags Ziff. 2 ist zulässig. Es liegt eine Antragsänderung vor, wobei der Streitgegenstand lediglich ergänzt wird durch die Erstreckung der begehrten Feststellung auch auf andere als mögliche Schimmelschäden. Somit kommt es auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Einwilligung oder Sachdienlichkeit (§ 533 Nr. 1 ZPO) wegen § 264 Ziff. 2 ZPO nicht an. Die gemäß § 533 Nr. 2 ZPO zu erfüllenden Voraussetzungen des § 529 ZPO sind gegeben; der Feststellungsantrag bzgl. des auf dieselben Tatsachen gestützten Schadensersatzanspruchs ist lediglich weniger einschränkend gefasst worden.
B.
- 50
Die Berufung ist unbegründet.
- 51
Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage gegen den Beklagten zu 1) unzulässig ist, weil die Kläger das zwingend vorzuschaltende Schlichtungsverfahren nach dem Landesschlichtungsgesetz Rheinland-Pfalz (LSchlG) vor Klageerhebung nicht durchgeführt haben.
- 52
Nach §§ 15 a Abs. 1 S. 1 EGZPO in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1, 2 LSchlG RP ist, wenn die Parteien ihren Wohnsitz in Rheinland-Pfalz innerhalb desselben Landgerichtsbezirks haben, die Erhebung einer Klage u.a. dann erst nach Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zulässig, wenn es sich um nachbarrechtliche Streitigkeiten der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 LSchlG genannten Art handelt.
I.
- 53
Allerdings dürfte sich das Schlichtungserfordernis vorliegend nicht aus § 15 a Abs. 1 Nr. 2 EGZPO in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 e) LSchlG ergeben, wie es das Erstgericht angenommen hat. Die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche unterfallen nicht § 1 Abs. 1 Nr. 1 e) LSchlG, weil die Parteien nicht um -Ansprüche wegen der im Landesnachbarrechtsgesetz geregelten Nachbarrechte- streiten.
- 54
1. Eine Rechtsstreitigkeit über Ansprüche wegen im Nachbarrechtsgesetz geregelter Rechte ist gegeben, wenn dieses Gesetz Regelungen enthält, die für den Interessenkonflikt der Nachbarn im konkreten Fall von Bedeutung sind (BGH NJW-RR 2005, 501). Denn erst durch die Zusammenschau aller gesetzlichen Regelungen des Nachbarrechts, das sich als Bundesrecht im BGB findet (§§ 906 ff. BGB) und in den Rechtsvorschriften der landesrechtlichen Nachbargesetze enthalten ist, werden Inhalt und Schranken der Eigentümerstellung bestimmt (BGH a.a.O.; NJW-RR 2000, 537). Nur in dem hiernach gegebenen Rahmen kann ein Eigentümer sich gegen eine von einem Nachbargrundstück ausgehende Beeinträchtigung zur Wehr setzen oder verpflichtet sein, diese zu dulden (BGH NJW-RR 2005, 501; NJW-RR 2000, 537). Die auf Grundlage von Art. 124 EGBGB erlassenen landesrechtlichen Vorschriften ergänzen insofern die Eigentumsbeschränkungen des BGB.
- 55
2. Allein der Umstand, dass der bei den Bauarbeiten auf dem Grundstück des Beklagten zu 1) abgelaufene Beton durch ein Rohr floss, das auf beiden Grundstücken der Parteien verlief und mit der Entwässerung des klägerischen Anwesens verbunden war, führt noch nicht dazu, dass die Streitigkeit zwischen den Parteien aus einer Vorschrift des LNRG resultiert.
- 56
In Betracht kommt zwar die Anwendung der §§ 26 ff. LNRG, die die Duldung von Versorgungsleitungen und somit ein Leitungsnotwegerecht für Wasserversorgungs- und Entwässerungsleitungen regeln (vgl. Hülbusch, Kommentar zum Nachbarrechtsgesetz Rheinland-Pfalz, 6. Aufl. 2005, Einführung §§ 26-33 Rn. 2; Reich, Landesnachbarrechtsgesetz für Rheinland-Pfalz, 2007, § 26 Rn. 1).
- 57
Allerdings steht eine Duldungspflicht hinsichtlich einer Wasserversorgungs- bzw. Abwasserleitung hier nicht zur Diskussion. Ebensowenig geht es um einen Verstoß des Beklagten zu 1) gegen §§ 26 ff. LNRG. Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Leitungsnotrechts, wie sie in §§ 26 ff. LNRG geregelt sind (vgl. Dehner, Nachbarrecht, B § 27, V. 3. c), durch eine der Parteien sind weder ersichtlich noch dargetan. Auch das Erstgericht geht nicht von einem Leitungsnotwegerecht aus.
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a) Eine Duldungspflicht der Kläger bezüglich des Rohres ist für den Rechtsstreit unerheblich, insbesondere für eine Pflicht zur Duldung von Einwirkungen durch eindringenden Beton. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Verlegung der Leitung auf dem Grundstück der Kläger zum Anschluss des Beklagtengrundstücks an das Versorgungs- oder Entwässerungsnetz erforderlich gewesen wäre.
- 59
b) Eine Duldungspflicht des Beklagten zu 1) aus §§ 26 ff. LNRG kommt ebenfalls nicht in Betracht.
- 60
Zwar kann die nachtägliche Parzellierung eines Gesamtgrundstücks zu einem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis führen, in dem sich Rechte und Pflichten nach den §§ 26 ff. LNRG ergeben, beispielsweise wenn dadurch vorhandene Gebäude rechtlich von ihrer bisherigen Abwasserversorgung abgeschnitten werden (vgl. Hülbusch, a.a.O., § 26 Rn. 1 unter Hinweis auf BGH NJW 2003, 1392).
- 61
Eine Leitung nach § 26 LNRG liegt jedoch nicht vor. Dass der Anschluss des klägerischen Grundstücks an das Wasserversorgungs- oder Entwässerungsnetz eine Leitung durch das (jetzige) Grundstück des Beklagten zu 1) erfordert hätte, wird nicht behauptet und ist nicht ersichtlich: Weder erfolgte die Wasserversorgung noch die Abwasserentsorgung des klägerischen Grundstücks über das Beklagtengrundstück, insbesondere nicht durch das streitgegenständliche Leerrohr. Allein dass ein Rohr, das auf dem Beklagtengrundstück liegt, an die Entwässerungsleitungen des klägerischen Anwesens angeschlossen ist, führt noch nicht zu Duldungspflichten nach §§ 26 ff. LNRG, auch wenn die §§ 26 ff. LNRG auch für die Duldung bereits vorhandener Leitungen gelten (vgl. Reich, a.a.O., § 26 Rn.1).
- 62
Zudem steht kein Anspruch auf Duldung des Anschlusses an bereits vorhandene Leitungen nach § 26 Abs. 2 LNRG in Rede. Ein solcher kommt in Betracht, wenn auf dem betroffenen Grundstück bereits Leitungen liegen, die auch zur Versorgung des berechtigten Grundstücks ausreichen würden. Denn der Anschluss nach § 26 Abs. 2 LNRG ist lediglich die - unter den gleichen, hier nicht erfüllten Voraussetzungen stehende - zwingende Alternative zu einem Hindurchführen der Versorgungsleitung durch das betroffene Grundstück nach § 26 Abs. 1 LNRG.
- 63
Schließlich scheidet auch ein Anschlussrecht des Duldungspflichtigen nach § 29 Abs. 1 LNRG aus, der danach seinerseits an Leitungen anschließen darf, die er zu dulden verpflichtet ist. Denn § 29 Abs. 1 LNRG knüpft an den Tatbestand des § 26 Abs. 1 LNRG an und gewährt dem Eigentümer zum Ausgleich der Duldungspflicht aus § 26 LNRG gewisse Anschlussmöglichkeiten (vgl. Hülbusch, a.a.O., § 29 Rn. 1 und 2).
- 64
c) Handelt es sich aber schon gar nicht um nach § 26 Abs. 1 LNRG verlegte Leitungen, nach § 26 Abs. 2 LNRG hergestellte Anschlussleitungen oder um den Anschluss an bereits verlegte Leitungen nach § 29 Abs. 1 LNRG, kommt auch ein Anspruch nach § 31 LNRG nicht in Betracht (vgl. Hülbusch, a.a.O., § 31 Rn. 2). Dieser gewährt u.a. ein Beseitigungsrecht beim nachträglichen Auftreten von erheblichen Belästigungen durch die auf fremdem Grund verlaufenden Leitungen.
- 65
Es steht auch nicht in Rede, dass es sich bei den schädigenden Ereignissen um Beseitigungsmaßnahmen nach § 31 Abs. 2 LNRG gehandelt hätte.
- 66
3. Danach sind die Vorschriften des LNRG für den Interessenkonflikt zwischen den Klägern und dem Beklagten zu 1) nicht von Bedeutung.
II.
- 67
Der Rechtsstreit zwischen den Klägern und dem Beklagten zu 1) ist dem obligatorischen Schlichtungsverfahren jedoch nach § 15 a Abs. 1 Nr. 2 EGZPO in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 a) LSchlG unterworfen. Danach ist ein Güteversuch auch in Streitigkeiten über Ansprüche wegen der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen erforderlich, soweit es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt.
- 68
1. Um Einwirkungen aus einem gewerblichen Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 a) LSchlG geht es vorliegend nicht, da die Einwirkungen nicht von dem Beklagten zu 1) als Gewerbetreibendem ausgingen. Dass der ausführende Bauunternehmer, der Beklagte zu 2), gewerblich gehandelt hat, ist unerheblich. Denn der Grund für den Ausschluss entsprechender gewerblicher Einwirkungen vom Nachbargrundstück von der Notwendigkeit der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens liegt darin, dass dabei der persönliche Aspekt zwischen den Prozessparteien, der die nachbarlichen Beziehungen prägt, in der Regel keine Rolle spielt (vgl. MüKoZPO-Gruber, 3. Aufl. 2008, § 15 a EGZPO Rn. 22; dazu auch Erdel, MDR 2005, 721, 723).
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2. Zwar handelt es sich bei den Einwirkungen auf das klägerische Grundstück durch Eindringen von Beton in das Abwassersystem nicht um von § 906 BGB direkt erfasste Immissionen. Denn § 906 BGB erfasst keine größeren festkörperlichen Gegenstände („Grobimmissionen“, z.B. BGH NJW 1990, 1910: Schrotblei), sondern mit Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch und Erschütterungen solche Immissionen, die in ihrer Ausbreitung weitgehend unkontrollierbar und unbeherrschbar sind.
- 70
„Ähnliche Einwirkungen“ müssen demnach auf der Zuführung unkörperlicher oder leichter körperlicher Stoffe beruhen (Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 6. Aufl. 2011, § 906 Rn. 6 f.). Die Zufuhr von Beton als grobkörperlicher Masse kann hierunter nicht gefasst werden.
- 71
Somit können die Kläger ihr Begehren nicht auf § 906 BGB stützen, auch wenn diese Vorschrift in Abs. 2 S. 2 einen Entschädigungsanspruch als Ausgleich für den durch die Duldungspflicht ausgeschlossenen Abwehranspruch gewährt.
- 72
3. Vorliegend kommt als Grundlage der klägerischen Ansprüche gegen den Beklagten zu 1) allerdings ein nachbarlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog in Betracht („Aufopferungsentschädigungsanspruch“). Dieser greift auch bei anderen Einwirkungen als denen nach § 906 BGB ein, so bei Grobimmissionen, wenn der Betroffene aus besonderen Gründen gehindert war, die Störung zu unterbinden, beispielsweise aus „faktischem Duldungszwang“.
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Ob die Ermächtigung des § 15 a Abs. 1 Nr. 2 EGZPO eine entsprechend weite Auslegung ihres Anwendungsbereichs und der entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften, hier § 1 Abs. 1 Nr. 1 LSchlG, deckt und nicht nur dem Wortlaut des § 15 a EGZPO folgend, Ansprüche und nach § 906 BGB im Sinne der in den genannten Vorschriften selbst normierten Ansprüche erfasst, sondern auch solche Ansprüche, die sich aus einem Verstoß gegen die genannten Bestimmungen ergeben, sodass neben Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen auch Schadensersatzansprüche nach § 823 BGB, Aufwendungsersatzansprüche nach § 812 Abs. 1 BGB oder aus GoA in Verbindung mit den aufgeführten Vorschriften und ebenso der nachbarliche Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog der Schlichtung unterliegen könnten, ist streitig (vgl. zum Streitstand betreffend Ansprüche aus dem Nachbarrecht nach §§ 910, 911 BGB - BGH NJW-RR 2009, 1238 m.w.N.; Auslegung des § 15 a Abs. 1 Nr. 2 EGZPO dort wie auch in BGH NZM 2012, 435 offen gelassen).
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a) Daraus, dass die in § 15 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGZPO genannten Vorschriften (§§ 910, 911, 923, 906 BGB sowie landesrechtliche Vorschriften im dortigen Sinne) nicht durchweg Ansprüche enthalten, wird in weiter Auslegung der Norm überwiegend gefolgert, dass die genannten nachbarrechtlichen Streitigkeiten unabhängig von der jeweiligen materiellrechtlichen Anspruchsgrundlage unter § 15 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGZPO fallen (vgl. MüKoZPO-Gruber, a.a.O., Rn. 23).
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Somit können Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche ebenso wie bereicherungsrechtliche oder deliktische Ansprüche, die mit der nachbarrechtlichen Streitigkeit eng verbunden sind, grundsätzlich dem Schlichtungserfordernis unterfallen (vgl. BGH a.a.O.; BVerfG NJW-RR 2009, 1026 unter billigendem Hinweis auf die Begründung in OLG Frankfurt, OLGR 2008, 814; OLG Köln, OLGR 2006, 406; AG Nürnberg, MDR 2002, 1189; Prütting/Gehrlein-Wegen/Barth, ZPO, 3. Aufl. 2011, § 15 a EGZPO Rn. 4; Prütting-Schmidt, Außergerichtliche Streitschlichtung, 2003, Rn. 121 ff.; a.A. bzgl. deliktischer Ansprüche Zöller-Heßler, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 15 a EGZPO Rn. 5).
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Mithin können auch solche vermögensrechtlichen Ansprüche der Schlichtung unterworfen werden, die aus den nachbarrechtlichen Vorschriften erwachsen.
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b) Für die Einbeziehung auch der Ansprüche nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog in die Auslegung des Anspruchs nach § 906 BGB bzw. der Streitigkeiten über Ansprüche wegen der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen spricht, dass dies der Intention des Gesetzgebers entspricht, den Nachbarstreit insgesamt und einheitlich der Schlichtung zu unterwerfen (vgl. Götz, MittBayNot 2000, Sonderheft zu Ausg. 4, S. 37 ff., 39, 40; Prütting-Schmidt, a.a.O., Rn. 121-123).
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Zudem wäre der Anwendungsbereich der nachbarrechtlichen Streitschlichtung nach § 15 a Abs. 1 Nr. 2 EGZPO sonst eher begrenzt. Auch bezeichnet bereits die Gesetzesbegründung die Streitigkeiten, die der Schlichtung unterfallen sollen, mit der gleichen Formulierung wie die umsetzenden Landesgesetze als Streitigkeiten wegen Überwuchses nach § 910 BGB und wegen der in § 906 geregelten Einwirkungen (BT-Drs. 14/980 vom 04.05.1999). Dies macht deutlich, dass der Gesetzeswortlaut Ansprüche nach mehr umfasst als die in den jeweiligen Vorschriften enthaltenen Anspruchsgrundlagen (vgl. auch Prütting-Schmidt, a.a.O. Rn. 121).
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c) Danach kann als Anspruch wegen der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen nicht nur der Entschädigungsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB gelten, sondern darüber hinaus neben Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüchen nach § 1004 Abs. 1 BGB und Schadensersatzansprüchen gemäß § 823 BGB ebenso der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB (vgl. Prütting-Schmidt, a.a.O. Rn. 121; das Erfordernis eines Schlichtungsverfahrens bejahend auch OLG Saarbrücken, Urt. v. 30.08.2011 - 4 U 424/10).
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Soweit das LG Mannheim für die entsprechende Vorschrift im baden-württembergischen Schlichtungsgesetz (§ 1 Abs. 1 S. 2 a BWSchlG: Ansprüche wegen der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen) ein Schlichtungserfordernis für den Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog ablehnt (LG Mannheim, Urt. v. 20.01.2006 - 1 S 178/05, zit. n. juris), weil kein besonderes Bedürfnis bestehe, durch die analoge Anwendung den Ausgleich eines eingetretenen Schadens zwischen Nachbarn einer obligatorischen Streitschlichtung zuzuführen, würde sich diese Argumentation gegen jedwede Einbeziehung von Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen in die obligatorische Streitschlichtung richten und überzeugt vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen nicht.
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Schließlich dient die analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB auf rechtswidrige Grobimmissionen, die aus tatsächlichen Gründen nicht rechtzeitig abgewehrt werden können, wie die unmittelbare Anwendung der Vorschrift dem Ausgleich gleichrangiger Nachbarinteressen als Ausdruck der Situationsgebundenheit der Grundstücke und beruht auf dem Gedanken, dass im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis der betroffene Eigentümer oder Nutzer bei einer nicht abwehrbaren, vom Nachbargrundstück ausgehenden rechtswidrigen Einwirkung auf sein Grundstück nicht schlechter stehen darf als bei einer rechtmäßigen Einwirkung (BGH Urt. v. 30.05.2003 - V ZR 37/02, juris Rn. 11). In solchen „technischen Unfallschadensfällen“ geht es um die Haftung für rechtswidrige Störungen aus einer bestimmungsmäßigen Grundstücksnutzung, die von dem beeinträchtigten Nachbarn aus tatsächlichen Gründen nicht abgewehrt werden können, und damit - entgegen der Auffassung der Kläger - durchaus um einen typisch nachbarrechtlichen Nutzungskonflikt, der zwar in § 906 Abs. 2 BGB nicht geregelt ist, aber vom Regelungsplan des Gesetzgebers her zum gleichen Abwägungsergebnis geführt hätte (BGH a.a.O., juris Rn. 12).
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4. Die Durchführung einer vorherigen Schlichtung ist auch nicht deswegen entbehrlich, weil über eine Zahlungsklage zu entscheiden ist. Dass für Rheinland-Pfalz ein Schlichtungsversuch für Zahlungsansprüche generell nicht erforderlich ist, lässt sich entgegen der Auffassung der Kläger dem LSchlG nicht entnehmen.
- 83
a) Dies folgt nicht aus den Urteilen des 5. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes vom 10. Juli 2009 (NJW-RR 2009, 1238) und vom 2. März 2012 (NZM 2012, 435). Danach gilt die Anordnung der obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung in Hessen und in Nordrhein-Westfalen generell nicht für Zahlungsansprüche, auch wenn es sich um Ansprüche aus dem Nachbarrecht handelt.
- 84
Hintergrund ist, dass im HessSchlG a.F. wie auch im GüSchlG NRW a.F. zunächst auch von der Ermächtigung des § 15 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGZPO Gebrauch gemacht und die Schlichtung in vermögensrechtlichen Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche im Wert bis 750,00 € (bzw. bis 600,00 € in NRW) angeordnet worden war.
- 85
Diesen Passus hat der hessische Gesetzgeber im Jahre 2005 aufgehoben mit der Begründung, dass durch Herausnahme der Zahlungsansprüche das Ausweichen in das Mahnverfahren, durch das eine weitgehende Umgehung der Schlichtung erfolgt sei, nicht länger ermöglicht werden solle (Hessischer Landtag, Drs. 16/4132, Begründung A. und B.).
- 86
Auch der nordrhein-westfälische Gesetzgeber hat durch Gesetz vom 20. November 2007 die obligatorische Streitschlichtung für vermögensrechtliche Streitigkeiten über Ansprüche mit geringem Streitwert aufgehoben.
- 87
Entsprechend hat das OLG Hamm mit Urteil vom 06.06.2011 (BeckRS 2011, 21895) für das Gütestellen- und Schlichtungsgesetz NRW entschieden, dass die Streichung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 GüSchlG NRW, die wie die Streichung der entsprechenden Vorschrift in Hessen die vermögensrechtlichen Streitigkeiten aus dem Anwendungsbereich des Ausführungsgesetzes zu § 15 a EGZPO herausnehmen sollte, dazu führe, dass bei der Geltendmachung von Zahlungsansprüchen auch im Nachbarrecht keine obligatorische Streitschlichtung mehr stattzufinden habe.
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Der Bundesgerichtshof geht für Nordrhein-Westfalen von derselben Rechtslage aus , wie er sie für Hessen herausgearbeitet hat (BGH MDR 2012, 579; NJW-RR 2008, 1662), nämlich dass ein Schlichtungsversuch nicht für Zahlungsklagen vorgesehen sei, weil der Landesgesetzgeber mit der gleichen Begründung wie in Hessen die Regelung zur Einbeziehung der vermögensrechtlichen Streitigkeiten mit einem Streitwert bis zu 600,00 € aufgehoben habe.
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b) Zum einen hat allerdings der nordrhein-westfälische Gesetzgeber in seiner Begründung B. der Änderung des Ausführungsgesetzes zu § 15 a EGZPO auch ausgeführt, dass durch die Streichung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 GüSchlG NRW für allgemeine vermögensrechtliche Streitigkeiten in Zukunft keine obligatorische Streitschlichtung mehr vorgesehen sei (LT-Drs. 14/4975 S. 9). Dies ließe auch die Interpretation zu, dass vermögensrechtliche Streitigkeiten im Bereich des der Schlichtung unterworfenen Nachbarrechts weiterhin schlichtungsbedürftig sein sollten.
- 90
c) Zum anderen findet sich in Rheinland-Pfalz eine andere Ausgangslage. Hier ist von vornherein von der durch § 15 a Abs. 1 Nr. 1 EGZPO eröffneten Möglichkeit, die Schlichtung - für vermögensrechtliche Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 750 Euro nicht übersteigt - vorzusehen, kein Gebrauch gemacht worden.
- 91
Daraus dürfte nach Auffassung des Senates nicht der Schluss zu ziehen sein, dass wie in Hessen oder NRW hier Zahlungsansprüche per se der Schlichtung entzogen werden sollten.
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Dem Wortlaut des LSchlG allein lässt sich dies nicht entnehmen. So hat auch erst die Änderung der beiden o.g. Landesgesetze und deren Begründung die Gerichte zu der oben erwähnten Interpretation veranlasst.
- 93
In der Begründung des Gesetzentwurfes zum LSchlG Rheinland-Pfalz (LT-Drs. 15/2248 vom 27.05.2008) findet sich ebenfalls kein Hinweis darauf, dass diese Folge, der Ausschluss sämtlicher Zahlungsklagen aus dem Schichtungsverfahren, bezweckt war. Zwar ist zu beachten, dass das rheinland-pfälzische Schlichtungsgesetz erst im Jahre 2008 verabschiedet wurde und damit nach Einführung und insbesondere nach Abänderung der beiden vergleichsweise herangezogenen Landesgesetze. Die Begründung des rheinland-pfälzischen Gesetzentwurfs (LT-Drs. 15/2248) nimmt ausdrücklich Bezug auf die bisherigen Erfahrungen der anderen Bundesländer und insbesondere darauf, dass sich die Einführung der Schlichtung insbesondere in den Bereichen Nachbarrecht und Ehrverletzung bewährt habe. Auch die von § 15 a EGZPO unberührt gelassene Möglichkeit, über das Mahnverfahren an einen Vollstreckungstitel zu gelangen, wurde allerdings gesehen (LT-Drs. 15/2248 S. 6), ohne dass damit eine generelle Ausklammerung von Zahlungsklagen aus der Schlichtung begründet worden wäre. Die in der Gesetzesbegründung erfolgte Gegenüberstellung der Vergleichsquoten bei Nachbarrechtsstreitigkeiten und Ehrverletzungsstreitigkeiten einerseits und bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten andererseits (LT-Drs. 15/2248 S. 6) lässt ebenfalls nicht den Schluss zu, dass jegliche vermögensrechtliche Streitigkeit aus dem Anwendungsbereich der Schlichtung herausgenommen werden sollte.
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Insofern ist die Schlussfolgerung, ein Schlichtungsverfahren sei für auf Zahlung gerichtete Klagen generell nicht durchzuführen, wenn das Landesschlichtungsgesetz für vermögensrechtliche Ansprüche kein Schlichtungserfordernis enthalte (vgl. in diese Richtung Deckenbrock/Jordans, MDR 2009, 1202, 1205), zu pauschal.
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Dies dürfte nur dann zutreffen, wenn aus den Umständen, vor allem der Gesetzesbegründung, eindeutig hervorgeht, dass sämtliche Zahlungsklagen, auch solche, die aus nachbarrechtlichen Streitigkeiten erwachsen, der obligatorischen Schlichtung entzogen sein sollen.
- 96
5. Somit unterliegt die vorliegende Streitigkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 a) LSchlG der obligatorischen Streitschlichtung.
III.
- 97
Entgegen der Auffassung der Kläger war ein Schlichtungsverfahren nicht wegen der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts für die Klage entbehrlich.
- 98
1. Der sachliche Anwendungsbereich der obligatorischen Streitschlichtung nach § 15 a EGZPO ist nicht auf Streitigkeiten beschränkt, die in die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts fallen. Auch das LSchlG RP sieht eine derartige Beschränkung nicht vor.
- 99
2. Das Schlichtungserfordernis ist auch nicht wegen § 31 Abs. 3 Schiedsamtsordnung (SchO) entfallen. Diese Vorschrift gewährt der Schiedsperson die Möglichkeit („soll“), die Durchführung des Schiedsverfahrens abzulehnen, wenn für eine Klage die Zuständigkeit des Landgerichts gegeben wäre (§ 31 Abs. 3 Nr. 1 SchO). Unter den Voraussetzungen des Abs. 3 darf die Schiedsperson nicht verhandeln (PdK Rh-Pf-Schmidt, Stand: März 2005, § 31 SchO Erl. 4.).
- 100
Zwar wurde durch § 3 LSchlG unter anderem der Schiedsperson das Schlichtungsverfahren übertragen, welche dieses nach Maßgabe der für sie geltenden Verfahrensordnung durchführt. § 31 Abs. 3 Nr. 1 SchO soll jedoch auf das obligatorische Streitschlichtungsverfahren ausweislich der Gesetzesbegründung keine Anwendung finden (vgl. LT-Drs. 15/2248 S. 7). Denn die Schlichtung erfasst sämtliche Streitigkeiten des § 1 Abs. 1 LSchlG unabhängig davon, ob sie in den sachlichen Zuständigkeitsbereich des Amts- oder des Landgerichts fallen.
- 101
Zudem hätte die Ablehnung der Durchführung eines Schiedsverfahrens unter Verweis auf § 31 Abs. 3 Nr. 1 SchO zur Folge, dass auch keine Erfolglosigkeitsbescheinigung gem. § 4 LSchlG ausgestellt würde, von deren Einreichung nach § 15 a Abs. 1 S. 2 EGZPO die Zulässigkeit der Klage abhängt (vgl. BGH WuM 2010, 43; gegen die Anwendbarkeit von § 31 Abs. 3 Nr. 1 SchO auf das obligatorische Schlichtungsverfahren mit dieser Argumentation auch Treese, SchAZtg 2011, 220 ff.).
IV.
- 102
Das am 19. September 2008 verkündete LSchlG ist gem. § 5 LSchlG am 1. Dezember 2008 in Kraft getreten, so dass das Gesetz auf die am 30. Dezember 2008 erhobene Klage gegen den Beklagten zu 1) Anwendung findet.
V.
- 103
Die subjektive Klagehäufung lässt die Notwendigkeit der Schlichtung im Verhältnis zu dem Beklagten zu 1) nicht entfallen, wie der Erstrichter zutreffend ausgeführt hat.
- 104
Die Zielsetzung der Öffnungsklausel des § 15 a EGZPO, angesichts des ständig steigenden Geschäftsanfalls bei den Gerichten Institutionen zu fördern, die im Vorfeld der Gerichte Konflikte beilegen, und neben der Entlastung der Justiz durch eine Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen Konflikte rascher und kostengünstiger zu bereinigen, kann nur erreicht werden, wenn § 15 a EGZPO konsequent derart ausgelegt wird, dass die Rechtsuchenden und die Anwaltschaft in den durch Landesgesetz vorgegebenen Fällen vor Anrufung der Gerichte auch tatsächlich den Weg zu den Schlichtungsstellen beschreiten müssen (BGH NJW 2005, 437; NJW-RR 2009, 1239).
- 105
Gemäß dieser Überlegung entfällt auch das Schlichtungserfordernis nicht, wenn ein schlichtungsbedürftiger Antrag im Wege der objektiven Klagehäufung mit einem nicht schlichtungsbedürftigen Antrag verbunden wird (BGH NJW-RR 2009, 1239).
- 106
Dieselben Überlegungen wie bei der objektiven Klagehäufung sind maßgeblich für die Frage, ob das Schlichtungserfordernis aufgrund einer subjektiven Klagehäufung entfallen kann (BGH NJW-RR 2010, 1725). Infolgedessen muss jedenfalls im Falle der einfachen Streitgenossenschaft der Beklagten, zu denen jeweils ein gesondertes Prozessrechtsverhältnis besteht, die besondere Prozessvoraussetzung eines obligatorischen Streitschlichtungsverfahrens hinsichtlich des einzelnen Streitgenossen vorliegen (BGH a.a.O.).
VI.
- 107
Demnach war die Klage gegen den Beklagten zu 1) wegen Fehlens der besonderen Prozessvoraussetzung eines vorangegangenen Schlichtungsversuchs als unzulässig abzuweisen. Eine Nachholmöglichkeit nach Klageerhebung ist aufgrund des Wortlauts und der Zielsetzung des § 15 a EGZPO sowie nach Sinn und Zweck des obligatorischen Schlichtungsverfahrens, durch eine konsequente Inanspruchnahme der Schlichtungsstellen Konflikte außergerichtlich rascher und kostengünstiger zu bereinigen und so auch die Entlastung der Justiz zu fördern, ausgeschlossen (BGH NJW 2005, 437; NJW-RR 2010, 1725).
VII.
- 108
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 100 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
VIII.
- 109
Die Zulassung der Revision ist gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO geboten.
- 110
Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, da die Erforderlichkeit landesrechtlich vorgesehener Schlichtungsverfahren bei Zahlungsklagen in den letzten Jahren verschiedentlich Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen war und weitere Entscheidungen zu diesem Thema zu erwarten sind.
- 111
Die Frage, ob die bundesrechtliche Ermächtigung in § 15 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGZPO Zahlungsansprüche überhaupt und nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB im Speziellen erfasst, ist obergerichtlich bisher noch nicht geklärt. Dies konnte in den bisherigen Entscheidungen (BGH Urt. vom 10. Juli 2009, Az.: V ZR 69/08; Urt. vom 2. März 2012, Az.: V ZR 169/11) offen bleiben.
- 112
Im Hinblick auf derartige Zahlungsklagen sind weitere Verfahren zu erwarten, so dass auch zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich erscheint.
- 113
Streitwertbeschluss
- 114
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 14.681,87 EUR festgesetzt.
- 115
Davon entfallen 12.681,87 EUR auf den Zahlungsantrag Ziff. 1 und 2.000,00 EUR auf den Feststellungsantrag Ziff. 2.
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Referenzen
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