Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (3. Zivilsenat) - 3 W 147/13
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird festgesetzt auf 8395,90 €.
Gründe
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Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 46 Abs. 2, 2. Alternative, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässig. In der Sache führt es nicht zum Erfolg. Die Kammer hat das Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 23. September 2013 mit dem angefochtenen Beschluss vom 31. Oktober 2013 mit zutreffender Begründung zurückgewiesen.
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Im Einzelnen gilt Folgendes:
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Gemäß § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Entscheidend ist, ob von dem Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung genügend objektive Gründe vorliegen, die die Befürchtung wecken könnten, der Richter stehe dem Rechtsstreit nicht mehr unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. etwa BGH NJW 1995, 1677; Vollkommer in: Zöller, ZPO, 29. Auflage 2012, § 42 Rn. 9). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
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Die Beklagten stützen ihr Ablehnungsgesuch im Wesentlichen darauf, der Richter sei wegen der Erteilung eines schriftlichen Hinweises vom 22. Juli 2013 im Nachgang zur öffentlichen Sitzung vom 18. Juli 2013 sachlich voreingenommen. Er habe hierdurch einseitig zu Gunsten einer Prozesspartei, nämlich des Klägers, einen für die Beklagtenseite nachteiligen tatsächlichen Gesichtspunkt in das Verfahren eingeführt, der zuvor von keiner der Parteien angesprochen gewesen sei. Diese Tatsachen seien auch weder „allgemeinkundig“, noch sei erkennbar, aus welchem Grund der Richter sich diese Erkenntnisse verschafft habe. Hierzu habe er sich auch in der dienstlichen Stellungnahme vom 7. Oktober 2013 nicht geäußert.
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Zutreffend ist die Kammer in ihrem Beschluss vom 31. Oktober davon ausgegangen, dass dies eine Ablehnung nicht rechtfertigt. Zwar kann auch das Verhalten eines Richters bei der Leitung des Verfahrens, zu der auch die Erteilung von rechtlichen Hinweisen gehört, grundsätzlich eine Besorgnis der Befangenheit begründen. Jedoch ist dies nur dann der Fall, wenn sein Handeln ausreichender gesetzlicher Grundlage entbehrt, offensichtlich unhaltbar ist und sich von normalerweise geübten Verfahren so weit entfernt und als so grob fehlerhaft darstellt, dass es willkürlich erscheint (BVerfGE 29, 45; Gehrlein in: MüKo ZPO, § 42 Rn. 30; Mannebeck in: Prütting/Gehrlein (Hrsg.), ZPO, 5. Auflage 2013, § 42 Rn. 32; Vollkommer in: Zöller, aaO., § 42, Rn. 24, jeweils mit weiteren Nachweisen). Ein solches Verhalten des abgelehnten Richters ist hier nicht zu erkennen.
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Vielmehr ist er, unter Zugrundelegung seiner dienstlichen Stellungnahme vom 7. Oktober 2013 und des Inhalts des erteilten schriftlichen Hinweises vom 22. Juli 2012, mit der Erteilung dieses Hinweises seinen Pflichten zur materiellen Prozessleitung gemäß § 139 ZPO nachgekommen. Insbesondere vor dem Hintergrund des Verbots einer Überraschungsentscheidung im Sinne von § 139 Abs. 2 ZPO bestand nämlich eine Verpflichtung zur Erteilung dieses Hinweises, da der Richter - wie sich aus der Formulierung der Verfügung vom 22. Juli 2012 ergibt - von einer zuvor in der öffentlichen Sitzung vom 18. Juli 2013 von ihm geäußerten Rechtsauffassung abweichen (vgl. insoweit etwa BGH, NJW 2002, 3317; Prütting in: Prütting/Gehrlein (Hrsg.), aaO., § 139 Rn. 8) und seine Entscheidung möglicherweise auf einen Gesichtspunkt stützen wollte, den die Parteien bisher erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hatten (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Einführung dieses neuen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunktes war durch § 291 ZPO gedeckt. Danach bedürfen Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, keines Beweises. Nach der mittlerweile herrschenden Auffassung, der sich der Senat anschließt, ist weiter davon auszugehen, dass das Gericht darüber hinaus eine offenkundige Tatsache gemäß dieser Vorschrift auch ohne entsprechende Behauptung durch die Parteien in den Prozess einführen und seiner Entscheidung zugrunde legen darf (BGH, VersR 2007, 1087; OLG Frankfurt, MDR 1977, 849; BSG, NJW 1979, 1063; BAG, NZA 1998, 661; Laumen in: Prütting/Gehrlein, aaO., § 291 Rn. 6; Saenger in: HK-ZPO, § 291, Rn. 10). Offenkundig im Sinne von § 291 ZPO sind zum einen „gerichtskundige“, zum anderen „allgemeinkundige“ Tatsachen. Letztere sind Tatsachen, die zumindest am Gerichtsort der Allgemeinheit bekannt oder ohne besondere Fachkunde auch durch Information aus allgemein zugänglichen, zuverlässigen Quellen wahrnehmbar sind. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Tatsachen jedermann gegenwärtig sind, es genügt, dass man sich aus einer allgemein zugänglichen und zuverlässigen Quelle ohne besondere Fachkenntnis über sie sicher unterrichten kann (BVerfGE 10, 177; Laumen in: Prütting/Gehrlein (Hrsg.), aaO., § 291 Rn. 2; Greger in: Zöller, aaO., § 291 Rn. 1; Prütting in: MünchKomm ZPO, § 291, Rn. 5). Um eine solche Tatsache handelt es sich hier. Das Gericht hat die Parteien mit der Verfügung vom 22. Juli 2012 darauf hingewiesen, dass sich in der Betriebsanleitung zu Fahrzeugen des Typs Mercedes Benz, Modell A-Klasse, ein Warnhinweis befindet, wonach bei Berührung von brennbaren Materialien wie zum Beispiel Laub, Gras oder Zweigen mit heißen Teilen der Abgasanlage Brandgefahr besteht und das Fahrzeug deshalb insbesondere nicht auf trockenen Wiesen oder abgeernteten Getreidefeldern geparkt werden solle (was sich - in rechtlicher Hinsicht - auf die Verschuldensfrage auswirken könne). Diese Information lässt sich mit nur geringem Aufwand durch eine einfache Internetrecherche - mit einer gängigen „Suchmaschine“ - über die Webseite von Mercedes-Benz Deutschland („Interaktive Betriebsanleitung“, http://moba.i.daimler.com/baix/cars/176/de DE/Index.html) finden und abrufen. Davon hat der Senat sich selbst überzeugt. Solcherart erreichbare Informationen sind ohne weiteres offenkundige Tatsachen im Sinne von § 291 ZPO (vgl. etwa OLG Frankfurt, NJW-RR 2008, 1194; OLG Dresden, NJW-RR 2007, 1619; Dötsch, Internet und Offenkundigkeit, MDR 2011, 1017; Klinger, jurisPR-ITR 4/2012, zitiert nach juris, jeweils mit weiteren Nachweisen). Insoweit spielt es auch keine Rolle, dass der abgelehnte Richter die maßgebliche Information nicht selbst im Internet recherchiert, sondern sie auf anderem Wege erhalten hat. Nach der dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters vom 7. Oktober 2013 hatte er kurze Zeit nach der öffentlichen Sitzung vom 18. Juli 2013 die Möglichkeit, in die von einer Angestellten des Landgerichts Landau mitgeführte Betriebsanleitung für einen PKW Mercedes Benz, A-Klasse, Einblick zu nehmen. Der Richter hat also auf privatem Wege Kenntnis von einer ansonsten offenkundigen Tatsache erlangt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung darf ein Richter im Hinblick auf § 291 ZPO auch privates Wissen verwerten oder die notwendigen Tatsachengrundlagen gegebenenfalls selbst ermitteln (BGH, VersR 2007, 1087, mit weiteren Nachweisen). Seine Grenze findet dies lediglich dort, wo ein Richter außerhalb eines förmlichen Beweiserhebungsverfahrens mit unzulässigen Beweismitteln gezielt Sachverhaltserforschung unter Ausschaltung der Prozessbeteiligten bzw. tiefgreifende Amtsermittlung betreibt (vgl. etwa OVG Hamburg, NJW 1994, 2779; Klinger, aaO.). Davon kann im vorliegenden Fall jedoch - auch im Hinblick auf die dienstliche Stellungnahme des abgelehnten Richters vom 7. Oktober 2013, die die Beklagten inhaltlich nicht in Frage stellen - nicht die Rede sein. Dies wird von Seiten der Beklagten auch nicht behauptet. Eine Befürchtung, der Richter werde bei einer solchen Fallgestaltung wie der vorliegenden in der Sache nicht mehr unparteiisch, unvoreingenommen und unbefangen urteilen, könnte für einen objektiven Verfahrensbeteiligten allenfalls dann begründet sein, wenn den Parteien die Kenntniserlangung nicht angezeigt und Ihnen insbesondere keine Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu gegeben worden wäre (vgl. BGH, aaO.; OVG Hamburg, aaO.; BayVerfGH, FamRZ 20 11, 655, mit ausführlichen weiteren Nachweisen). Dies ist hier jedoch gerade nicht der Fall.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
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Der Wert des Beschwerdeverfahrens richtet sich gemäß §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO nach dem Streitwert der Hauptsache (BGH, Beschluss vom 6. April 2006, Az.: V ZB 194/05, zitiert nach Juris).
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