Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (Senat für Bußgeldsachen) - 1 OWi 2 Ss Bs 106/17, 1 OWi 2 SsBs 106/17


Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das das Urteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 5. Oktober 2017 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Geldbuße 160,-- EUR beträgt.

2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

1

Das Amtsgericht hat den Betroffenen auf dessen rechtzeitig erhobenen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Polizeipräsidiums Rheinpfalz vom 25. April 2017 (Az.: 500.02799152.4) mit Urteil vom 5. Oktober 2017 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 45 km/h mit einer Geldbuße von 200,-- EUR belegt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde führt auf die Sachrüge zu einer Herabsetzung des Bußgeldes; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts überschritt der Betroffene am 24. November 2016 um 17:55 Uhr als Fahrer eines PKWs auf der B 10, Gemarkung Landau in der Pfalz, Höhe Brücke L512 in Fahrtrichtung Pirmasens die dort mittels beidseitig aufgestellten Verkehrszeichen angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h - nach Abzug einer Toleranz von 5 km/h - um 45 km/h. Der Betroffene hat vor der Hauptverhandlung durch Schriftsatz seines Verteidigers die Fahrereigenschaft eingeräumt. Die Bußgeldrichterin hat sich hiervon zudem durch einen Vergleich des in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen mit dem Messfoto überzeugt. Hinsichtlich der gefahrenen Geschwindigkeit hat die Bußgeldrichterin ihre Überzeugung auf das mittels der Messanlage Vitronic PoliScan Speed, Fabrik-Nr. 623738 erzeugte Messergebnis gestützt.

3

Weder die Sachrüge noch die hierzu erhobenen Verfahrensrügen decken Rechtsfehler im Schuldspruch auf:

1.

4

Soweit der Betroffene beanstandet, die Feststellungen der Bußgeldrichterin zur Höhe der gemessenen Geschwindigkeit gründeten nicht auf einer Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung, bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit der darin liegenden Inbegriffsrüge. Denn die Rechtsbeschwerde verschweigt, dass ausweislich des insoweit unbeanstandet gebliebenen Hauptverhandlungsprotokolls das Messfoto (Bl. 2 d.A.) - einschließlich der darin enthaltenen Datenzeile - in Augenschein genommen worden ist. Der Rechtsbeschwerde ist zwar zuzugeben, dass auf einem Radarfoto eingeblendete Daten regelmäßig nicht im Wege der Inaugenscheinnahme sondern durch Verlesung als Urkunde bzw. Bekanntgabe i.S.v. § 78 Abs. 1 OWiG zum Gegenstand des Strengbeweises zu machen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.01.2016 - IV - 3 RBs 132/15, juris Rn. 7). Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich ausnahmsweise der gedankliche Inhalt der Urkunde auf einen Blick erfassen lässt. Erschließt sich der Text bereits aus einem flüchtigen Betrachten der Urkunde bei der Inaugenscheinnahme, kann dessen Bedeutung nicht ausgeblendet werden und ist dieser mithin Bestandteil der diesbezüglichen Beweisaufnahme (BGH, Beschluss vom 13.12.2013 - 3 StR 267/13, NStZ 2014, 606; Senat, Beschluss vom 21.11.2017 - 1 OWi 2 SsBs 35/17 [nicht veröffentl.]). Dies ist hier - was der Senat aufgrund der zulässig erfolgten Bezugnahme in den Urteilsgründen nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO selbst beurteilen kann - bei der auf dem Radarfoto eingeblendeten Aufzeichnung "150 km/h" der Fall (s.a. KG Berlin, Beschluss vom 12.11.2015 - 3 Ws (B) 515/15, juris Rn. 4 betreffend den Aufdruck "Rotzeit 1,5 s").

5

Die Rüge wäre aber jedenfalls unbegründet, weil das Urteil auf einem solchen Verfahrensfehler nicht beruhen kann. Dass die - in Augenschein genommene und damit in der Hauptverhandlung erörterte - Messwerteinblendung einen solchen Wert auswies, hat der Verteidiger nicht in Frage gestellt, sondern lediglich die Richtigkeit des dem zugrunde liegenden Messvorgangs bestritten. Ist aber - wie hier - in der Hauptverhandlung der Inhalt eines Schriftstücks erörtert und dessen Inhalt nicht bestritten worden, so kann das Urteil nicht darauf beruhen, dass es nicht - förmlich - verlesen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22.09.2006 - 1 StR 298/06, NStZ 2007, 235, 236). Dies gilt auch in Bezug auf eine lediglich in Augenschein genommene Eintragung in der Messwerteinblendung eines Radarfotos (wie hier: OLG Hamm, Beschluss vom 11.05.2017 - 4 RBs 152/17, juris Rn. 13). Hinzu tritt, dass dem Betroffenen und seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung der ausgewiesene Geschwindigkeitswert offensichtlich bekannt gewesen war. Denn in dem von Rechtsbeschwerde mitgeteilten Beweisantrag (hierzu unter I.2.b) ist der dem Bußgeldbescheid zugrunde liegende Wert von 145 km/h (nach Toleranzabzug) ausdrücklich bezeichnet.

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Die Urteilsgründe lassen - was auf die Sachrüge hin zu prüfen ist - in ihrer Gesamtheit auch noch hinreichend erkennen, auf welche Beweisgrundlagen die Bußgeldrichterin ihre Feststellungen zum gemessenen Geschwindigkeitswert gestützt hat (zu den Anforderungen an die Urteilsgründe in Bußgeldsachen: OLG Hamm, Beschluss vom 06.09.2007 - 3 Ss OWi 319/07, BeckRS 2007, 18997; OLG Bamberg, Beschluss vom 08.07.2009 - 3 Ss Owi 670/09, NZV 2010, 369, 370). Zwar enthalten die Urteilsgründe hierzu keine ausdrücklichen Ausführungen. Dies ist ausnahmsweise aber unschädlich, weil es auf der Hand liegt, dass die Bußgeldrichterin den festgestellten Messwert der entsprechenden Einblendung auf dem Radarfoto entnommen hat. Eines ausdrücklichen Hinweises auf die der Feststellung zugrunde gelegten Beweisgrundlagen in den schriftlichen Urteilsgründen bedurfte es bei dieser Sachlage ausnahmsweise nicht.

2.

7

Die Verfahrensbeanstandungen, mit denen die Rechtsbeschwerde die Ordnungsgemäßheit des Messergebnisses in Zweifel ziehen will, dringen ebenfalls nicht durch.

8

a) Die Rüge, das in den Urteilsgründen erwähnte "Schreiben des Gerichts vom 17.07.2017 (Bl. 75 d.A.)" sei nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen, ist bereits nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechender Weise erhoben. Denn die Rechtsbeschwerde teilt den Inhalt des betreffenden Schreibens, das in den Urteilsgründen auch nur auszugsweise erwähnt ist, nicht mit. Verfahrensrügen müssen jedoch ohne Bezugnahmen oder Verweisungen begründet werden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 344 Rn. 21). Dem Senat ist deshalb jedenfalls die Prüfung verwehrt, ob das Urteil auf dem behaupteten Fehler beruhen kann. Die Rüge ist aber auch in der Sache unbegründet. Denn hinsichtlich der Ermittlung der die Ablehnung eines Beweisantrages tragenden Tatsachen gilt das Strengbeweisverfahren nicht (Meyer-Goßner/Schmitt aaO. § 244 Rn. 7 f.). Die Rechtsbeschwerde behauptet selbst nicht, dass dem Verteidiger der in dem Schreiben vom 17.07.2017 enthaltene rechtliche Hinweis im Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht bekannt gewesen wäre, weshalb ein Verstoß gegen das faire Verfahren ausscheidet. Ferner fehlt es an der Darlegung, welches Prozessverhalten der Betroffene getätigt hätte, wenn der Hinweis in der Hauptverhandlung wiederholt worden wäre.

9

b) Die Rüge, der rechtsfehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrages auf Verlesung von Rohmessdaten dringt ebenfalls nicht durch.

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aa) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

11

Der Verteidiger hat in der Hauptverhandlung beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass das "Betroffenenfahrzeug zum Tatzeitpunkt nach den vorliegenden Messdaten (xml-Datei) eine Geschwindigkeit von 140 km/h fuhr" die "xml-Datei mit den Messdaten" zu verlesen sowie ein Sachverständigengutachten einzuholen. Die Bußgeldrichterin, die sich von der Gültigkeit der Eichung sowie der Verwendung des Geräts im Rahmen der Zulassungsvorgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (nachfolgend: PTB) überzeugt hat, hat diese Anträge mit der Begründung abgelehnt, die Beweiserhebung sei zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich (§ 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG). Bei dem Vortrag, die Auswertung der Messdateien ergebe eine Fahrgeschwindigkeit von 140 km/h handle es sich um einen Vortrag, der völlig ins Blaue hinein erfolge. Zweifel an der Richtigkeit der Messung seien nicht veranlasst.

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bb) Die Rüge genügt bereits nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO.

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Soll eine fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages gerügt werden, ist - jedenfalls wenn die Ablehnung wie hier auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG gestützt worden ist - im Rechtsbeschwerdeverfahren eine Aufklärungsrüge zu erheben. Mitzuteilen sind neben dem Inhalt des Antrages und des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses diejenigen Tatsachen, die den Tatrichter zum Gebrauch des beantragten Beweismittels gedrängt oder dessen Gebrauch zumindest nahegelegt haben sollen (Senat, Beschluss vom 15.11.2017 - 1 OLG 2 SsBs 52/17 [nicht veröffentl.]; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 77 Rn. 28; Stephan in Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., Rn. 1676 jew. m.w.N.). Die hierzu gegebenen Ausführungen der Rechtsbeschwerde sind nicht geeignet, einen Verstoß gegen die Amtsaufklärungspflicht zu begründen.

14

(a) Die Bußgeldrichterin hat ihrer Entscheidung zu Recht die Annahme zugrunde gelegt, dass es sich bei der Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät PoliScan Speed generell um ein standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. die Beschlüsse des Senats vom 27.01.2017, 1 Ss Bs 53/16 und vom 21.04.2017 - 1 OWi 2 Ss Bs 18/17 sowie OLG Bamberg, Beschluss vom 24.07.2017, 3 Ss OWi 976/17; OLG Braunschweig, Beschluss vom 14.06.2017, 1 Ss 115/17; OLG Karlsruhe, Beschlüsse vom 24.10.2014 - 2 (7) SsBs 454/14, juris Rn. 16 und vom 26.05.2017, 2 Rb 8 Ss 246/17; Saarländisches OLG Saarbrücken, Beschluss vom 21.04.2017 - Ss RS 13/2017 <26/17 OWi>; OLG Koblenz, Beschluss vom 14.02.2018 - 1 OWi 6 SsRs 7/18, alle zit. nach juris). An die danach nur eingeschränkten Anforderungen an die Überprüfung des Messergebnisses durch den Tatrichter (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19.08.1993 - 4 StR 627/92, juris Rn. 25 ff = BGHSt 39, 291 sowie vom 30.10.1997 - 4 StR 24/97, juris Rn. 26 ff. = BGHSt 43, 277) ist nicht deshalb ein erhöhter Maßstab zu legen, weil bei der Messung außerhalb des zugelassenen Messbereichs ermittelte (Einzel- oder Roh-)Messwerte in die Messwertbildung eingeflossen sein können (Senat, Beschluss vom 27.01.2017 - 1 OWi 1 Ss Bs 53/16, ZfS 2017, 172; OLG Bamberg, Beschluss vom 24.07.2017 - 3 Ss OWi 976/17, juris Rn. 3; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.05.2017 - 2 Rb 8 Ss 246/17, juris Rn. 10 ff.). Gleiches gilt für den Umstand, dass ein Sachverständiger mangels Zugangs zu patent- und urheberrechtlich geschützter Herstellerinformation die genaue Funktionsweise des Geräts anhand hierfür relevanter Daten der Messwertbildung nicht im Einzelnen nachvollziehen können wird (Senat, Beschluss vom 19.10.2012 - 1 SsBs 12/12, zfs 2013, 51 mit Anm. Krenberger; Saarländisches OLG Saarbrücken, Beschluss vom 21.04.2017 - Ss Rs 13/2017, juris Rn. 8; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.05.2017 - 2 Rb 8 Ss 247/17, juris Rn. 7).

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(b) Zu weiterer Beweiserhebung musste sich die Bußgeldrichterin daher nur gedrängt sehen, wenn konkrete Anhaltspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich gewesen wären, die auf eine Fehlerhaftigkeit der konkreten Messung hinweisen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.10.2014 - 2 (7) SsBs 454/14, juris Rn. 18; OLG Braunschweig, Beschluss vom 14.06.2017 - 1 Ss (OWi) 115/17, juris Rn. 18). Solche Anhaltspunkte zeigt der Beweisantrag nicht auf.

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Soweit das Begehren auf die Verlesung von Messdaten gerichtet war, ging der Antrag schon deshalb ins Leere, weil nicht ersichtlich ist, dass die entsprechende Datei im Zeitpunkt der Hauptverhandlung Aktenbestandteil gewesen war oder dem Gericht in anderer Weise zur Verfügung gestanden hat. Die im Rechtsbeschwerdeverfahren - soweit ersichtlich - erstmals erfolgte Vorlage eines Ausdrucks der Falldatei, der zumal ohne "Übersetzung" durch eine entsprechende Software nicht verständlich ist, reicht nicht aus, um einen entsprechenden Verfahrensverstoß des Amtsgerichts zu belegen. Die Ablehnung eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Beiziehung der bislang nicht Aktenbestandteil gewordenen Rohmessdaten verletzt, sofern Anhaltspunkte für eine Fehlmessung nicht belegt sind, weder die Amtsaufklärungspflicht noch die Grundsätze des fairen Verfahrens (vgl. Senat, Beschluss vom 15.11.2017 - 1 OWi 2 SsBs 52/17 [unveröffentl.]; OLG Bamberg, Beschluss vom 04.04.2016 - 3 Ss OWi 1444/15, juris Rn. 15; OLG Oldenburg, Beschluss vom 13.03.2017 - 2 Ss (OWi) 40/17, juris Rn. 11; OLG Hamm, Beschluss vom 10.03.2017 - 2 RBs 202/16, juris Rn. 7 ff.; Saarländisches OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25.10.2017 - Ss Rs 17/2017 (30/17 OWi), juris Rn. 16 f.).

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cc) In der Sache stellt die vom Verteidiger auf der Basis der sog. Rohmessdaten angestellte Berechnung die Richtigkeit des geeichten Messwerts letztlich auch nicht in Frage. Das Amtsgericht musste sich - die Richtigkeit der vom Verteidiger behaupteten Operanden unterstellt - schon deshalb nicht zur Erhebung der beantragten Beweise gedrängt sehen, weil diese die Richtigkeit des geeichten Messwerts nicht in Frage stellen.

18

Die PTB hat zu der Frage, welche Aussagekraft den in den sog. Rohmessdaten enthaltenen Informationen für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der von Geräten der hier verwendeten Bauart ermittelten Messwerten zukommt, umfassend und nachvollziehbar Stellung genommen (vgl. die Stellungnahmen vom 16.12.2016, https://oar.ptb.de/files/download/5857c0c64c91848f71147384 und vom 12.01.2017, https://oar.ptb.de/files/download/587752df4c9184a288720d24). Diese, aus frei zugänglichen Quellen verfügbaren Informationen kann der Senat im Freibeweis heranziehen und verwerten (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 14.06.2017 - 1 Ss (OWi) 115/17). Ihnen kommt in Verbindung mit der durch die PTB erteilte Bauartzulassung die Qualität eines antizipierten Sachverständigengutachtens zu (so auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 14.06.2017 - 1 Ss (OWi) 115/17, juris Rn. 23 m.w.N.). Danach ermittelt das Messgerät über die Laufzeit von Laserpulsen, die in dichter Folge ausgestrahlt und von den an Objekten im Erfassungsbereich getroffenen Punkten zurückgeworfen werden, eine Liste von Positionswerten für diese rückreflektierenden Punkte, zusammen mit den zugehörigen Zeitstempeln. Die Glieder dieser Liste sind die „Rohmessdaten“ oder „Rohmesswerte“. Der geeichte Messwert, wie er in den PTB-Anforderungen definiert ist, wird nur aus einem Teil dieser Messdaten, die innerhalb eines Bereichs von 50 m bis 20 m liegen, ermittelt. Die Messrichtigkeit des Messgeräts wird in diesem Zusammenhang aber auch dann nicht beeinträchtigt, wenn außerhalb dieses Messbereichs liegende Messpunkte in die Bildung des geeichten Messwerts einfließen (s.a. Senat, Beschluss vom 21.04.2017 - 1 OWi 2 SsBs 18/17, ZfS 2017, 350, 251). Ein anderer Teil der Rohmessdaten findet sich in den ungeprüften Hilfsgrößen wieder, die in Verantwortung des Herstellers in die Falldatei geschrieben werden. Bei einem aus diesen Hilfsgrößen ermittelten nachträglichen Schätzwert sind, anders als bei dem qualitätsgesicherten geeichten Messwert, der durch Mitteln über viele Messwerte errechnet wird, Verletzungen der Verkehrsfehlergrenzen aber durchaus möglich. Denn werden bei einer nachträglichen Abschätzung des Geschwindigkeitswertes (allein) die als Hilfsgrößen in der Falldatei enthaltenen beiden Rohmessdaten „position First Measurement“ und „position Last Measurement“ genutzt, schlägt die Messunsicherheit beider Einzelpunkte voll auf den hieraus nachträglich ermittelten Schätzwert der Geschwindigkeit durch. Während durch die Mittelung bzw. die Ausgleichsgerade bei der Bestimmung des geeichten Messwertes die Messunsicherheit so weit unterdrückt werden kann, dass die Verkehrsfehlergrenzen sicher eingehalten werden, gilt dieses für den aus diesen Einzelpunkten nachträglich ermittelten Schätzwert gerade nicht. Dieser kann daher, zumal wenn er sich innerhalb des Toleranzbereiches liegt, die Richtigkeit des geeichten Messwertes von vornherein nicht in Frage stellen (so auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.10.2014 - 2 (7) SsBs 454/14, juris Rn. 19).

19

Hinzutritt, dass den aus physikalischen Gründen nicht vermeidbaren Messungenauigkeiten bereits durch den Ansatz eines Toleranzabzugs Rechnung getragen wird. Hiermit werden auch die in den Rohmessdaten enthaltenen Einzelmesswerte hinreichend abgedeckt. Ein (weiterer) Abschlag von dem auf der Basis der Rohmessdaten errechneten Vergleichswert ist daher nicht angängig. Vor diesem Hintergrund entspricht der vom Verteidiger behauptete Geschwindigkeitswert von 145 km/h exakt dem Wert der geeichten Messung (nach Toleranzabzug) und ist daher eher geeignet, diesen zu stützten als ihn zu widerlegen.

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c) Vor diesem Hintergrund hat das Amtsgericht daher auch zu Recht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absehen (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 14.06.2017 - 1 Ss (OWi) 115/17, juris Rn. 19).

II.

21

Die Rechtsbeschwerde ist allerdings insoweit begründet, als der Betroffene die Erhöhung der nach 11.3.7 BKatV anzusetzenden Regelbuße von 160 EUR um 40,-- EUR wegen einer einschlägigen Voreintragung angreift. Die Rüge, mit der der Betroffene eine Verletzung von § 261 StPO beanstandet, ist zulässig erhoben und in der Sache begründet.

22

Nach den im schriftlichen Urteil hierzu getroffenen Feststellungen wies das Fahreignungsregister des Betroffenen zum 13. September 2017 eine am 5. März 2015 begangene Geschwindigkeitsübertretung (Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 120 km/h um 26 km/h) aus. Der Betroffene rügt in diesem Zusammenhang zu Recht, dass das Fahreignungsregister nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen war. Das Hauptverhandlungsprotokoll, weist weder eine Verlesung dieser Urkunde i.S.v. § 249 Abs. 1 S. 1 StPO noch eine Bekanntgabe i.S.v. § 78 Abs. 1 S. 1 oder 2 OWiG aus. Die durch §§ 46 Abs. 1 OWiG, 274 StPO vermittelte (negative) Beweiskraft des Protokolls (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO. § 274 Rn. 14; s.a. BGH, Beschluss vom 23. 10. 2001 - 4 StR 249/01, NStZ 2002, 219) wird insoweit auch nicht durch den Inhalt der dienstlichen Stellungnahme der Bußgeldrichterin vom 9. Januar 2018 entkräftet. Das Protokoll ist weder lückenhaft, noch unklar oder in sich widersprüchlich. Auch hat die Bußgeldrichterin die Rüge nicht zum Anlass genommen, das Protokoll zu berichtigen (hierzu: BGH, Beschluss vom 23.04.2007 - GSSt 1/06, BGHSt 51, 298). Eine Protokollberichtigung wäre mit Blick auf die Erklärung der Bußgeldrichterin, keine Erinnerung an den fraglichen Vorgang zu haben, im Übrigen auch nicht statthaft gewesen. Im Hinblick auf den Umstand, dass der Betroffene in der Hauptverhandlung keine Angaben gemacht hat, kann auch ausgeschlossen werden, dass der Inhalt des Registers auf andere Weise als durch Verlesung oder Bekanntgabe, etwa mittels Vorhalt, eingeführt worden sein kann. Das Urteil kann auf diesem Mangel beruhen, da nicht ersichtlich ist, dass der Voreintrag auf andere Weise als durch die Verwertung des Inhalts des Fahrerlaubnisregisters in die Hauptverhandlung eingeführt ist.

23

Zur Vermeidung einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht entscheidet der Senat gem. § 79 Abs. 6 1. Alt. OWiG selbst und setzt das Bußgeld auf den Regelsatz fest. Mit Blick auf das Vorliegen eines Regeltatbestandes i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV und den Inhalt der Urteilsgründe ist allerdings auszuschließen, dass die Voreintragung Einfluss auf die Anordnung und/oder Bemessung des Fahrverbots gehabt hat.

III.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO. Im Hinblick auf die Geringfügigkeit des Teilerfolgs des Rechtsmittels erscheint es nicht unbillig, den Betroffenen mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 S. 1 StPO).

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