Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (5. Zivilsenat) - 5 W 42/18

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal/Pfalz vom 16.11.2018, 6 O 310/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird in der Gebührenstufe bis 500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt, der Antragsgegnerin zu untersagen, eine Bürgschaft in Anspruch zu nehmen.

2

Die Antragstellerin wurde von der Antragsgegnerin am 30.08.2017 mit der Durchführung von Baumaßnahmen beauftragt. Die Antragsgegnerin leistete Vorauszahlungen in Höhe von 15.605,65 €, für deren Rückzahlung eine Bürgschaft der V... A... V... (nachfolgend: Bürgin) gestellt wurde. Den zwischen den Parteien bestehenden Vertrag kündigte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 20.04.2018. Die Antragstellerin stellte daraufhin unter Abzug der bereits geleisteten Vorauszahlung die Schlussrechnung mit einem Endbetrag in Höhe von 20.975,33 € brutto und bat um Rückübersendung der Bürgschaftsurkunde. Die Antragsgegnerin lehnte dies ab und forderte die Bürgin auf, aus der Bürgschaft zu leisten. Die Antragstellerin forderte die Beklagte vorgerichtlich unter Fristsetzung erfolglos auf, die Inanspruchnahme der Bürgschaft zu unterlassen.

3

Die Antragstellerin hat erstinstanzlich vorgetragen,
ihr stehe nach korrigierter Schlussrechnung ein Anspruch in Höhe von 19.620,82 € gegen die Antragsgegnerin zu, den sie auch in einem künftigen Erkenntnisverfahren geltend machen werde. Es habe keinen wichtigen Grund für die Kündigung des Bauleistungsvertrages durch die Antragsgegnerin gegeben. Die Liquidität der Antragstellerin werde durch die Inanspruchnahme der Bürgschaft erheblich belastet.

4

Die Antragstellerin hat erstinstanzlich beantragt,

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der Antragsgegnerin zu untersagen bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monate zu vollziehen an Bürgermeister M... S..., den Bürgschaftsbetrag in Höhe von 15.017,03 € aus der von der V... A... V... A... übernommenen Bürgschaft, Bürgschaftsurkunde Nummer B …, entgegenzunehmen.

6

Das Landgericht Frankenthal/Pfalz hat den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung, es fehle an einem Verfügungsgrund, zurückgewiesen. Gegen diesen ihr am 22.11.2018 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin unter Weiterverfolgung des bereits erstinstanzlich geltend gemachten Anspruchs sofortige Beschwerde eingelegt, die am 05.12.2018 beim Erstgericht eingegangen ist.

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Zur Begründung der sofortigen Beschwerde wiederholt die Antragstellerin ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus,

8

das Erstgericht verkenne den Unterschied zwischen einer einfachen Bürgschaft und einer Bürgschaft auf erstes Anfordern. Die Antragsgegnerin nutze rechtsmissbräuchlich ihre formale Rechtsstellung aus, versuche sich sittenwidrig zu bereichern und eine Umkehr der Beweislast im Erkenntnisverfahren herbeizuführen.

9

Mit Beschluss vom 06.12.2018 hat das Landgericht Frankenthal/Pfalz unter Beibehaltung der bisherigen Begründung, der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und hat die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt.

II.

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Die Beschwerde ist nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 569 ZPO eingelegt. Die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist nicht entsprechend anwendbar (Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 922 Rn. 13, 32. Auflage 2017 mit weiteren Nachweisen). Unschädlich ist, dass die Antragstellerin keinen ausdrücklichen Antrag formuliert hat (Heßler, in: Zöller, ZPO, § 569 Rn. 8, 32. Auflage 2017). Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich, dass sie die erstinstanzliche Entscheidung vollumfänglich angreifen möchte und am erstinstanzlichen Antrag festhält.

11

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.

12

Das Landgericht hat zutreffend das Vorliegen eines glaubhaft gemachten Verfügungsgrundes verneint. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die rechtsfehlerfreien Begründungen des Landgerichts im Beschluss vom 16.11.2018 und im Nichtabhilfebeschluss vom 06.12.2018 verwiesen.

13

Ergänzend ist auf folgendes hinzuweisen:

14

Nach § 935 ZPO liegt ein Verfügungsgrund vor, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Ob der drohende Verstoß gegen die Pflicht, die Inanspruchnahme einer Bürgschaft zu unterlassen, einen Verfügungsgrund darstellt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Alleine die vertragswidrige Inanspruchnahme der Bürgschaft stellt noch keine hinreichende, das Abwarten einer Hauptsachenentscheidung unerträglich machende Rechtsbeeinträchtigung dar (OLG Frankfurt, Urteil vom 25.09.1990 - 5 U 109/90, juris).

15

1.) Zunächst fehlt es an Vortrag der Antragstellerin dazu, dass die Bürgin der Forderung der Antragsgegnerin überhaupt nachkommen wird. Nach dem Vortrag der Antragstellerin ist vielmehr davon auszugehen, dass die Bürgin zunächst Einreden gegen ihre Inanspruchnahme erheben wird. Aufgrund der Akzessorietät der Bürgenschuld zur Hauptschuld haftet der Bürge in Abhängigkeit vom Umfang der Hauptschuld, § 767 Abs. 1 BGB, und der Bürge kann alle Einreden des Hauptschuldners geltend machen, auf die er nicht verzichtet hat, § 768 BGB. Dies betrifft vorliegend alle Umstände, die das Entstehen der Hauptschuld hindern, begrenzen oder sie zum Erlöschen bringen. Die Bürgin hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 08.11.2018 aufgefordert, etwaige Einreden oder Einwendungen gegen Grund, Höhe und Bestand der geltend gemachten Ansprüche der Antragsgegnerin unter Vorlage entsprechender Unterlagen mitzuteilen. Im Streit steht vorliegend, wie die Antragstellerin selbst vorträgt, auch keine Bürgschaft auf erstes Anfordern, sondern eine einfache Bürgschaft mit Verzicht auf die Einreden der Vorausklage, der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit (§§ 770, 771 BGB). Es ist demnach naheliegend, dass die Bürgin dieselben Einwendungen erheben wird, die die Antragstellerin hier vorträgt.

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2.) Weiter hat die Antragstellerin nicht substantiiert vorgetragen und glaubhaft gemacht, welche konkreten Nachteile sie erleiden würde, die ihre Rechtsposition vereiteln oder wesentlich erschweren würden, falls die Bürgin bei ihr Rückgriff nähme. Lediglich pauschal wird auch in der Beschwerdebegründung auf „Einschränkungen der Liquidität“ und „Schwierigkeiten“ verwiesen, ohne diese zu konkretisieren.

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3.) Letztlich hat die Antragstellerin nicht substantiiert vorgetragen, warum ihr das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar wäre, mithin das Abwarten einer Hauptsachentscheidung für sie eine unerträgliche Rechtsbeeinträchtigung darstellen würde oder ein sonstiger schwerwiegender Nachteil drohe, wenn der Bürgschaftsbetrag ausbezahlt würde (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 25.09.1990 - 5 U 109/90, juris). Der Verlust der Bürgschaftsvaluta durch Insolvenz ist bei der Antragsgegnerin als Teil der öffentlichen Hand nicht zu befürchten. Der mögliche Zinsschaden, der der Antragstellerin aufgrund einer nicht gerechtfertigten Inanspruchnahme der Bürgschaft entstehen könnte, erscheint der Antragstellerin selbst offenbar nicht so erheblich, dass sie ihn für erwähnenswert hält.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

19

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. 3 ZPO. Bei dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist das Interesse der Antragstellerin an der begehrten Sicherung zu schätzen (Herget, in: Zöller, ZPO, § 3 Rn. 16, Einstweilige Verfügung, 32. Auflage 2017). Der Antragstellerin geht es darum, die Antragsgegnerin daran zu hindern, die Bürgschaft in Anspruch zu nehmen. In wirtschaftlicher Hinsicht bedeutet dies mangels Insolvenzgefahr lediglich die Gefahr eines Zinsschadens wegen der unberechtigten Inanspruchnahme der Bürgschaft (vgl. zur Bewertung eines Anspruches auf Unterlassen der Inanspruchnahme einer Mietbürgschaft Herget, in: Zöller, ZPO, § 3 Rn. 16, Einstweilige Verfügung, 32. Auflage 2018; LG Bonn, Beschluss vom 14.02.2008 - 6 T 27/08, juris auch auf den Zinsschaden als Interesse abstellend: OLG Celle, Beschluss vom 01.02.1995 - 13 U 136/94, juris).

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