Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (1. Strafsenat) - 1 OLG 2 Ss 38/20

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Neustadt an der Weinstraße vom 25. Februar 2020 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen (unerlaubten) „Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Gebrauch“ zu Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 60,-- EUR verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten (Sprung-)Revision. Das gem. § 335 Abs. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel ist begründet und führt zu einem vorläufigen Erfolg.

I.

2

Das Amtsgericht hat folgendes festgestellt:

3

„Der Angeklagte sowie die Zeugen L, B, K und T arbeiteten im Rahmen ihrer Tätigkeit für die …… im August 2018 auf dem Weinfest in Deidesheim und waren dort auch für drei Tage untergebracht. Der Zeuge L war zu diesem Zeitpunkt 16 Jahre alt und befand sich in einem Ausbildungsverhältnis. Dessen Vorgesetzter war der Angeklagte, dem das Alter des Zeugen L bekannt war. Am 10. August 2018 saßen der Angeklagte sowie die benannten Zeugen nach der Arbeit zusammen an einem Tisch und tranken eine Flasche Wodka. Der Angeklagte packte bei dieser Gelegenheit ein Tütchen mit Marihuana aus und baute einen Joint mit einem Marihuana-Tabak-Gemisch, über den dieser die Verfügungsgewalt hatte und der in der Folge zunächst vom Angeklagten sowie dem Zeugen T abwechselnd geraucht und hiernach wieder in den Aschenbecher gelegt wurde. Dabei äußerte der Zeuge L, dass er auch schon Cannabis konsumiert hat. Nachfolgend griff der Zeuge L in Anwesenheit des Angeklagten, der dies hätte verhindern können, nach dem Joint, zog einmal daran und legte ihn hiernach wieder in den Aschenbecher. Dem Angeklagten war hierbei bewusst, dass er dem Zeugen L den Joint nicht überlassen durfte.“

4

Das Amtsgericht hat das festgestellte Verhalten als „unerlaubtes Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG“ gewertet und die Strafe dem gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG entnommen.

II.

5

Diese Feststellungen vermögen den Schuldspruch wegen (vorsätzlich begangenen) unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren zum unmittelbaren Verbrauch (vgl. zur Fassung des Schuldspruchs: BGH, Beschluss vom 14.04.2015 – 5 StR 109/15 sowie Urteil vom 22.11.2016 – 1 StR 329/16, jew. juris) nicht zu tragen.

1.

6

Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch i.S.d. § 29a Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. BtMG ist die Aushändigung des Betäubungsmittel an einen anderen (hier an einen Minderjährigen) zur sofortigen Verwendung, ohne dass dieser die freie Verfügungsgewalt daran erlangt (Oğlakcıoğlu in MünchKomm-StGB, 3. Aufl. 2018, BtMG § 29a Rn. 19; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, § 29a Rn. 14, jew. m.w.N.). Ein Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch setzt schon nach dem Wortlaut eine „Hingabe“ des Stoffes durch den Täter an den Konsumenten zum Verbrauch voraus (vgl. Kotz/Oğlakcıoğlu, MünchKomm-StGB, 3. Aufl. 2018, BtMG § 29 Rn. 1272). Eine solche Hingabe des Stoffes muss zwar nicht in der Weise geschehen, dass das Betäubungsmittel unmittelbar vom Täter an den Konsumenten übergeben, diesem mithin quasi „in die Hand“ gegeben wird. Denkbar und von Sinn und Wortlaut der Norm umfasst sind auch Fälle, in denen der Täter eine Zugriffsmöglichkeit auf den Stoff in der Weise schafft, dass dies bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild wenn nicht gar als Aufforderung zum Konsum, so doch jedenfalls als Einverständnis hinsichtlich des Zugriffs durch einen Dritten verstanden werden kann. Mithin bedarf es - auch in Abgrenzung zum lediglich als Vergehen nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 BtMG strafbaren Verschaffen einer Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch (hierzu: Patzak aaO. § 29 Rn. 13) - eines Verhaltens, durch das der Täter zum Ausdruck bringt, mit dem (Mit-)Konsum des Betäubungsmittels durch den Minderjährigen zumindest einverstanden zu sein. Hierfür reicht es nicht aus, wenn derjenige, der die Verfügungsgewalt über den Stoff inne hat, den Zugriff durch den Minderjährigen „hätte verhindern können“ (UA S. 3). Dass der Angeklagte zumindest damit gerechnet hat, dass der Zeuge L nach dem Joint greifen und daran ziehen würde, und dies auch gebilligt hat, versteht sich nach den festgestellten Gesamtumständen nicht von selbst. Einer solchen Annahme kann bereits entgegen stehen, dass der Joint zuvor ausschließlich zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen T abwechselnd geraucht wurde, die ebenfalls anwesenden Zeugen B und K an dem Konsum jedoch nicht teilnahmen. Das Amtsgericht hätte sich daher näher als bislang geschehen damit auseinandersetzen müssen, aus welchen Umständen eine vorsätzlich begangene Hingabe des Joints (auch) an den Minderjährigen gefolgert werden kann.

2.

7

Das angefochtene Urteil unterliegt daher insgesamt der Aufhebung. Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird zu beachten haben, dass der Angeklagte sich bereits durch das Überlassen des Joints an den Zeugen T wegen eines Vergehens nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 lit. b BtMG (vgl. Patzak aaO. § 29 Rn. 97) und nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG (vgl. wegen der Konkurrenzen: Weber, BtMG, § 29, Rn. 1392 f., 1399) strafbar gemacht haben kann.

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