Urteil vom Sozialgericht Aachen - S 8 AL 74/04
Tenor
Der Bescheid vom 16.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2004 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.000,00 EUR zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Auszahlung eines Vermittlungsgutscheines in Höhe von 1.000,00 EUR hat.
3Die Klägerin betreibt eine private Arbeitsvermittlung. Sie wurde im Mai 2003 gegründet. Am 30.09.2003 schloß sie mit Herrn L (Arbeitnehmer) einen Vermittlungsvertrag, wonach der Arbeitnehmer sie beauftragte, ihm einen Arbeitsplatz zu vermitteln. Der Arbeitnehmer war Inhaber eines von der Beklagten ausgestellten Vermittlungsgutscheines über 2.500,00 EUR. Am 31.10.2003 bestätigte die Firma M1TD GmbH, auf Vermittlung der Klägerin einen Arbeitsvertrag für die Zeit vom 29.10.2003 bis zum 28.10.2004 mit dem Arbeitnehmer geschlossen zu haben.
4Der Beklagten wurde bekannt, dass ein kaufmännischer Mitarbeiter sowohl bei der Klägerin als auch bei den Firmen M2 GmbH, M1TD GmbH und I tätig war. Gesellschafter der Firmen M2 GmbH und M1TD GmbH sei der Sohn der Klägerin, Inhaber der Firma I, der zukünftige Schwiegersohn. Die Klägerin vermittele Arbeitnehmer ausschließlich für die Firmen M2 GmbH, M1TD GmbH und I.
5Mit Bescheid vom 16.12.2003 lehnte die Beklagte die Auszahlung der Vermittlungsprovision ab. Die Klägerin habe das Arbeitsverhältnis nicht vermittelt im Sinne der § 421 g Abs. 1 Satz 2, 296 Abs. 2 Satz 1 SGB III, denn es bestehe eine enge persönliche Verflechtung zwischen der Klägerin und dem Arbeitgeber, da die Klägerin mit dem Inhaber der Arbeitgeberin verwandt sei. Außerdem sei ein kaufmännischer Mitarbeiter der Klägerin auch bei der Arbeitgeberin tätig, was ebenfalls für eine Verflechtung der Klägerin mit der Arbeitgeberin spreche. Insgesamt sei diese nicht als "Dritter" im Sinne des Rechts der Arbeitsvermittlung anzusehen.
6Im Widerspruchsverfahren meinte die Klägerin angesichts der Tatsache, dass sie an den Firmen M2 GmbH, M1TD GmbH oder I nicht beteiligt sei, fehle es für die Entscheidung der Beklagten an einer Rechtsgrundlage.
7Mit Bescheid vom 05.03.2004 wies die Beklagte den Widerspruch unter Vertiefung der Begründung des angefochtenen Bescheides zurück.
8Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage. Die Klägerin trägt ergänzend vor, dass sie nicht nur für die von der Beklagten erwähnten Arbeitgeber tätig geworden sei sondern auch Arbeitsverträge für Firmen vermittelt habe, mit denen sie keinerlei verwandtschaftliche oder sonstwie geartete Beziehungen verbinden. Sie trete am Markt auf. Zum Beleg hierfür hat sie Unterlagen über Inserate in Zeitungen und telefonische Vermittlungsversuche vorgelegt. Auf den Inhalt dieser Unterlagen (Anlagen zum Schriftsatz vom 22.11.2004) wird verwiesen. Zudem beschäftige die Arbeitgeberin zahlreiche Arbeitnehmer, die nicht von der Klägerin vermittelt worden seien.
9Die Klägerin beantragt,
10den Bescheid vom 16.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, 1.000,00 EUR an die Klägerin zu zahlen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie hält angesichts der verwandtschaftlichen Beziehungen der Klägerin mit dem Inhaber der Arbeitgeberin die Auszahlung des Vermittlungsgutscheines für ausgeschlossen.
14Das Gericht hat Handelsregisterauszüge des Amtsgerichts F (I2SC 0000) über die Firmen der Klägerin, die M1TD GmbH und die Firma M2 GmbH beigezogen. Auf den Inhalt dieser Unterlagen wird verwiesen.
15Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
16Entscheidungsgründe:
17Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat Anspruch auf Auszahlung des Vermittlungsgutscheins.
18Anspruchsgrundlage ist § 421 g Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 SGB III. Diese Vorschriften begründen einen unmittelbaren Anspruch eines Arbeitsvermittlers gegen die Bundesagentur für Arbeit bei Vermittlung einer Beschäftigung eines Inhabers eines Vermittlungsgutscheins (hierzu näher Kühl/Breitkreuz, Rechtsbeziehungen bei privater Arbeitsvermittlung, NZS 2004 568 f.).
19Voraussetzung für die Auszahlung der Vergütung ist eine erfolgreiche Arbeitsvermittlung. Denn gem. § 296 Abs. 2 Satz 1 SGB III ist der Arbeitssuchende bzw. bei Vorliegen eines Vermittlungsgutscheins die Beklagte, § 296 Abs. 4 Satz 2 SGB III zur Zahlung der Vergütung nur verpflichtet, wenn infolge der Vermittlung des Vermittlers der Arbeitsvertrag zustande gekommen ist.
20Auf die Arbeitsvermittlung ist vorbehaltlich der Besonderheiten des § 296 SGB III das zivilrechtliche Maklerrecht anzuwenden (Kühl/Breitkreuz a.a.O.). Eine Maklertätigkeit im Sinne von § 652 Abs. 1 BGB ist dabei nur dann gegeben, wenn der vom Auftraggeber des Maklers erstrebte Vertragsabschluß zwischen dem Auftraggeber und einem Dritten zustande kommt. Dabei ist in der Rechtssprechung der Zivilgerichte anerkannt, dass der Makler keinen Vergütungsanspruch hat, wenn durch seine Tätigkeit ein Hauptvertrag mit einer Person zustande kommt, mit der er gesellschaftsrechtlich oder auf andere Weise verflochten ist. Eine den Provisionsanspruch ausschließende Verflechtung liegt vor, wenn das Zustandekommen des Hauptvertrages nicht allein von einer übereinstimmenden Willensbildung der Parteien dieses Vertrages, sondern (auch) von einer Entschließung des Maklers abhängig ist (SG Stralsund, Urteil vom 21.08.2003 S 4 AL 36/03 unter Hinweis auf BGH, NJW 1971, 1839; BGHZ 138, 170 ff.).
21Darüber hinaus ist anerkannt, dass ein Makler auch dann keinen Vergütungsanspruch hat, wenn durch seine Tätigkeit ein Hauptvertrag mit einer Person oder Gesellschaft zustande kommt, mit der er gesellschaftsrechtlich oder auf andere Weise verflochten ist. Eine Verflechtung zwischen Makler und Vertragspartner des Auftraggebers liegt nicht nur dann vor, wenn die eine Firma an der anderen kapitalmäßig beteiligt ist, sondern auch und erst recht dann, wenn eine natürliche Person die Geschäftstätigkeit beider Firmen entscheidend steuern und beeinflussen kann (SG Aurich, Urteil vom 26.03.2003 S 5 AL 60/02 OLG Stuttgart, Urteil vom 20.07.1973, NJW 1973, 1975).
22Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine derartige Verflechtung. Für eine Verflechtung spricht allerdings, dass wie das Handelsregister belegt - die Klägerin mit dem persönlich haftenden Gesellschafter und Geschäftsführer der Arbeitgeberin, G, verwandt ist, er ist ihr Sohn. Darüber hinaus spricht die Tatsache, dass jedenfalls zeitweise gemeinsames Personal eingesetzt wurde, für eine Verflechtung.
23Indes irrt die Beklagte, wenn sie meint, dass allein verwandtschaftliche Beziehungen eine solche Verflechtung zu begründen vermögen. Nach der genannten Rechtssprechung ist vielmehr entscheidend, ob der Makler die Geschäftstätigkeit beider Firmen entscheidend steuern und beeinflussen kann. Hierfür bedarf es weiterer, über bloße verwandtschaftliche Beziehungen hinausgehender Verflechtungen. Eine solche ist ohne weiteres zu bejahen, wenn der Makler am Vertragspartner des Auftraggebers kapitalmäßig beteiligt ist. Gleiches gilt, wenn der Geschäftsführer des Maklers gleichzeitig Geschäftsführer des Vertragspartners des Auftraggebers ist. Auch bei verwandtschaftlichen Beziehungen mag ein entscheidender Einfluß des Maklers auf die Geschäftstätigkeit des Dritten zu bejahen sein, wenn es sich im Einzelfall ergibt, dass der Makler keine eigenständigen Geschäftstätigkeiten entfaltet sondern im Sinne eines "Strohmannes" lediglich den Anschein eigenständiger Geschäftstätigkeit erweckt.
24In vorliegendem Fall ist es der Klägerin indes gelungen, das Gericht davon zu überzeugen, dass sie nicht nur vorgeschoben wird, um unter Ausnutzung einer formalen Eigenständigkeit Arbeitsvermittlung nur vorzutäuschen sondern dass sie tatsächlich echte Arbeitsvermittlung am Markt betreibt. Hierfür sprechen zum Einen die nachgewiesen Akquisebemühungen über verschiedene Tageszeitungen. Außerdem hat auch die Beklagte zugestanden, dass die Klägerin wenn auch lediglich in zwei Fällen eine Vermittlungstätigkeit für Firmen entfaltet hat, mit denen sie in keinerlei Beziehung steht, weshalb die Beklagte hierfür Vermittlungsgutscheine ausgezahlt hat. Für eine eigenständige Vermittlungstätigkeit spricht zudem, dass die Arbeitgeberin zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Einschaltung der Klägerin eingestellt hat. Dies wäre nicht plausibel, wenn es der Klägerin und der Arbeitgeberin im Sinne eines kollusiven Zusammenwirkens lediglich darum gehen würde, für die Einstellung von Arbeitnehmern Vermittlungsprovisionen zu erhalten.
25Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197 a SGG, 154 Abs. 1 VWGO.
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