Urteil vom Sozialgericht Aachen - S 4 (6) KR 34/05
Tenor
Die Beigeladene wird verurteilt, an den Kläger 5.458,33 EURO nebst 4 % Zinsen ab dem 01.05.2005 zu zahlen. Die Beigeladene trägt die Kosten.
1
Tatbestand:
2Streitig ist die Erstattung der Aufwendungen des Arbeitgebers nach § 14 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes durch die Krankenkasse gemäß § 10 Abs. 3 Lohnfortzahlungsgesetz.
3Der Kläger ist Arbeitgeber der Frau M. Die war zunächst Mitglied bei der Beigeladenen, wechselte aber zum 01.04.2004 ihre Krankenkasse und wurde Mitglied bei der Beklagten. Die Umlagen nach § 14 Lohnfortzahlungsgesetz wurden seitens des Klägers jedoch weiterhin an die Beigeladene gezahlt. Für den Zeitraum vom 15.07.2004 bis zum 10.12.2004 leistete der Kläger seiner Arbeitnehmerin Frau M Zahlungen nach § 14 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes. Im Oktober 2004 beantragte der Kläger zunächst von der Beklagten die Erstattung der Aufwendungen nach § 14 Abs. 3 Lohnfortzahlungs- gesetz (LFZG). Die Beklagte lehnte dies ab, da der Kläger seit Beginn der Beschäftigung die Umlagebeiträge nicht an sie, sondern an die AOK gezahlt habe. Hieraufhin wandte sich der Kläger am 18.11.2004 an die Beigeladene mit der Bitte um Erstattung. Die Bei- geladene wiederum meinte, die Beklagte sei für die Erstattung zuständig. Die Beigeladene erstattete daraufhin dem Kläger die in der Zeit ab April 2004 gezahlten Umlagen. Der Kläger versuchte, diese bei der Beklagten einzuzahlen.
4Mit Bescheid vom 15.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2005 lehnte die Beklagte es ab, dem Kläger die Leistungen aus der Entgeltfortzahlungsversicherung zu erstatten. Die Beklagte habe dem Kläger sowohl im Zusammenhang mit der Beitragsinformation, insbesondere durch die Versendung eines Erhebungsbogens zur Feststellung der Lohnfortzahlungsverpflichtung vom 27.12.2003, über die Existenz ihrer Fortzahlungskasse informiert. Da allerdings die Umlagebeiträge aus der Lohnfortzahlungsversicherung unstreitig an die Beigeladene abgeführt worden seien, sei diese auch eintrittspflichtig. Nach § 3 Abs. 5 des Anhangs zur Satzung der Beklagten für die Angelegenheiten des Ausgleiches der Arbeitnehmeraufwendungen nehme die Beklagte keine Erstattungen an Arbeitgeber vor, die nicht ab dem Eintritt der Umlagepflicht die Umlagebeiträge an sie gezahlt hätten. Da die Umlagebeiträge nicht an die Beklagte, sondern an die Beigeladene abgeführt worden waren, bestehe seitens der Beklagten keine Einstandspflicht.
5Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage. Der Kläger begehrt die Erstattung seiner Aufwendungen nach dem Mutterschaftsgesetz. Er meint, er habe übersehen, dass die Beigeladene ebenfalls eine Umlagekasse habe.
6Der Kläger beantragt,
7die Beigeladene zu verurteilen, die Auwendungen für das Mutterschaftsgesetz in Höhe von 5.458,33 EURO nebst 4 % Zinsen ab dem 01.05.2005 zu zahlen.
8Die Beklagte schließt sich dem Antrag des Klägers an.
9Sie meint, die Beigeladene sei erstattungspflichtig. Sie weist darauf hin, dass in der Verabschiedung des Lohnfortzahlungsgesetzes im Jahre 1969 im Hinblick auf den Status der Betriebskrankenkassen keine Notwendigkeit bestanden habe, die Betriebskrankenkassen in dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 LFZG aufzunehmen. Erst nach der Öffnung der Betriebskrankenkassen für den allgemeinen Krankenversicherungsmarkt im Jahre 1996 habe das Bundesversicherungsamt den Betriebskrankenkassen die Errichtung von eigenen Lohnfortzahlungskassen empfohlen. Dieser Empfehlung folgend habe die Beklagte eine eigene Lohnfortzahlungskasse gegründet. Das Bundesversicherungsamt habe die Errichtung der Lohnfortzahlungskasse und deren Satzung genehmigt, nach der die Beklagte nach § 3 Abs. 5 grundsätzlich keine Erstattungen an Arbeitgeber vornehme, die nicht ab Eintritt der Umlagepflicht die Umlagebeiträge an sie gezahlt hätten. Diese Genehmigung sei nicht zuletzt unter dem Aspekt erfolgt, der Beklagten ein Minimum an Planungssicherheit zu geben. Das System einer Versicherung könne nicht funktionieren, wenn die zudem auch noch geringen Beiträge erst dann überwiesen würden, wenn der "Schadensfall" eingetreten sei, hingegen für den Großteil der an der Umlageversicherung zu beteiligenden Beitragszahler die Umlagebeiträge an eine andere Lohnfortzahlungskasse, als die der Beklagten abgeführt würden. Nach Auffassung des Bundesversicherungsamtes könnten die Arbeitgeber die Umlagebeiträge auch an andere Lohnfortzahlungskassen für ihre BKK versicherten Arbeitnehmer als die der Beklagten abführen. Daher müssten dann auch diese anderen Lohnfortzahlungskassen für die Leistungen nach § 10 Abs. 3 LFZG zuständig sein. Dies folge aus dem Äquivalenzprinzip - Leistung gegen Prämie. Auch § 19 LFZG sehe vor, dass Arbeitgeber ihre Umlagebeiträge an eine andere Umlagekasse abführen könnten als die Kasse, bei der der Beschäftigte krankenversichert ist. Die Beigeladene erhielte ansonsten einen nicht vertretbaren Wettbewerbsvorteil dadurch, dass sie die Prämien annehme und erst bei einem Erstattungsantrag auf ihre vermeintliche Unzuständigkeit hinweise.
10Der Bevollmächtigte der Beigeladenen beantragt,
11die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.458,33 EURO nebst Zinsen ab dem 01.05.2005 zu zahlen.
12Sie meint, die Beklagte sei nach § 10 Abs. 3 LFZG zur Erstattung verpflichtet. Bei der Regelung nach dem Lohnausgleichsverfahren für Mitglieder von Betriebskrankenkassen ergebe sich nach derzeitiger Rechtslage eine Gesetzeslücke. Offensichtlich werde es vom Bundesversicherungsamt toleriert, dass Betriebskrankenkassen das Lohnausgleichsverfahren für ihre Mitglieder anböten. In diesen Fällen akzeptiere sie selbstverständlich, dass Arbeitgeber für diese Mitglieder die Umlagebeiträge an die zuständige Betriebskrankenkasse entrichteten. Sofern sich eine Betriebskrankenkasse für die gesetzliche Lohnausgleichskasse nach dem Lohnfortzahlungsgesetz entscheidet, gehe damit die gesetzliche Beitragspflicht einher mit der Folge, diese Beiträge auch entsprechend dem gesetzlichen Auftrag einzuziehen. Sie habe die irrtümlich an sie von der Klägerin gezahlte Umlage zurückerstattet. Die Krankenkasse habe jeweils zu Beginn des Kalenderjahres festzustellen, welche Arbeitgeber für die Dauer dieses Kalenderjahres an dem Ausgleich teilnehmen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigefügten Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
14Entscheidungsgründe:
15Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen nach dem Mutterschutzgesetz von der Beigeladenen nach § 10 Abs. 1 LFZG. Danach sind unter anderem die Ortskrankenkassen verpflichtet, den am Umlage- und Ausgleichsverfahren nach dem 2. Abschnitt des LFZG beteiligten Arbeitgebern in Kleinbetrieben mit weniger als 20 Beschäftigten das nach dem Mutterschutzgesetz gezahlte Arbeitsentgelt zu erstatten. Der Kläger hat ein entsprechendes Arbeitsentgelt an seine Arbeitnehmerin M geleistet.
16Der Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen oder auf die Beklagte übertragen, dass § 10 Abs. 3 LFZG regelt, dass die zu gewährenden Beiträge dem Arbeitgeber von der Krankenkasse ausgezahlt werden, bei dem die anspruchsberechtigten Frauen versichert sind. Zwar war die Arbeitnehmerin M grundsätzlich bei der Beklagten versichert. Bei der Beklagten handelt es sich jedoch um eine Betriebskrankenkasse. Im Bezug auf die Betriebskrankenkassen enthält der Wortlaut des § 10 LFZG eine Lücke. Diese war offensichtlich vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt, da das Lohnfortzahlungsgesetz seit Einführung der allgemeinen Krankenkassenwahlrechte nicht mehr durch den Gesetzgeber aktualisiert wurde. Zudem haben die Betriebskrankenkassen erst 1996 die Möglichkeit erhalten, sich für alle Versicherten in ihrer Region zu öffnen und auch Lohnausgleichskassen zu gründen. Dies galt insbesondere vor dem Hintergrund, dass etliche sogenannte Primärkassen nicht mehr bereit waren, die Lohnfortzahlung auch für kleinere Betriebe mit Beschäftigten, die bei Betriebskrankenkassen versichert waren, zu übernehmen. Um den Betriebskrankenkassen ein Minimum an Planungssicherheit zu gewähren, hat das Bundesversicherungsamt daher den Betriebskrankenkassen § 3 Abs. 5 des Anhangs der Kassensatzung der Beklagten genehmigt. Danach ist die Beklagte für Angelegenheiten des Ausgleiches der Arbeitgeberaufwendungen nicht erstattungspflichtig, wenn nicht ab dem Eintritt der Umlagepflicht die Umlagebeiträge an sie gezahlt wurden. Vorliegend hat der Kläger die Umlage ab Eintritt der Umlagepflicht, nämlich dem April 2004 mit der Aufnahme der Mitgliedschaft seiner Arbeitnehmerin M nicht an die Beklagte gezahlt. Dadurch ist aufgrund der Satzung eine eventuelle Leistungspflicht der Beklagten aus ihrer Lohnausgleichskasse entfallen.
17Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Satzung bestehen nicht. Die Beklagte war nach dem Lohnfortzahlungsgesetz nicht verpflichtet, überhaupt eine Lohnfortzahlungskasse zu gründen, sie war nach dem Lohnfortzahlungsgesetz auch nicht berechtigt bzw. ausschließlich berechtigt, die Prämien zu erhalten. Daher war sie berechtigt, um ein Minimum an Planungssicherheit zu haben, auch aufgrund ihrer Satzung Regelungen bezüglich der Erstattungspflicht für die Mitglieder zu treffen, für die keine Umlagen geleistet wurden. Die beklagte Betriebskrankenkasse ist keine sogenannte Primärkasse im Sinne des § 10 Abs. 1 LFZG.
18Demnach war die Beigeladene zur Erstattung verpflichtet. Bei der Beigeladenen handelt es sich um eine sogenannte Primärkasse im Sinne des § 10 LFZG. Anderweitige vorrangige Kassen, die die Umlage leisten können, sind nicht ersichtlich. Die Beigeladene hat die Umlagen für die versicherte Arbeitnehmerin des Klägers entgegen genommen.
19Der Zinsanspruch folgt aus § 44 SGB I. Danach sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit mit 4 v. H. zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von 6 Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages beim zuständigen Leistungsträger. Der Antrag auf Erstattung der Kosten ist bei der Beigeladenen spätestens am 18.11.2004 eingegangen. Demnach rechtfertigt sich der Zinsanspruch ab dem 01.05.2005. Die Verurteilung der Beigeladenen ist nach § 75 Abs. 5 SGG möglich. Ein Vorverfahren ist insoweit nicht mehr erforderlich.
20Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.