Urteil vom Sozialgericht Detmold - S 8 (2) R 260/07
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beigeladene bei der Klägerin sozialversiche-rungspflichtig beschäftigt ist.
3Die Klägerin vertreibt Grillhähnchen aus mobilen Verkaufsständen. Bis zum 31.10.2006 war der Beigeladene bei der Klägerin als angestellter Hähnchenwagenfahrer sozialversi-cherungspflichtig beschäftigt.
4Am 30.10.2006 schlossen die Klägerin und der Beigeladene einen Handelsvertretervertrag, wonach der Beigeladene ab dem 01.11.2006 als selbstständiger Handelsvertreter im Sinne der §§ 84 ff des Handelsgesetzbuches (HGB) für die Klägerin tätig sein sollte. Die Tätigkeit beinhaltet den Vertrieb von Geflügelfleisch, Schweinefleisch, Imbissartikeln und Salaten. Nach § 3 Abs. 3 S. 1 des Vertrages ist der Beigeladene verpflichtet, seine Aufgaben entsprechend den Weisungen der Klägerin zu erfüllen und die Interessen der Klägerin mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen. Gemäß § 3 Abs. 3 S. 2 des Vertrages ist jedoch bei Weisungen der Klägerin die Stellung des Beigeladenen als selbstständiger Gewerbetreibender zu berücksichtigen. Nach § 3 Abs. 4 des Vertrages ist der Beigeladene berechtigt, Hilfspersonen heranzuziehen und Untervertreter oder Reisende einzusetzen. § 4 Abs. 1 sieht vor, dass die Klägerin das für die Ausübung der Tätigkeit erforderliche Material wie Verkaufsfahrzeug inklusive Zubehör, Preislisten und Werbeschilder zur Verfügung stellt, welches gänzlich Eigentum der Klägerin bleibt und zurückverlangt werden kann, soweit es nicht bestimmungsgemäß verbraucht worden ist. In § 4 Abs. 2 ist geregelt, dass die Klägerin die von dem Beigeladenen übermittelten Kundenaufträge zügig zu bearbeiten habe und die Auftragsannahme unverzüglich zu erklären habe. Hat sie Bedenken, einen Auftrag anzunehmen, so muss sie dies dem Beigeladenen unverzüglich mitteilen. Nach § 5 Abs. 2 ist der Beigeladene verpflichtet, täglich die von ihm ermittelten Umsätze mitzuteilen. Nach § 6 Abs. 1 erwirbt der Beigeladene einen Anspruch auf Provision für alle Geschäfte, die zwischen der Klägerin und Vertragskunden durch seine Vermitt-lungstätigkeit zustande kommen. Der mit "Tätigkeitsunterbrechungen/Urlaub" überschriebene § 8 des Vertrages sieht vor, dass der Beigeladene die Klägerin unverzüglich zu unterrichten hat, wenn er seine Tätigkeit wegen Erkrankung oder aus anderen Gründen mehr als fünf Werktage einstellt. Nach § 8 Abs. 3 soll der Beigeladene seinen Urlaub, wenn möglich, in geschäftsarme Zeiten legen und die geplanten Urlaubstermine der Klägerin bis Ende Februar eines jeden Jahres mitteilen. Er soll für die Betreuung der Kunden während seiner Abwesenheit Sorge tragen. Nach § 10 Abs. 2 des Vertrages ist für die Tätigkeit für andere Unternehmen die vorherige Zustimmung der Klägerin erforderlich.
5Für die Tätigkeit als Handelsvertreter bewilligte die Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid vom 05.12.2006 einen Gründungszuschuss gemäß § 57 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) für die Zeit vom 08.11.2006 bis 07.08.2007 in Höhe von 1.554,30 EUR monatlich.
6Am 28.03.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten gemäß § 7 a des Sechsten Bu-ches Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen. Nach Anhörung der Beteiligten stellte die Beklagte mit Bescheid vom 06.06.2007 fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen als Verkäufer von Grillprodukten und Salaten aus mobilen Verkaufsständen im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werde. Zur Begründung führte sie aus: Im vorliegenden Fall werde die bis zum 31.10.2006 ausgeübte Tätigkeit fortgeführt. Der Beigeladene trage kein Unternehmerrisiko. Er nutze die Betriebsmittel der Klägerin; lediglich seien ihm zusätzliche Risiken wie keine Sozialversicherungsabsicherung und keine Urlaubsabgeltung zugewiesen. Nach außen trete er nicht erkennbar als selbstständig Tätiger auf, er mache auch keine eigene Werbung. Der Vertrag sehe vor, dass er Weisungen der Klägerin erfüllen müsse. Zwar habe er keine regelmäßigen Arbeits- oder Anwesenheitszeiten einzuhalten, durch die terminlichen und örtlichen Vorgaben der Klägerin sei er aber doch gebunden. Dies betreffe die abgesprochenen Termine mit den Stellplatzverpächtern (meist Supermärkte) und die damit verbundenen Öffnungszeiten. Ein Gestaltungsspielraum hinsichtlich der freien Wahl des Arbeitsortes und der Arbeitszeit bestünde nicht.
7Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 02.07.2007 Widerspruch ein, den sie wie folgt begründete: Bereits die vertragliche Ausgestaltung als Handelsvertreter spreche für eine selbstständige Tätigkeit. Die Klägerin müsse die Stellung des Beigeladenen als selbstständiger Gewerbetreibender achten. Ein Weisungsrecht der Klägerin bezüglich Art, Zeit und Ort der Tätigkeitsausführung bestünde nicht. Der Beigeladene könne die Orte frei bestimmen, an denen er sein Verkaufsgeschäft betreibe und müsse nicht an vorgegebenen Orten tätig sein. Dass er dabei an die Geschäfts- und Öffnungszeiten gebunden sei, die ihm die Stellplatzvermieter auferlegten, falle in seinen Verantwortungsbereich. Der Beigeladene könne auch über das Sortiment frei entscheiden. Die betrieblichen Mittel stünden zwar im Eigentum der Klägerin; bezüglich der Nutzung unterliege der Beigeladene aber nicht konkreten Weisungen der Klägerin. Es würden auch keine Arbeiten in der Betriebsstätte der Klägerin verrichtet. Diese stelle zwar das Fahrzeug. Hierbei handele es sich aber nicht um eine Betriebsstätte der Auftraggeberin, sondern um die Stätte, von der aus der Beigeladene seine selbstständige Tätigkeit ausübe. Eine Überwachung von Betriebsabläufen finde nicht statt. Abmahnungen oder Lohnkürzungen seien nicht möglich. Eine Einteilung von Arbeitsabfolgen und Arbeitsgängen durch die Klägerin erfolge nicht. Aufgrund des geschlossenen Handeslvertretervertrages sei die Klägerin hierzu nicht berechtigt. Weiter bestünde kein Urlaubsanspruch, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und keine Pflicht zur höchstpersönlichen Erbringung der Arbeitsleistung. Eine feste Entlohnung erfolge nicht, sondern es entstünde ein Provisionsanspruch. Auch müsse der Beigeladene Unternehmerinitiative entfalten durch die Wahl des Verkaufsortes, des Warensortimentes und sonstiger unternehmerischer Entscheidungen.
8Mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
9Mit der am 10.10.2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und führt ergänzend aus: Die vorherige abhängige Beschäftigung sei kein Indiz für die Qualifikation der Tätigkeit als sozialversicherungspflichtig. Die Stellung der betrieblichen Mittel erfolge zur Schaffung eines weiteren Bekanntheitsgrades der Klägerin. Bezüglich der Betriebsmittel bestünde keine vertragliche Verpflichtung, ausschließlich die von der Klägerin gestellten Arbeitsmittel einzusetzen. Die Klägerin wies zudem darauf hin, dass der Beigeladene seit dem 01.08.2008 einen Arbeitnehmer beschäftige.
10Die Klägerin beantragt,
11den Bescheid der Beklagten vom 06.06.2007 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 06.09.2007 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene in seiner Tätigkeit als Handelsvertreter seit dem 01.11.2006 nicht im Rahmen eines abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigunsverhältnisses steht.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihre Ausführungen im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid.
15Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag.
16Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes anberaumt und die Beteiligten angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11.11.2008 Bezug genommen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
18Entscheidungsgründe:
19Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 06.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2007 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat im Rahmen des von der Klägerin initiierten Statusfeststellungsverfahrens gemäß § 7 a ff. SGB IV zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene seit dem 01.11.2006 als abhängig Beschäftigter und somit im Rahmen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung für die Klägerin tätig ist.
20Das Eintreten von Sozialversicherungspflicht setzt grundsätzlich eine abhängige Beschäftigung voraus. Das folgt für die Arbeitslosenversicherung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Sozialgesetzbuch (SGB III), für die gesetzliche Krankenversicherung aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V), für die Rentenversicherung aus § 1 Nr. 1 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI), für die soziale Pflegeversicherung aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 Elftes Sozialgesetzbuch (SGB XI). Nach diesen Vorschriften sind Angestellte oder Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, in diesen Versicherungszweigen versicherungspflichtig. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV, der gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auch für die Arbeitslosenversicherung gilt, ist die Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (SozR 4-2400 § 7 Nr. 5 m. w. N.) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert werden. Die Arbeitsleistung bleibt dennoch fremdbestimmt, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in dessen Dienste sie verrichtet wird (vgl. etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nrn. 4, 15, 19, 20). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Eine selbstständige Tätigkeit kann auch im Rahmen eines freien Dienstvertrages im Sinne des bürgerlichen Rechts ausgeübt werden (BSG SozR 2200 § 165 Nrn. 45 und 96). Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag ( BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 8; SozR 3-2400 § 7 Nr. 13, S. 31 f.; SozR 3-2400 § 7 Nr. 20, S. 78; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht -BVerfG-, Kammerbeschl. vom 20.05.1996, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 Rdnr. 17).
21Hiervon ausgehend ist die Kammer zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beigeladene bei Gesamtwürdigung aller Umstände als sozialversicherungspflichtig beschäftigt zu beurteilen ist. Vorliegend überwiegen nach Auffassung der Kammer die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen.
22Der Beigeladene ist zunächst nach Auffassung der Kammer persönlich abhängig von der Klägerin. Kennzeichnend ist hierbei zunächst die Eingliederung in einen Betrieb, worunter jede und nicht nur eine gewerbliche Arbeitsorganisation zu verstehen ist (KassKomm-Seewald, § 7 SGB IV Rn. 64). Maßgebend ist der betriebsorganisatorische Zusammenhang, in dem eine bestimmte Tätigkeit steht. Entscheidend ist, ob die tätig werdende Person Glied eines fremden Betriebes ist oder im Mittelpunkt eines eigenen Unternehmens steht (BSGE 11, 275, 260 f). Fremdbestimmtheit der Tätigkeit kennzeichnet das Beschäftigungsverhältnis, Selbstbestimmtheit die selbstständige Tätigkeit. Die Tätigkeit des Beigeladenen für die Klägerin stellt sich danach als weitgehend fremdbestimmt dar. Hierbei hat die Kammer berücksichtigt, dass entsprechend den Angaben der Beteiligten es dem Beigeladenen freistand, eigene Verkaufsorte zu akquirieren und die Zeiten zu bestimmen, zu denen er die Verkaufsorte anfuhr. Tatsächlich war es jedoch so, dass der Beigeladene nur solche Standplätze anfuhr, die bereits vorher von den Hähnchenfahrern der Klägerin angefahren wurden. Diese blieb auch weiterhin "Inhaberin" der Standplätze; es hätte für den Beigeladenen nicht die Möglichkeit bestanden, diese Standplätze auch mit einem von ihm selbst angeschafften Fahrzeug anzufahren und dort Waren eines anderen Lieferanten zu vertreiben. Der von dem Beigeladenen benutzte Wagen trug den Namen des Betriebes der Klägerin, ebenso Werbeprodukte und Preislisten. Ziel war es nach eigenem Vorbringen der Beteiligten, dem Namen der Klägerin zu weiterer Bekanntheit zu verhelfen; eigene Werbung des Beigeladenen für seinen eigenen Betrieb zur Steigerung des eigenen Bekanntheitsgrades erfolgte nicht.
23Der Beigeladene wird auch nicht selbst Vertragspartner der einzelnen mit den Kunden abgeschlossenen Kaufverträge, sondern die Klägerin selbst; der Beigeladene handelte im Namen und auf Rechnung der Klägerin. Letztlich entscheidet auch die Klägerin selbst über die Annahme eines Auftrages. So bestimmt § 4 Abs. 2 S. 2 des Vertrages, dass bei Bedenken über die Annahme eines Kundenauftrages dies dem Beigeladenen unverzüglich mitzuteilen sei und diesem Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden müsse. Über Annahme oder Ablehnung eines von ihm vermittelten Geschäftes müsse er nach § 4 Abs. 2 S. 3 des Vertrages unverzüglich informiert werden; die letztliche Entscheidungskompetenz verbleibt aber bei der Klägerin.
24Zudem ist der Beigeladene auch im Hinblick auf die Arbeitsabläufe in den Betrieb der Klägerin eingebunden. So muss der Beigeladene das Verkaufsfahrzeug jeden Abend zur Betriebsstätte der Klägerin zurückbringen, damit es dort gereinigt werden kann. Die ermittelten Umsätze teilte er jeden Abend der Klägerin mit. Auch in den Fällen der Abwesenheit des Beigeladenen erfolgte die Organisation der Vertretung durch die Klägerin. Zwar ist nach § 8 Abs. 2 des Vertrages der Beigeladene berechtigt, seine Aufgaben im Falle seiner Abwesenheit durch Untervertreter oder angestellte Mitarbeiter ausführen zu lassen. Tatsächlich schickte jedoch in diesen Fällen die Klägerin selbst einen ihrer angestellten Fahrer zu den Standplätzen des Beigeladenen. Bei diesen handelte es sich nicht um Vertreter des Beigeladenen; einen Provisionsanspruch erwarb dieser für die in diesen Zeiten getätigten Geschäfte nicht. Zudem ist der Beigeladene verpflichtet, seinen Urlaub in erfahrungsgemäß geschäftsarme Zeiten zu legen. Bereits im Februar des Jahres hat er die geplanten Urlaubstermine mitzuteilen.
25Auch hat die Klägerin maßgeblichen Einfluss auf die von dem Beigeladenen angebotene Produktpalette. So ist der Beigeladene zunächst verpflichtet, die von der Klägerin vertriebenen Grillprodukte zu verkaufen. Er hat auch nicht die Möglichkeit, die Produkte bei einem anderen Lieferanten einzukaufen, der diese möglicherweise günstiger anbietet, wie es für einen selbstständigen Gewerbetreibenden typisch wäre. Zwar kann der Beigeladene Vorschläge für eigene Produkte anbringen, die er in die Produktpalette aufnehmen möchte. Bezogen werden diese dann jedoch auch von der Klägerin, die diese an den Beigeladenen zum Verkauf weiterreicht, so dass auch hier letztlich eine Einflussnahme der Klägerin stattfindet. Der Beigeladene kauft nicht einfach nach eigenem Ermessen Produkte ein und bietet diese dann neben den Grillprodukten an.
26Daneben spricht auch für eine abhängige Beschäftigung, dass der Beigeladene seine ganze Arbeitskraft für die Klägerin einsetzt. Zwar ist es ihm gestattet, auch mit weiteren Auftraggebern ähnliche Verträge wie mit der Klägerin abzuschließen. Nach dem Vortrag des Beigeladenen bestehen hierfür aber keine zeitlichen Kapazitäten mehr, da er derzeit fünf Tage in der Woche für die Klägerin tätig wird. Seine Einnahmen bezieht er ausschließlich von der Klägerin.
27Zudem unterscheidet sich die Tätigkeit des Beigeladenen auch von Ablauf und Ausgestaltung nicht wesentlich von der der bei der Klägerin angestellten Hähnchenfahrer. Ein Unterschied liegt nach dem Vortrag der Beteiligten lediglich darin, dass der Beigeladene selber entscheidet, welche Menge an Waren er einlädt, während dies für die übrigen Hähnchenfahrer von der Klägerin mittels Ladelisten vorgegeben wird.
28Darüber hinaus trägt der Beigeladene auch kein bei einer selbstständigen Tätigkeit übli-cherweise bestehendes Unternehmerrisiko. Dabei ist für ein Unternehmerrisiko kennzeichnend, dass ein Einsatz finanzieller Mittel stattfindet zur Erzielung eines im Zeitpunkt dieses Einsatzes ungewissen Unternehmensgewinns. Hier fehlt es an dem Einsatz finanzieller Mittel des Beigeladenen. Hierbei ist zunächst von Bedeutung, dass sämtliche von dem Beigeladenen genutzten Betriebsmittel von der Klägerin gestellt werden und nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Vertrages auch in ihrem Eigentum verbleiben. Hierzu gehören insbesondere das Verkaufsfahrzeug inklusive Zubehör, Preislisten und Werbeschilder. Es kann nach § 4 Abs. 1 S. 2 jederzeit zurückverlangt werden. Sämtliche im Zusammenhang mit dem Verkaufsfahrzeug anfallenden Kosten, namentlich Benzinkosten und Autoversicherung, werden, wie der Beigeladene im Erörterungstermin ausgeführt hat, von der Klägerin getragen; auch insoweit ist kein Kapitaleinsatz erforderlich. Miete wird für das Fahrzeug nicht entrichtet. Auch für die allabendliche Reinigung des Fahrzeuges hat der Beigeladene nichts an die Klägerin zu zahlen. Auch die vertriebenen Waren müssen von dem Beigeladenen nicht eingekauft werden, sondern werden von der Klägerin gestellt und wieder zurückgenommen, soweit sie nicht verkauft wurden. Weiter übernimmt die Klägerin auch das Standgeld für die Standplätze vor den Supermärkten. Für den Beigeladenen fielen im Zusammenhang mit der Tätigkeit für die Klägerin keinerlei Kosten an, die die Annahme eines Unternehmerrisikos rechtfertigen könnten.
29Das für eine selbstständige Tätigkeit charakteristische Unternehmerrisiko ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beigeladene ggf. keinen Provisionsanspruch erwirbt, wenn er keine Ware verkauft, weil er beispielsweise im Stau steht. Das typische Unternehmerrisiko liegt vielmehr darin begründet, dass über eine erfolgsabhängige Zahlung in dieser Form hinaus das Risiko besteht, auch im Falle einer Mehrleistung unter Umständen gar kein Entgelt zu erzielen. Diesem Risiko war der Beigeladene nicht ausgesetzt.
30Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht daraus, dass der Beigeladene seine Arbeitskraft mit ungewissem Erfolg einsetzt. Zwar kann nach der Rechtsprechung des BSG auch dies ausreichend sein für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 45, 51, 63 m.w.N.), jedoch betrifft dies vor allem freiberuflich Tätige, deren Leistung nicht oder nicht wesentlich im Einsatz von Geldkapital, sondern von Wissen, Fertigkeiten oder geistigem Können besteht (BSG a.a.O.). Liegt aber eine - wie hier - typische gewerbliche Tätigkeit vor, bleibt der Einsatz finanzieller Mittel kennzeichnend für das Unternehmerrisiko.
31Soweit das Fehlen eines vertraglichen Urlaubsanspruches sowie die Möglichkeit zum Einsatz von Hilfskräften grundsätzlich für eine selbständige Tätigkeit sprechen, können diese Faktoren doch in der Gesamtschau nicht als Indiz für ein Unternehmerrisiko gewertet werden. Denn solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbständige Subunternehmertätigkeit wollten. Letztlich ist dies nicht entscheidend, vielmehr ist das Gesamtbild der Arbeitsleistungen nach den tatsächlichen Verhältnissen maßgebend. Solche Vereinbarungen sind im Übrigen eher typisch bei Scheinselbstständigkeit, die die Arbeitnehmerrechte wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Ansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und nicht zuletzt die Beitragszahlung zur Sozialversicherung umgehen soll. Den Arbeitnehmern werden in diesen Fällen lediglich Schutzmöglichkeiten genommen, ohne dass dies im Ergebnis durch unternehmerische Rechte oder gar Gewinne kompensiert wird (vgl. hierzu Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 12.12.2008 - L 4 R 3542/05 ).
32Letztlich folgt die Selbstständigkeit des Beigeladenen auch nicht aus der Tatsache, dass er seinen Gewerbebetrieb ordnungsgemäß angemeldet hat. Denn die Gewerbeanmeldung hat lediglich ordnungsrechtliche Funktion; im Rahmen der Qualifikation einer Tätigkeit als selbstständig oder abhängig kommt ihr lediglich untergeordnete Bedeutung zu.
33Etwas anderes folgt auch nicht aus § 7 Abs. 4 SGB IV. Gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 SGB IV wird für Personen, die für eine selbstständige Tätigkeit einen Zuschuss nach § 421 l SGB III beantragen, widerlegbar vermutet, dass sie in dieser Tätigkeit als Selbstständige tätig sind. Gemäß Satz 2 der Vorschrift gelten diese Personen für die Dauer des Bezuges dieses Zuschusses als selbstständig Tätige. Die Vermutung greift bereits deshalb nicht ein, weil der Beigeladene keinen Existenzgründungszuschuss gemäß § 421 l SGB III bezog, sondern einen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III. Zudem ist die Vermutung nach den obigen Ausführungen auch widerlegt.
34Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und orientiert sich an dem Erfolg in der Hauptsache. Demnach trägt die Klägerin die Kosten des Verfahrens.
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