Urteil vom Sozialgericht Duisburg - S 7 KR 79/04
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 3.825,45 EUR nebst 2 % Zinsen über dem Basissatz seit dem 27.04.2001 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 3825,45 EUR festgesetzt.
1
Tatbestand:
2Umstritten ist die Vergütung von Krankenhausleistungen, die im Jahre 2001 erbracht wurden.
3Die Klägerin betreibt ein nach § 108 des 5. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Für die Beteiligten galt im Jahre 2001 der zwischenzeitlich gekündigte Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V im Lande NRW. Der bei der Beklagten versicherte M wurde auf der urologischen Abteilung im Krankenhaus der Klägerin in der Zeit vom 08.02.2001 bis 13.03.2001 stationär behandelt. In diesem Rahmen kam es zu einer Zystoprostatovesikolektomie unter Anlegung einer Neoblase aus köpereigenem Darmgewebe des Versicherten.
4Nach der Entlassung forderte die Klägerin von der Beklagten mit am 09.04.2001 ausgestellten und am 11.04.2001 bei der Beklagten eingegangenen Rechnung einen Betrag in Höhe von 26.170,59 DM für die gesamte Behandlung. In der Abrechnung wurde neben den Basis- und Abteilungspflegesätzen das Sonderentgelt (SE) 13.07 abzüglich der geleisteten Zuzahlung aufgeführt. Der 20%ige Abschlag für die Abteilungspflegesätze in den ersten 12 Tagen wurde nicht berücksichtigt. Daraufhin nahm die Beklagte zunächst eine Akontozahlung in Höhe von 1.530,19 EUR am 15.05.2001 vor und teilte der Klägerin mit Schreiben vom 16.05.2001 mit, dass nach der Überprüfung durch den beratenden Arzt lediglich die Pflegesätze aber nicht das SE 13.07 abrechenbar sei. Aus diesem Grunde würde die Rechnung entsprechend gekürzt und lediglich ein weiterer Betrag in Höhe von 18.926,64 DM zur Zahlung angewiesen. Vor diesem Hintergrund bat die Klägerin unter dem 11.03.2002 um die Vorlage des sozialmedizinischen Berichts, aus dem sich die Rechtfertigung für die Rechnungskürzung ergebe. Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 14.05.2002 mit, sie habe die sozialmedizinische Beurteilung zunächst durch ihren eigenen beratenden Arzt durchführen lassen. Eine Begutachtung durch den medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) sei aufgrund der Anfrage der Klägerin nunmehr zusätzlich in Auftrag gegeben worden. In einem Gutachten vom 06.12.2002 kam der MDK dann zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Abrechnung des SE 13.07 nicht erfüllt gewesen seien, weil die Leistung bereits mit der Vergütung der Hauptleistung abgegolten worden sei. Mit Schreiben vom 17.12.2002 informierte die Beklagte die Klägerin unter Übersendung des MDK-Gutachtens und mit Hinweis auf das Schreiben vom 16.05.2001 darüber,dass das SE 13.07 nicht nachgezahlt werden könne. Daraufhin mahnte die Klägerin unter dem 28.03.2003 die Zahlung des Restbetrages mit der Begründung an, die Bildung der Neoblase stelle eine erhebliche Erweiterung des operativen Eingriffs dar, was die Abrechnung des SE rechtfertige. Aufgrund dieses Schreibens veranlasste die Beklagte eine erneute Überprüfung durch den MDK, der in einem weiteren Gutachten vom 24.04.2003 die Auffassung der Beklagten bestätigte, dass neben einem "Budgetfall" ein SE nicht abgerechnet werden könne, da auch in einem solchen Fall der das SE definierende Leistungsinhalt nicht erbracht sei. Vor diesem Hintergrund informierte die Beklagte die Klägerin unter dem 20.05.2003 darüber, dass es bei der bisherigen Ablehnung bliebe.
5Nach zwei weiteren erfolglosen Mahnungen hat die Klägerin am 08.04.2004 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben, mit der sie ihr Begehren auf vollständige Bezahlung des in Rechnung gestellten Betrages weiter verfolgt. In der Sache vertritt sie weiter die Auffassung, eine ordnungsgemäße Rechnung erstellt zu haben. Denn es sei lediglich das SE 13.07 zur Abrechnung gebracht worden. Daneben sei weder ein weiteres SE noch eine Fallpauschale abgerechnet worden. Der Ausschluss der Ziffer 3 der Abrechnungsbestimmungen des bundesweiten Sonderentgeltkataloges greife daher nicht ein. Die Klägerin hält den Anspruch auch nicht für verjährt, da sich nach ihrer Auffassung trotz der zwischenzeitlichen Neufassung des § 69 Satz 3 SGB V die Verjährung von Vergütungsforderungen weiterhin nach § 45 Abs. 1 des 1. Buches des SGB I richte und damit von einer vierjährigen Verjährungsfrist auszugehen sei. Auch eine Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) führe nicht zu einer Verjährung des Anspruchs, da zumindest im Zeitraum zwischen dem 06.12.2002 und dem 20.05.2003 Verhandlungen zwischen den Beteiligten über die geltend gemachte Forderung stattgefunden hätten und damit ein Hemmung der Verjährungsfrist nach § 203 BGB n.F. vorgelegen habe.
6Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
7die Beklagte zu verurteilen, 3.825,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.04.2001 an die Klägerin zu zahlen.
8Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
9die Klage abzuweisen.
10Sie erkennt die Berechtigung der Vergütungsforderung nunmehr in vollem Umfang an, beruft sich jedoch auf die Einrede der Verjährung. Nach der Änderung des § 69 SGB V seien für die Ansprüche auf Vergütung von Krankenhausforderungen die Verjährungsvorschriften des BGB und damit unter Zugrundelegung der Übergangsregelung des Art. 229 § 6 Abs. 3 des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB) hier die zweijährige Verjährungsfrist des § 196 Nr. 11 BGB anzuwenden. Vor diesem Hintergrund habe die Verjährung im vorliegenden Fall am 01.01.2002 begonnen und am 31.12.2003 geendet. Eine Hemmung der Verjährungsfrist sei durch die Einholung der sozialmedizinischen Gutachten beim MDK nicht eingetreten, weil es sich dabei um ein landesvertraglich vorgesehenes Überprüfungs- und nicht um ein Verhandlungsverfahren handele.
11Die Beteiligten haben einer Entscheidung in der Sache durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
12Entscheidungsgründe:
13Die Kammer konnte in der Sache ohne mündliche Verhandlung entscheiden,weil die Beteiligten zuvor ihr Einverständnis dazu erteilt haben ( vgl. § 126 Abs. 2 des SGG).
14Die zulässige Klage ist begründet.
15Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein weiterer Vergütungsanspruch in Höhe von 3.825,45EUR für die Abrechnung des SE 13.07 zu. Die Rechtsgrundlage für diesen Anspruch ergibt sich gemäß § 109 Abs. 4 Satz 2 des SGB V in Verbindung mit § 39 SGB V aus dem Leistungsanspruch des Versicherten. Die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung als solche war von vorn herein unbestritten. Auch die Abrechnungsfähigkeit des SE 13.07 (operative Bildung eines kontinenten Harnreservoirs) wurde zwischenzeitlich von der Beklagten zu Recht anerkannt. Sie ergibt sich aus dem bundesweiten Sonderentgelt-Katalog für Krankenhäuser nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. mit § 14 Abs. 3 der Bundespflegesatzverordnung (BPflV). Die Abrechnung des SE 13.07 steht auch im Einklang mit den in der Präambel zu dem Sonderentgeltkatalog enthaltenen Abrechnungsbestimmungen. Von der Höhe her ist die Forderung für das in Rechnung gestellte SE 13.07 unter Berücksichtigung des nachträglich in Abzug gebrachten Abschlages in Höhe von 20 % für die Abteilungspflegesätze der ersten 12 Tage ebenfalls nicht zu beanstanden.
16Der Forderung steht auch nicht die Einrede der Verjährung (§ 222 BGB) entgegen. Die Kammer neigt dazu, die für die Klägerin ungünstigste zweijährige Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 11 BGB in der bis zum 01.01.2002 gültigen Fassung anzuwenden (vgl. hierzu Fischer, NZS ´03 Seite 301 308). Im Ergebnis kann dies jedoch dahin stehen, denn selbst bei Zugrundelegung dieser für die Klägerin ungünstigsten Frist, war die Verjährung der Forderung im Zeitpunkt der Klageerhebung (08.04.2004) noch nicht eingetreten.
17Gemäß § 201 (a.F.) BGB begann die Verjährungsfrist nach dem Schluss des Jahres, in dem der geltend gemachte Anspruch entstanden ist. Da die anspruchsbegründende Rechnung für den Aufenthalt des Versicherten noch im Jahre 2001 bei der Beklagten einging, begann die Verjährungsfrist damit am 01.01.2002 und hätte grundsätzlich mit dem 31.12.2003 geendet. Nach Überzeugung der Kammer wurde der Ablauf der Frist jedoch gemäß § 203 BGB in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung gehemmt, weil zwischen den Beteiligten Verhandlungen über den Anspruch bzw. die den Anspruch begründenden Umstände geführt wurden. Die Vorschrift ist auf den vorliegenden Fall anwendbar, da nach Artikel 229 § 6 Absatz 2 EGBGB für die neu eingeführten Vorschriften über die Hemmung von Verjährungsfristen das Stichtagsprinzip gilt. Das heißt die Vorschriften gelten von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an (vgl. Palandt-Heinrichs 63. Aufl. 2004, EGBGB 229 § 6 Randziffer 7).
18Nach Überzeugung der Kammer haben hier in dem Zeitraum zwischen dem 01.01.2002 und dem 31.12.2003 "Verhandlungen" im Sinne von § 203 BGB zwischen den Beteiligten stattgefunden. Verhandlungen in diesem Sinne sind insbesondere für die Zeiträume anzunehmen, in denen die Beklagte gutachterliche Stellungnahmen bei dem MDK einholte; also für die Zeiträume März 2002 bis Dezember 2002 sowie März/April 2003. Der Begriff der Verhandlung im Sinne von § 203 BGB ist nach allgemeiner Meinung weit auszulegen. Dabei genügt jeder Meinungsaustausch zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlage. Das in Aussichtstellen eines Vergleiches oder die Diskussion darüber ist nicht erforderlich. Ausreichend ist, wenn der Schuldner (die Klägerin) aufgrund der Umstände des Falles annehmen durfte, der Gläubiger (die Beklagte) lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruches ein (vgl. Palandt-Heinrichs aaO § 203 Randziffer 2; jurisPK-BGB/Lakkis 2. Auflage 2004 § 203 Randziffer 3). Da die Beklagte dem MDK die Auffassung der Klägerin über die Abrechnungsfähigkeit des SE 13.07 auf deren Anregung hin zur Überprüfung zuleitete und die Beklagte dies der Klägerin auch mitteilte, ist die Annahme der Klägerin, die Beklagte lasse sich auf eine Erörterung der Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs ein, als gerechtfertigt anzusehen. Aus Sicht der Klägerin wurde damit deutlich, dass die Beklagte nicht von vornherein auf dem durch den sie beratenden Arzt begründeten Standpunkt der Fehlerhaftigkeit der Abrechnung beharrte sondern dies durch die (unabhängige) Stellungnahme des MDK überprüfen lassen wollte. Auch die Erfahrung zeigt, dass eine solche Überprüfung des Standpunktes des Krankenhauses durch den MDK vielfach zu einer zumindest teilweisen Änderung der Position der Krankenkasse führt.
19Das Gegenargument der Beklagten, es handele sich um ein in dem Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V vorgesehenes formalisiertes Verfahren und damit nicht um Verhandlungen im Sinne von § 203 BGB greift nach Überzeugung der Kammer nicht durch. Ob es sich bei der Überprüfung um ein vertraglich vorgesehenes und damit formalisiertes (Verhandlungs-) Verfahren handelt oder nicht ist nach dem Wortlaut und auch dem Sinn und Zweck des § 203 Satz 1 BGB unerheblich. Die Sachlage ist nicht abweichend gegenüber den Fällen zu beurteilen, in denen sich der Gläubiger mit der Einschaltung einer ärztlichen Schlichtungsstelle einverstanden erklärt (vgl. dazu jurisPK-BGB aaO. Randziffer 4 m.w.N.). Da somit der Verhandlungszeitraum im Sinne von § 203 Satz 1 BGB mehr als vier Monate umfasst, war der Anspruch aufgrund der Hemmung am 08.04.2004 noch nicht verjährt. Zu diesem Zeitpunkt trat dann jedoch die weitere Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB (n.F.) durch Erhebung der Klage beim Sozialgericht Duisburg ein, die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer anhält.
20Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 15 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V, der im Zeitpunkt der Behandlung des Versicherten noch bestand. Er ist in vollem Umfang begründet, da die Rechnung vom 09.04.2001 am 11.04.2001 bei der Beklagten einging. Zur Frage der Verjährung gelten die vorstehenden Ausführungen im Hinblick auf den Hauptanspruch entsprechend.
21Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Satz der Verwaltungsgerichtsordnung(VwGO).
22Die Entscheidung über die Höhe des Streitwertes liegen die Vorschriften der §§ 197a SGG sowie 25 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit 13 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in der bis zum 01.07.2004 gültigen Fassung zugrunde.
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