Urteil vom Sozialgericht Duisburg - S 6 U 126/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt Versicherungsschutz für einen Unfall vom 12.08.2003.
3An diesem Tag arbeitete der Kläger mit einem sogenannten Winkelschleifer (auch Flex oder Trennjäger genannt).
4In der Unfallmeldung des Klägers heißt es:
5"Ich schliff mit einer Flex einen Gusskörper. Da dieser Unebenheiten hatte, bekam die Maschine einen Schlag und rutschte mir aus der linken Hand. Die Maschine drehte sich so, dass sie mir mit der Schleifscheibe in den rechten Arm schnitt".
6Der Kläger betrieb seit 1992 einen eigenen Einmannbetrieb. Er firmierte unter "Schweißfachbetrieb J. I. in D.". Er meldete den Betrieb bei der Gewerbemeldestelle offiziell an. Er benutzte einen Firmenstempel. Er rechnete mit seinen Auftraggebern per Rechnung ab.
7Außerdem schloss er bei der Beklagten eine freiwillige Unternehmerversicherung für sich ab. Die Unternehmerversicherung endete zum 15.07.2002. Dies beruhte darauf, daß der Kläger die Beiträge für einen längeren Zeitraum nicht gezahlt hatte. Er wurde hiervon informiert mit Bescheid vom 17.07.2002.
8Zur Zeit des Vorfalls vom 12.08.2003 arbeitete der Kläger bei der Firma Sch ... Auch hier rechnete er gegen Rechnung ab. In dem Unternehmen bearbeitete er Gusskörper. Von seiten des Auftraggebers wurde er in den Betriebsablauf eingegliedert, um den urlaubsbedingten Ausfall von eigenen Arbeitnehmern zu ersetzen.
9Zwischen den Beteiligten gab es bereits einen Vorprozess unter dem Aktenzeichen S 6 U 21/05 Sozialgericht Duisburg.
10Gegenstand des Rechtsstreits war die Rückforderung von Behandlungskosten. Die Beklagte hatte für den genannten Vorfall ärztliche Heilbehandlung gezahlt. Als sie feststellte, dass die freiwillige Versicherung des Klägers nicht mehr bestand, wurden die Behandungskosten (Größenordnung cirka 24.000,00 Euro) zurückgefordert. Die Leistungsaufhebung erfolgte mit Bescheid vom 10.08.2004.
11Der Vorprozess endete durch einen Vergleich. Ein Teil der Forderung wurde dem Kläger erlassen. Für die Restforderung wurde Ratenzahlung eingeräumt.
12Der Vergleich wurde am 18. Oktober 2005 geschlossen.
13Am 17. November 2005 beantragte der Kläger über seine Prozessbevollmächtigten die Entschädigung des Ereignisses vom 12.08.2003 als Arbeitsunfall. Der Kläger beruft sich in seinem Antragschreiben auf § 2 Absatz 2 Sozialgesetzbuch VII (SGB VII).
14Mit Bescheid vom 10.01.2006 lehnte die Beklagte Versicherungsschutz ab (263 V - Zahlen in Klammern sind Blattzahlen der Akten; das V weist auf die Verwaltungsakten der Beklagten hin).
15Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
16Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück (277 V).
17Hiergegen hat der Kläger am 17.05.2006 Klage erhoben.
18Der Kläger ist der Auffassung, ihm sei Versicherungsschutz gemäß § 2 Absatz 2 SGB VII zu gewähren. Er sei wie ein Arbeitnehmer tätig gewesen.
19Selbst wenn dies jedoch nicht zuträfe, sei er als Unternehmer unfallversichert nach den Privilegierungsvorschriften gemäß §§ 104 ff. SGB VII und der hierzu ergangenen Satzung der Beklagten. Insofern wird verwiesen auf den Schriftsatz vom 27.09.2006 (22).
20Der Kläger beantragt,
21ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 10.01.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2006 Versicherungsschutz aufgrund des Arbeitsunfalles vom12.08.2003 zu gewähren und die Entschädigungsleistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Die Beklagte ist der Auffassung, der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig.
25Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe:
27Die Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert, denn er ist rechtmäßig.
28Für den Unfall vom 12.08.2003 genießt der Kläger keinen Versicherungsschutz. Dies gilt sowohl für einen Versicherungsschutz als Arbeitnehmer bzw. wie ein Arbeitnehmer als auch für einen Versicherungsschutz als Unternehmer.
29Der Kläger war am 12.08.2003 nicht wie ein Arbeitnehmer gemäß § 2 Absatz 2 SGB VII tätig. Vielmehr erlitt der Kläger den Unfall im Rahmen seiner eigenen unternehmerischen Tätigkeit. Als Unternehmer war der Kläger nicht in der Unfallversicherung für Arbeitnehmer pflichtversichert. Die freiwillige Versicherung für sein Unternehmen bestand nicht mehr, denn sie war zum 15.07.2002 beendet worden. Hierüber war der Kläger bereits vor dem Unfall informiert. Dass Auslaufen der Unternehmerversicherung hat der Kläger selbst verantwortet.
30Zur Zeit des Unfalles war der Kläger als Unternehmer tätig. Die Firma Sch. war Kunde beim Kläger. Seine Leistungen rechnete er per Rechnung ab.
31Dabei ist es völlig unerheblich, dass entsprechende Arbeiten auch durch einen Arbeitnehmer hätten durchgeführt werden können. Dies ist im Übrigen nichts Außergewöhnliches. Es ist fast der Regelfall, dass Arbeiten im Rahmen eines Dienstvertrages durch Arbeitnehmer erledigt werden können. Dieselben Arbeiten können im Regelfall auch im Rahmen eines Werkvertrages durch Unternehmer erledigt werden.
32Für die Kammer gibt es keinen Anhalt, am Unternehmerstatus des Klägers zu zweifeln. Hier muss bedacht werden, dass der Kläger mit seinem Unternehmen schon seit 1992 am Markt tätig war. Er nutzte eigene Briefköpfe bzw. eigene Stempel. Er hatte sein Unternehmen offiziell angemeldet, ja er hatte sogar bei der Beklagten eine freiwillige Unternehmerversicherung abgeschlossen.
33Nach dem Vorgesagten gibt es auch keinen Anhalt dafür, dass beim Kläger eine sognannte "Scheinselbstständigkeit" vorgelegen hätte.
34Dasselbe Ergebnis ergibt sich noch aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt. Im Vorprozess ist durch den zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleich anerkannt, daß kein Versicherungsschutz besteht.
35Ein Versicherungsschutz als Unternehmer nach den Privilegierungsvorschriften §§ 104 ff. SGB VII in Verbindung mit der Satzung der Beklagten lässt sich ebenfalls nicht herleiten.
36Hierfür fehlt es zunächst an grundsätzlichen Tatbestandsmerkmalen. Es müsste einen Haftungstatbestand geben. Ein solcher läßt sich nicht feststellen.
37Der Unfall läßt sich nicht auf ein irgendwie geartetes Fremdverschulden zurückführen. Dies gilt auch, wenn man von dem Vorbringen des Klägers ausgeht und erst recht, wenn man von einem lebensnahen Sachverhalt ausgeht. Der Kläger behauptet, er hätte eine schadhafte Maschine von der Firma Sch. (bzw. deren Mitarbeitern) erhalten. Dies kann sich jedoch auf den Unfall nicht auswirken. Ein etwaiger Schaden an der Maschine steht mit dem eingetretenen Körperschaden in keinem Zusammenhang. Selbst wenn die automatische Abschaltung der Maschine defekt war, so ergibt sich kein Haftungsanspruch. Ein Winkelschleifer läuft besonders schnell. Der Kläger wurde von der Maschine getroffen, als sie ihm aus der Hand rutschte. Bei einer gravitationsbedingten Fallbeschleunigung von 9,85 Metern pro Sekunde zum Quadrat ergibt sich ein Zeitraum für das Abrutschen der Maschine bis zum Schnitt in den rechten Arm von einem sehr kleinen Sekundenbruchteil. Selbst mit funktionstüchtiger Endabschaltung besteht keine Chance, den Schaden zu vermeiden, denn in dieser kurzen Zeit läuft die Maschine auf jeden Fall noch nach.
38Von einem Defekt an der Maschine ist hier allerdings erst zum ersten Mal die Rede, als ein Haftungstatbestand gefunden werden muss.
39Im übrigen folgt die Kammer der Argumentation jedoch auch nicht. Der Kläger als Unternehmer war für sein Handwerkszeug selbst verantwortlich. Wenn er Maschinen aus dem Fundus von Auftraggebern benutzt, so muss er sich selbst davon überzeugen, dass die Maschinen nicht schadhaft sind. Selbst wenn also tatsächlich der Sachvortrag des Klägers der Wahrheit entsprechen würde, ergibt sich daraus keinesfalls ein Haftungsanspruch.
40Die weiteren Überlegungen führen deshalb nicht weiter. Auf den dogmatischen Streit der Beteiligten, ob der Versicherungsschutz in Ergänzung der Haftungsprivilegien überhaupt auf nichtversicherte Arbeitgeber übertragbar ist oder nicht, kommt es nicht an.
41Eine Haftung aufgrund der Satzung der Beklagten ergibt sich ebenfalls nicht. Die Satzung spezifiziert den Versicherungsschutz aufgrund der Privilegierungsvorschriften näher. Insofern gilt für den möglichen Versicherungsschutz aus der Satzung das oben Gesagte entsprechend.
42Im Übrigen gilt jedoch für die Satzung in jedem Fall, daß hier kein Versicherungsschutz für nichtversicherte Unternehmer konstruiert werden kann. Anders ist die Satzung nicht sinnvoll auszulegen, denn sonst würden die gesamten Satzungsvorschriften über die freiwillige Unternehmerversicherung konterkariert.
43Der rechtliche Gesichtspunkt, dass ein Versicherungsschutz ja aufgrund des Vergleiches im Vorprozess bereits ausgeschlossen ist, bezieht sich im Übrigen auch auf den von der Klägerseite hilfsweise begehrten Versicherungsschutz als Unternehmer.
44Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.