Beschluss vom Sozialgericht Düsseldorf - S 35 SO 9/05 ER
Tenor
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, Leistungen zur Grundsicherung im Alter in Höhe von 80 % der nach den gesetzlichen Vorschriften zustehenden Leistungen ab 1.1.2005 - zu gewähren. 1. Der Antragstellerin wird für das einstweilige Rechtsschutzverfahren und für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N aus H bewilligt. 2. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
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Gründe:
2I. Die Antragstellerin stellte am 8.9.2004 bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII.
3Die Antragsgegnerin gab der Antragstellerin daraufhin auf, Kontoauszüge der letzten drei Monate von allen laufenden Girokonten, einen Mietvertrag, eine Mietbescheinigung und einen Widerspruchsbescheid des Rhein-Kreises O zur Akte zu reichen. Dem kam die Antragstellerin nach.
4Mit Bescheid vom 4.10.2004 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag mit der Begründung ab, es bestünden Zweifel an der Bedürftigkeit der Antragstellerin. Bei der Antragstellerin bestehe der Verdacht, dass sie ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken könne, denn sie sei seit dem 7.10.2002 als Halterin eines Kraftfahrzeuges der Marke Daimler Benz mit einer Erstzulassung aus dem Jahre 1987 gemeldet.
5Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, mit dem sie vortrug, sie habe das Fahrzeug am 24.8.2004 an einen Herrn V zurückgegeben. Herr V habe ihr das Auto im Oktober 2002 geschenkt, damit die Antragstellerin ihre pflegebedürftige Tochter transportieren könne. Zum Beleg für die Übertragung des Eigentums an dem Kraftfahrzeug legte die Antragstellerin die Kopie des Fahrzeugbriefes vor. Außerdem legte sie eine Bescheinigung des Herrn V vor, dass dieser der Antragstellerin das Fahrzeug im Oktober 2002 geschenkt habe und er das Fahrzeug am 24.8.2004 wieder im Besitz genommen habe.
6Mit Bescheid vom 17.12.2004 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als sachlich unbegründet zurück. Die Antragsgegnerin führt aus, es bestünden weiterhin Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin. Insoweit gelte der Grundsatz, dass eine mögliche Nichtaufklärbarkeit der Hilfebedürftigkeit zu Lasten der Antragstellerin gehe.
7Die Antragstellerin beantragt,
8der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, der Antragstellerin Leistungen zur Grundsicherung im Alter gemäß dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu gewähren.
9Die Antragsgegnerin beantragt,
10den Antrag abzulehnen.
11Sie nimmt im Wesentlichen Bezug auf ihre Ausführungen in den erteilten Bescheiden.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
13II. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz SGG kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
14Der diesbezügliche Antrag der Antragstellerin ist statthaft und hat in der Sache Erfolg.
15Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, denn sie hat glaubhaft dargelegt, dass sie ab Januar 2005 nur ihre Altersrente in Höhe von 412,84 Euro und möglicherweise Unterhalt in Höhe von 219,00 Euro erhält. Da sie schon einen Mietzins von 474,74 Euro monatlich zu entrichten hat, bleiben ihr nur 156,26 Euro. Dies reicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes nicht aus, sodass eine Eilentscheidung des Gerichts geboten ist.
16Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, denn sie hat - auf ihren Antrag vom 8.9.2004 - Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB XII.
17Die Antragsgegnerin kann diese Leistungen nicht mit der Begründung versagen, bei der Antragsgegnerin lägen "unklare Vermögensverhältnisse" vor.
18Zum maßgeblichen Zeitpunkt (1.1.2005) sind schon die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragstellerin nicht unklar. Die Antragstellerin hat nämlich nachgewiesen, dass sie den Pkw der Mark Daimler Benz bereits vor dem 1.1.2005 an Herrn V zurückgegeben hat. Dabei geht das Gericht davon aus, dass die Rückgabe dieses Pkws keine Übertragung von Vermögen darstellt, das im Rahmen des SGB II anrechnungsfähig wäre, denn bei dem 18 Jahre alten Pkw handelt es sich erkennbar nicht um einen Vermögensgegenstand von Wert. Derartige Fahrzeuge haben schon deshalb keinen Verkehrswert, weil der Unterhalt eines solchen Fahrzeuges teuer ist und das Fahrzeug daher auf dem Gebrauchtwagenmarkt nicht mehr verkäuflich ist.
19Im Übrigen folgt das Gericht ausdrücklich nicht der von der Antragsgegnerin zitierten Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, wonach allein Zweifel der Behörde an der Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin ausreichend seien sollen, um der Antragstellerin die Beweislast für ihre Vermögenslosigkeit aufzuerlegen. Der von der Antragsgegnerin vorliegend geforderte Beweis ist nämlich von der Antragstellerin nicht zu erbringen.
20Vielmehr ist die Antragsgegnerin zunächst nach § 20 SGB X verpflichtet, den Sachverhalt umfassend von Amts wegen aufzuklären. Wenn danach tatsächlich berechtigte Zweifel an der Bedürftigkeit der Antragstellerin bestehen, muss die Antragsgegnerin der Antragstellerin den Weg zur Erlangung der Sozialleistung aufzeigen. In diesem Rahmen muss die Antragsgegnerin die Antragstellerin konkret auffordern, bestimmte Belege und Beweismittel vorzulegen, die die Antragsgegnerin für eine positive Entscheidung über den Antrag für erforderlich hält. Keinesfalls kann sich die Antragstellerin allein auf den Standpunkt zurückziehen, die Vermögensverhältnisse der Antragstellerin seien ungeklärt. Zu einer solchen Erkenntnis darf die Behörde erst gelangen, wenn sie die Antragstellerin aufgefordert hat bestimmte, genau bezeichnete Beweismittel vorzulegen und die Antragstellerin dem nicht nachkommt.
21Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin vorliegend lediglich aufgegeben Kontoauszüge und einen Mietvertrag zur Akte zu reichen. Obwohl die Antragstellerin dem nachgekommen ist und auf Grund dieser Bescheinigungen eine Bedürftigkeit der Antragstellerin besteht, hat die Antragsgegnerin den Antrag abgelehnt, ohne der Antragstellerin aufzuzeigen, unter welchen Voraussetzungen der Antrag genehmigt werden würde. Diese Vorgehensweise widerspricht den Vorgaben der §§ 13 ff. SGB. Die Ablehnung der Leistung ist daher zur Zeit rechtswidrig.
22Nach alledem spricht vieles dafür, dass die Antragstellerin - nach derzeitigem Stand des Verfahrens - in der Hauptsache obsiegen wird. Die im Rahmen des § 86 b SGG vorzunehmende Abwägung der gegenseitigen Interessen führt daher dazu, der Antragstellerin die Leistungen vorläufig zuzusprechen, da sie in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich obsiegen wird.
23Hinsichtlich der Höhe der auszuzahlenden Leistungen wird die Antragsgegnerin im Übrigen zu prüfen haben, ob die Antragstellerin für Januar 2005 Unterhaltsleistungen erhalten hat.
24Zur Vermeidung einer Vorwegnahme der Hauptsache hat das Gericht die zu erbringenden Leistungen auf 80 % der nach dem SGB XII vorgesehenen Leistungen begrenzt.
25Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG analog.
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