Gerichtsbescheid vom Sozialgericht Düsseldorf - S 35 AY 5/05
Tenor
Unter Aufhebung des Bescheides vom 16.12.2004 und des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2005 wird die Beklagte verpflichtet, den Klägern Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.
1
Tatbestand:
2Der Kläger zu 1) ist algerischer Staatsangehöriger. Er ist am 00.00.0000 geboren und mit der 0000 geborenen Klägerin zu 2) sowie den Klägern zu 3) und 4) am 01.02.1998 nach Deutschland eingereist. In Deutschland sind dann noch die Kläger zu 5) und 6) geboren.
3Die Kläger haben in Deutschland Asyl beantragt. Im Rahmen dieses Asylantrages haben sie angegeben, ihre Pässe vernichtet zu haben, um eine sofortige Abschiebung zu verhindern.
4Die Asylanträge der Kläger wurden 1999 abgelehnt. Eine hiergegen vor dem Verwaltungsgericht erhobene Klage blieb im Jahre 2001 erfolglos. Seit September 2001 wurde durch die Ausländerbehörde der Stadt Remscheid keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen die Kläger mehr durchgeführt, da bei drei Mitgliedern der Familie langfristig Reiseunfähigkeit besteht. Derzeit werden die Kläger nach § 55 Abs. 4 Ausländergesetz geduldet.
5Vor dem 31.12.2004 erhielten die Kläger Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz. Mit Bescheid vom 16.12.2004 wurden diese Leistungen eingestellt und ab 01.01.2005 nur noch Leistungen nach den §§ 3, 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz bewilligt. Zur Begründung wird in dem Bescheid ausgeführt, ab 01.01.2005 sei das Asylbewerberleistungsgesetz geändert worden. Nach der neuen Fassung stünden den Klägern privilegierte Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz nicht mehr zu, weil sie die Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland rechtsmißbräuchlich selber beeinflusst hätten, indem sie bei ihrer Einreise ihre Pässe vernichtet hätten.
6Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein, den sie damit begründeten, die Vernichtung ihrer Pässe habe nicht zur Verlängerung des Aufenthalts geführt. In den Akten der Beklagten befänden sich Kopien der algerischen Originalreisepässe. Grund für ihren weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland sei heute allein die Tatsache, dass drei der Familienmitglieder krank und nicht reisefähig seien.
7Unter den 07.01.2005 haben die Kläger den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
8Mit Beschluss der Kammer vom 17.01.2005 wurde die Beklagte verpflichtet, den Klägern einstweilen bis zur Entscheidung über den Widerspruch Leistungen nach § 2 AsylbLG zu gewähren.
9Mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als sachlich unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Kläger durch ihre Passvernichtung die Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland rechtsmißbräuchlich verlängert hätten. Dies führe nach der Neufassung des AsylbLG zu reduzierten Leistungen.
10Hiergegen richtet sich die Klage vom 00.00.0000, die mit einem erneuten Eilantrag verbunden war, dem die Kammer erneut stattgegeben hat.
11Die Kläger beantragen,
12die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 16.12.2004 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2005 zu verpflichten, den Klägern wieder Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes zu gewähren.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die Voraussetzungen für Leistungen nach § 2 AsylbLG nach der Gesetzesänderung nicht mehr vorliegen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Das Gericht kann vorliegend durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) entscheiden, denn der Sachverhalt ist aufgeklärt und die zu Grunde liegende Rechtsfragen sind einfacher Natur. Dem steht nicht entgegen, dass die Rechtsfragen zwischen den Beteiligten streitig sind. Das Gericht weicht in dem Bescheid auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab, sondern schließt sich der bisher zum neuen Asylberwerberleistungsgesetz ergangenen Rechtsprechung der Sozialgerichte an. Der Erlass eines Gerichtsbescheides ist demnach auch gegen den Wunsch der Beklagten zulässig.
19Die form- und fristgerecht erhobene und daher zulässige Klage ist begründet.
20Nach der ab 01.01.2005 geltenden Neufassung des § 2 AsylbLG ist abweichend von den Vorschriften der §§ 3 bis 7 AsylbLG das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch auf Leistungsberechtigte entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Im Gegensatz zur Regelung des bis zum 31.12.2004 geltenden §§ 2 des AsylbLG sollen nach Auffassung des Gerichts mit dieser Vorschrift Asylbewerber sanktioniert werden, die die Dauer ihres Aufenthalts rechtsmissbräuchlich beeinflussen. Sinn und Zweck der Vorschrift ist, die (rechtsmissbräuchliche) Beeinflussung der Aufenthaltsdauer für Asylbewerber möglichst unattraktiv zu haben. Es soll sich für den Asylbewerber nicht finanziell auszahlen, wenn er zur Ausreise verpflichtet ist und seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet mutwillig zu verlängern versucht. Dagegen ist nach hier vertretener Auffassung nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen im Bundesgebiet seit längerem befindliche Ausländer zu sanktionieren, die schon bisher Leistungen nach § 2 AsylbLG alter Fassung erhalten haben (so ausdrücklich auch SG Hannover, Gerichtsbescheid vom 19.05.2005, Az.: S 51 AY 29/05) und die wie die Kläger inzwischen aus völlig anderen Gründen nämlich weil sie nicht reisefähig sind gar nicht ausreisen müssen. Entscheidend ist damit die Frage, ob die Kläger - bei in Kraft treten des Gesetzes zum 01.01.2005 - deswegen nicht ausreisen, weil zu diesem Zeitpunkt eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung vorliegt oder ob zu diesem Zeitpunkt eine Ausreise aus anderen Gründen nicht erfolgt (vergl. SG Hannover, Gerichtsbescheid vom 19.05.2005, Az.: S 51 AY 29/05). Vorliegend ist aber eindeutig Letzteres gegeben. Die Kläger können und müssen gar nicht ausreisen, weil sie teilweise erkrankt sind. Für diese Rechtsauffassung sprechen auch die Motive zur Gesetzesänderung (Bundestagsdrucksache 15/420 Seite 121). Dort hat der Gesetzgeber ausdrücklich festgelegt, es entspreche seiner Intention, zwischen denjenigen zu unterscheiden, die unverschuldet nicht ausreisen können und denen, die ihre Ausreisepflicht (die bei den Klägern auf Grund der ausgesprochenen Duldung derzeit gar nicht vollziehbar besteht) rechtsmissbräuchlich nicht nachkommen.
21Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
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