Urteil vom Sozialgericht Düsseldorf - S 8 (4) KR 87/06
Tenor
Es wird festgestellt, dass das Zubereiten und Anhängen einer intravenösen Ernährungsinfusion einschließlich des Spülens des Zugangs einerseits und das Abhängen der intravenösen Ernährungsinfusion einschließlich des Spü- lens des Zugangs und der Portfunktion andererseits zwei Vorgänge sind, die durch die Beklagte jeweils gemäß Ziffer 2. c), DALE-Abrechnungspositions- nummer 032326 nach der Leistungsgruppe 3, derzeit mit je 14,52 Euro, zu ver- güten sind, wenn zwischen dem Anhängen und Abhängen mehr als 6 Stunden vergehen.
Der Beklagten werden die Verfahrenskosten auferlegt.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten ist die Abrechnung einer intravenösen Ernährungsinfusion als häusliche Behandlungspflege streitig, wenn zwischen dem Einleiten und dem Abschließen der Infusion mehr als 6 Stunden liegen und zwei Einsätze (Anfahrten) der Pflegekräfte erforderlich sind.
3Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst und ist Mitglied der S Arbeitsgemeinschaft Häusliche Krankenpflege e.V. Die S Arbeitsgemeinschaft häusliche Krankenpflege e.V. und die Beklagten schlossen am 29.01.2004 einen Versorgungsvertrag gemäß §§ 132, 132 a des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V), der zwischen den Beteiligten verbindlich ist.
4Aus Anlass von drei (in der Klageschrift näher dargelegten) Abrechnungsfällen bei drei Versicherten der Beklagten entstand zwischen den Beteiligten Streit um die Frage, wie die Durchführung einer intravenösen Ernährungsinfusion unter den oben genannten Umständen grundsätzlich abrechenbar ist. Die von der Klägerin zu erbringenden intravenösen Ernährungsinfusionen umfassen in der Regel Infusionsmengen von 1.500 ml bis 2.000 ml und werden abends angelegt und morgens abgenommen.
5Die vorgerichtlichen Verhandlungen der Beteiligten führten zu keiner Einigung.
6Die Klägerin hat daraufhin beim Sozialgericht eine Feststellungsklage zur Klärung der vertraglichen Vergütungspflicht erhoben.
7Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass eine intravenöse Ernährungsinfusion in geschilderter Weise, die zwei Einsätze beim Versicherten erforderlich macht, von der Beklagten zweimal mit der Leistungsgruppe 3 der Vergütungsvereinbarung zu entlohnen ist. Dieser Abrechnungsanspruch ergäbe sich daraus, dass für die Durchführung der Infusion jeweils zwei qualifizierte Einsätze erforderlich sind und zwar in der Regel einer abends mit der Zubereitung der Infusion, dem Spülen des Zugangs und dem Anhängen der Infusion - jeweils unter strengster Beachtung der zu wahrenden Sterilität - und einer morgens mit dem Abhängen und Säubern des Zugangs sowie der Versorgung des Port-Zugangs - ebenfalls unter strengster Wahrung der erforderlichen Sterilität -. Nach der vertraglichen Vereinbarung sei eine solche Infusion mit zwei Vergütungen zu entlohnen, weil zwei Einsätze erforderlich sind und darüber hinaus jeder Einsatz mit einer Vergütung der Leistungsgruppe 3, da jeder Einsatz besonders qualifiziertes Personal erfordere. Jede andere Auslegungsweise führe zu einer wirtschaftlich unzureichenden Vergütung, die eine Durchführung dieser Pflege nicht mehr gewährleiste.
8Die Klägerin beantragt,
9dass das Zubereiten und Anhängen einer intravenösen Ernährungsinfusion einschließlich des Spülens des Zugangs einerseits und das Abhängen der intravenösen Ernährungsinfusion einschließlich des Spülens des Zugangs und der Portfunktion andererseits zwei Vorgänge sind, die durch die Beklagte jeweils gemäß Ziffer 2. c), DALE-Abrechnungspositionsnummer 032326 nach der Leistungsgruppe 3, derzeit mit je 14,52 Euro, zu vergüten sind, wenn zwischen dem Anhängen und Abhängen mehr als 6 Stunden vergehen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hält den geltend gemachten Anspruch nicht für gegeben. Sie ist der Auffassung, dass die erforderliche Durchführung von zwei qualifizierten Einsätzen lediglich einmal mit einer Vergütung der Leistungsgruppe 3, allenfalls mit einer Vergütung der Leistungsgruppe 3 und zusätzlich einer Vergütung der Leistungsgruppe 1, zu entlohnen ist. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des Vertrages. Denn aus der Formulierung der einschlägigen Abrechnungsposition - Nr. 032326 - ergäbe sich, dass eine Entlohnung mit der dort aufgeführten Vergütung in Höhe von 14,52 Euro die vollständige Durchführung der intravenösen Infusionstherapie erfasse. Die in der Vergütungsvereinbarung erfolgte Bezugnahme auf die entsprechende Passage der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ("16") mache diese Auslegung deutlich. Denn die in Bezug genommene Leistungsbeschreibung der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinien umfasse alle erforderlichen Tätigkeiten Infusionstherapie, von der Einleitung bis zum Abschluss: "Wechseln und erneutes Anhängen der ärztlich verordneten Infusion bei ärztlich gelegtem peripheren oder zentralen i.v.-Zugang oder des ärztlich punktierten Port-a-cath zur Flüssigkeitssubtitution oder parenteralen Ernährung, Kontrolle der Laufgeschwindigkeit (ggf. per Infusionsgerät) und der Füllmengen, Durchspülen des Zuganges nach erfolgter Infusionsgabe, Verschluss des Zugangs". Allein unter Berücksichtigung des anzuerkennenden Umstandes, dass für die vollständige Durchführung der Ernährungsinfusion zwei Einsätze erforderlich sind, komme eine zusätzliche Vergütung gemäß der Leistungsgruppe 1 in Betracht. Dies entspräche einem Wegegeld oder einer Hausbesuchspauschale, die das Vertragswerk eigentlich nicht vorsähe. Mit dieser Abrechnung sei nicht in Frage gestellt, dass der zweite Einsatz ebenso qualifiziertes Personal benötige wie der erste Einsatz. Er werde aber der Formulierung der Leistungs-position in Gruppe 3 gerecht.
13Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Die Feststellungsklage ist zulässig.
16Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung der Vergütungspflicht der Beklagten für die aufgezeigten und sich wiederholenden Pflegeleistungen, da durch die Klärung dieser Vergütungsfrage der Streit der Beteiligten über die Abrechnung von intravenösen Ernährungsinfusionen, die sich über einen Zeitraum von mehr als 6 Stunden erstrecken, im Ganzen bereinigt wird, § 55 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
17Die Klage ist begründet.
18Der Klägerin steht für die Erbringung von häuslichen Krankenpflegeleistungen in Form einer intravenösen Ernährungsinfusion mit einer mehr als 6-stündigen Dauer und zwei Einsätzen eine zweimalige Vergütung gemäß der Leistungsgruppe 3 der Vergütungsvereinbarung zum Vertrag gemäß §§ 132 und 132 a SGB V zu.
19Die Auslegung der Vergütungsvereinbarung zu § 14 des Vertrages ergibt, dass die Beklagte für die Erbringung der Pflegeleistung im tenorierten Sinne jeden Einsatz mit der Vergütungsgruppe 3 zu entlohnen hat.
20Zunächst ergibt die nähere Betrachtung der Vergütungsvereinbarung den Anschein, dass länger als 6 Stunden dauernde Ernährungsinfusionen mit der Notwendigkeit von zwei Pflegeeinsätzen nicht bedacht worden ist. Denn insoweit erscheint die Vereinbarung auf Anhieb widersprüchlich: Die Formulierung der Leistungsbeschreibung in Leistungsgruppe 3 "Infusionsthera- pie i.v. (16)" spricht zunächst dafür, dass tatsächlich alle Tätigkeiten des Pflegedienstes vom Einleiten bis zum Abschluss der Infusionstherapie von der Vergütungsgruppe erfasst sind. Andererseits wird aus der Einleitung zur Vergütungsvereinbarung deutlich, dass sie von einer einsatzbezogenen Vergütung ausgeht (Ziffer 2.: "Häusliche Krankenpflege ... je Einsatz").
21Unter Zugrundelegung der weiteren Leistungsbeschreibung in Gruppe 3 ist dieser Widerspruch zu Gunsten des Einsatzprinzips im klägerischen Sinne aufzulösen. Dies ergibt sich aus der weiteren Formulierung der Leistungsbeschreibung: " ...in der Regel bis 500 ml". Diese mengenmäßige Begrenzung der parenteralen Ernährung ergibt sich nicht aus den Häuslichen Krankenpflege-Richtlinien und ist damit eigens von den Vertragsparteien in die Leistungs-Beschreibung aufgenommen worden. Hinsichtlich der hier vorliegenden Streitfrage ergibt diese Begrenzung nur bei einer Auslegung dahingehend Sinn, dass nicht jede Infusionstherapie, unabhängig von ihrem Ausmaß, der Länge ihres Vorgangs und damit auch der Erforderlichkeit mehrerer Einsätze, durch die Zahlung einer einzigen Abrechnungsposition als abgegolten gilt. Denn es ist davon auszugehen, dass sich mit steigender Infusionsmenge auch der Infusionsvorgang zeitlich in die Länge zieht und damit zwangsläufig einen erhöhten und gegebenenfalls einzeln zu entlohnenden Aufwand zweier Einsätze erfordert.
22Darüber hinaus wäre bei dem der Vergütungsvereinbarung zu Grunde liegenden "Einsatzprinzip" zu berücksichtigen, dass die Leistungsgruppen 1 und 2 keine Leistungsbeschreibung beinhalten, die vom Aufwand her dem Einleiten oder Absetzen der intravenösen Ernährungsinfusion bei Port-Zugang entspricht. Dies bedeutet, dass unter der gebotenen Zugrundelegung des Einsatzprinzips zwei Einsätze zu honorieren sind - was auch von der Beklagten grundsätzlich anerkannt wird - und für jeden Einsatz eine passendere Leistungsbeschreibung als die der Infusionstherapie nicht gegeben ist. Vielmehr erscheint es fraglich, ob ein Vergleich mit der Leistung "Pflege des zentralen Venenkatheters und Port-Systemen" nicht ebenfalls die Vergütung des einzelnen Einsatzes zur intravenösen Ernährungsinfusion gemäß der Leistungsgruppe 3 gebietet, da jeder einzelne der beiden Einsätze zur Durchführung einer Ernährungsinfusion bereits so aufwändig erscheint wie die Pflege eines zentralen Venenkatheters oder Port-Systems.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Referenzen
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