Der Bescheid der Beklagten vom 9.10.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2003 wird aufgehoben.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
| |
|
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld ab 20.9.2003 rechtsfehlerfrei um 1050 EUR gemindert hat.
|
|
|
Die Klägerin meldete sich am 16.9.2003 beim Arbeitsamt L. mit Wirkung ab 20.9.2003 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Aus den in diesem Zusammenhang vorgelegten Unterlagen ergibt sich unter anderem, dass die Klägerin vom 6.9.2002 bis 31.7.2003 und vom 4.8.2003 bis zum 19.9.2003 jeweils befristet beschäftigt gewesen ist.
|
|
|
Mit Bescheid vom 13.10.2003 entsprach das Arbeitsamt L. dem Antrag der Klägerin ab 20.9.2003.
|
|
|
Bereits zuvor, nämlich mit Bescheid vom 9.10.2003, hatte es mit der Begründung, die Klägerin hätte sich nach § 37 b des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) spätestens am 26.7.2003 beim Arbeitsamt arbeitsuchend melden müssen, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 20.9.2003 um 1050 EUR (30 Tage x 35.- EUR) gemindert.
|
|
|
Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Widerspruchsstelle des Arbeitsamtes O. mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2003 als unbegründet zurück.
|
|
|
Mit ihrer am 8.12.2003 zum Sozialgericht Freiburg erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
|
|
|
Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),
|
|
|
den Bescheid der Beklagten vom 9.10.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2003 aufzuheben.
|
|
|
|
|
|
|
Sie hält ihren Bescheid für rechtsfehlerfrei.
|
|
|
Das Gericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes schriftliche Auskünfte der letzten beiden Arbeitgeber der Klägerin eingeholt. Insoweit wird auf die Schreiben vom 2.3.2004 und 9.3.2004 Bezug genommen.
|
|
|
Die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (1 Bd.) lag vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die genannte Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte S 9 AL 3989/03 verwiesen.
|
|
| |
|
I. Das Gericht kann gem. § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid und damit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten hierzu angehört wurden.
|
|
|
II. Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben. Sie ist auch im Übrigen zulässig und als Anfechtungsklage gem. § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Sie ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und war daher aufzuheben.
|
|
|
Nach § 37 b S. 1 SGB III sind Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen (§ 37 b S. 2 SGB III). Nach § 140 S. 1 SGB III mindert sich, hat sich der Arbeitslose entgegen § 37 b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet, das Arbeitslosengeld, das ihm aufgrund des Anspruches zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist, nach näherer Maßgabe des § 140 S. 2-4 SGB III.
|
|
|
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
|
|
|
§ 37 b S. 1 SGB III und § 140 S. 1 SGB III setzen gleichermaßen eine nicht „unverzügliche" Meldung als Voraussetzung für die Anspruchsminderung voraus. „Unverzüglich" bedeutet nach der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), die nach zutreffender und allgemeiner Auffassung im Grundsatz nicht nur im Zivilrecht, sondern entsprechend auch im gesamten nationalen öffentlichen Recht gilt (vgl. etwa OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3.2.1992, Az: 18 A 226/92.A = NWVBl 1992, 295 f.; Palandt/Heinrichs, BGB, 62. A. 2003, § 121 Anm. 3, jew. m. w. N.) - und damit insbesondere auch für das SGB III - „ohne schuldhaftes Zögern". Ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff der Unverzüglichkeit im Arbeitsförderungsrecht eine davon abweichende Bedeutung haben könnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere vermochte das Gericht weder den zu den §§ 37 b, 140 SGB III vorliegenden spärlichen Gesetzesmaterialien noch der Fachliteratur oder bisher veröffentlichten Gerichtsentscheidungen derartige Anhaltspunkte zu entnehmen. Auch die Beklagte hat hierzu nichts vorgetragen. Daraus folgt, dass eine Verletzung der in § 37 b SGB III normierten Obliegenheit nur dann angenommen werden kann, wenn die verspätete Meldung schuldhaft, also zumindest fahrlässig herbeigeführt wurde. Ein derartiges Verschulden ist insbesondere dann zu verneinen, wenn die Verzögerung auf einem unverschuldeten Rechtsirrtum beruht (Palandt/Heinrichs, a. a. O.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. A. 2001, § 37 Anm. 43 a. E.). Hatte jemand von der Obliegenheit des § 37 b S. 1 SGB III keine Kenntnis und hat er diese Unkenntnis auch nicht zu vertreten, so kann er diese auch nicht verletzt haben.
|
|
|
Bei der Prüfung, ob ein auf diese Obliegenheit bezogener Rechtsirrtum zu vertreten ist, ist nach Überzeugung des Gerichts zu beachten, dass insoweit im Bereich der Leistungsverwaltung wesentlich großzügigere Maßstäbe anzulegen sind als etwa bei der Irrtumsanfechtung im Zivilrecht (dem eigentlichen Anwendungsbereich des § 121 BGB) oder im Strafrecht. Im Zivilrecht wird verlangt, dass der Anfechtungsberechtigte seine Rechtsansicht auf Grund einer sorgfältigen Prüfung der Rechtslage gebildet hat (Palandt/Heinrichs, a. a. O.). Die danach gebotene Überlegung, ob überhaupt und wenn ja innerhalb welcher Frist ihm die Abgabe einer Anfechtungserklärung obliegt, kann aber vom Anfechtungsberechtigten nur deshalb erwartet werden, weil dieser durch die zuvor von ihm abgegebene Willenserklärung in zurechenbarer Weise eine rechtliche Sonderbeziehung begründet hat, deren Beseitigung oder Änderung er nunmehr erstrebt. Bereits im Strafrecht beseitigt die Unkenntnis eines gesetzlichen Verbots grundsätzlich die Schuld, es sei denn, der Täter habe die gehörige Anspannung seines Gewissens unterlassen und dadurch versäumt, das Unrechtmäßige seines Handelns zu erkennen. Zu einer derartigen Prüfung besteht indessen regelmäßig nur Anlass, wenn durch das Verhalten Dritte geschädigt oder elementare sozialethische Normen verletzt werden, schließlich wenn das Verhalten in einen Bereich fällt, der zum Berufskreis des Täters gehört. Eine allgemeine Pflicht des Bürgers, das Gesetz zu kennen, besteht nicht (Cramer/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. A. 2001, § 17, Anm. 13 ff. m. w. N.). Im Arbeitsförderungsrecht lässt sich demgegenüber eine rechtliche Prüfungs- oder Erkundigungsobliegenheit bereits bei Erhalt der Kündigung oder bei Eingehung eines befristeten Arbeitsverhältnisses weder mit einem vorangegangenen Verhalten des Betreffenden noch mit allgemeinen sozialethischen Erwägungen rechtfertigen. Insoweit bedarf die Annahme, die Unkenntnis über die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche sei vom Versicherten zu vertreten, einer besonderen Begründung im Einzelfall.
|
|
|
Ein Verschulden der Klägerin vermag das Gericht ausgehend von diesen Grundsätzen nicht zu erkennen.
|
|
|
Die Klägerin trägt - unwiderlegbar - vor, sie habe von der in § 37 b SGB III normierten Verpflichtung keine Kenntnis gehabt. Sie ist insbesondere auch nach Mitteilung ihrer früheren Arbeitgeber zu keinem Zeitpunkt über die genannte Verpflichtung informiert worden. Es besteht kein Anlass, an den Auskünften der Arbeitgeber zu zweifeln, räumen diese doch damit konkludent einen Verstoß gegen die in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III normierte Verpflichtung zur entsprechenden Information ihrer Arbeitnehmer ein. Die Auskünfte erscheinen insbesondere auch deshalb plausibel, da die sich aus den genannten Vorschriften ergebenden Verpflichtungen zumindest zum damaligen Zeitpunkt auch in Arbeitgeberkreisen noch weitgehend unbekannt waren. Dies gilt in besonderem Maße für die Problematik der frühzeitigen Arbeitssuche bei befristeten Arbeitsverhältnissen, ist dieser Fall in § 37 b SGB III doch sogar noch wesentlich weniger transparent und für den Laien nachvollziehbar geregelt als die Rechtslage bei Beendigung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.
|
|
|
Die Unkenntnis der Klägerin kann ihr auch nicht im Sinne eines Verschuldens vorgeworfen werden. Zwar wird von der Beklagten in anderen vor der Kammer geführten Verfahren mit vergleichbarem Streitstoff die Auffassung vertreten, die Versicherten müssten auf Grund entsprechender Veröffentlichungen in Presse, Funk und Fernsehen von der in § 37 b SGB III normierten Verpflichtung Kenntnis haben mit der Folge, dass allein schon deshalb eine schuldhafte Verletzung dieser Verpflichtung anzunehmen sei. Dieser Auffassung folgt das Gericht nicht.
|
|
|
Zum einen ist das Gericht aufgrund seiner eigenen Wahrnehmung - und dabei handelt es sich aus beruflichen Gründen um eine mit erhöhter Aufmerksamkeit und Fachkunde - der Auffassung, dass hinsichtlich der im Zusammenhang mit § 37 b SGB III verabschiedeten Reformen in Presse, Funk und Fernsehen keineswegs eine derart intensive Berichterstattung stattgefunden hat, dass ein Arbeitnehmer bei pflichtgemäßer Sorgfalt von jeder Einzelregelung und insbesondere vom Inhalt des § 37 b SGB III habe Kenntnis nehmen müssen. Hierfür war die Berichterstattung in den Medien zu allgemein gehalten und im Übrigen die Fülle der im maßgeblichen Zeitraum erfolgenden gesetzlichen Änderungen zu groß sowie deren Regelungsgehalt zu komplex. Die tägliche sozialgerichtliche Praxis in Arbeitsförderungssachen zeigt, dass selbst die juristisch ausgebildete Öffentlichkeit, so sie nicht auf das Arbeitsförderungsrecht spezialisiert ist, von der Aufgabe einer präsenten Kenntnis aller für Arbeitnehmer relevanten Neuregelungen überfordert wäre. Dies wird schlaglichtartig im vorliegenden Fall durch die Tatsache erhellt, dass es sich beim letzten Arbeitgeber der Klägerin um eine Rechtsanwaltskanzlei mit gerichtsbekannterweise nicht ganz unerheblichem Arbeitsanfall aus dem Bereich des Arbeits- und Arbeitsförderungsrechts handelte und dieser Arbeitgeber gleichwohl die gesetzlich geforderte Belehrung über die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche nicht vornahm. All dies gilt wie dargelegt sogar in besonderem Maße für die vorliegend verfahrensgegenständliche Rechtslage bei befristeten Arbeitsverhältnissen.
|
|
|
Zum anderen kann nach Überzeugung des Gerichts generell ein Verschulden bezüglich der Unkenntnis von gesetzlichen Neuregelungen nicht mit der Tatsache der Berichterstattung hierüber in allgemein zugänglichen Quellen begründet werden. Eine Obliegenheit des Bürgers, sich mittels geeigneter Medien - in Betracht kommen hier im wesentlichen nur "seriöse" Tageszeitungen und vergleichbare Presseerzeugnisse, Nachrichtensendungen des Rundfunks und entsprechende Internet-Angebote - über Gesetzesänderungen zu informieren, besteht nicht. Andernfalls wäre die umfangreiche strafrechtliche Diskussion zum Problem der Vermeidbarkeit von Verbotsirrtümern (vgl. die Nw. Bei Cramer/Sternberg-Lieben a. a. O.) obsolet, da jedermann verpflichtet wäre, das Recht zu kennen. Eine derartige Obliegenheit wäre auch mit der aus Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) abzuleitenden negativen Informationsfreiheit nicht zu vereinbaren. Auf niemanden darf – auch nicht mittelbar – Druck dahingehend ausgeübt werden, er möge bestimmte Medien – z. B. die dargelegten "seriösen" Presseerzeugnisse und Rundfunksendungen, in denen detailliert über die Reformen im Arbeitsförderungsrecht berichtet wurde – regelmäßig konsumieren.
|
|
|
Wäre schließlich der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Versicherten bereits auf Grund der allgemeinen Berichterstattung von der Neuregelung Kenntnis haben oder zumindest haben müssen, hätte er keinen Anlass gehabt, eine Informationspflicht des Arbeitgebers in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III zu normieren. Diese Regelung stellt im Umkehrschluss ein weiteres Indiz dafür dar, dass nicht grundsätzlich von einer verschuldeten Unkenntnis der Versicherten ausgegangen werden darf.
|
|
|
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
|
|
| |
|
I. Das Gericht kann gem. § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid und damit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten hierzu angehört wurden.
|
|
|
II. Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben. Sie ist auch im Übrigen zulässig und als Anfechtungsklage gem. § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Sie ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und war daher aufzuheben.
|
|
|
Nach § 37 b S. 1 SGB III sind Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen (§ 37 b S. 2 SGB III). Nach § 140 S. 1 SGB III mindert sich, hat sich der Arbeitslose entgegen § 37 b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet, das Arbeitslosengeld, das ihm aufgrund des Anspruches zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist, nach näherer Maßgabe des § 140 S. 2-4 SGB III.
|
|
|
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
|
|
|
§ 37 b S. 1 SGB III und § 140 S. 1 SGB III setzen gleichermaßen eine nicht „unverzügliche" Meldung als Voraussetzung für die Anspruchsminderung voraus. „Unverzüglich" bedeutet nach der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), die nach zutreffender und allgemeiner Auffassung im Grundsatz nicht nur im Zivilrecht, sondern entsprechend auch im gesamten nationalen öffentlichen Recht gilt (vgl. etwa OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3.2.1992, Az: 18 A 226/92.A = NWVBl 1992, 295 f.; Palandt/Heinrichs, BGB, 62. A. 2003, § 121 Anm. 3, jew. m. w. N.) - und damit insbesondere auch für das SGB III - „ohne schuldhaftes Zögern". Ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff der Unverzüglichkeit im Arbeitsförderungsrecht eine davon abweichende Bedeutung haben könnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere vermochte das Gericht weder den zu den §§ 37 b, 140 SGB III vorliegenden spärlichen Gesetzesmaterialien noch der Fachliteratur oder bisher veröffentlichten Gerichtsentscheidungen derartige Anhaltspunkte zu entnehmen. Auch die Beklagte hat hierzu nichts vorgetragen. Daraus folgt, dass eine Verletzung der in § 37 b SGB III normierten Obliegenheit nur dann angenommen werden kann, wenn die verspätete Meldung schuldhaft, also zumindest fahrlässig herbeigeführt wurde. Ein derartiges Verschulden ist insbesondere dann zu verneinen, wenn die Verzögerung auf einem unverschuldeten Rechtsirrtum beruht (Palandt/Heinrichs, a. a. O.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. A. 2001, § 37 Anm. 43 a. E.). Hatte jemand von der Obliegenheit des § 37 b S. 1 SGB III keine Kenntnis und hat er diese Unkenntnis auch nicht zu vertreten, so kann er diese auch nicht verletzt haben.
|
|
|
Bei der Prüfung, ob ein auf diese Obliegenheit bezogener Rechtsirrtum zu vertreten ist, ist nach Überzeugung des Gerichts zu beachten, dass insoweit im Bereich der Leistungsverwaltung wesentlich großzügigere Maßstäbe anzulegen sind als etwa bei der Irrtumsanfechtung im Zivilrecht (dem eigentlichen Anwendungsbereich des § 121 BGB) oder im Strafrecht. Im Zivilrecht wird verlangt, dass der Anfechtungsberechtigte seine Rechtsansicht auf Grund einer sorgfältigen Prüfung der Rechtslage gebildet hat (Palandt/Heinrichs, a. a. O.). Die danach gebotene Überlegung, ob überhaupt und wenn ja innerhalb welcher Frist ihm die Abgabe einer Anfechtungserklärung obliegt, kann aber vom Anfechtungsberechtigten nur deshalb erwartet werden, weil dieser durch die zuvor von ihm abgegebene Willenserklärung in zurechenbarer Weise eine rechtliche Sonderbeziehung begründet hat, deren Beseitigung oder Änderung er nunmehr erstrebt. Bereits im Strafrecht beseitigt die Unkenntnis eines gesetzlichen Verbots grundsätzlich die Schuld, es sei denn, der Täter habe die gehörige Anspannung seines Gewissens unterlassen und dadurch versäumt, das Unrechtmäßige seines Handelns zu erkennen. Zu einer derartigen Prüfung besteht indessen regelmäßig nur Anlass, wenn durch das Verhalten Dritte geschädigt oder elementare sozialethische Normen verletzt werden, schließlich wenn das Verhalten in einen Bereich fällt, der zum Berufskreis des Täters gehört. Eine allgemeine Pflicht des Bürgers, das Gesetz zu kennen, besteht nicht (Cramer/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. A. 2001, § 17, Anm. 13 ff. m. w. N.). Im Arbeitsförderungsrecht lässt sich demgegenüber eine rechtliche Prüfungs- oder Erkundigungsobliegenheit bereits bei Erhalt der Kündigung oder bei Eingehung eines befristeten Arbeitsverhältnisses weder mit einem vorangegangenen Verhalten des Betreffenden noch mit allgemeinen sozialethischen Erwägungen rechtfertigen. Insoweit bedarf die Annahme, die Unkenntnis über die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche sei vom Versicherten zu vertreten, einer besonderen Begründung im Einzelfall.
|
|
|
Ein Verschulden der Klägerin vermag das Gericht ausgehend von diesen Grundsätzen nicht zu erkennen.
|
|
|
Die Klägerin trägt - unwiderlegbar - vor, sie habe von der in § 37 b SGB III normierten Verpflichtung keine Kenntnis gehabt. Sie ist insbesondere auch nach Mitteilung ihrer früheren Arbeitgeber zu keinem Zeitpunkt über die genannte Verpflichtung informiert worden. Es besteht kein Anlass, an den Auskünften der Arbeitgeber zu zweifeln, räumen diese doch damit konkludent einen Verstoß gegen die in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III normierte Verpflichtung zur entsprechenden Information ihrer Arbeitnehmer ein. Die Auskünfte erscheinen insbesondere auch deshalb plausibel, da die sich aus den genannten Vorschriften ergebenden Verpflichtungen zumindest zum damaligen Zeitpunkt auch in Arbeitgeberkreisen noch weitgehend unbekannt waren. Dies gilt in besonderem Maße für die Problematik der frühzeitigen Arbeitssuche bei befristeten Arbeitsverhältnissen, ist dieser Fall in § 37 b SGB III doch sogar noch wesentlich weniger transparent und für den Laien nachvollziehbar geregelt als die Rechtslage bei Beendigung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.
|
|
|
Die Unkenntnis der Klägerin kann ihr auch nicht im Sinne eines Verschuldens vorgeworfen werden. Zwar wird von der Beklagten in anderen vor der Kammer geführten Verfahren mit vergleichbarem Streitstoff die Auffassung vertreten, die Versicherten müssten auf Grund entsprechender Veröffentlichungen in Presse, Funk und Fernsehen von der in § 37 b SGB III normierten Verpflichtung Kenntnis haben mit der Folge, dass allein schon deshalb eine schuldhafte Verletzung dieser Verpflichtung anzunehmen sei. Dieser Auffassung folgt das Gericht nicht.
|
|
|
Zum einen ist das Gericht aufgrund seiner eigenen Wahrnehmung - und dabei handelt es sich aus beruflichen Gründen um eine mit erhöhter Aufmerksamkeit und Fachkunde - der Auffassung, dass hinsichtlich der im Zusammenhang mit § 37 b SGB III verabschiedeten Reformen in Presse, Funk und Fernsehen keineswegs eine derart intensive Berichterstattung stattgefunden hat, dass ein Arbeitnehmer bei pflichtgemäßer Sorgfalt von jeder Einzelregelung und insbesondere vom Inhalt des § 37 b SGB III habe Kenntnis nehmen müssen. Hierfür war die Berichterstattung in den Medien zu allgemein gehalten und im Übrigen die Fülle der im maßgeblichen Zeitraum erfolgenden gesetzlichen Änderungen zu groß sowie deren Regelungsgehalt zu komplex. Die tägliche sozialgerichtliche Praxis in Arbeitsförderungssachen zeigt, dass selbst die juristisch ausgebildete Öffentlichkeit, so sie nicht auf das Arbeitsförderungsrecht spezialisiert ist, von der Aufgabe einer präsenten Kenntnis aller für Arbeitnehmer relevanten Neuregelungen überfordert wäre. Dies wird schlaglichtartig im vorliegenden Fall durch die Tatsache erhellt, dass es sich beim letzten Arbeitgeber der Klägerin um eine Rechtsanwaltskanzlei mit gerichtsbekannterweise nicht ganz unerheblichem Arbeitsanfall aus dem Bereich des Arbeits- und Arbeitsförderungsrechts handelte und dieser Arbeitgeber gleichwohl die gesetzlich geforderte Belehrung über die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche nicht vornahm. All dies gilt wie dargelegt sogar in besonderem Maße für die vorliegend verfahrensgegenständliche Rechtslage bei befristeten Arbeitsverhältnissen.
|
|
|
Zum anderen kann nach Überzeugung des Gerichts generell ein Verschulden bezüglich der Unkenntnis von gesetzlichen Neuregelungen nicht mit der Tatsache der Berichterstattung hierüber in allgemein zugänglichen Quellen begründet werden. Eine Obliegenheit des Bürgers, sich mittels geeigneter Medien - in Betracht kommen hier im wesentlichen nur "seriöse" Tageszeitungen und vergleichbare Presseerzeugnisse, Nachrichtensendungen des Rundfunks und entsprechende Internet-Angebote - über Gesetzesänderungen zu informieren, besteht nicht. Andernfalls wäre die umfangreiche strafrechtliche Diskussion zum Problem der Vermeidbarkeit von Verbotsirrtümern (vgl. die Nw. Bei Cramer/Sternberg-Lieben a. a. O.) obsolet, da jedermann verpflichtet wäre, das Recht zu kennen. Eine derartige Obliegenheit wäre auch mit der aus Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) abzuleitenden negativen Informationsfreiheit nicht zu vereinbaren. Auf niemanden darf – auch nicht mittelbar – Druck dahingehend ausgeübt werden, er möge bestimmte Medien – z. B. die dargelegten "seriösen" Presseerzeugnisse und Rundfunksendungen, in denen detailliert über die Reformen im Arbeitsförderungsrecht berichtet wurde – regelmäßig konsumieren.
|
|
|
Wäre schließlich der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Versicherten bereits auf Grund der allgemeinen Berichterstattung von der Neuregelung Kenntnis haben oder zumindest haben müssen, hätte er keinen Anlass gehabt, eine Informationspflicht des Arbeitgebers in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III zu normieren. Diese Regelung stellt im Umkehrschluss ein weiteres Indiz dafür dar, dass nicht grundsätzlich von einer verschuldeten Unkenntnis der Versicherten ausgegangen werden darf.
|
|
|
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
|
|