Urteil vom Sozialgericht Freiburg - S 8 AL 379/05

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen des Bezugs von Vorruhestandsgeld ruht.
Der Kläger war vom 01.10.1997 bis 31.10.2004 als Advisory IT Specialist bei der Firma I. Sch. in Z. beschäftigt. Aufgrund der Kündigung schlossen der ehemalige Arbeitgeber des Klägers und dieser einen Vertrag dahingehend, dass der Kläger von der Personalvorsorgestiftung seines ehemaligen Arbeitgebers bis zum Beginn der Altersrente eine sogenannte Vorruhestandsleistung in Höhe von monatlich 5.782,00 SFr. erhalten werde. Der Bezug dieser Leistungen wurde nicht mit einer Verpflichtung des Klägers verbunden, aus dem Erwerbsleben auszuscheiden.
Am 01.11.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten Arbeitslosengeld. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.11.2004 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger würde wegen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben eine Rentenleistung erhalten, die mindestens 65 % des Bemessungsentgeltes entspreche. Deshalb würde der Leistungsanspruch auf Arbeitslosengeld ruhen.
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 09.12.2004 Widerspruch ein. Es sei nicht vereinbart worden, dass der Kläger aus dem Erwerbsleben ausscheide und deshalb einen Ausgleich in Form von monatlichen Ersatzleistungen erhalten solle. Deshalb seinen die Zahlungen nicht als Vorruhestandsgeld zu behandeln.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.12.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Relevant sei die Zweckbestimmung der Leistung. Auch ohne entsprechende ausdrückliche Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, sei diese Leistung daher als Vorruhestandsleistung zu betrachten. Nach den Leistungsbeschreibungen der Pensionskasse würde der Arbeitgeber bzw. die Personalvorsorgestiftung davon ausgehen, dass der Kläger mit der Kündigung aus dem Erwerbsleben ausscheide. Auch habe der Kläger gegenüber der Beklagten erklärt, Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III in Anspruch nehmen zu wollen - dies würde bedeuten, dass er nicht mehr arbeiten wolle. Unerheblich sei, ob die Leistungen vom Arbeitgeber selbst oder von seiner angeschlossenen Personalvorsorgestiftung gezahlt werden. Entscheidend sei hierbei, dass es sich um die Pensionskasse des privaten Arbeitgebers handele.
Gegen den Bescheid vom 23.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2004 hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 03.02.2005 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben. Der Kläger wiederholt im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Seine Erklärung zu § 428 SGB III würde sich nur dahin auswirken, dass ihm die Möglichkeit eingeräumt werde, nicht mehr jede Tätigkeit annehmen zu müssen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 23.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger antragsgemäß Arbeitslosengeld seit dem 01.11.2004 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie beruft sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
12 
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Zeugenauskunft des ehemaligen Arbeitgebers (IBM Schweiz, Zürich). Hinsichtlich des Inhalts der Zeugenauskunft wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
13 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Akte der Beklagten (Nr.637D011947) und die Gerichtsakte (S 8 AL 379/05) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben. Sie ist auch im Übrigen zulässig und als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 4 SGG statthaft. Sie ist auch begründet.
15 
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach § 142 Abs. 4 SGG III während der Zeit, für die der Arbeitslose wegen seines Ausscheidens aus dem Erwerbsleben Vorruhestandsgeld oder eine vergleichbare Leistungen des Arbeitgebers mindestens in Höhe von 65% des Bemessungsentgelts bezieht.
16 
Diese Regelung beruht auf der Erwägung, dass Vorruhestandsgeld nur erhalten kann, wer aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist deshalb nicht des Schutzes der Arbeitslosenversicherung bedarf (Keller in: Wissing/Mutschler u.a., SGB III Arbeitsförderung, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2004, § 142 Rd. 52). Vorruhestandsgeld erhält aufgrund einer Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nur derjenige, der aus dem Erwerbsleben ausscheidet (vgl. BT-Drs. 10/880). § 142 Abs. 4 SGB III kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn der Arbeitslose trotz Vereinbarung mit dem Arbeitgeber wieder auf dem Arbeitsmarkt tätig sein will und der (ehemalige) Arbeitgeber an der ursprünglichen Vereinbarung des Ausscheidens festhält. Unter Vorruhestandsgeld fällt daher jede zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer privatrechtlich vereinbarte Leistung, die in Form einer monatlichen Lohnersatzleistung an den Arbeitnehmer gezahlt wird, nachdem dieser aus dem Arbeitsleben ausgeschieden ist (BSG 7. Senat, Urt. vom 26.11.1992, Az. 7 RAr 46/92). Auf die Bezeichnung der Leistung kommt es nicht an; entscheidend sei vielmehr, dass die Leistung gezahlt wird, weil der Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist (Hünecke in: Gagel, SGB III Kommentar, 25. EL., § 142 Rd. 69). Sind sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber darüber einig, dass der ausscheidende Arbeitnehmer weiterhin erwerbstätig sein kann oder sich ersatzweise arbeitslos melden kann, handelt es sich nicht um Vorruhestandsgeld (Hünecke, aaO, Rd. 69).
17 
Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei den Leistungen, die der Kläger von der Pensionskasse seines ehemaligen Arbeitgebers bezieht, nicht um Vorruhestandsgeld. Die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist erforderlichenfalls auszulegen. Die Vereinbarung muss so auszulegen sein, dass dem Arbeitnehmer keine weitere Erwerbstätigkeit erlaubt ist und diese auch nicht berechtigt ist, sich arbeitslos zu melden (BSG 7. Senat, Urt. vom 26.11.1992, Az. 7 RAr 46/92). Zwar enthält die Mitteilung der Personalvorsorgestiftung vom 19.10.2004 im Betreff „Pensionierung". Jedoch ist nach soeben dargestellten Grundsätzen die Bezeichnung unbeachtlich. Weder in diesem Schreiben noch im Kündigungsschreiben vom 15.7.2004 findet sich eine Vereinbarung dahin, dass der Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben ausscheiden soll und deshalb vom Arbeitgeber einen Ausgleich in Form monatlicher Lohnersatzleistungen enthält. Hinzu kommt, dass mit Schreiben vom 17.3.2005 die Personalvorsorgestiftung der I. Sch. bestätigt hat, dass der Bezug der Leistungen nach ihrem Reglement nicht mit einer Verpflichtung des Klägers verbunden ist, aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Dies wurde auch durch die von der Kammer eingeholte Arbeitgeberauskunft vom 31.3.2005 bestätigt. Darin wurde angegeben, dass das Beschäftigungsverhältnis aus Gründen der Reorganisation beendet wurde und keine Vereinbarung geschlossen wurde, dass der Kläger aus dem Erwerbsleben ausscheide. Der Anspruch auf Leistungen von der Personalvorsorgestiftung sei unabhängig davon, ob der Kläger aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist oder nicht. Aus diesen Gründen fehlt es nach Überzeugung der Kammer an einer Vereinbarung, dass der Kläger aus dem Erwerbsleben ausscheide. Dem ehemaligen Arbeitgeber des Klägers ist es nach Auffassung der Kammer gleichgültig, ob der Kläger weiterhin erwerbstätig sein möchte. Da nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG 7. Senat, Urt. vom 26.11.1992, Az. 7 RAr 46/92) die Verpflichtung, aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, zwingende Voraussetzung für den Charakter des Vorruhestandsgeldes ist, liegt hier keine Vorruhestandsleistung vor. Daran ändert auch nichts, dass der Kläger von der Regelung des § 428 SGB III Gebrauch gemacht hat. Er hat lediglich eine einseitige Erklärung des Inhaltes abgegeben, er sei nicht arbeitsbereit und nutze bzw. wolle nicht alle Möglichkeiten nutzen, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, wolle gleichwohl im Rahmen des § 428 SGB III Arbeitslosenhilfe beziehen und erkläre sich deshalb bereit, nach § 428 Abs. 2 SGB III baldmöglichst abschlagsfreie Altersrente zu beantragen.
18 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Gründe

 
14 
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben. Sie ist auch im Übrigen zulässig und als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 4 SGG statthaft. Sie ist auch begründet.
15 
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach § 142 Abs. 4 SGG III während der Zeit, für die der Arbeitslose wegen seines Ausscheidens aus dem Erwerbsleben Vorruhestandsgeld oder eine vergleichbare Leistungen des Arbeitgebers mindestens in Höhe von 65% des Bemessungsentgelts bezieht.
16 
Diese Regelung beruht auf der Erwägung, dass Vorruhestandsgeld nur erhalten kann, wer aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist deshalb nicht des Schutzes der Arbeitslosenversicherung bedarf (Keller in: Wissing/Mutschler u.a., SGB III Arbeitsförderung, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2004, § 142 Rd. 52). Vorruhestandsgeld erhält aufgrund einer Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nur derjenige, der aus dem Erwerbsleben ausscheidet (vgl. BT-Drs. 10/880). § 142 Abs. 4 SGB III kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn der Arbeitslose trotz Vereinbarung mit dem Arbeitgeber wieder auf dem Arbeitsmarkt tätig sein will und der (ehemalige) Arbeitgeber an der ursprünglichen Vereinbarung des Ausscheidens festhält. Unter Vorruhestandsgeld fällt daher jede zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer privatrechtlich vereinbarte Leistung, die in Form einer monatlichen Lohnersatzleistung an den Arbeitnehmer gezahlt wird, nachdem dieser aus dem Arbeitsleben ausgeschieden ist (BSG 7. Senat, Urt. vom 26.11.1992, Az. 7 RAr 46/92). Auf die Bezeichnung der Leistung kommt es nicht an; entscheidend sei vielmehr, dass die Leistung gezahlt wird, weil der Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist (Hünecke in: Gagel, SGB III Kommentar, 25. EL., § 142 Rd. 69). Sind sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber darüber einig, dass der ausscheidende Arbeitnehmer weiterhin erwerbstätig sein kann oder sich ersatzweise arbeitslos melden kann, handelt es sich nicht um Vorruhestandsgeld (Hünecke, aaO, Rd. 69).
17 
Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei den Leistungen, die der Kläger von der Pensionskasse seines ehemaligen Arbeitgebers bezieht, nicht um Vorruhestandsgeld. Die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist erforderlichenfalls auszulegen. Die Vereinbarung muss so auszulegen sein, dass dem Arbeitnehmer keine weitere Erwerbstätigkeit erlaubt ist und diese auch nicht berechtigt ist, sich arbeitslos zu melden (BSG 7. Senat, Urt. vom 26.11.1992, Az. 7 RAr 46/92). Zwar enthält die Mitteilung der Personalvorsorgestiftung vom 19.10.2004 im Betreff „Pensionierung". Jedoch ist nach soeben dargestellten Grundsätzen die Bezeichnung unbeachtlich. Weder in diesem Schreiben noch im Kündigungsschreiben vom 15.7.2004 findet sich eine Vereinbarung dahin, dass der Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben ausscheiden soll und deshalb vom Arbeitgeber einen Ausgleich in Form monatlicher Lohnersatzleistungen enthält. Hinzu kommt, dass mit Schreiben vom 17.3.2005 die Personalvorsorgestiftung der I. Sch. bestätigt hat, dass der Bezug der Leistungen nach ihrem Reglement nicht mit einer Verpflichtung des Klägers verbunden ist, aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Dies wurde auch durch die von der Kammer eingeholte Arbeitgeberauskunft vom 31.3.2005 bestätigt. Darin wurde angegeben, dass das Beschäftigungsverhältnis aus Gründen der Reorganisation beendet wurde und keine Vereinbarung geschlossen wurde, dass der Kläger aus dem Erwerbsleben ausscheide. Der Anspruch auf Leistungen von der Personalvorsorgestiftung sei unabhängig davon, ob der Kläger aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist oder nicht. Aus diesen Gründen fehlt es nach Überzeugung der Kammer an einer Vereinbarung, dass der Kläger aus dem Erwerbsleben ausscheide. Dem ehemaligen Arbeitgeber des Klägers ist es nach Auffassung der Kammer gleichgültig, ob der Kläger weiterhin erwerbstätig sein möchte. Da nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG 7. Senat, Urt. vom 26.11.1992, Az. 7 RAr 46/92) die Verpflichtung, aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, zwingende Voraussetzung für den Charakter des Vorruhestandsgeldes ist, liegt hier keine Vorruhestandsleistung vor. Daran ändert auch nichts, dass der Kläger von der Regelung des § 428 SGB III Gebrauch gemacht hat. Er hat lediglich eine einseitige Erklärung des Inhaltes abgegeben, er sei nicht arbeitsbereit und nutze bzw. wolle nicht alle Möglichkeiten nutzen, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, wolle gleichwohl im Rahmen des § 428 SGB III Arbeitslosenhilfe beziehen und erkläre sich deshalb bereit, nach § 428 Abs. 2 SGB III baldmöglichst abschlagsfreie Altersrente zu beantragen.
18 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache.

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