Urteil vom Sozialgericht Hannover (10. Kammer) - S 10 KR 175/09

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Vergütung einer Behandlung eines Versicherten der Beklagten im Krankenhaus der Klägerin streitig.

2

Der bei der Beklagten krankenversicherte 1924 geborene F. (Versicherter) befand sich vom 2. Oktober 2003 an zur stationären Behandlung im Kreiskrankenhaus G. aufgrund einer erneuten Angina pectoris-Symptomatik. Das Kreiskrankenhaus H. war im Jahr 2003 im niedersächsischen Krankenhausplan unter anderem für den Bereich Innere Medizin aufgenommen worden.

3

Der Versicherte wurde bis zum sicheren Ausschluss eines Myokardinfarktes zunächst auf der Intensivstation behandelt. In der Zeit vom 2. Oktober 2003 bis zum 16. Oktober 2003 erfolgten ausweislich des Berichtes der Ärzte I. ein EKG, ein Schlafapnoe-Screening, eine Ergometrie, eine Langzeit-Blutdruckmessung, eine Echokardiographie, eine Belastungs-Echokardiographie, ein Röntgen-Thorax und Blutuntersuchungen.

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Das Kreiskrankenhaus H. veranlasste, dass beim Kläger eine Koronarangiographie im Krankenhaus der Klägerin durchgeführt werden sollte. Hierzu nahm das Krankenhaus der Klägerin ihn am 17. Oktober 2003 gegen 11:00 Uhr auf. Um 13:09 Uhr begann die Linkskatheteruntersuchung, die um 13:20 Uhr endete. Hierbei fanden sich keine relevanten und interventionspflichtigen Koronarstenosen. Das Krankenhaus der Klägerin entließ den Versicherten am 18. Oktober 2003 zur Weiterbehandlung in das Krankenhaus H., wo er bis zum 22. Oktober 2003 verblieb.

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Die Beklagte zahlte der Klägerin für die Behandlung des Versicherten den geforderten Betrag von 1.696,91 €. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen und im Land J. (MDK) kam nach einer Begutachtung des Behandlungsfalles am 10. Oktober 2006 zu dem Ergebnis, dass es sich um eine am 17. Oktober 2003 durchführbare Verbringungsleistung gehandelt habe. Es sei aus den Entlassbriefen der Klinken in K. und des klägerischen Krankenhauses medizinisch nicht ersichtlich, warum keine Rückverlegung nach erfolgter Koronarangiographie noch am 17. Oktober 2003 erfolgt sei.

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Die Beklagte erklärte daraufhin die Aufrechnung mit einer unstreitigen Forderung der Klägerin und setzte den Betrag am 17. September 2007 von einem Rechnungslauf ab. Die Klägerin widersprach der Aufrechnung. Die Beklagte beauftrage den MDK mit einer weiteren Überprüfung, der nach durchgeführter Begutachtung am 13. April 2008 zu dem Ergebnis kam, dass der Herzkatheter im Rahmen einer Verbringung hätte durchgeführt werden können. Der Verlauf sei komplikationslos gewesen, spätestens nach Ziehen der Schleuse hätte die Verlegung mit liegendem Druckverband erfolgen können (lt. Dokumentation 15:30 Uhr). Eine Verlegung könne aber auch mit liegender Schleuse erfolgen. Die weitere Beobachtung hätte im Krankenhaus in K. erfolgen können.

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Mit der im Jahre 2008 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin sinngemäß gegen die Aufrechung der Beklagten.

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Sie ist der Auffassung, dass eine Verlegung des Versicherten vorgelegen habe. Eine Rückverlegung am 17. Oktober 2003 habe nicht stattfinden können, da der Druckverband erst um 21:30 Uhr entfernt worden sei. Eine Rückverlegung mit Druckverband oder nach Entfernung des Druckverbandes sei dem Versicherten nicht zumutbar und riskant gewesen.

9

Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, für die stationäre Behandlung des Patienten F. (Aufnahme-Nr.: A.; Versicherungsnummer: B.) 1.696,91 € nebst 2% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 25. September 2007 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

13

Die Beklagte verweist auf die zwei vor Klageerhebung erstellten MDK-Gutachten sowie auf eine weiteres Gutachten des MDK vom 17. Juli 2009. Danach sei ein Verbleiben des Versicherten im klägerischen Krankenhaus über Nacht sozialmedizinisch nicht notwendig gewesen. Eine ca. 4-stündige Überwachung im Anschluss an die Koronarangiographie sei bei der vorgenannten Kasuistik medizinisch ausreichend gewesen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Die Beteiligten erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

17

Die Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Die Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG ist im Gleichordnungsverhältnis zwischen einem Krankenhausträger und einer Krankenkasse statthaft. Es bedurfte keines Vorverfahrens oder Einhaltung einer Klagefrist (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. Urteil vom 30. Juni 2009, B 1 KR 24/08 R)

18

Der Anspruch der Klägerin in Höhe von 1.696,91 € aus einer unstreitigen Forderung ist durch die Aufrechnung der Beklagten gemäß § 69 Satz 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erloschen. Die Beteiligten schuldeten einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig im Sinne des § 387 BGB waren und die gefordert und bewirkt werden konnten.

19

Der Beklagten stand ein Rückzahlungsanspruch in Höhe der Klageforderung für die anlässlich der Behandlung des Versicherten geleistete Vergütung zu. Rechtsgrundlage des Rückzahlungsanspruchs ist ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind. Dabei gelten ähnliche Grundsätze wie im Recht der ungerechtfertigten Bereicherung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 812 ff BGB).

20

Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis liegt hier vor, denn die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus sind öffentlich-rechtlicher Natur, vgl. § 69 Satz 3 SGB V. Die Beklagte hat im Rahmen eines solchen Rechtsverhältnisses die ihr in Rechnung gestellten Kosten der Behandlung des Versicherten im Krankenhaus der Klägerin in der Zeit vom 17./18. Oktober 2003 in Höhe von 1.696,91 € ohne Rechtsgrund geleistet.

21

Rechtsgrundlage des von der Beklagten erfüllten Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V i.V.m dem am 1. November 1992 in Kraft getretenen Vertrag zu den Bereichen des § 112 Abs. 2 Nr. 1, 2, 4 und 5 SGB V zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden der Krankenkassen (Niedersächsischer Landesvertrag). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsteht die Zahlungsverpflichtung einer gesetzlichen Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den bei ihr versicherten Patienten. Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser i.S des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, wenn die Versorgung i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich war.

22

Einem möglichen Anspruch der Klägerin für die Behandlung des Versicherten steht § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), der gemäß § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V für Vergütungsansprüche maßgeblich ist, entgegen.

23

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG sind allgemeine Krankenhausleistungen die Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig ist. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG gehören unter diesen Voraussetzungen auch die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter dazu. Mit den Entgelten für die allgemeinen Krankenhausleistungen (§ 7 KHEntgG)) werden die für die sachgerechte Behandlung der Patienten erforderlichen Leistungen vergütet. Die Leistungen herangezogener Dritter sind nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG als Bestandteil der allgemeinen Krankenhausleistungen mit diesen Entgelten abgegolten. Diese Dritten erbringen – rechtlich gesehen – ihre Leistung nicht gegenüber dem versicherten Patienten bzw. dessen Krankenkasse, sondern gegenüber dem Krankenhaus. Dementsprechend kann ein Vergütungsanspruch des Dritten nur gegen das Krankenhaus und nicht gegen den Patienten oder dessen Kostenträger entstehen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Februar 2007, B 3 KR 17/06; Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. November 2009, III ZR 110/09). Um eine vom Krankenhaus veranlasste Leistung eines Dritten im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG handelt es sich nur, wenn die Leistung im Verhältnis zu der vom Krankenhaus zu erbringenden Hauptbehandlungsleistung lediglich ergänzende oder unterstützende Funktion haben (sog. "Verbringung"). Findet eine "Verlegung" statt, geht die Verantwortung für die Gesamtbehandlung vollständig auf das aufnehmende Krankenhaus über. In einem solchen Fall scheidet der Patient aus den stationären Behandlungsabläufen und der Gesamtverantwortung des abgebenden Krankenhauses aus und wird in die stationären Abläufe des aufnehmenden Krankenhauses integriert (Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Februar 2007, B 3 KR 17/06).

24

Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei der im Krankenhaus der Klägerin am 17. Oktober 2003 durchgeführten Koronarangiographie um eine Leistung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG, da ihr eine Verbringung durch das Kreiskrankenhaus H. vorausging, das den Versicherten im Rahmen seines Versorgungsauftrages im Schwerpunktbereich Kardiologie der Abteilung Innere Medizin II vom 2. Oktober 2003 bis zur Verbringung behandelte. In der Zeit erfolgten ein EKG, ein Schlafapnoe-Screening, eine Ergometrie, eine Langzeit-Blutdruckmessung, eine Echokardiographie, eine Belastungs-Echokardiographie, ein Röntgen-Thorax und Blutuntersuchungen. Bereits hieraus wird deutlich, dass das Krankenhaus H. eine umfassende Diagnostik im Rahmen einer Gesamtbehandlung durchführte und den Versicherten lediglich zur Koronarangiographie und damit ausschließlich zum Zwecke einer einzelnen Untersuchungen in das Krankenhaus der Klägerin verbringen ließ ohne diesem die Verantwortung für die Gesamtbehandlung zu übertragen. Denn sonst wäre kein Rücktransport erfolgt und die Einbindung des Versicherten in die stationären Abläufe hätte nach der Koronarangiographie Folgeuntersuchungen und -beahndlungen nach sich gezogen, was aber nicht erfolgte. Stattdessen übernahm das Kreiskrankenhaus H. die Folgebetreuung im Rahmen seiner Gesamtverantwortung bis zum 22. Oktober 2003. Die Übernachtung des Versicherten im Krankenhaus der Klägerin war den möglichen Folgerisiken der Untersuchung geschuldet. Ob der Aufenthalt erforderlich war, bedarf keiner Entscheidung, da es hierauf für die Abgrenzung zwischen einer Verlegung oder Verbringung nicht ankommt. Leistungen Dritter im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHentG können auch stationär erbracht werden. Deshalb ist es entgegen der Auffassung der Klägerin unerheblich, dass der Versicherte in ihrem Krankenhaus übernachte, ver- und gepflegt wurde. Für eine Aufnahme in die stationären Abläufe ist es maßgeblich, dass die Gesamtverantwortung auf das aufzunehmende Krankenhaus übergeht. Über Übernachtungs- und (Ver)pflegungsleistungen hinaus bedarf es hierzu eines eigenständigen Konzepts für eine selbständige Behandlung, die an die vorangegangene abgeschlossene Behandlung anknüpft. An dieser Anknüpfung fehlt es im vorliegenden Fall, da die vorangegangene Behandlung durch das Kreiskrankenhaus H. lediglich durch eine Einzelmaßnahme in Form der Koronaruntersuchung und damit verbundenen Annexleistungen (Unterbringung und Verpflegung) eine kurzfristige Unterbrechung erfuhr und danach fortgesetzt wurde.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

 


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