Urteil vom Sozialgericht Köln - S 7 J 104/94
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
1 2
Sozialgericht Köln
3Az.: S 7 J 104/94 |
Verkündet am 22.08.1996 Fasbender Regierungsangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle |
Im Namen des Volkes
5Urteil
6In dem Rechtsstreit
7W
8Kläger
9Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H
10gegen
11LVA Württemberg, Adalbert-Stifter-Straße 105, 70437 Stuttgart
12Beklagte
13Die 7. Kammer des Sozialgerichts Köln hat auf die mündliche Verhandlung vom 22.08.1996 in Köln durch die Richterin am Sozialgericht a. w. a. R. Fellermann-Blachut als Vorsitzende und die ehrenamtliche Richterin Dickmann und den ehrenamtlichen Richter Berse für Recht erkannt:
14Die Klage wird abgewiesen.
15Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
16Tatbestand:
17Die Klägerin begehrt die Gewährung von Altersrente. Streitig ist zwischen den Beteiligten die Berücksichtigung von in der ehemaligen DDR zurückgelegten Versicherungszeiten. Die Klägerin verlangt Berücksichtigung dieser Zeiten nach dem FRG bzw. nach dem SGB VI.
18Die am 00.00.1933 geborene Klägerin ist griechische Staatsangehörige. Zur Zeit des griechischen Bürgerkrieges verließ sie ihr Heimatland und verzog im Oktober 1950 in die ehemalige DDR. Dort ging sie in der Zeit vom 23.10.1950 bis 31.05.1980 mit kurzen Unterbrechungen verschiedenen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen nach. Im Jahre 1980 kehrte sie nach Griechenland zurück und lebte dort bis 1987. Während dieser Zeit war sie von März 1981 bis September 1984 ebenfalls versicherungspflichtig beschäftigt.
19Am 23.12.1987 siedelte sie von Griechenland in die Bundesrepublik Deutschland über, wo sie in der Zeit vom 28.01. bis 29.04.1988 wiederum versicherungspflichtig tätig war.
20Mit Bescheid der BfA vom 22.08.1988 und mit Bescheid der Beklagten vom 26.10.1989 wurden die in der ehemaligen DDR zurückgelegten Zeiten festgestellt. Diese Zeiten wurden als FRG-Zeiten anerkannt.
21Am 10.06.1992 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Altersrente. Mit Bescheid vom 10.08.1993 hob die Beklagte die Bescheide vom 22.08.1988 und vom 26.10.1989 gemäß S 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren - (SGB X) auf. Zur Begründung führte sie aus: Zwischen der Republik Griechenland und der früheren DDR sei am 06.07.1984 eine Vereinbarung auf dem Gebiet der sozialen Sicherung abgeschlossen worden. Nach dieser Vereinbarung seien die in der ehemaligen DDR zurückgelegten Versicherungszeiten auf den griechischen Versicherungsträger übergegangen. Die frühere DDR habe der Republik Griechenland hierfür eine Abfindung gezahlt. Betroffen seien hiervon griechische Staatsangehörige, die ab 01. Januar 1947 ihren Wohnsitz in der früheren DDR genommen hätten, dort versicherungspflichtig gewesen und von dort unmittelbar nach Griechenland mit dem Ziel des ständigen Aufenthalts zurückgekehrt seien. Die griechische Seite rechne Versicherungszeiten der früheren DDR als griechische Versicherungszeiten an. Entsprechend Artikel 12 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) sei mit der Republik Griechenland festgelegt worden, für welchen Personenkreis die Vereinbarung vom 06.07.1984 weiterhin Anwendung finde. Danach gelte die Vereinbarung für alle Personen, die bis zum 02.10.1990 unmittelbar aus der früheren DDR in die Republik Griechenland zurückgekehrt seien. Die in der früheren DDR zurückgelegten Versicherungszeiten dieser zurückgekehrten Personen gelten als mit der Rückkehr nach Griechenland in die Versicherungslast der griechischen Sozialversicherung übergegangen.
22Mit Bescheid vom 31.08.1993 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Altersrente ab. Zur Begründung führte sie aus, dass bis zum Eingang der Bestätigung über die Anerkennung der in der früheren DDR zurückgelegten Zeiten durch den griechischen Versicherungsträger die Erledigung des Antrags zurückgestellt werden müsse.
23Gegen den Bescheid vom 10.08.1993 - zugestellt am 24.09.1993 - und gegen den Bescheid vom 31.08.1993 - abgesandt am 21.09.1993 - erhob die Klägerin am 08.10.1993 Widerspruch. Sie war der Meinung, sie gehöre nicht zu dem von der Vereinbarung betroffenen Personenkreis, da sie sich lediglich vorübergehend in Griechenland aufgehalten habe, um ihrer dort lebenden pflegebedürftigen Mutter behilflich zu sein. Sie sei nicht zum Zwecke des ständigen Aufenthalts eingereist.
24Nach Anhörung mit Schreiben vom 29.11.1993 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.1994, der Klägerin am 02.05.1994 zugestellt, zurück. Die Beklagte meinte: Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Bescheide würden nach 5 48 SGB X vorliegen, da sich die objektive Rechtslage insofern geändert habe, als gemäß Artikel 12 des Einigungsvertrages i. V. m. dem Besprechungsergebnis zwischen Vertretern der griechischen Regierung und der bundesdeutschen Regierung vom 07.10.1991 die Vereinbarung vom 06.07.1984 weiter Geltung habe, soweit sie Personen betreffe, die bis zum 02.10.1990 unmittelbar aus der DDR nach Griechenland zurückgekehrt seien. Die Klägerin gehöre zu diesem Personenkreis. Insbesondere sei angesichts der 7-jährigen Aufenthaltsdauer nicht von einem nur vorübergehenden Aufenthalt auszugehen.
25Die Klägerin hat am 01.06.1994 Klage erhoben.
26Sie ist der Auffassung, sie sei in ihrem Gleichheits- bzw. Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Ihre in der ehemaligen DDR zurückgelegten Versicherungszeiten seien - auch nach dem Grundlagenvertrag - gleichermaßen zu bewerten, wie die Versicherungszeiten ihrer Landsleute, die in dem Gebiet der ehemaligen DDR verblieben oder ohne Rückkehr nach Griechenland in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt seien. Die Vereinbarung vom 06.07.1984 führe zu einer rechtswidrigen Ungleichbehandlung und sei daher als unwirksam anzusehen, so dass auch ein Übergang der Versicherungszeiten auf den griechischen Versicherungsträger nicht wirksam erfolgt sei.
27Sie trägt darüber hinaus vor, dass es in ihrem Heimatland keine gesetzliche Grundlage gebe, nach der sie ihre Rechtsansprüche gegenüber dem griechischen Versicherungsträger aufgrund der in der ehemaligen DDR zurückgelegten Versicherungszeiten geltend machen könne. Insofern könne sie ihre Rentenansprüche nicht so realisieren, wie es ihren anderen Landsleuten in der Bundesrepublik Deutschland möglich sei.
28Die Klägerin beantragt,
29den Bescheid der Beklagten vom 10.08.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.1994 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr auf der Grundlage der Bescheide vom 22.08.1988 und vom 26.10.1989 Altersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
30Die Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Sie ist der Auffassung, das Sozialversicherungsabkommen vom 06.07.1984 sei als geltendes Recht gemäß Artikel 12 des Einigungsvertrages und aufgrund der Aufnahme in die EWG-VO Nr. 1408/71 anzuwenden gewesen. Die Aufhebung der Rentenauskunftsbescheide habe daher gemäß § 48 SGB X erfolgen müssen.
33Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang ergänzend auf ein Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.08.1994 - Az.: S 2 J 136/94. Für die Klägerin würde sich auch im Vergleich zu ihren Landsleuten, die nicht nach Griechenland zurückgekehrt seien, keine rechtswidrigen, wesentlichen Nachteile ergeben, insbesondere im Hinblick darauf, dass ihr die Versicherungszeiten nicht verloren gingen, sondern in die Versicherungslast des griechischen Versicherungsträgers fielen.
34Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Rentenakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
35Entscheidungsgründe:
36Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid vom 10.08.1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.1994 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht die Bescheide vom 26.10.1989 und vom 22.08.1988 gemäß SS 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 i. V. m. 44 Abs. 3 SGB X aufgehoben.
37Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Bei dem gemäß § 1324 RVO a. F. erteilten Rentenauskunftsbescheiden handelt es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung. Aufgrund des Beitritts der neuen Bundesländer und der sich aus dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) vom 31.08.1990 ergebenen Rechtsüberleitung haben sich die den Bescheiden zugrundeliegenden rechtlichen Verhältnisse wesentlich geändert.
38Nach der zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung bestehenden Rechtslage waren die von der Klägerin in der ehemaligen DDR zurückgelegten Zeiten zunächst gemäß § 15 des Fremdrentengesetzes (FRG) vom 25.02.1960 anzuerkennen, denn die Klägerin, die nach ihrem Aufenthalt in Griechenland Wohnsitz in der Bundesrepublik genommen hatte, gehörte zu dem nach § 1 FRG betroffenen Personenkreis. Im Zuge der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten hat sich die Rechtslage geändert, denn nach Artikel 12 des Einigungsvertrages sind völkerrechtliche Verträge der ehemaligen DDR im Bereich der sozialen Sicherheit im Beitrittsgebiet vorübergehend weiterhin anzuwenden. Danach ist auch die zwischen der DDR und der Republik Griechenland getroffene Vereinbarung über die Regelung von Rentenfragen vom 06.07.1984 anzuwenden, sofern hierfür die Voraussetzungen vorliegen. Betroffen von dieser Vereinbarung sind ausschließlich griechische Staatsangehörige, die ab dem 01.01.1947 ihren Wohnsitz in der ehemaligen DDR genommen haben, dort versicherungspflichtig beschäftigt waren und von dort unmittelbar in die Republik Griechenland zurückgekehrt sind. Die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Griechenland sind im Rahmen der nach Artikel 12 Abs. 1 des Einigungsvertrages durchgeführten Erörterung hierzu übereingekommen, dass diese Vereinbarung nur für diejenigen griechischen Staatsangehörigen gilt, deren Rückkehr nach Griechenland bis zum 02.10.1990 erfolgt ist (Protokoll vom 07.10.1991). Die Vereinbarung wurde später in die EWG-VO Nr. 1408/71 aufgenommen und ist als für jeden Mitgliedstaat unmittelbar verbindliches Recht auch Bestandteil der deutschen Rechtsordnung geworden (Artikel 189 EGV).
39Die Beklagte hatte die Vereinbarung schon wegen der Regelung des Einigungsvertrages als geltendes Recht zu beachten und in der Rentenangelegenheit der Klägerin anzuwenden, weil diese zu dem von der Vereinbarung betroffenen Personenkreis gehört. Denn sie hat sich nach 1947 in dem Gebiet der ehemaligen DDR niedergelassen und ist 1980 von dort unmittelbar nach Griechenland zurückgekehrt, wo sie sieben Jahre lang lebte. Angesichts der langjährigen Aufenthaltsdauer in Griechenland liegt ein nicht nur vorübergehender Aufenthalt vor. Hierfür spricht außerdem der Umstand, dass die Klägerin während ihres Aufenthalts in Griechenland dort versicherungspflichtig beschäftigt war. Dies weist darauf hin, dass sie in dieser Zeit dort ihren Lebensmittelpunkt geschaffen hatte und nicht absehbar war, ob sie überhaupt Griechenland wieder verlässt.
40Dieses Sozialversicherungsabkommen ist auch hinsichtlich seiner materiell-rechtlichen Ausgestaltung als wirksames Recht anzusehen. Es verstößt insbesondere nicht gegen das EG-rechtlich gewährleistete Freizügigkeitsrecht für Wanderarbeitnehmer, gegen Artikel 3 Abs. 1 GG oder gegen den EG-rechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz:
41I.
42Die in der Vereinbarung vom 06.07.1984 getroffene Regelung verstößt nicht gegen das Freizügigkeitsrecht und die daraus folgenden Gewährleistungen und Rechte für Wanderarbeitnehmer, die einem EG-Mitgliedstaat angehören.
43Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer als eine der im EG-Recht umfassend verankerten Grundfreiheiten (Artikel 48 ff. EGV, Artikel 69 EGKSV, Artikel 96 EAGV) gewährt den Staatsangehörigen der EG-Mitgliedsstaaten das Recht, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, sich dort unter gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Landes um einen Arbeitsplatz zu bewerben und einer abhängigen Beschäftigung nachzugehen. Um eine ungehinderte Wahrnehmung und Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit sicherzustellen, ist der EG-Rat durch Artikel 51 EGV - die zentrale gemeinschaftliche Norm für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer - ermächtigt, die auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit für die Herstellung der Freizügigkeit notwendigen Maßnahmen einstimmig zu beschließen. Der Rat ist dem nachgekommen durch den Erlass spezieller Verordnungen zur sozialen Sicherheit (hierzu im Einzelnen in "Die soziale Dimension der Europäischen Gemeinschaft" von Heike Kuhn, Speyer, Diss. 1994), darunter auch die EWG-VO Nr.: 1408/71). Diese Verordnungen beinhalten die Zielsetzung, dass einem Arbeitnehmer, der von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat, die in seinem Arbeitsleben bereits erworbenen Sozialversicherungsansprüche nicht durch die "Wanderung" in einen anderen Mitgliedsstaat verlorengehen. Denn wären die Sozialversicherungsansprüche insofern nicht abgesichert und müsste ein Wanderarbeitnehmer einen solchen Verlust befürchten, wäre die ungehinderte Ausübung des Freizügigkeitsrechts hierdurch beeinträchtigt. Doch gerade die Förderung des Zwecks, die Wanderarbeitnehmer in den Genuss der aus den Gemeinschaftsverordnungen folgenden Rechtsvorteile kommen zu lassen, ist eine wesentliche Grundlage für die ungehinderte Ausübung des Freizügigkeitsrechts (hierzu auch BSGE Beschluss des GrS vom 29.05.1984, Seite 23 ff.).
44Die EWG-VO Nr. 1408/71 enthält - vor allem im Hinblick auf die verschiedenen Sozialversicherungssysteme der einzelnen Mitgliedsstaaten - koordinierende Regelungen zur Sicherung der erworbenen sozialen Ansprüche und Vorteile der Arbeitnehmer, die innerhalb der Gemeinschaft ab- und zuwandern. Insbesondere die durch Artikel 45 der EWG-VO Nr. 1408/71 ermöglichte Zusammenrechnung von Versicherungszeiten in den einzelnen Mitgliedsstaaten für den Erwerb von Leistungsansprüchen nach den Rechtsvorschriften dieser Staaten trägt diesem Ziel Rechnung. Insofern wird u. a. hierdurch die Möglichkeit der "Exportierbarkeit" von sozialen Leistungsansprüchen innerhalb der Mitgliedsstaaten eröffnet.
45Im vorliegenden Fall liegt unter Berücksichtigung dieser Regelung und deren zugrunde liegenden Zielsetzung nur dann ein Verstoß gegen das grundsätzlich der Klägerin als griechische Staatsangehörige und damit als Angehörige eines EG-Mitgliedsstaat zustehende Freizügigkeitsrecht vor, wenn die in der ehemaligen DDR zurückgelegten Versicherungszeiten zusammenrechnungsfähige Zeiten im Sinne von Artikel 45 der EWG-VO Nr. 1408/71 sind. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn es sich bei diesen Versicherungszeiten um mitgliedsstaatliche Zeiten handelt. Denn würden Versicherungszeiten, die in einem "Drittstaat" bzw. Nicht-EG-Mitgliedsstaat zurückgelegt worden sind, ebenfalls z. B. aufgrund von einem zwischen einem Mitgliedsstaat und einem Drittstaat abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen - in die "Zusammenrechnung" fallen, wäre die Gemeinschaft mit EG-fremden Ansprüchen belastet. Insofern ist im Sinne des Gemeinschaftszweckes davon auszugehen, dass die in einem Nichtmitgliedsstaat erworbenen Ansprüche bzw. Anwartschaften grundsätzlich nicht in den Schutzbereich der EG-Verordnungen zur sozialen Sicherheit fallen. Dieser Schluss lässt sich insbesondere auch aus dem völkerrechtlichen Grundsatz herleiten, nachdem kein Staat ohne seine Zustimmung durch Verträge zwischen anderen Staaten, an denen er nicht beteiligt ist, belastet werden darf.
46Durch die Aufnahme des Sozialversicherungsabkommens vom 06.07.1984 in die EWG-VO Nr. 1408/71 wird die Abgrenzung des Schutzbereichs dieser Verordnung im Hinblick auf Drittstaaten-Versicherungszeiten bezogen auf Zeiten, die vor einer Abwanderung in einem Mitgliedsstaat - hier Griechenland - in der ehemaligen DDR zurückgelegt worden sind, konkretisiert. Vor diesem Hintergrund verstößt dieses Sozialversicherungsabkommen nicht gegen das Freizügigkeitsrecht der Klägerin, denn sie hat die von ihr als FRG-Zeiten geltend gemachten Versicherungszeiten zu einem Zeitpunkt zurückgelegt, in dem das Beitrittsgebiet im Verhältnis zur EG noch als Drittstaat anzusehen war. Im Hinblick auf ihre Rückkehr nach Griechenland ist die Klägerin zu dieser Zeit auch nicht als Wanderarbeitnehmerin im EG-rechtlichen Sinne abgewandert, da sie nicht von einem Mitgliedsstaat in einen anderen gezogen, sondern vielmehr von einem Drittstaat aus wieder zugewandert ist. Dem wird insbesondere auch durch die zeitliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Vereinbarung Rechnung getragen, in dem diese nur auf diejenigen griechischen Staatsangehörigen anwendbar ist, die bis zum 02.10.1990 nach Griechenland zurückgekehrt sind. Denn erst im Zuge der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten mit dem 03.10.1990 wird das Beitrittsgebiet Teil eines EG-Mitgliedsstaates. Der Freizügigkeitschutz im Rahmen der Gemeinschaft kommt insofern im Hinblick auf seine Zielrichtung hinsichtlich der in der ehemaligen DDR zurückgelegten Versicherungszeiten nicht zum Tragen. Aus diesen Gründen verstößt die Vereinbarung auch nicht gegen das Freizügigkeitsrecht der Klägerin.
47II.
48Die Anwendbarkeit der Vereinbarung vom 06.07.1984 verletzt die Klägerin auch nicht in ihrem nach Artikel 3 Abs. 1 GG gewährleisteten Gleichbehandlungsgrundrecht.
49Dies würde voraussetzen, dass durch die Anwendung der Vereinbarung ungleiche bzw. gleiche Sachverhalte und Lebenslagen ohne sachlichen Grund gleich bzw. ungleich behandelt werden und dies zu einer nicht mehr hinnehmbaren Ungleichbehandlung von einigem Gewicht führt. Soweit sich die Klägerin auf eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu ihren Landsleuten, die nicht nach Griechenland zurückgekehrt, sondern in der ehemaligen DDR verblieben oder unmittelbar in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt sind, beruft, liegt eine Verletzung ihres Gleichbehandlungsrechts nicht vor.
50Die Lebenslage der Klägerin unterscheidet sich zu der ihrer in Deutschland verbliebenen Landsleute insofern erheblich, als sie direkt von der DDR nach Griechenland zurückgekehrt ist und sich dort für lange Zeit niedergelassen hat. Dies rechtfertigt eine vom Gesetzgeber vorgesehene Ungleichbehandlung durch Anwendung der Vereinbarung vom 06.07.1984. Denn nach Sinn und Zweck dieser Regelung soll die soziale Sicherheit der in ihr Heimatland nicht nur vorübergehend zurückgekehrten Person gewährleistet sein, in dem die in der ehemaligen DDR zurückgelegten Versicherungszeiten auf den griechischen Rentenversicherungsträger übergehen und als griechische Versicherungszeiten gelten. Hierdurch wird ein Verlust von Versicherungszeiten vermieden sowie eine einheitliche Zuständigkeit des griechischen Versicherungsträgers im Sinne einer Verfahrensvereinfachung begründet.
51Der Anwendbarkeit des Sozialversicherungsabkommens steht nicht entgegen, dass die Klägerin nach sieben Jahren Griechenland im Jahre 1987 wieder verlassen hat, um in der Bundesrepublik Deutschland ihren Wohnsitz zu nehmen. Insofern muss die Anwendbarkeit der Vereinbarung unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit möglich bleiben. Andernfalls würde die Anwendbarkeit des Sozialversicherungsabkommens und damit der Übergang der Versicherungszeiten in die Versicherungslast des griechischen Rentenversicherungsträgers in der "Schwebe" liegen, weil ein endgültiges Verbleiben in Griechenland letztendlich vom Willen des einzelnen abhängt und insofern nicht garantiert ist. Die Anwendbarkeit der Vereinbarung ist derart vom Willen der betroffenen Person abhängig zu machen, erscheint als nicht sachgemäß und würde rechtsstaatlichen Anforderungen nicht gerecht werden.
52Durch die Anwendung der Vereinbarung vom 06.07.1984 erleidet die Klägerin auch keine wesentlichen Nachteile. Ihr gehen die in der ehemaligen DDR zurückgelegten Versicherungszeiten nicht verloren, sondern gehen auf den griechischen Rentenversicherungsträger über, demgegenüber sie entsprechende Ansprüche geltend machen kann. Es haben sich im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Klägerin - etwa aufgrund mangelnder gesetzlicher Grundlage - keine Ansprüche gegenüber dem griechischen Rentenversicherungsträger durchsetzen kann. Vielmehr hat der zuständige Versicherungsträger einen Großteil der Zeit von 1957 bis 1980 verbindlich anerkannt. Dass die Klägerin aus den festgestellten Zeiten noch keine Leistung erhalten hat, liegt daran, dass sie die Vordrucke E 202 D (Antrag auf Altersrente) noch nicht ausgefüllt hat und dass dieser Antrag dem griechischen Rentenversicherungsträger auch noch nicht zur Bearbeitung vorliegt.
53Auch der im Gemeinschaftsrecht verankerte Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht verletzt, denn unter diesem Gesichtspunkt ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Versicherungszeiten nicht in einem EG-Mitgliedsstaat zurückgelegt hat. In den Schutzbereich dieses Gleichbehandlungsgrundsatzes fallen aber nur diejenigen Wanderarbeitnehmer, die ihre Versicherungszeiten in einem anderen Mitgliedsstaat zurückgelegt haben.
54Mithin hat die Beklagte das Sozialversicherungsabkommen als geltendes Recht zu beachten. Insofern waren die Bescheide vom 22.08.1988 und vom 26.10.1989 nach 5 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGB X aufzuheben (vgl. BSGE 65, S. 185 ff).
55Die Klage ist hinsichtlich des Ablehnungsbescheides vom 31.08.1993 ebenfalls nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Alters-rente nach § 39 SGB VI, denn sie erfüllt nicht die gesetzlich vorausgesetzte Wartezeit, da sie in der Bundesrepublik Deutschland lediglich vom 28.01. bis 29.04.1988 versicherungspflichtig beschäftigt war.
56Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
57Rechtsmittelbelehrung:
58Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
59Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
60Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen,
61Zweigertstraße 54,
6245130 Essen,
63schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
64Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem
65Sozialgericht Köln,
66An den Dominikanern 2,
6750668 Köln,
68schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
69Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
70Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Köln schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
71Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zufassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
72Fellermann-Blachut
73Richterin am Sozialgericht a.w.Af. Ri‘in
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