Urteil vom Sozialgericht Köln - S 34 KR 56/16
Tenor
Der Bescheid vom 03.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2015 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, die Kläger mit einer stationären Vorsorgeleistung in einer Einrichtung des Müttergenesungswerkes oder einer gleichartigen Einrichtung als Sachleistung zu versorgen.
Die Beklagte trägt die den Klägern entstandenen außergerichtlichen Kosten.
1
Tatbestand:
2Die am 27.01.1987 geborene Klägerin zu 1) und der am 08.06.2011 geborene Kläger zu 2) sind bei der Beklagten krankenversichert. Unter dem 18.06.2015, eingegangen bei der Beklagten am 22.06.2015, beantragten die Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer stationären Vorsorgeleistung als Mutter-Kind-Maßnahme. Sie nahmen u.a. Bezug auf ärztliche Berichte des Dr. I vom 17.04.2015, des Dr. B vom 20.04.2015, des Dr. T vom 25.03.2015 und 15.01.2015 und des Dr. C2 vom 12.03.2015. Unter dem 30.06.2015 führte die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 1) aus:
3„[…] wir möchten Sie schnell informieren - daher verzichten wir auf ein umfangreiches Begleitschreiben. […] Wir haben Ihre Unterlagen erhalten und an den zuständigen Gutachter des Medizinischen Dienstes weitergeleitet. Sobald uns eine Nachricht vorliegt, setzen wir uns mit Ihnen in Verbindung. […]“
4Unter dem 27.07.2015 nahm Herr H vom Medizinische Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MDK) beratend Stellung und führte aus, es seien vorliegend die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht erfüllt. Mit an die Klägerin zu 1) adressiertem Bescheid vom 03.08.2015 lehnte die Beklagte dem folgend den Antrag auf vorzeitige Mutter-/oder Vater-Kind-Kur ab. Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 02.09.2015 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2015 als unbegründet zurückwies.
5Die Kläger haben am 19.01.2016 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben. Zur Begründung verweisen sie im Wesentlichen auf das bisherige Vorbringen. Die begehrte Behandlung sei medizinisch notwendig. Überdies bestehe der Anspruch aus § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
6Die Kläger beantragen,
7den Bescheid der Beklagten vom 03.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kläger mit einer stationären Vorsorgeleistung in einer Einrichtung des Müttergenesungswerkes oder einer gleichartigen Einrichtung als Sachleistung zu versorgen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Sie bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen sowie der eingeholten Stellungnahmen. Ergänzend trägt sie vor: Die begehrte Behandlung sei medizinisch nicht notwendig. Ein Anspruch bestehe nicht aus § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V. Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V greife u.a. nur dann ein, wenn sich der Versicherte die begehrte Leistung bereits selbst beschafft habe und Kostenerstattung geltend mache. Vorliegend hätten sich die Kläger die beantragte Leistung nicht selbst beschafft, sondern begehrten weiterhin die Übernahme der Kosten, mithin die Versorgung im Rahmen der Sachleistung. Diese gehe vorliegend unter Berücksichtigung des sozialmedizinischen Gutachtens über eine von der gesetzlichen Krankenversicherung allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringende Leistung hinaus.
11Die die Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben der Kammer vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Darauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Die form- und fristgerecht erhobene Klage (§§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Mit der Leistungsklage kann eine Leistung begehrt werden, auf die ein Rechtsanspruch besteht, soweit ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Diese Prozesssituation ist vorliegend gegeben, da die Kläger ihren Anspruch auf § 13 Abs. 3a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) stützen. Mit Eintritt der darin geregelten Fiktion besteht der Rechtsanspruch auf die beantragte Leistung, ohne dass hierüber noch ein Bescheid der Beklagten zu erteilen wäre (vgl. SG Gelsenkirchen 02.10.2014 – S 11 KR 180/14 m.w.N.). Mit der Anfechtungsklage verfolgen die Kläger zulässigerweise das Ziel, einen Verwaltungsakt, zu dessen Erlass die Beklagte nicht (mehr) befugt war, zu beseitigen, um sich nicht mit dem Risiko zu belasten, dass dieser später in anderem Zusammenhang unzutreffend als bestandskräftiger Verwaltungsakt qualifiziert wird (vgl. SG Gelsenkirchen 02.10.2014 – S 11 KR 180/14 m.w.N.). Soweit die Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, der Bescheid vom 03.08.2015 sei nur gegenüber der Klägerin zu 1) ergangen, vermag die Kammer dies nicht zu teilen. Minderjährige bis zur Vollendung des siebenten Lebensjahrs (§ 104 Nr. 1 BGB) – wie der Kläger zu 2) –, sind sozialverwaltungsverfahrensrechtlich handlungsunfähig. Verwaltungsakte, die an sie gerichtet werden sollen oder sie betreffen, können nur dann Wirksamkeit erlangen, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter bekanntgegeben werden; Bekanntgabeadressat ist also zwingend der gesetzliche Vertreter. Im Fall der gemeinsam ausgeübten elterlichen Sorge genügt es dabei, wenn der Verwaltungsakt einem Elternteil bekannt gegeben wird (§ 1629 Abs. 1 Satz 2 HS. 2 BGB). Der Bescheid der Beklagten vom 03.08.2015 ist gegenüber der Klägerin zu 1) einerseits als Antragstellerin und andererseits – gleichzeitig – als gesetzlicher Vertreterin des Klägers zu 2) ergangen.
14Der Bescheid der Beklagten vom 03.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2015 hält einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand; die Kläger werden hierdurch beschwert (§ 54 SGG). Die Kläger haben Anspruch auf Gewährung einer stationären Vorsorgeleistung in einer Einrichtung des Müttergenesungswerkes oder einer gleichartigen Einrichtung als Sachleistung.
15Rechtsgrundlage für den Anspruch der Kläger auf Gewährung einer stationären Vorsorgeleistung in einer Einrichtung des Müttergenesungswerkes oder einer gleichartigen Einrichtung als Sachleistung ist § 13 Abs. 3a SGB V. Hiernach hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7).
16Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm sind im Hinblick auf die Überschreitung der 5-Wochen-Frist, die die Beklagte zwischen Antragseingang und Entscheidung nach Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme des MDK einzuhalten gehabt hätte, erfüllt. Die Kläger sind als bei der Beklagten Versicherte leistungsberechtigt im Sinne der Regelung. "Leistungsberechtigter" ist derjenige, der berechtigt ist, Leistungen nach dem SGB V zu beanspruchen. Hierzu zählen in der GKV Versicherte im Verhältnis zu ihrer jeweiligen Krankenkassen. Die Kläger beantragten hinreichend bestimmt die Gewährung einer stationären Vorsorgeleistung als Mutter-Kind-Maßnahme. Damit die Leistung im Rechtssinne nach Ablauf der Frist als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Der Antrag auf Gewährung einer stationären Vorsorgeleistung als Mutter-Kind-Maßnahme war im Rechtssinne hinreichend bestimmt und fiktionsfähig. Die Beklagte hat den nach eigenem Bekunden am 22.06.2015 bei ihr eingegangenen Antrag auf Gewährung einer stationären Vorsorgeleistung in einer Einrichtung des Müttergenesungswerkes oder einer gleichartigen Einrichtung als Sachleistung mit Bescheid vom 03.08.2015 und damit jedenfalls nach Ablauf der 5-Wochen-Frist am 27.07.2015, beschieden. Dabei hat sie die Kläger im Vorfeld nicht schriftlich unter Angabe von Gründen darüber informiert, dass sie die Frist nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht einhalten konnte.
17Mit Schreiben der Beklagten vom 30.06.2015 wurden die Kläger entsprechend § 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V über die Beauftragung des MDK durch die Beklagte informiert. Eine weitergehende Information ist dem Schreiben nicht zu entnehmen. Dem Schreiben fehlte es insbesondere an jeglicher Andeutung, dass zum 27.07.2015 die hier geltende 5-Wochen-Frist ablaufen werde sowie an einem Hinweis darauf, dass eine verspätete Entscheidung außerhalb der 5-Wochen-Frist erfolgen werde. Das Schreiben der Beklagten vom 30.06.2015 stellt weder eine Mitteilung an die Kläger über die Verzögerung der Entscheidung im Sinne von § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V dar, noch die Darlegung hinreichender Gründe hierfür. § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V fordert eine rechtzeitige schriftliche Mitteilung an die Versicherten, dass die Frist nach § 13 Abs. 3a Satz 1 oder 4 SGB V (hier: die 5-Wochen-Frist nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V) nicht eingehalten werden kann sowie die Darlegung der Gründe für die Verzögerung. Der Normzweck besteht darin, den Versicherten Klarheit darüber zu verschaffen, ob die Entscheidung fristgerecht erfolgt oder eine Selbstbeschaffung zulässig sein wird (SG Gießen 26.06.2015 – S 7 KR 429/14 m.w.N.). Vorliegend hat die Beklagte noch nicht einmal gegenüber den Klägern kenntlich gemacht, dass sie binnen einer 5-Wochen-Frist zu entscheiden hat. Die Beklagte hat - entgegen dem Gesetzeswortlaut („Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies …“) - weder klargestellt, dass die gesetzliche vorgesehene 5-Wochen-Frist einschlägig ist noch dass sie nicht eingehalten werden kann. Ebenso fehlt es an einer ausdrücklichen und verständlichen Mitteilung eines Grundes für die fehlende Einhaltung der Frist. Der Gesetzgeber fordert an dieser Stelle gerade einen expliziten Hinweis, an dem es hier aber fehlt. Andere schriftliche Mitteilungen der Beklagten an die Kläger sind weder anhand der Verwaltungsakte der Beklagten ersichtlich, noch vorgetragen.
18Nach dem klaren Wortlaut von § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V folgt die Genehmigung der Leistung, die die Kläger auch beantragt haben (Gewährung einer stationären Vorsorgeleistung als Mutter-Kind-Maßnahme).
19Das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER) führt insoweit aus:
20„Nach dem klaren Wortlaut der Norm gewähren Satz 6 und Satz 7 mittels einer Genehmigungsfiktion einen Sachleistungsanspruch oder einen Kostenerstattungsanspruch für die erforderliche Leistung. Zwar hatte der Gesetzgeber zunächst lediglich einen Kostenerstattungsanspruch für erforderliche Leistungen ins Auge gefasst, wie es sich aus dem Entwurf des Patientenrechtsgesetz (PatRechtG) ergibt (BR-Drucks. 312/12, S.46, siehe auch BT-Drucks. 17/10488, S. 32). Nachdem durch den Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestags im November 2012 mit dem Satz 6 eine Genehmigungsfiktion der Leistung bei Nichteinhaltung der Fristen neben der in Satz 7 geregelten Kostenerstattung aufgenommen worden war (BT-Drucks. 17/11710 S.30), um es dem Versicherten zu erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen, wurden Satz 6 und Satz 7 - ohne weitere den klaren Wortlaut im Sinne der Beklagten einschränkende Erläuterungen - in der Gesetzesänderung aufgenommen. Beide Sätze stehen ihrem Wortlaut nach gleichberechtigt nebeneinander. Wäre der Geltungsbereich des § 13 Abs. 3 a SGB V lediglich auf einen Kostenerstattungsanspruch beschränkt, käme Satz 6 kein eigener Regelungsgehalt zu. Zudem schlösse eine solche Auslegung mittellose Versicherte, die nach Ablauf der Frist nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, entgegen des Gleichbehandlungsgebots nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) praktisch aus dem Schutzbereich des § 13 Abs. 3 a SGB V aus (so im Ergebnis auch SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 18.12.2013 - S 21 KR 282/13 - , SG Nürnberg, Beschluss vom 25.3.2014 - S 7 KR 100/14 ER - und Urteil vom 27.3.2014 - S 7 KR 520/13 - und wohl auch SG Dortmund, Beschluss vom 31.1.2014 - S 28 KR 1/14 ER - sowie Noftz in Hauck/Haines, SGB V, Erg.-Lfg. 1/14, § 13 S. 78g ff.; a.A. wohl Dalichau in Dalichau "SGB V", Stand 1.7.2013, S. 51).“
21Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung an und macht sie sich zu Eigen.
22Die beantragte Leistung gilt damit als genehmigt. Der Verfügungssatz eines genehmigenden begünstigenden Verwaltungsakts regelt, dass der Antragsteller die beantragte Leistung in Anspruch nehmen darf und sich die Kasse unter Ausschluss aller Einwendungen zur Leistung verpflichtet (BSG SozR 4-2500 § 125 Nr.4, Rz. 23); die Regelung wird mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts gemäß § 39 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegenüber dem Adressaten wirksam. Durch die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V gilt die Genehmigung der beantragten Leistung durch einen fingierten Verwaltungsakt als erlassen (s. LSG NRW 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER m.w.N.). Fingierte Verwaltungsakte haben die gleichen Rechtswirkungen wie tatsächlich erlassene Verwaltungsakte (s. LSG NRW 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER m.w.N.). Durch die Fiktion der Genehmigung ist die Leistungsberechtigung der Kläger wirksam verfügt und die Beklagte mit allen Einwendungen ausgeschlossen. Nur auf diese Weise kann der Wunsch des Gesetzgebers, generalpräventiv die Zügigkeit des Verwaltungsverfahrens zu verbessern, umgesetzt werden (s. LSG NRW 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER). Dieses Ziel würde ins Leere laufen, könnte die Genehmigungsfiktion durch eine (außerhalb der Frist erfolgende) nachträgliche Prüfung der einzelnen Leistungsvoraussetzungen wieder erlöschen (s. LSG NRW 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER). Soweit bei der Kostenerstattungsregel des § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V von der „erforderlichen“ Leistung die Rede ist und in der Sachleistungsregelung des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V das Wort „erforderlich“ fehlt, führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung. Trotz dieser Formulierung wird im Text ein uneingeschränkter Sachleistungsanspruch festgelegt, der schon eintritt, wenn die Krankenkasse die Fristvorschriften nicht beachtet. Auf materielle Inhalte wird gerade nicht abgestellt (s. LSG Saarland 17.06.2015 – L 2 KR 180/14). Die Erforderlichkeit der Leistung folgt schon aus der Rechtswirkung der Genehmigungsfiktion. Die Gesetzesnovellierung entgegen dem klaren Wortlaut im Sinne des – letztlich nicht umgesetzten – Entwurfs des Gesetzes auszulegen, würde den im Wortlaut klar ausgedrückten Willen des Gesetzgebers missachten (s. LSG Saarland 17.06.2015 – L 2 KR 180/14).
23Die Kammer kann offen lassen, ob die Fiktionswirkung auch bei klar von dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht erfassten Leistungen (wie z.B. Gegenständen des täglichen Lebens oder Genussmitteln) eingreift. Eine klar von dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht erfasste Leistung stellt die beantragte Gewährung einer stationären Vorsorgeleistung in einer Einrichtung des Müttergenesungswerkes oder einer gleichartigen Einrichtung nicht dar. Hierbei handelt es sich um eine grundsätzlich innerhalb des Systems des SGB V liegende Leistung. Es ist auch ausdrücklich keine als Leistung zur medizinischen Rehabilitation vom Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V nach § 13 Abs. 3a Satz 9 SGB V ausgeschlossene Leistung der medizinischen Rehabilitation für Mütter und Väter nach § 41 SGB V, sondern eine als Leistung zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne des § 13 Abs. 3a SGB V zu qualifizierende medizinische Vorsorge für Mütter und Väter nach § 24 SGB V begehrt.
24Soweit in der Rechtsprechung darauf hingewiesen wird, dass auch fiktive Verwaltungsakte grundsätzlich der Aufhebung (Rücknahme nach § 45 SGB X) zugänglich sind und unbillige Ergebnisse dadurch wieder beseitigt werden könnten (s. LSG NRW 23.5.2014 – L 5 KR 222/14 B ER) ist lediglich klarstellend festzustellen, dass eine Umdeutung des Bescheids der Beklagten vom 03.08.2015 in eine Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB X schon deshalb ausscheidet, weil die Beklagte ein Rücknahmeermessen nicht ausgeübt hat.
25Mit dem angefochtenen Bescheid setzt sich die Beklagte über die fingierte Genehmigung der streitgegenständlichen Gewährung einer stationären Vorsorgeleistung in einer Einrichtung des Müttergenesungswerkes oder einer gleichartigen Einrichtung hinweg. Dies verletzt die Kläger in ihren Rechten mit der Folge, dass der Bescheid der Beklagten vom 03.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2015 aufzuheben war.
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
27Rechtsmittelbelehrung:
28Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
29Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
30Landessozialgericht
31Nordrhein-Westfalen,
32Zweigertstraße 54,
3345130 Essen,
34schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
35Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
36Sozialgericht Köln,
37An den Dominikanern 2,
3850668 Köln,
39schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
40Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
41Die Einreichung in elektronischer Form erfolgt durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle. Diese ist über die Internetseite www.sg-koeln.nrw.de erreichbar. Die elektronische Form wird nur gewahrt durch eine qualifiziert signierte Datei, die den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Sozialgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO SG) vom 07.11.2012 (GV.NRW, 551) entspricht. Hierzu sind die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten Signatur nach § 2 Nummer 3 des Signaturgesetzes vom 16.05.2001 (BGBl. I, 876) in der jeweils geltenden Fassung zu versehen. Die qualifizierte elektronische Signatur und das ihr zugrunde liegende Zertifikat müssen durch das Gericht überprüfbar sein. Auf der Internetseite www.justiz.nrw.de sind die Bearbeitungsvoraussetzungen bekanntgegeben.
42Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
43Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Köln schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
44Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
45Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
46Urmersbach
47Richter am Sozialgericht
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.