Urteil vom Sozialgericht Münster - S 3 KR 19/99
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt die Gewährung von Krankengeld über den 26.09.1998 hinaus.
3Der Kläger hat eine Ausbildung als Metallbaumeister absolviert und war zuletzt in leitender Stellung in der Kunststoffindustrie tätig. Seit Januar 1998 ist er arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Seit dem 03.06.1998 bezog er Krankengeld wegen einer Lumboischialgie. Am 16.09.1998 wurde er vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung untersucht. Dort gab er an, vorwiegend mit dem Aufbau und Umbau und der Inbetriebnahme von großen Maschinen beschäftigt gewesen zu sein. Er habe schwere körperliche Lasten heben und viel reisen müssen. Der MDK vertrat die Auffassung, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers gemindert sei. Er sei aber noch leistungsfähig für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und ohne Zwangshaltungen.
4Durch Bescheid vom 22.09.1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ihm ab 27.09.1998 kein Krankengeld mehr zahle, da er nicht mehr arbeitsunfähig sei. Am 28.09.1998 beantragte der Kläger wieder Arbeitslosengeld, welches ihm auch in Höhe von 533,26 DM wöchentlich bewilligt wurde.
5Gegen den Bescheid der Beklagten legte der Kläger Widerspruch ein, da er die Auffassung vertrat, dass er weiterhin arbeitsunfähig sei. Die Arbeitsunfähigkeit sei an der zuletzt verrichteten Tätigkeit zu messen. Diese Tätigkeit könne der Kläger unstreitig nicht mehr verrichten. Auch bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sei eine Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt rechtswidrig. Die Beklagte verkenne die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).
6Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 22.02.1999 zurück, nachdem sie ein weiteres Gutachten vom MDK eingeholt hatte. Dieser vertrat weiterhin die Auffassung, dass der Kläger zu einer körperlich leichten bis mittelschwer belastenden Tätigkeit vollschichtig in der Lage sei. Insbesondere gegen die Ausübung sitzender Tätigkeiten bestünden keine Bedenken.
7Im Bezug auf die erlernte und langjährig ausgeübte berufliche Tätigkeit sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorhanden. Die Beklagte führte aus, dass es unstrittig sei, dass der Kläger seine letzte Tätigkeit in keinem Fall mehr ausüben könne. Bei Versicherten, die zum Zeitpunkt des Eintritt der Arbeitsunfähigkeit arbeitslos seien, sei jedoch Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit jedoch nicht die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, sondern der gesamte Tätigkeitsbereich, der für eine Vermittlung des Arbeitslosen in Betracht komme. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers sei am 22.04.1998 eingetreten. Es sei daher auf die Tätigkeit abzustellen, für die der Kläger vom Arbeitsamt vermittelt werden könne. Gemäß § 121 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) sei eine Beschäftigung ab dem 7. Monat der Arbeitslosigkeit nicht zumutbar, wenn das aus der Beschäftigung zu erzielende Arbeitsentgelt niedriger sei als das Arbeitslosengeld. Es kämen daher für den Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch eine Reihe von Tätigkeiten in Betracht, für die er vermittelt werden könnte und aus denen er Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Arbeitslosengeldes erzielen könnte.
8Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger hält die Bezugnahme auf § 121 SGB III im Rahmen der Krankenversicherung für unzulässig. Die Beklagte habe es auch versäumt, eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen, die der Kläger aufgrund seines eingeschränkten Leistungsvermögens noch verrichten könne. Seit dem 01.09.1998 werde dem Kläger eine Rente wegen Berufsunfähigkeit gewährt. Dies belege, dass keine zumutbaren Verweisungstätigkeiten für den Kläger mehr vorhanden seien.
9Der Kläger beantragt,
10die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.09.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.02.1999 zu verurteilen, ihm über den 26.09.1998 hinaus Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie bezieht sich im wesentlichen auf die Begründung der angefochtenen Bescheide. Ergänzend führt sie aus, dass der Krankenversicherungsträger nicht verpflichtet sei, eine konkret in Betracht kommende Tätigkeit zu benennen. Im übrigen komme der Kläger aufgrund seines Gesundheitszustandes unter anderem für die Tätigkeit als Pförtner an Haupt- und Nebenpforten, als Hilfsarbeiter im Büro und Kleinteilmagazinen, Verwieger, Telefonist und Bote in Betracht. Eine mögliche Krankengeldzahlung ende am 11.07.1999, da bereits seit dem 19.08.1997 wegen dieser Erkrankung mehrfach Krankengeld gezahlt worden sei. Auch aus dem Gutachten für die Rentenversicherung ergebe sich, dass der Kläger für leichtere Arbeiten sehr wohl auf dem Arbeitsmarkt einsetzbar sei. Daran ändere auch nichts die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente. Diese besage lediglich, dass der Kläger für sein bei der ...bis zum 31.12.1997 ausgeübtes Berufsbild arbeitsunfähig sei. Dies besage aber nicht, dass der Kläger für keine anderen Tätigkeiten arbeitsfähig sei. Anderenfalls wäre ihm eine Erwerbsunfähigkeitsrente zugesprochen worden. Dass sich die Einschränkung der Arbeitsunfähigkeit nur auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit beziehe, werde auch dadurch deutlich, dass der Kläger mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses am 31.12.1997 nicht mehr arbeitsunfähig gewesen sei, sondern erst wieder am 22.04.1998 arbeitsunfähig erkrankt sei.
14Das Gericht hat die Unterlagen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zum Verfahren beigezogen. Sie hat die Bundesanstalt für Arbeit zum Verfahren beigeladen und deren Unterlagen beigezogen.
15Die Beigeladene hat einen Antrag nicht gestellt. Sie hat mitgeteilt, dass der Kläger grundsätzlich aufgrund der Dauer seiner Arbeitslosigkeit für alle Beschäftigungen in Betracht komme, bei denen ein Nettoarbeitsentgelt von zumindest in Höhe des Arbeitslosengeldes erzielt werden könne. Als gelernter Landmaschinenmechaniker, Altenpfleger und Metallbaumeister biete sich neben den ungelernten eine große Palette von qualifizierten Tätigkeiten an. Unter Berücksichtigung der von der Beklagten festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen dürften die erlernten Berufe jedoch keine hinreichende Beschäftigungsgrundlage mehr bieten. Der Kläger komme damit für alle Tätigkeiten in Betracht, bei denen keine oder nur leichte körperliche Belastungen anfallen. Denkbar wären dabei Tätigkeiten als Pförtner und Lagerarbeiter/Lagerhelfer mit nur leichter körperlicher Belastung. Unter Berücksichtigung des monatlichen Arbeitslosengeldes von ca. 2.383,-- DM stelle dies die unterste Grenze der Zumutbarkeit dar.
16Wegen der Einzelheiten im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der Streitakte, der beigezogenen Unterlagen der BfA, der Beigeladenen und der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert, da diese nicht rechtswidrig sind. Nach der Überzeugung des Gerichts hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld über den 26.09.1998 hinaus. Die Voraussetzungen des § 44 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) sind nicht erfüllt. Voraussetzung ist danach, dass eine Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig gemacht hat. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist gesetzlich nicht definiert.
19Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, wie sie etwa im maßgeblichen Grundlagen- Urteil vom 09.12.1986 - 8 RK 12/85 - zusammengefaßt ist, liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte nicht mehr in der Lage ist, seine zuletzt verrichtete Tätigkeit auszuüben. Bei Versicherten, deren Arbeitsverhältnis während des Bestehens der Arbeitsunfähigkeit beendet worden ist, ist Arbeitsunfähigkeit nach der Rechtsprechung des BSG erst anzunehmen, wenn auch eine andere, gleichartige Beschäftigung nicht mehr verrichtet werden kann. Dabei kommt es darauf an, ob der Versicherte eine ähnliche Beschäftigung wie zuletzt hätte verrichten können. Der Kreis der krankenversicherungsrechtlichen Verweisungstätigkeiten ist in einem solchen Fall nach der Rechtsprechung des BSG sehr eng.
20Anders ist dies allerdings, wenn eine neue berufliche Tätigkeit aufgenommen wird. Mit der Aufnahme einer neuen beruflichen Tätigkeit endet der Bezug zu der früheren Beschäftigung und die neue Tätigkeit wird zur Grundlage für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit (vgl. BSG Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R). Nach der Überzeugung des Gerichts kann nichts anderes gelten, wenn die Tätigkeit des Versicherten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit beendet wurde, der Versicherte sich arbeitslos gemeldet und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat.
21Auch hierdurch endet der Bezug zur letzten Tätigkeit. Der Maßstab kann in einem solchen Fall nur noch sein, für welche Tätigkeiten der Versicherte von der Arbeitsverwaltung zumutbar vermittelt werden kann. Der Versicherte, dem eine Arbeit in diesem Rahmen nicht vermittelt werden kann, kann bezüglich der Frage, ob Arbeitsunfähigkeit besteht, nicht besser gestellt sein als derjenige, dem eine Arbeit im zumutbaren Rahmen tatsächlich vermittelt wird. Solange eine Vermittlung nicht erfolgt ist, muß demnach für die Beurteilung der Frage der Arbeitsunfähigkeit die Zumutbarkeit im Rahmen der Arbeitslosenversicherung sein. Dies ist seit dem 01.01.1998 § 121 SGB III. Danach sind für den Kläger noch eine Vielzahl von Tätigkeiten auch unter Berücksichtigung seines Leistungsvermögens zumutbar,wie sich aus dem Ausführungen der Beigeladenen ergibt, so dass Arbeitsunfähigkeit jedenfalls ab 26.09.1998 nicht mehr bestand.
22Aus den von Seiten des Klägers übersandten Entscheidungen des Sozialgerichts Gelsenkirchen sowie aus den in Bezug genommenen Entscheidungen des BSG und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen ergibt sich nichts Gegenteiliges. In allen diesen Entscheidungen war die Arbeitsunfähigkeit vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingetreten und die Arbeitslosmeldung nur deshalb erfolgt, weil die jeweilige Krankenversicherung die Zahlung des Krankengeldes eingestellt hatte. In einem solchen Fall bleibt jedoch, wie oben ausgeführt, der Bezug zu der früheren Tätigkeit, wenn auch in etwas eingeschränktem Maße, bestehen.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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