Urteil vom Sozialgericht Neubrandenburg (14. Kammer) - S 14 AS 1084/09

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU).

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Der Kläger bezog im Jahre 2008 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) von dem Beklagten. Der Kläger bewohnt zusammen mit seiner Lebensgefährtin, ein zu dieser Zeit in seinem Eigentum stehendes Haus. Auf dem Haus lastete eine Sicherungsgrundschuld zugunsten der A Bank.

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Der Beklagte übernahm im Rahmen der KdU ausschließlich die Schuldzinsen nicht aber die Tilgungsraten an sich. Der Kläger bediente dennoch die Tilgungsraten weiter. Im Jahre 2008 konnte er diese endgültig nicht mehr tragen. Er suchte daraufhin den Kontakt mit den für ihn zuständigen A Bank Mitarbeitern.

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Ihm wurde durch die A Bank mitgeteilt, dass er etwas unternehmen müsse, um die Zwangsversteigerung seines Hauses abzuwenden. Den Beklagten informierte der Kläger nicht über diese akuten Probleme mit der A Bank.

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Er entschied sich das Grundstück durch notariellen Vertrag vom 23. Juni 2008 (Bl. 513ff. VA) an seine Tochter zu übertragen. Gegenstand des Vertrages war im Wesentlichen, dass die Tochter, gegen Auflassung in die Verpflichtungen gegenüber der A Bank eintrat. Ein darüber hinausgehender Kaufpreis wurde nicht gezahlt. Daneben wurde zugunsten des Klägers ein lebenslanges Wohnrecht ins Grundbuch eingetragen. Die Eintragung erfolgte bedingungslos. Laut Vertrag endet das Wohnrecht mit dem Tode des Klägers, wobei zum Nachweis die Sterbeurkunde genügt. Auch wurde vereinbart, dass der Kläger jeder Belastung des Grundstückes in einer bestimmten Größenordnung zustimmen muss. Auch darf das Grundstück nicht ohne Zustimmung des Klägers an einen Dritten veräußert werden. Schuldrechtlich wurde vereinbart, dass neben dem Wohnrecht ein Mietvertrag geschlossen werden soll, nach welchem der Kläger die ortsübliche Miete an seine Tochter zu entrichten hat. (Bl. 513 VA)

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Den oben angesprochenen Mietvertrag schlossen der Kläger und seine Tochter am 30. Juni 2008. In dem Mietvertrag ist vereinbart, dass der Kläger monatlich eine Grundmiete von 284, 60 € zu entrichten hat. (Bl. 523ff. VA)

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Der Beklagte erkannte in seinen nachfolgenden Bewilligungsbescheiden den Mietvertrag nicht an. Vielmehr setzte er weiterhin die Schuldzinsen und die monatlichen Unterhaltskosten für das Haus als KdU an.

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Gegen den Änderungsbescheid vom 30. September 2008, der den Zeitraum September bis November 2008 betrifft, legte der Kläger Widerspruch ein und begehrte die Übernahme des Mietzinses durch den Beklagten.

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Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2009 zurück.

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Der Kläger hat am 26. Juni 2009 Klage erhoben.

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Er ist der Ansicht, dass der Beklagte im Rahmen der KdU den Mietvertrag zwischen ihm und seiner Tochter zu berücksichtigen habe.

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Er beantragt,

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den Änderungsbescheid vom 30. September 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2009, zugestellt am 28. Mai 2009, zu Az….. aufzuheben und die Leistung nach dem SGB II unter der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

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Darüber hinaus beantragt er, für den Fall der Klagabweisung, die Berufung zuzulassen.

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Der Beklagte beantragt

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die Klage abzuweisen.

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Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 04. August 2011 die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Für weitere Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Sitzungsniederschrift, die Gerichtsakte und die Leistungsakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Der angefochtene Änderungsbescheid beschwert den Kläger nicht. Er ist rechtmäßig, soweit der im Mietvertrag des Klägers mit seiner Tochter vereinbarte Mietzins nicht als KdU anerkannt wird.

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Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. hat der Kläger Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, soweit diese angemessen sind. Bei der Konkretisierung dieser Norm ist deren Sinn und Zweck zu beachten. So soll durch die Vorschrift das Grundbedürfnis des Wohnens sichergestellt werden. (Lang/Link, in Eicher/Spellbrink SGB II, § 22 Rdnr. 5) Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang die Rechtssprechung des Bundessozialgerichtes, dass Tilgungsraten bei Eigenheimen nicht übernommen werden können, wenn nicht unmittelbar der Verlust der Unterkunft droht (vgl. B 14/11b AS 67/06), spricht einiges dafür, dass die Vorschrift so auszulegen ist, dass nur diejenigen KdU zu übernehmen sind, welche absolut notwendig sind um das Wohnbedürfnis zu befriedigen. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass die Leistungen nach dem SGB II der Existenzsicherung dienen und nicht dazu, zivilrechtlich begründete Verpflichtungen bzw. Schulden auszugleichen. In diesem Zusammenhang sei zu erwähnen, dass bezüglich zivilrechtlicher Forderungen die Zivilprozessordnung mit den Pfändungsschutzvorschriften im Rahmen des Schuldnerschutzes eigene Regelungen zur Existenzsicherung bereithält.

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Aus den obigen Grundsätzen ergibt sich, dass vorliegend zu entscheiden war, ob dem Kläger, bei Nichtübernahme der Mietkosten aus dem Mietvertrag, der Wohnungsverlust droht. Die Kammer hat bei diesen Erwägungen dahinstehen lassen können, ob der Mietzins – was bei Mietverträgen zwischen Verwandten nach der einschlägigen BSG-Rechtssprechung grundsätzlich zu prüfen ist – tatsächlich entrichtet wird.

22

Die Kammer ist nach Auslegung des Notarvertrages vielmehr davon überzeugt, dass selbst in dem Falle, dass der Mietvertrag ernst gemeint ist, die Nichtzahlung der Miete nicht zu einem Wohnungsverlust des Klägers führen kann.

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Solange dem Kläger das Wohnrecht an dem Haus zusteht, kann er sein Bedürfnis nach Wohnraum durch dieses befriedigen. Auch seine Partnerin kann der Kläger als Wohnungsberechtigter aufgrund von § 1093 Abs. 2 BGB bei sich wohnen lassen. Der Begriff Familienangehörige in § 1093 Abs. 2 BGB ist nicht technisch zu verstehen. Vielmehr sind hier auch nichteheliche Lebensgemeinschaften erfasst. (vgl. Mayer in Staudinger, BGB, § 1093 Rdnr. 41)

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Zuletzt war zu prüfen, ob dem Kläger der Verlust des Wohnrechtes – etwa über einen von der Tochter geltend zu machenden Anspruch nach § 812 BGB –, bei Nichtentrichtung des Mietzinses droht. Dies ist nicht der Fall. Das Wohnrecht ist vorliegend nicht daran gebunden, dass der Mietzins entrichtet wird.

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Als beschränkt persönliche Dienstbarkeit stellt das Wohnrecht ein sachenrechtliches Institut dar, welches dem Typenzwang und dem Bestimmtheitsgebot des Sachenrechtes unterworfen ist. Das Wohnrecht ist zwar nicht per se bedingungsfeindlich, so dass eine Bindung von dessen Existenz an die Entrichtung des Mietzinses von vornherein unzulässig wäre. Dennoch führen die genannten sachenrechtlichen Grundsätze grundsätzlich dazu, dass zu fordern ist, dass die Bedingung eindeutig ist, und mit dem Wohnrecht in das Grundbuch eingetragen wird, was hier nicht geschehen ist. Von diesem Grundsatz hat der Bundesgerichtshof nur dann eine Ausnahme zugelassen, wenn ein schuldrechtlicher Vertrag das Kausalgeschäft des Wohnrechtes darstellt. (BGH, in NJW 1974, 2123f.)

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Diese Ausnahme ist vorliegend nicht erfüllt. Nach Auslegung des Notarvertrages ist die Kammer davon überzeugt, dass es dem Kläger und seiner Tochter zuvorderst darum ging sicherzustellen, dass der Kläger bis zu seinem Ableben das Haus bewohnen können soll. Hierfür sprechen die vereinbarten Rückübertragungsrechte und die Zustimmungserfordernisse. Der Kläger bleibt ausweislich des Notarvertrag in nahezu jeder Hinsicht dinglich Berechtigter an dem Grundstück. Es finden sich weder in dem Notarvertrag, noch in dem Mietvertrag Regelungen über die Folgen einer Kündigung des Mietvertrages. Für die Kammer ist nicht ersichtlich, dass durch Kündigung des Mietvertrages die Berechtigung des Klägers bezüglich des Wohnrechtes erlöschen könnte oder dessen Beseitigung droht. Vielmehr ist die Kammer davon überzeugt, dass die Parteien des Notarvertrages davon ausgingen, dass der Beklagte die Miete übernehmen würde. Dass dies nicht der Fall sein könnte, haben der Kläger und seine Tochter bei Vertragsschluss wahrscheinlich nicht bedacht. Diesbezüglich geht die Kammer aufgrund der Gesamtschau des Notarvertrages davon aus, dass im Vordergrund der Verträge immer die Prämisse stand, dass der Kläger das Haus weiter bewohnen können soll. Jedenfalls ist das Wohnrecht hier nicht so eindeutig an die Existenz des Mietvertrages gebunden, dass der Richter nach verständigem Ermessen in der Lage ist, eine Abgrenzung vorzunehmen. (erforderlich nach: Mayer in Staudinger, BGB, § 1018 Rdnr. 173) Insoweit kann nicht davon die Rede sein, dass der Mietvertrag das schuldrechtliche Kausalgeschäft des Wohnrechtes ist. Das Kausalgeschäft im engeren Sinne dürfte vielmehr der notarielle Kaufvertrag gewesen sein. In diesem Zusammenhang ist auf die zeitliche Abfolge hinzuweisen, dass der Mietvertrag erst Tage nach dem notariellen Kaufvertrag geschlossen wurde.

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Nach alledem ist der angefochtene Bescheid des Beklagten, bezogen auf die KdU, nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat sogar die Schuldzinsen weitergezahlt, obwohl diese nicht mehr beim Kläger angefallen sind. Eine Beschwer ist damit ausgeschlossen.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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Die Berufung war zuzulassen, da es sich um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung handelt, ob nach § 22 Abs. 1 SGB II Mieten durch den Leistungsträger zu übernehmen sind, wenn ein Verlust der Unterkunft aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.

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