Urteil vom Sozialgericht Reutlingen - S 3 AL 424/06

Tenor

1. Der Bescheid vom 18.10.2004 i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2004 wird aufgehoben.

2. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über eine Leistungskürzung wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung im Zusammenhang mit dem Auslaufen eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses.
Der im Jahr ... geborene Kläger stand vom 01.04.2004 bis 30.09.2004 in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis als Sachbearbeiter bei der ... GmbH. Mit Schreiben vom 11.08.2004 teilte die ... GmbH dem Kläger mit, sein Anstellungsvertrag werde nicht verlängert und er solle sich zur Vermeidung von Nachteilen sofort arbeitssuchend melden. Am 12.08.2004 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitssuchend und mit Wirkung zum 01.10.2004 arbeitslos.
Mit Bescheid vom 18.10.2004 stellte die Beklagte eine Minderung des Arbeitslosengeldes wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung um EUR 1.500 (30 Tage a EUR 50) fest. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 21.10.2004, der vortrug, bis zum 12.08.2004 habe es keinerlei Anzeichen gegeben, dass sein befristeter Arbeitsvertrag nicht verlängert werden würde. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die bloße Annahme, dass das Arbeitsverhältnis über die Befristung hinaus verlängert werde, sei kein Hinderungsgrund für eine rechtzeitige Meldung. Die Meldung sei 42 Tage zu spät erfolgt.
Deswegen erhob der Kläger am 03.11.2004 Klage. Der Kläger wiederholt sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus, aus der gesetzlichen Formulierung sei zu schließen, dass im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses die Meldung frühestens 3 Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen habe. Dies sei für einen normal Denkenden so zu verstehen, dass im vorliegenden Falle die Meldeverpflichtung ab 01.7.2004 begonnen habe und bis zur Beendigung am 30.09.2004 wahr genommen werden konnte.
Mit Beschluss vom 14.12.2004 wurde das Ruhen des Verfahrens (bisher unter dem Az. S 3 AL 3499/04 geführt) angeordnet. Am 02.02.2006 wurde das Verfahren wieder aufgenommen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 18.10.2004 i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10 
Die Beklagte hält an der getroffenen Entscheidung fest und verweist auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20.10.2005 (B 7a AL 28/05 R).
11 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schreiben des Klägers vom 02.03.2006, der Beklagten vom 17.03.2006).
12 
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
13 
Das Gericht ist gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis der Beteiligten berechtigt, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.
14 
Die form- und fristgerecht beim sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Reutlingen erhobene Klage ist zulässig. Richtige Klageart ist die isolierte Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
15 
Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht stellte die Beklagte eine Minderung des Arbeitslosengeldanspruchs fest. Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben. Der Kläger wurde dadurch in ihren Rechten verletzt.
16 
Nach § 140 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der bis zum 30.12.2005 geltenden Fassung (a.F. siehe 5. Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2005 - BGBl I 3676 -, in dem § 140 SGB III aufgehoben wurde), minderte sich der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn sich der Arbeitslose entgegen § 37b SGB III nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet hat.
17 
Nach § 37b Satz 1 SGB III a.F. (in der bis zum 30.12.2005 geltenden Fassung s. eben Gesetz v. 22.12.2005) waren Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endete, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses wie im vorliegenden Fall hatte die Meldung gemäß Satz 2 der Vorschrift „jedoch frühestens 3 Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen“. Diese Regelung war nach Überzeugung der Kammer inhaltlich in sich so widersprüchlich bzw. so unbestimmt, dass sie den rechtsstaatlichen Erfordernissen an eine Sanktionsandrohung nicht genügte (andere Ansicht BSG Urteil 20.10.2005 B 7a A AL 28/05 R). Zwar konnte § 37b Satz 2 SGB III als unselbständige Begrenzung des § 37b Satz 1 SGB III mit der Bedeutung, dass „an sich“ auch der befristet Beschäftigte unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zur Meldung angehalten sei, er sich jedoch erst 3 Monate vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses melden müsse, wenn ihm bereits vorher der Zeitpunkt der Beendigung bekannt war, angesehen werden. Diese Sichtweise war jedoch nicht zwingend und lag auch nicht klar auf der Hand. § 37b Satz 2 SGB III konnte vielmehr auch dahingehend verstanden werden, dass für befristete Beschäftigungsverhältnisse eine Sonderregelung geschaffen wurde. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch konnte aus der verwandten Formulierung „frühestens“ geschlossen werden, dass eine Meldung zu einem früheren Zeitpunkt zum einen nicht möglich war, zum anderen eine Meldung zu einem späteren Zeitpunkt noch ausreichte. Hingegen wird im Urteil des BSG vom 20.10.2005 (a.a.O.) die Formulierung „frühestens“ im Ergebnis in ein „spätestens“ umgewandelt. Anders kann die Ausführung des BSG, § 37b Satz 2 SGB III bedeute, dass „an sich“ auch der befristet Beschäftigte unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zur Meldung angehalten sei, er sich jedoch erst 3 Monate vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses melden müsse, wenn ihm bereits vorher der Zeitpunkt der Beendigung bekannt sei, nicht gedeutet werden. Die Formulierung „spätestens“, die sich hier aufdrängt, wurde vom Gesetzgeber jedoch gerade nicht gebraucht. Die 3. Kammer des SG Reutlingen hält daher an der von ihr bereits in mehreren Rechtsstreitigkeiten umfangreich begründeten Ansicht, dass § 37b Satz 2 SGB III bei befristeten Arbeitsverhältnissen keine Sanktion bewirkt, wenn eine Arbeitssuchendmeldung weniger als 3 Monate vor Auslaufen der Befristung, ja sogar bis zum ersten Tag der Arbeitslosigkeit erfolgt, bewirkt, fest (siehe zum Beispiel SG Reutlingen 19.05.2005 S 3 AL 636/05). Die Kammer sieht sich dabei in Einklang mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen Bremen (Urteil 10.11.2005 L 8 AL 418/04), des Hessischen Landessozialgerichts (Beschluss 20.06.2005 L 7 AL 100/05 ER), des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil 09.05.2005 L 19 AL 22/05) und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Urteil 12.05.2005 L 7 AL 753/05). Ein Abweichen vom Urteil des BSG vom 20.10.2005 (a.a.O.) ist gerechtfertigt. Zum einen kann aufgrund dieses Urteils noch nicht von einer gefestigten Rechtsprechung des BSG zu der streitgegenständlichen Frage ausgegangen werden. Gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10.11.2005 (a.a.O.) ist noch eine Revision beim 11a . Senat des BSG anhängig. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Senat über die Frage bereits entschieden hat. Es ist möglich, dass der Große Senat des BSG noch angerufen wird. Zum anderen wird die Argumentation des BSG im Urteil vom 20.10.2005, wie bereits ausgeführt, nicht geteilt. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass im Urteil eingeräumt wird, die Norm hätte „eindeutiger und klarer“ gefasst werden können. Damit wird letztlich doch in den Raum gestellt, dass die Norm auch aus Sicht des 7. Senats des BSG „verunglückt“ ist. Von letzterem ging offensichtlich auch der Gesetzgeber aus. § 37b SGB III a.F. wurde durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2005 inhaltlich völlig neu gefasst und § 140 SGB III wurde aufgehoben. Nach § 37b neue Fassung sind Personen, deren Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens (!) 3 Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses weniger als 3 Monate, hat die Meldung innerhalb von 3 Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird.
18 
Der Gesetzgeber hat damit der kritischen Würdigung der alten Fassung des § 37b SGB III durch die erst- und zweitinstanzlichen Urteile Rechnung getragen und die missglückte Formulierung beseitigt. Nunmehr wird ausdrücklich die Formulierung „spätestens“ verwandt und dem Arbeitssuchenden ist damit klar verständlich vor Augen geführt, was zu welchem Zeitpunkt unter welchen Umständen von ihm erwartet wird.
19 
Zwar wird in der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 16/109) nicht auf die entstandene Diskussion über die Formulierung des § 37b SGB III eingegangen. Es wird lediglich ausgeführt, es solle eine einheitliche Frist von 3 Monaten festgelegt werden und das Recht im Hinblick auf die Rechtsfolge bei verspäteter Arbeitssuchendmeldung transparenter gestaltet werden. Letzteres wurde dadurch bewirkt, dass statt der Leistungskürzung (§ 140 SGB III wurde aufgehoben s.o.) nunmehr bei einer verspäteten Arbeitssuchendmeldung eine Sperrzeit von 1 Woche eintritt (§ 144 Abs. 1 Nr. 7 SGB III n.F.).
20 
Dennoch hat im Gesetzgebungsverfahren nach Überzeugung der Kammer die verunglückte Formulierung eine Rolle gespielt. Dies geht aus der Bundesratsdrucksache 854/05 hervor. Dort wird zum Fünften Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze im Hinblick auf die Neuregelung des § 37b SGB III ausgeführt:
21 
„Ferner soll die Pflicht, sich frühzeitig arbeitssuchend zu melden, künftig schon drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen, es sei denn, der Arbeitnehmer erfährt erst später davon.“
22 
Aus dieser Formulierung geht hervor, dass zumindest im Bundesrat die Auffassung vertreten wurde, dass nach der alten Rechtslage die Arbeitssuchendmeldung nicht zwingend 3 Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen musste.
23 
Nach der im Mai 2005 geltenden Rechtslage und der hier vertretenen Auffassung erfolgte die Arbeitssuchendmeldung des Klägers damit noch rechtzeitig. Eine Leistungskürzung ist nicht eingetreten.
24 
Selbst wenn entsprechend der Auffassung des BSG im Urteil vom 20.10.2005 (a.a.O.) davon ausgegangen werden würde, dass § 37b SGB III a.F. inhaltlich ausreichend bestimmt gewesen sei, ist keine Leistungskürzung eingetreten. Nach der Rechtsprechung beider Senate des BSG setzt die Verletzung des § 37b SGB III auf Seiten des Versicherten ein Verschulden nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab voraus. Zu prüfen ist mithin, ob der Leistungsempfänger nach  seinem individuellen Vermögen fahrlässig in Unkenntnis über die ihm auferlegte Obliegenheit war und sich fahrlässig nicht unmittelbar nach dem Zeitpunkt der Kenntnis über die Beendigung des Versicherungspflichtverhältnis bei der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet hat. Dabei ist - auch nach Auffassung des BSG - zu berücksichtigen, dass die Norm des § 37b Satz 2 SGB III eindeutig und klarer hätte gefasst werden können (siehe oben), und selbst noch in den Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit Anlass zu unterschiedlichen Auslegungen gegeben hat. Von einem rechtsunkundigen Versicherten kann insoweit kein klares Normverständnis erwartet werden, selbst wenn im Merkblatt der Beklagten mit klareren Formulierungen ein Normverständnis, wie nun vom BSG vertreten, dargestellt wurde.
25 
Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger glaubhaft vorgetragen hat, bis kurz vor dem Zeitpunkt seiner Arbeitssuchendmeldung davon ausgegangen zu sein, weiter beschäftigt zu werden. Er hat damit in nachvollziehbarer, wenn auch im Ergebnis unzutreffender Weise, keine Notwendigkeit gesehen, sich arbeitssuchend zu melden. Erst in der Neufassung des § 37b SGB III ist ausdrücklich angeordnet, die frühzeitige Arbeitssuchendmeldung habe auch zu erfolgen, wenn vom Arbeitgeber der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt wird. Nach Auffassung des Gesetzgebers handelt es sich hierbei um eine klarstellende Regelung (Bundestagsdrucksache 16/109 B zu Nr. 2). Somit war aus Sicht des Gesetzgebers die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuchendmeldung bei einer in Aussicht gestellten Fortbeschäftigung nach der alten Fassung des § 37b SGB III nicht hinreichend klar. Auch dies ist für die Prüfung der Obliegenheitsverletzung von Bedeutung. Insoweit kann sicherlich angemerkt werden, dass ein Arbeitgeber, der 3 Monate vor Auslaufen des befristeten Arbeitsverhältnisses kein schriftliches Angebot für eine Weiterbeschäftigung unterbreitet, unter Umständen vielleicht nicht gewillt ist, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Andererseits ist zu bedenken, dass befristete Arbeitsverhältnisse immer häufiger abgeschlossen und „Verlängerungen“ in weitaus größerem Umfang als früher möglich und üblich sind. Eine Entscheidung über eine „Verlängerung“ wird nach Überzeugung der Kammer nur im Ausnahmefall bereits 3 Monate vor Ablauf einer Befristung fallen. Insoweit ist die Frage aufzuwerfen, ob eine Meldung 3 Monate vor der Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses, wie sie nun in der Neufassung des § 37b SGB III eindeutig gefordert wird, wenn eine „Verlängerung“ im Raum steht Sinn macht. Es stellt sich die Frage, welche Vermittlungsbemühungen die Bundesagentur anstellen wird, wenn der Versicherte mitteilt, eine Entscheidung über eine „Verlängerung“ stehe noch aus und die „Verlängerung“ komme zumindest in Betracht. Letztlich ist nach Überzeugung der Kammer in den allermeisten Fällen nicht damit zu rechnen, dass in einem solchen Fall mit Vermittlungsbemühungen gestartet werden würde.
26 
Nach alledem war der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
27 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe

 
13 
Das Gericht ist gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis der Beteiligten berechtigt, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.
14 
Die form- und fristgerecht beim sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Reutlingen erhobene Klage ist zulässig. Richtige Klageart ist die isolierte Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
15 
Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht stellte die Beklagte eine Minderung des Arbeitslosengeldanspruchs fest. Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben. Der Kläger wurde dadurch in ihren Rechten verletzt.
16 
Nach § 140 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der bis zum 30.12.2005 geltenden Fassung (a.F. siehe 5. Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2005 - BGBl I 3676 -, in dem § 140 SGB III aufgehoben wurde), minderte sich der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn sich der Arbeitslose entgegen § 37b SGB III nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet hat.
17 
Nach § 37b Satz 1 SGB III a.F. (in der bis zum 30.12.2005 geltenden Fassung s. eben Gesetz v. 22.12.2005) waren Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endete, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses wie im vorliegenden Fall hatte die Meldung gemäß Satz 2 der Vorschrift „jedoch frühestens 3 Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen“. Diese Regelung war nach Überzeugung der Kammer inhaltlich in sich so widersprüchlich bzw. so unbestimmt, dass sie den rechtsstaatlichen Erfordernissen an eine Sanktionsandrohung nicht genügte (andere Ansicht BSG Urteil 20.10.2005 B 7a A AL 28/05 R). Zwar konnte § 37b Satz 2 SGB III als unselbständige Begrenzung des § 37b Satz 1 SGB III mit der Bedeutung, dass „an sich“ auch der befristet Beschäftigte unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zur Meldung angehalten sei, er sich jedoch erst 3 Monate vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses melden müsse, wenn ihm bereits vorher der Zeitpunkt der Beendigung bekannt war, angesehen werden. Diese Sichtweise war jedoch nicht zwingend und lag auch nicht klar auf der Hand. § 37b Satz 2 SGB III konnte vielmehr auch dahingehend verstanden werden, dass für befristete Beschäftigungsverhältnisse eine Sonderregelung geschaffen wurde. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch konnte aus der verwandten Formulierung „frühestens“ geschlossen werden, dass eine Meldung zu einem früheren Zeitpunkt zum einen nicht möglich war, zum anderen eine Meldung zu einem späteren Zeitpunkt noch ausreichte. Hingegen wird im Urteil des BSG vom 20.10.2005 (a.a.O.) die Formulierung „frühestens“ im Ergebnis in ein „spätestens“ umgewandelt. Anders kann die Ausführung des BSG, § 37b Satz 2 SGB III bedeute, dass „an sich“ auch der befristet Beschäftigte unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zur Meldung angehalten sei, er sich jedoch erst 3 Monate vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses melden müsse, wenn ihm bereits vorher der Zeitpunkt der Beendigung bekannt sei, nicht gedeutet werden. Die Formulierung „spätestens“, die sich hier aufdrängt, wurde vom Gesetzgeber jedoch gerade nicht gebraucht. Die 3. Kammer des SG Reutlingen hält daher an der von ihr bereits in mehreren Rechtsstreitigkeiten umfangreich begründeten Ansicht, dass § 37b Satz 2 SGB III bei befristeten Arbeitsverhältnissen keine Sanktion bewirkt, wenn eine Arbeitssuchendmeldung weniger als 3 Monate vor Auslaufen der Befristung, ja sogar bis zum ersten Tag der Arbeitslosigkeit erfolgt, bewirkt, fest (siehe zum Beispiel SG Reutlingen 19.05.2005 S 3 AL 636/05). Die Kammer sieht sich dabei in Einklang mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen Bremen (Urteil 10.11.2005 L 8 AL 418/04), des Hessischen Landessozialgerichts (Beschluss 20.06.2005 L 7 AL 100/05 ER), des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil 09.05.2005 L 19 AL 22/05) und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Urteil 12.05.2005 L 7 AL 753/05). Ein Abweichen vom Urteil des BSG vom 20.10.2005 (a.a.O.) ist gerechtfertigt. Zum einen kann aufgrund dieses Urteils noch nicht von einer gefestigten Rechtsprechung des BSG zu der streitgegenständlichen Frage ausgegangen werden. Gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10.11.2005 (a.a.O.) ist noch eine Revision beim 11a . Senat des BSG anhängig. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Senat über die Frage bereits entschieden hat. Es ist möglich, dass der Große Senat des BSG noch angerufen wird. Zum anderen wird die Argumentation des BSG im Urteil vom 20.10.2005, wie bereits ausgeführt, nicht geteilt. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass im Urteil eingeräumt wird, die Norm hätte „eindeutiger und klarer“ gefasst werden können. Damit wird letztlich doch in den Raum gestellt, dass die Norm auch aus Sicht des 7. Senats des BSG „verunglückt“ ist. Von letzterem ging offensichtlich auch der Gesetzgeber aus. § 37b SGB III a.F. wurde durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2005 inhaltlich völlig neu gefasst und § 140 SGB III wurde aufgehoben. Nach § 37b neue Fassung sind Personen, deren Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens (!) 3 Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses weniger als 3 Monate, hat die Meldung innerhalb von 3 Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird.
18 
Der Gesetzgeber hat damit der kritischen Würdigung der alten Fassung des § 37b SGB III durch die erst- und zweitinstanzlichen Urteile Rechnung getragen und die missglückte Formulierung beseitigt. Nunmehr wird ausdrücklich die Formulierung „spätestens“ verwandt und dem Arbeitssuchenden ist damit klar verständlich vor Augen geführt, was zu welchem Zeitpunkt unter welchen Umständen von ihm erwartet wird.
19 
Zwar wird in der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 16/109) nicht auf die entstandene Diskussion über die Formulierung des § 37b SGB III eingegangen. Es wird lediglich ausgeführt, es solle eine einheitliche Frist von 3 Monaten festgelegt werden und das Recht im Hinblick auf die Rechtsfolge bei verspäteter Arbeitssuchendmeldung transparenter gestaltet werden. Letzteres wurde dadurch bewirkt, dass statt der Leistungskürzung (§ 140 SGB III wurde aufgehoben s.o.) nunmehr bei einer verspäteten Arbeitssuchendmeldung eine Sperrzeit von 1 Woche eintritt (§ 144 Abs. 1 Nr. 7 SGB III n.F.).
20 
Dennoch hat im Gesetzgebungsverfahren nach Überzeugung der Kammer die verunglückte Formulierung eine Rolle gespielt. Dies geht aus der Bundesratsdrucksache 854/05 hervor. Dort wird zum Fünften Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze im Hinblick auf die Neuregelung des § 37b SGB III ausgeführt:
21 
„Ferner soll die Pflicht, sich frühzeitig arbeitssuchend zu melden, künftig schon drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen, es sei denn, der Arbeitnehmer erfährt erst später davon.“
22 
Aus dieser Formulierung geht hervor, dass zumindest im Bundesrat die Auffassung vertreten wurde, dass nach der alten Rechtslage die Arbeitssuchendmeldung nicht zwingend 3 Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen musste.
23 
Nach der im Mai 2005 geltenden Rechtslage und der hier vertretenen Auffassung erfolgte die Arbeitssuchendmeldung des Klägers damit noch rechtzeitig. Eine Leistungskürzung ist nicht eingetreten.
24 
Selbst wenn entsprechend der Auffassung des BSG im Urteil vom 20.10.2005 (a.a.O.) davon ausgegangen werden würde, dass § 37b SGB III a.F. inhaltlich ausreichend bestimmt gewesen sei, ist keine Leistungskürzung eingetreten. Nach der Rechtsprechung beider Senate des BSG setzt die Verletzung des § 37b SGB III auf Seiten des Versicherten ein Verschulden nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab voraus. Zu prüfen ist mithin, ob der Leistungsempfänger nach  seinem individuellen Vermögen fahrlässig in Unkenntnis über die ihm auferlegte Obliegenheit war und sich fahrlässig nicht unmittelbar nach dem Zeitpunkt der Kenntnis über die Beendigung des Versicherungspflichtverhältnis bei der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet hat. Dabei ist - auch nach Auffassung des BSG - zu berücksichtigen, dass die Norm des § 37b Satz 2 SGB III eindeutig und klarer hätte gefasst werden können (siehe oben), und selbst noch in den Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit Anlass zu unterschiedlichen Auslegungen gegeben hat. Von einem rechtsunkundigen Versicherten kann insoweit kein klares Normverständnis erwartet werden, selbst wenn im Merkblatt der Beklagten mit klareren Formulierungen ein Normverständnis, wie nun vom BSG vertreten, dargestellt wurde.
25 
Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger glaubhaft vorgetragen hat, bis kurz vor dem Zeitpunkt seiner Arbeitssuchendmeldung davon ausgegangen zu sein, weiter beschäftigt zu werden. Er hat damit in nachvollziehbarer, wenn auch im Ergebnis unzutreffender Weise, keine Notwendigkeit gesehen, sich arbeitssuchend zu melden. Erst in der Neufassung des § 37b SGB III ist ausdrücklich angeordnet, die frühzeitige Arbeitssuchendmeldung habe auch zu erfolgen, wenn vom Arbeitgeber der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt wird. Nach Auffassung des Gesetzgebers handelt es sich hierbei um eine klarstellende Regelung (Bundestagsdrucksache 16/109 B zu Nr. 2). Somit war aus Sicht des Gesetzgebers die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuchendmeldung bei einer in Aussicht gestellten Fortbeschäftigung nach der alten Fassung des § 37b SGB III nicht hinreichend klar. Auch dies ist für die Prüfung der Obliegenheitsverletzung von Bedeutung. Insoweit kann sicherlich angemerkt werden, dass ein Arbeitgeber, der 3 Monate vor Auslaufen des befristeten Arbeitsverhältnisses kein schriftliches Angebot für eine Weiterbeschäftigung unterbreitet, unter Umständen vielleicht nicht gewillt ist, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Andererseits ist zu bedenken, dass befristete Arbeitsverhältnisse immer häufiger abgeschlossen und „Verlängerungen“ in weitaus größerem Umfang als früher möglich und üblich sind. Eine Entscheidung über eine „Verlängerung“ wird nach Überzeugung der Kammer nur im Ausnahmefall bereits 3 Monate vor Ablauf einer Befristung fallen. Insoweit ist die Frage aufzuwerfen, ob eine Meldung 3 Monate vor der Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses, wie sie nun in der Neufassung des § 37b SGB III eindeutig gefordert wird, wenn eine „Verlängerung“ im Raum steht Sinn macht. Es stellt sich die Frage, welche Vermittlungsbemühungen die Bundesagentur anstellen wird, wenn der Versicherte mitteilt, eine Entscheidung über eine „Verlängerung“ stehe noch aus und die „Verlängerung“ komme zumindest in Betracht. Letztlich ist nach Überzeugung der Kammer in den allermeisten Fällen nicht damit zu rechnen, dass in einem solchen Fall mit Vermittlungsbemühungen gestartet werden würde.
26 
Nach alledem war der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
27 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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