Urteil vom Sozialgericht Speyer (15. Kammer) - S 15 U 60/02

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

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Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob den Klägerinnen wegen des Ereignisses vom 25.9.2000, bei dem die polnischen Staatsangehörigen und tödlich verunglückten, Hinterbliebenenleistungen aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung zustehen. Streitig ist dabei allein, ob die Verstorbenen im Unfallzeitpunkt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung standen.

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Der 1954 geborene (Ehemann der Klägerin zu 1.) und der 1957 geborene (Ehemann der Klägerin zu 2.) standen im Unfallzeitpunkt in einem Beschäftigungsverhältnis als landwirtschaftliche Aushilfskräfte (sog. Erntehelfer) im Betrieb des Landwirts, dessen Unternehmen Mitglied bei der Beklagten ist. Das Unternehmen betreibt den Anbau von Blumenkohl und Kartoffeln. Zum Unfallzeitpunkt beschäftigte H. eine ganze Gruppe von polnischen Erntehelfern, die auf dem Betriebsgelände untergebracht waren. Als Unterkunft standen eine ausgebaute Scheune sowie ein hinter der Scheune aufgestellter Bauwagen zur Verfügung, der als Wohncontainer eingerichtet war. Die beiden Verstorbenen hatten den Bauwagen als Unterkunft gewählt. Die übrigen Erntehelfer schliefen in der Scheune. In der Nacht vom 24.9.2000 auf den 25.9.2000 entwickelte sich in dem Wohncontainer ein Schwelbrand, bei dem die beiden Arbeiter erstickten. Als die Arbeitskollegen am nächsten Morgen die Wagentür öffneten, kam es zu einer Verpuffung, bei der die beiden Leichen fast vollständig verkohlten.

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Noch am selben Tag wurde das Ereignis bei der Beklagten angezeigt. Die Beklagte zog daraufhin die Ermittlungsakten der Polizei sowie der Staatsanwaltschaft bei. Diesen ist zu entnehmen, dass im Rahmen einer Obduktion mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden konnte, dass es sich bei den Brandleichen um X. und Y. handelt. Eine gerichtsmedizinische Untersuchung der Verstorbenen ergab, dass die beiden Arbeiter durch eine Kohlenmonoxydvergiftung erstickt waren. Außerdem wurde festgestellt, dass beide Personen zum Unfallzeitpunkt unter Alkoholeinfluss standen. Nach den Ausführungen des Rechtsmediziners lag bei den Verstorbenen eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 3,57 bzw. 2,24 Promille vor, welche eine Bewusstseinseintrübung verursacht habe und somit todesursächlich gewesen sei. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurde als Ursache für den Brand ein Defekt an im Bauwagen vorhandenen technischen Geräten ausgeschlossen. Von einem Sachverständigen wurde mit Sicherheit festgestellt, dass der Brand im Inneren des Wagens unter einem der Betten ausgebrochen ist. Dabei wurde die Vermutung geäußert, dass eine herabgefallene brennende Zigarette den Brand verursacht habe. Nicht festgestellt werden konnte, von welchem der beiden Verstorbenen die brennende Zigarette stammte. Ein Fremdverschulden konnte ausgeschlossen werden. Das Verfahren wurde eingestellt.

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Mit ihren Bescheiden vom 4.9.2001 lehnte die Beklagte jeweils gegenüber den Klägerinnen die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab. Zwar hätten die Verstorbenen aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses in Deutschland zum Kreise der bei der Beklagten versicherten Personen gehört. Im Unfallzeitpunkt seien sie jedoch keiner versicherten Tätigkeit nachgegangen. Der Aufenthalt im Wohncontainer nach Feierabend stelle keine versicherte Tätigkeit dar. Vielmehr handele es sich um den unversicherten privaten und persönlichen Lebensbereich. Ausnahmsweise könne ein Versicherungsschutz für solche Tätigkeiten bestehen, wenn die besonderen räumlichen Verhältnisse der fremden betriebsbedingten Übernachtungsstätte den Unfall rechtlich wesentlich bedingt hätten. Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall gewesen. Eine Brandursache, die von der betriebsbedingten Übernachtungsstätte ausgegangen sein könnte (z. B. ein technischer Defekt) sei mit Sicherheit ausgeschlossen worden. Ein Fremdverschulden habe von der Staatsanwaltschaft ebenfalls nicht nachgewiesen werden können. Im übrigen sei beweislos geblieben, welcher der Verstorbenen den Brand verursacht und dadurch den anderen in eine besondere Gefahr gebracht habe, da nicht festgestellt werden konnte, welcher der beiden die vermutlich brandauslösende brennende Zigarette habe fallenlassen. Das Nichtbewiesensein der Tatsache, wer den Brand verursacht habe, müsse daher zu beider Lasten gehen. Entschädigungsansprüche gegenüber den Klägerinnen bestünden jedenfalls nicht.

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Die dagegen gerichteten Widersprüche der Klägerinnen vom 5.9.2001 wurden von der Beklagten mit ihren jeweiligen Bescheiden vom 15.1.2002 zurückgewiesen. Darin wurde ausgeführt, die Tatsache, dass der Betriebsunternehmer einen Wohncontainer zur Übernachtung zur Verfügung gestellt habe, stelle keinen ursächlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit her. Ebenso wie bei einem Aufenthalt bzw. einer Übernachtung in einem Hotel oder bei der Anmietung einer Wohnung sei die Nachtruhe dem privaten und persönlichen Lebensbereich zuzurechnen. Die Grundsätze zur Erweiterung des Versicherungsschutzes für Geschäfts- und Dienstreisen, wonach der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auch auf persönliche Lebensbereiche ausgedehnt werde, wenn ein Unfall wesentlich durch besondere Gefahrenmomente im fremden Aufenthaltsort verursacht werde, finde hier keine Anwendung, da im Zeitpunkt des Unfalls keiner der Verunglückten einer versicherten Tätigkeit nachgegangen sei.

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Dagegen richteten sich die am 21.2.2002 beim Sozialgericht Speyer eingegangenen Klagen.

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Mit Beschluss vom 5.8.2002 sind die Klage der Klägerin zu 1. (Az.: S 15 U 60/02) und die Klage der Klägerin zu 2. (Az.: S 1 U 61/02) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen S 15 U 60/02 fortgeführt worden.

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Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass von einem entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall auszugehen sei, da sich die Verstorbenen bei einer versicherten Tätigkeit befunden hätten. Der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes durch die Beklagte könne nicht gefolgt werden. Es sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit ausländischen Erntehelfern eine kostenlose Unterkunft zur Verfügung stellen müsse. Der hier zur Verfügung gestellte Wohncontainer habe gerade dem Zweck des Aufenthalts nach Feierabend gedient, damit die Erntehelfer das Gelände des Betriebsunternehmers nicht verlassen mussten. Der Aufenthalt der Verstorbenen im Wohncontainer sei daher betriebsbedingt gewesen. Als Erntehelfer hätten die Verstorbenen zwangsläufig in den vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Unterkünften auf dem Betriebsgelände übernachten müssen, um ihre Arbeit am nächsten Tage sogleich fortsetzen zu können. Dass die Unfallursache im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht geklärt werden konnte, könne nicht zu Lasten der Verstorbenen bzw. der Klägerinnen als ihren Hinterbliebenen gehen. Bei lebensnaher Betrachtung müsse davon ausgegangen werden, dass der Brand jedenfalls von einem der beiden Verstorbenen verursacht worden sei. Den Witwen seien daher Hinterbliebenenleistungen zu zahlen.

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Die Klägerinnen beantragen,

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die Bescheide der Beklagten vom 4.9.2001 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15.1.2002 aufzuheben, das Ereignis vom 25.9.2000 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anzuerkennen und sie beide entsprechend zu entschädigen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klagen abzuweisen.

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Sie bezieht sich auf die Ausführungen in ihren Bescheiden. Daneben hat sie dem Gericht ein Behördengutachten des Bundeskriminalamtes vom 5.7.2002 gemäß § 256 StPO vorgelegt. Zur Brandursache wird darin ausgeführt, dass aufgrund der Untersuchungen vor Ort eine Brandentstehung durch einen technischen oder durch einen elektrotechnischen Defekt sowie eine Inbrandsetzung des Bauwagens von außen ausgeschlossen werden konnte. Nach dem vorgefundenen Brandspurenbild müsse der Brand „in Übereinstimmung mit den Angaben der Zeugen, die den Brand entdeckt haben, im Innenraum des Wohnwagens entstanden sein". Als Brandursache komme nur eine „Handlungsweise der beiden Bewohner des Bauwagens in Betracht, möglicherweise bei der Benutzung von offenem Feuer (Zündholz, Kerze u. a.) oder dem leichtfertigen Umfang mit glimmenden Zigaretten (beide sollen starke Raucher gewesen seien)".

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Zur Ermittlung des Sachverhalts hat das Gericht in einem Erörterungstermin am 7.5.2003 den Landwirt  H. als damaligen Arbeitgeber der Verstorbenen als Zeugen vernommen. Hinsichtlich der Aussage des Zeugen wird auf die Niederschrift über den Erörterungstermin sowie auf die vorgelegte Skizze der Örtlichkeiten Bezug genommen (Blatt 69 ff. der Gerichtsakte).

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Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten. Die darin enthaltenen Feststellungen und das Beteiligtenvorbringen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist hinsichtlich der begehrten Entschädigung als sog. kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und hinsichtlich der begehrten Anerkennung des Unfallereignisses als Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässig.

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Die Klage ist jedoch nicht begründet.

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Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus dem Unfall vom 25.9.2000. Die Verstorbenen standen zum Zeitpunkt des Unfalls nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beklagte hat zu Recht eine Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall und eine entsprechende Entschädigung der Klägerinnen abgelehnt. Die Bescheide vom 4.9.2001 und 15.1.2002 waren nicht zu beanstanden.

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Gemäß §§ 63 ff. des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Hinterbliebene Anspruch auf Entschädigungsleistungen. Dazu gehören die Gewährung von Sterbegeld, die Erstattung von Überführungskosten, Hinterbliebenenrenten und Beihilfen (§ 63 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe gemäß §§ 63 Abs. 1 Nr. 4, 71 SGB VII liegen hier nicht vor. Hinsichtlich der übrigen Leistungen ist erforderlich, dass der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist (§ 63 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Als Versicherungsfälle gelten Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Dabei ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die beiden Verstorbenen aufgrund ihres Beschäftigungsverhältnisses als Erntehelfer in Deutschland grundsätzlich dem Kreise der Versicherten angehörten. Zur Überzeugung der Kammer gingen die beiden Verstorbenen im Zeitpunkt des Unfallereignisses jedoch keiner versicherten Tätigkeit nach.

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Versicherte sind nicht umfassend gegen Unfälle geschützt, sondern nur gegen solche Unfälle, die in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung fallen. Eine versicherte Tätigkeit liegt dann vor, wenn ein innerer Zusammenhang besteht. Der innere Zusammenhang bezeichnet die Verknüpfung zwischen dem konkreten unfallbringenden Verhalten und dem generell versicherten Tätigkeitsbereich des Betroffenen. Er beschreibt die Zurechnung des unfallbringenden Verhaltens zu dem versicherten Tätigkeitsbereich und bestimmt so die normative Reichweite des Versicherungsschutzes. Dabei ist wertend zu ermitteln, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 SGB VII, Rn. 6). Nach ständiger Rechtsprechung ist für diese Beurteilung die subjektive Handlungstendenz des Betroffenen zugrunde zu legen, wie sie sich durch die objektiven Umstände des Einzelfalls darstellt; die zum Unfall führende Verrichtung muss wesentlich dazu bestimmt gewesen sein, dem Unternehmen zu dienen (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O., § 8 SGB VII, Rn. 6.2 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BSG in SozR 2200 § 548 RVO, Nr. 90; SozR Nr. 22 zu § 548 RVO; SozR 2200 § 539 RVO, Nr.119). Die rechtliche Beurteilung der Verrichtung in ihrer Ziel- und Zwecksetzung orientiert sich dabei nach der konkreten betrieblichen Sphäre, also aus den Rechten und Pflichten des Versicherten im Rahmen seiner Einordnung in den Betrieb, wie sie sich beispielsweise aus den im Arbeitsvertrag niedergelegten Aufgaben, aber auch aus den Weisungen und Ersuchen des unmittelbaren oder mittelbaren Dienstvorgesetzten ergeben (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O., Rn. 6.3 f.).

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Im vorliegenden Fall gingen die beiden Verstorbenen im Unfallzeitpunkt keiner Verrichtung nach, die dem landwirtschaftlichen Unternehmen des Zeugen … zu dienen bestimmt war. Die beiden Verstorbenen waren als sog. Erntehelfer im landwirtschaftlichen Betrieb des Zeugen … tätig. Entsprechende Arbeitsverträge und Aufenthaltsgenehmigungen lagen vor. Gegenstand des Beschäftigungsverhältnisses war die Übernahme von Helfertätigkeiten beim Anbau und der Ernte von Blumenkohl und Kartoffeln. Der tödliche Unfall ereignete sich jedoch nicht bei einer solchen Helfertätigkeit. Vielmehr trat der Tod nach Feierabend in der Nacht auf den 25.9.2000 ein, während die beiden Verstorbenen schliefen. Dies ist nach den Ermittlungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft unstreitig. Als Brandursache konnten sowohl ein technischer Defekt als auch ein Fremdverschulden ausgeschlossen werden. Nach den vorliegenden Gutachten ist vielmehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich in dieser Nacht im Inneren des Bauwagens ein Schwelbrand entwickelte, an dem die beiden Arbeiter erstickten. Dem Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 5.7.2002 ist darüber hinaus zu entnehmen, dass als Brandursache nur eine „Handlungsweise der beiden Bewohner des Bauwagens, möglicherweise bei der Benutzung von offenem Feuer oder dem leichtfertigen Umfang mit glimmenden Zigaretten" in Betracht kommt. Dem Obduktionsgutachten ist außerdem zu entnehmen, dass die Verstorbenen im Unfallzeitpunkt unter erheblichem Alkoholeinfluss mit einer BAK von 3,57 bzw. 2,24 Promille standen, wobei der Rechtsmediziner davon ausgeht, dass dieser Umstand eine Bewusstseinseintrübung verursacht habe, die letztlich todesursächlich gewesen sei.

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Zur Überzeugung der Kammer gingen die Verstorbenen im Unfallzeitpunkt keiner Verrichtung nach, die aus dem Beschäftigungsverhältnis heraus dem Unternehmen des Zeugen … zu dienen bestimmt war. Vielmehr übten die beiden Verstorbenen im Unfallzeitpunkt eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit aus. Bei den sog. eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten handelt es sich um die notwendigen und selbstverständlichen Dinge, denen jeder Mensch völlig unabhängig von seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen pflegt. Sie werden selbst dann nicht Bestandteil der unter Versicherungsschutz stehenden Arbeit, wenn sie zugleich für die Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis unentbehrlich sind. Da sie dem Interesse des Versicherten und nicht dem des Unternehmens dienen, besteht bei eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten grundsätzlich kein Versicherungsschutz (BSGE 36, 222, 223). Dies ist auch hier der Fall.

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In ihrer Einschätzung stützt sich die Kammer dabei auf die vorliegenden Gutachten der Staatsanwaltschaft und der Polizei sowie auf die Aussagen des Zeugen … im Erörterungstermin vom 7.5.2003. Danach ist der Tod der Verstorbenen in der Nacht von 24.9.2000 (Sonntag) auf den 25.9.2000 (Montag) eingetreten. Nach Aussage des Zeugen … und den von der Staatsanwaltschaft befragten Arbeitskollegen hatten die beiden Verstorbenen am Abend des 24.9.2000 keinen Dienst. Vielmehr hat der Zeugen … glaubhaft ausgesagt, dass die Erntehelfer im Allgemeinen sonntags frei hatten. Zwar gebe es Ausnahmen, er sei sich jedoch sicher, dass an diesem Sonntag nicht gearbeitet worden sei. Die Kammer hatte keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln. Nach Auffassung der Kammer ist damit davon auszugehen, dass die Tätigkeiten der beiden Verstorbenen am Tag des 24.9.2000 grundsätzlich dem privaten, unversicherten Bereich zuzurechnen waren. Dies gilt insbesondere für die Nacht auf den 25.9.2000, in der die beiden Verstorbenen im Bauwagen schliefen und dabei tödlich verunglückten.

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Entgegen der Auffassung der Klägerinnen führt hierbei die Tatsache, dass die beiden Verstorbenen auf dem Betriebsgelände ihres Arbeitgebers übernachteten, zu keinem anderen Ergebnis. Ein örtlicher und zeitlicher Zusammenhang begründet nach der unfallrechtlichen Literatur noch keinen Versicherungsschutz, es sei denn es realisiert sich dabei eine besondere betriebsbedingte Gefahrenlage (BSGE 14, 295). Dies ist dann der Fall, wenn sich die besondere, einem Betrieb eigentümliche Gefahr auch auf Tätigkeiten erstreckt, die sonst dem privaten Lebensbereich zuzurechnen sind (BSG, SozR 2200 § 548 RVO, Nrn. 15, 20, 22). Maßgebend ist dabei für den Versicherungsschutz nicht, ob betriebliche Gefahren beim Unfall mitgewirkt haben, sondern ob die unfallverursachende Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand (BSG, SozR 3-2200 § 548 RVO, Nr. 22). Erforderlich ist also, dass der Arbeitnehmer im Unfallzeitpunkt einer versicherten Tätigkeit nachging, indem er betriebsdienliche Zwecke verfolgte oder zumindest eine Tätigkeit ausübte, die den Zwecken des Unternehmens zu dienen bestimmt war (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O., Rn. 6.7). Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen fällt zur Überzeugung der Kammer ein Schlafen des Arbeitnehmers als eigenwirtschaftliche Verrichtung nur dann unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn das Schlafen auf dem Betriebsgelände des Arbeitgebers notwendige Voraussetzung für die ordnungsgemäße Ausübung der Tätigkeit ist. Dies ist nach Auffassung der Kammer - wie bereits im Erörterungstermin am 7.5.2003 dargelegt - beispielsweise dann der Fall, wenn ein Arzt während seines Bereitschaftsdienstes im Krankenhaus schläft und dabei einen Unfall erleidet.

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Entgegen dem Vortrag der Klägerinnen bestand jedoch im vorliegenden Fall keine betriebliche Notwendigkeit, dass die beiden Verstorbenen auf dem Betriebsgelände schliefen. Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen … war es weder üblich noch erforderlich, dass die Erntehelfer nach Feierabend oder sogar nachts während ihrer Schlafzeit Arbeiten verrichten mussten. Die beiden Verstorbenen mussten insbesondere nicht - analog zum Bereitschaftsdienstes eines Krankenhausarztes - damit rechnen, aus dem Schlaf heraus für Tätigkeiten im Betrieb eingesetzt zu werden. Der Zeuge … hat glaubhaft versichert, dass die bei ihm durchgeführten Arbeiten zur Ernte von Blumenkohl und Kartoffeln ausschließlich bei Tageslicht vorgenommen wurden. Arbeiten im Dunklen hätten nach seiner Aussage auch keinen Sinn gemacht. Er habe die Verstorbenen nie nach Feierabend oder während der Schlafenszeit zu Arbeiten herangezogen. Zwar habe es einen Mitarbeiter gegeben, der manchmal nach Feierabend noch Arbeiten erledigen musste. Dabei habe es sich jedoch nicht um einen der beiden Verstorbenen gehandelt, da diese nicht ausreichend Deutsch sprachen und keinen Führerschein hatten, um selbständig mit dem Wagen die Felder aufzusuchen. Im Zeitpunkt des tödlichen Unglücks bestand demnach kein Unfallversicherungsschutz für die Verstorbenen.

26

Dem steht auch der Einwand der Klägerinnen nicht entgegen, die beiden Verstorbenen hätten auf dem Betriebsgelände des Zeugen H. schlafen müssen. Zu dem Vortrag der Klägerinnen, die Erntehelfer hätten auf dem Hof bleiben müssen, um morgens pünktlich zum Arbeitsbeginn anwesend zu sein, hat der Zeuge ausführlich dargelegt, dass es ihm „egal" sei, wo die Arbeiter schliefen. Es sei den Arbeitern freigestellt, auch bei Freunden oder Verwandten oder in einem Hotel zu wohnen, Hauptsache sie seien am nächsten Morgen pünktlich da. Eine Notwendigkeit zur Übernachtung am Arbeitsplatz begründet sich daraus zur Überzeugung der Kammer nicht. Zu dem Vortrag der Klägerinnen, der Zeuge sei zur Bereitstellung einer kostenlosen Unterkunft verpflichtet gewesen, weist die Kammer auf folgendes hin: Bei dieser Verpflichtung handelt es sich um Anforderungen im Rahmen der Vorschriften der Arbeitserlaubnis und der Aufenthaltsgenehmigung. Diese Verpflichtung begründet nach Auffassung der Kammer keine Notwendigkeit für das Schlafen auf der Betriebsstätte im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Das Anliegen, ausländischen Erntehelfern hierdurch ein zeitraubendes Suchen nach einer Unterkunft und - unter Berücksichtigung des gewährten Lohnes - auch weitere Ausgaben zu ersparen, führt hier nach unfallversicherungsrechtlichen Maßstäben zu keiner anderen Beurteilung. Vielmehr wäre die Ersparnis solcher privater Aufwendungen sogar als finanzielles Interesse der Arbeiter zu werten, was die Eigenwirtschaftlichkeit des Handelns noch unterstreicht.

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Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Verstorbenen die zur Verfügung gestellte Unterkunft geteilt haben und sich nicht nachweisen lässt, wer von den beiden den Schwelbrand verursacht hat. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft steht fest, dass weder ein technischer Defekt noch Fremdverschulden vorlagen. Zwar wurde von der Staatsanwaltschaft festgestellt, dass beide Verstorbenen im Todeszeitpunkt eine an Volltrunkenheit grenzende BAK aufwiesen. Gemäß § 7 Abs. 2 SGB VII schließt Verschulden allein einen Versicherungsfall zwar nicht aus. Es fehlt jedoch auch hier am erforderlichen inneren Zusammenhang, der eine versicherte Tätigkeit begründet. Eine besondere betriebsbedingte „Gefahr" durch Arbeitskollegen hat sich hier nicht realisiert. Selbst wenn sich nicht nachweisen lässt, welcher der beiden den Brand verursacht hat, so steht doch nach den oben gemachten Ausführungen fest, dass keiner der Verstorbenen im Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit verrichteten.

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Nach alledem ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Verstorbenen im Zeitpunkt des Unfallereignisses am 25.9.2000 keiner versicherten Tätigkeit nachgingen. Entsprechend steht den Klägerinnen kein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu. Die Klage war daher abzuweisen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Sie entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

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