Urteil vom Sozialgericht Speyer (7. Kammer) - S 7 KR 305/03

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über Krankenhausbehandlungskosten.

2

Eine bei der Beklagten Versicherte befand sich vom 11.6. bis 4.7.2001 in einem Krankenhaus, dessen Trägerin die Klägerin ist. Zur Aufnahme kam die Versicherte nach einer Synkope.

3

Die Beklagte erteilte zunächst eine Kostenzusage bis zum 21.6.2001. Am 13.8.2001 stellte die Klägerin einen Verlängerungsantrag für eine Behandlung bis zum 4.7.2001. Die Beklagte beauftragte den MDK am 14.8.2001 mit der Erstellung eines Gutachtens über die Frage der Notwendigkeit der Dauer der stationären Krankenhausbehandlung. Der MDK kam in einem Gutachten vom 18.12.2001 zu dem Schluss, dass der stationäre Aufenthalt der Versicherten nur für 15 Behandlungstage nachvollziehbar sei. Insbesondere sei nicht zu verstehen, warum eine Langzeit-EKG-Untersuchung erst am 21.6.2001 durchgeführt worden sei. Trotz gegenteiliger Stellungnahme der behandelnden Krankenhausärzte blieb der MDK bei seiner Auffassung.

4

Mit Rechnung vom 17.9.2001 verlangte die Klägerin für den Behandlungszeitraum 22.6.-4.7.2001 DM 4.959,- von der Beklagten. Die Beklagte zahlte nur einen Betrag von DM 1.236,69,-, also für drei (weitere) Behandlungstage.

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Am 9.5.2003 hat die Klägerin Klage eingereicht.

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Der Krankenhausaufenthalt sei für den gesamten Zeitraum notwendig gewesen.

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§ 9 Absatz 6 des Krankenhausbehandlungsvertrages für Rheinland-Pfalz, nach dem eine Rechnung innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungseingang zu bezahlen ist, diene dem Ziel, eine schnelle Abwicklung der Abrechnungsfälle zu gewährleisten, so dass der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht nicht zugestanden habe.

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Die Beklagte habe auch keine zeitnahen und substantiierten Einwendungen vorgebracht. Die Stellungnahme des MDK vom 18.12.2001 sei inhaltsleer. Zudem sei sie auf einer nur eingeschränkten Grundlage erfolgt, da nicht die gesamte Krankenakte durch den MDK angefordert worden sei. Schließlich sei zu bedenken, dass es bei der MDK-Stellungnahme um das Ergebnis einer internen sozialmedizinischen Beratung gehandelt habe. Diese sei im Rahmen des Kostenübernahme- bzw. Verlängerungsantrages gestellt worden nicht aber im Rahmen einer Prüfung der Vertretbarkeit der gesamten Krankenhausdauer. Somit sei kein ordnungsgemäßes Prüfungsverfahren eingeleitet worden, was im Übrigen auch in der Folgezeit nicht geschehen sei.

9

Zu fragen sei schließlich, ob der Krankenhausaufenthalt bzw. seine Dauer vertretbar sei, was der MDK nicht getan habe. Der stationäre Krankenhausaufenthalt sei für die gesamte Dauer vertretbar gewesen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.903,19 Euro nebst 2% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank hieraus seit dem 3.10.2001 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Ein vollstationärer Krankenhausaufenthalt über den 26.6.2001 hinaus sei nicht notwendig gewesen. Eine unbedingte Pflicht zur Zahlung einer Krankenhausrechnung gebe es nicht.

15

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Krankenhausunterlagen über den Krankenhausaufenthalt des Versicherten … vom 11.6.2001-4.7.2001 und durch Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage über die Notwendigkeit der Behandlungsdauer durch Dr ...

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten und die Krankenhausakte über die streitige Krankenhausbehandlung, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet.

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Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Absatz 5 SGG zulässig, denn es geht bei einer auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhauses um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem ein Verwaltungsakt der Beklagten gegen den Kläger nicht ergehen musste und auch nicht ergangen ist (vgl. nur BSG, 23.7.2002- B 3 KR 64/01 R-).

19

Die Klage ist aber nicht begründet, da die Klägerin keinen Vergütungsanspruch über den 26.6.2001 hinaus hat.

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Rechtsgrundlage des hier geltend gemachten Vergütungsanspruches, dessen Höhe rechnerisch nicht angegriffen wird, ist § 109 Absatz 4 Satz 3 SGB V i.V.m. dem am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Krankenhausbehandlungsvertrag (KBV) nach § 112 Absatz 2 SGB V zwischen der Rheinland-Pfälzischen Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden der Krankenkassen. Der KBV ist auch für die beklagte saarländische AOK verbindlich, obwohl weder sie noch ein übergreifender Verband, etwa der AOK-Bundesverband, vertragsschließende Partei war, sondern der AOK-Landesverband eines anderen Bundeslandes. Denn ähnlich wie bei den Landesverträgen zwischen Krankenkassen/Ersatzkassen einerseits und Apothekerverbänden andererseits (§ 129 Absatz 5 SGB V – vgl. dazu Urteil des BSG vom 17. Januar 1996, 3 RK 26/94 = SozR 3-2500 § 129 Nr. 1) ist auch hier davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 112 Absatz 1 SGB V eine Verbindlichkeit des SV länderübergreifend für diejenigen jeweiligen Krankenkassen mitangestrebt hat, die den vertragschließenden Krankenkassen in Rheinland-Pfalz entsprechen. Denn auch hier kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber, dem die hohe berufliche und private Mobilität der Bevölkerung auch 1986 schon bekannt war, das Verhältnis zwischen den Krankenhäusern in Rheinland-Pfalz und den Krankenkassen außerhalb dieses Bundeslandes allein auf der Basis einer Geschäftsführung ohne Auftrag hat abwickeln wollen. Entsprechendes gilt für den Willen derjenigen Vertragsparteien, die den vorliegenden KBV geschlossen haben (vgl. BSG, 21.8.1996 - 3 RK 2/96 -).

21

Nach § 109 Absatz 4 Satz 2 SGB V ist das zugelassene Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung der Versicherten verpflichtet; Satz 3 der Vorschrift verpflichtet die Krankenkassen, mit den zugelassenen Krankenhäusern Pflegesatzverhandlungen zu führen und setzt damit die Vergütungspflicht als selbstverständlich voraus. Der KBV regelt u.a. Voraussetzungen und Modalitäten der Zahlungspflichten der Krankenkassen. Der Anspruch des Versicherten gegenüber seiner Krankenkasse auf Krankenhausbehandlung ergibt sich dagegen aus § 39 Absatz 1 Satz 2 SGB V. Das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenkasse und Krankenhaus ist zu trennen vom Behandlungsverhältnis zwischen Krankenhaus und Versichertem sowie vom Versicherungsverhältnis, kraft dessen der Versicherte die Krankenhausbehandlung als Naturalleistung verlangen kann. Für das Abrechnungsverhältnis gilt: die Zahlungsverpflichtung der Krankenkassen entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten (BSG, 17.5.2000- B 3 KR 33/99 R-). Die Krankenkasse ist bei einem zugelassenen Krankenhaus im Sinne des § 108 SGB V als Korrelat zu dessen Behandlungspflicht auch ohne zusätzliche vertragliche Vereinbarung verpflichtet, die normativ festgelegten Entgelte zu zahlen, sofern die Versorgung im Krankenhaus erforderlich ist (BSG, 13.12.2001- B 3 KR 11/01 R-). Über die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung entscheidet zunächst der Krankenhausarzt. Eine Zahlungspflicht der Krankenkasse für die stationäre Versorgung eines Versicherten entfällt nur dann, wenn sich die Entscheidung des Krankenhausarztes nach seinen jeweiligen Erkenntnismöglichkeiten als nicht vertretbar herausstellt.

22

Dabei hat eine Kostenübernahmeerklärung für den Zahlungsanspruch keine konstitutive Bedeutung in dem Sinne, dass davon die Zahlungspflicht der Krankenkasse abhängt. Die Kostenübernahmeerklärung hat lediglich eine Beweisfunktion, falls sie abgegeben wird und den Behandlungszeitraum abdeckt (BSG, 13.12.2001- B 3 KR 11/01 R-).

23

Vorliegend fehlt es an einer Kostenübernahmeerklärung, die über den 21.6.2001 hinausgeht. Gleichwohl könnte die Klägerin einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte haben, wenn der stationäre Krankenhausaufenthalt in dem von ihr abgerechneten Umfang medizinisch notwendig oder zumindest vertretbar gewesen wäre.

24

Dies war aber, wie sich aus dem in jeder Hinsicht überzeugenden Gutachten des Dr. … ergibt, nicht der Fall.

25

Die wesentlichen zielführenden diagnostischen Maßnahmen seien bei der Versicherten mit erheblicher Verspätung durchgeführt worden. Die Durchführung des ersten Langzeit-EKG’s sei mindestens 8 Tage zu spät durchgeführt worden, die des Kontroll-Langzeit-EKG’s einen Tag. Somit ergebe sich rechnerisch zumindest ein Zeitverlust von 9 Tagen. Die Argumentation der Ärzte, dass die Versicherte bettlägerig gewesen sei, sei nicht stichhaltig, da die Versicherte, wie sich aus der Pflegedokumentation ergebe, zu allen Zeitpunkten mobil und in Bezug auf ihre pflegerische Versorgung selbständig gewesen sei. Die Begleiterkrankungen, wie Bluthochdruck, Diabetes seien problemlos zu behandeln gewesen, Komplikationen hätten sich zu keinem Zeitpunkt ergeben. Insgesamt sei das Kernproblem, dass man das Langzeit-EKG erst am 11.Tag der stationären Behandlung durchgeführt habe. 

26

Den umfassenden und keinen Aspekt vernachlässigenden Ausführungen des Gutachters hat das Gericht nichts weiter hinzuzufügen. Sie weisen nach, dass ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung tagesgleicher Pflegesätze für die Zeit nach dem 26.6.2001 nicht besteht. Die Stellungnahme der Krankenhausärzte, bei denen es sich im Übrigen nicht um die behandelnden Ärzte handelt, vom 25.5.2004 vermag nicht zu überzeugen. Sie kann nicht erklären, warum das mindestens wichtige EKG nicht früher durchgeführt wurde. Dass ein Langzeit-EKG am 2.Behandlungstag nach Kollaps an der klinischen Wirklichkeit und Möglichkeit vorbeigeht, stellt eine Behauptung dar, die zudem zur medizinischen Vertretbarkeit nichts auszusagen vermag. Die Darstellung, ein Langzeit-EKG sei nicht vorrangig durchzuführen gewesen, ist vor dem Hintergrund der gutachterlichen Feststellungen nicht verständlich. Dr. … führt durchaus einleuchtend aus, dass nach Synkope und einem bekannten intermittierenden Vorhofflimmern bei jetzt normalem Sinusrhythmus klar gewesen sei, dass sich die Diagnostik auf Herzrhythmusstörungen habe kaprizieren müssen. Hierzu sei ein Langzeit-EKG unverzüglich zu planen gewesen.

27

Das Gericht darf die aus dem Gutachten gewonnenen Erkenntnisse auch verwerten. Der Vergütungsanspruch der Klägerin ergibt sich nämlich nicht schon daraus, dass die Beklagte mit ihren Einwendungen ausgeschlossen gewesen wäre.

28

Die Kammer hält an ihrer Rechtsauffassung fest, wonach es eine unbedingte Pflicht zur Begleichung einer Rechnung innerhalb von 14 Tagen nicht gibt (vgl. so schon die Urteile des SG Speyer vom 6.5.2003, - S 7 KR 142/01- und – S 7 KR 144/01-; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, 27.3.2003 – L 5 KR 141/01-, SG Dort-mund, 12.6.2003 – S 8 KR 415/01-; SG Koblenz, 25.2.2003 - S 6 KNK 10/02-).

29

Ergänzend zur bisherigen Argumentation führt die Kammer noch aus:

30

In der Tat gibt es ein Argument, das vordergründig für eine unbedingte Zahlungspflicht innerhalb der Frist von 14 Tagen spricht. Die Beteiligten sind, so ließe sich argumentieren, ohnehin nicht davon ausgegangen, dass eine vernünftige Prüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung und ihrer Dauer innerhalb von 14 Tagen erfolgen kann. Wenn sie gleichwohl eine 14-tägige Zahlungsfrist im Vertrag vereinbaren, so kann dies, da substantiierte Einwendungen der Krankenkassen ohnehin nicht vorliegen können, nur heißen, dass die Zahlung tatsächlich in jedem Fall zu erfolgen hat, denn mit welchem Argument könnte man nun in einem Fall zahlen, im anderen die Zahlung verweigern ? Dieses Argument ist jedoch nicht schlüssig. Zum einen sind sehr wohl Fälle denkbar, in denen innerhalb von 14 Tagen substantiierte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung vorliegen können. Dies sind einmal Fälle, in denen (meist bei sehr langer Behandlungsdauer) bereits im Rahmen von Kostenübernahmeerklärungen und Verlängerungsanzeigen Prüfungen vor Rechnungseingang erfolgt sind. Dies sind andererseits auch Fälle, in denen evident die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung nicht oder nicht in vollem Umfang vorliegt.

31

Stärker wiegt aber folgendes Argument: Wenn die Beteiligten tatsächlich davon ausgegangen sein sollten, dass eine Prüfung innerhalb von 14 Tagen nicht erfolgen kann und die Krankenkassen gewissermaßen „ins Blaue hinein“ jede Rechnung zu bezahlen haben, so verwundert es doch, dass keine Verzinsung des zuviel gezahlten Betrages vorgesehen ist. Die Beteiligten hätten bei Annahme einer unbedingten Zahlungspflicht trotz fehlender Anspruchsberechtigung also einen zinslosen Kredit der Krankenkassen an die Krankenhäuser vorgesehen, was umso erstaunlicher ist, als für den umgekehrten Fall, der, hätten die Vertragspartner eine unbedingte Zahlungspflicht übereinstimmend wirklich gewollt, kaum auftreten dürfte, Verzugszinsen vorgesehen sind.

32

 Dass sachliche Mängel der Forderungsaufstellung die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs unberührt lassen (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.2.2004 – L 5 KR 106/03 -), ändert daran nichts. Die Kammer meint, dass vor der Fälligkeit eines Anspruchs dessen Entstehung zu prüfen ist. Die vom LSG beschriebenen sachlichen Mängel der Forderungsaufstellung verhindern aber gerade die Entstehung des Vergütungsanspruchs. Das Folgeproblem der Fälligkeit entsteht daher nicht.

33

Die Kammer meint zudem, dass die Rechtsauffassung der unbedingten Zahlungspflicht zur Begründung von zwei sich widersprechenden Ansprüchen führt. Die Krankenhäuser würden einen Zahlungsanspruch aus der Rechnung herleiten können, die Krankenkassen einen entgegengesetzten Rückzahlungsanspruch. Eine solche Konstruktion ist zwar möglich. Sie ist aber so ungewöhnlich, dass sich der Wille dieser Konstruktion eindeutig aus den zwischen den Vertragsparteien geschlossenen Vereinbarungen ergeben müsste. Dass das Gegenteil der Fall ist, hat die Kammer schon mehrfach ausgeführt. Nochmals sei auf die Schlussbemerkungen der Erläuterungen und Umsetzungshinweise zum Vertrag nach § 112 Absatz 2 Satz 1 Nr.2 SGB V hingewiesen, der eindeutig belegt, dass die Krankenkassen die Vergütung ganz oder teilweise verweigern können. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass dieser Vertrag Vergütungsfragen nicht zum Gegenstand hat. Es entspricht aber einem allgemeinen Auslegungsgrundsatz, dass dann, wenn die gleichen Vertragsparteien mehrere Verträge schließen, in Zweifelsfragen zur Auslegung eines Vertrages auch Erkenntnisse zum anderen Vertrag herangezogen werden dürfen. Dies muss auch so sein, weil maßgeblich für die Vertragsauslegung der Wille der Vertragsparteien ist. Wie und wo sich dieser äußert, ist demgegenüber unmaßgeblich.

34

Dass es andere Verträge, vielleicht auch den Arzneilieferungsvertrag (ALV), geben mag, in denen eine unbedingte Zahlungspflicht vereinbart ist, ist angesichts zumindest teilweiser unterschiedlicher Vertragsparteien und angesichts eines vollkommen anderen Vertragsgegenstandes für die Auslegung der Krankenhausverträge unergiebig.

35

Es zeigt sich also, dass die sog. unbedingte Zahlungspflicht rechtlich nicht nur nicht zu begründen ist, sondern praktisch zu kaum sinnvollen Ergebnissen führt. Die 14-tägige Zahlungsfrist ist für den normalen Abrechnungsfall gedacht, also in der Tat für die massenhafte Abrechnung von Behandlungsfällen. Sie soll auch die Liquidität der Krankenhäuser sichern helfen, die mit ihrer Sachleistung in Vorleistung treten. Sie soll aber nicht dazu dienen, den Krankenhäusern zinslos Geldmittel zur Verfügung zu stellen, die sich die Krankenkassen in jedem Einzelfall nach langwierigem Prüfungsverfahren zurückholen müssen, zumal die Krankenhäuser für den Fall, dass eine Rechnung zu Unrecht nicht vollständig bezahlt worden ist, durch die üppige Zinsregelung des § 9 Absatz 7 KBV ausreichend geschützt sind.

36

Die dargelegte Rechtsauffassung der Kammer wird nunmehr auch weitgehend vom BSG bestätigt (vgl. BSG, Urteil vom 28.5.2003 – B 3 KR 10/02 R-).

37

Das BSG führt in dieser Entscheidung aus:

38

“Der Unterschied zum vorliegenden Rechtsstreit bestand darin, dass in jenem Verfahren (gemeint ist das Urteil vom 17.5.2000 – B 3 KR 33/99 R-, Anm. des Gerichts) der Anscheinsbeweis für die Notwendigkeit der stationären Versorgung der Versicherten für den ersten Behandlungsabschnitt erschüttert war, weil die Krankenunterlagen vom Krankenhaus zur Einsichtnahme und Auswertung übersandt worden, also Gegenstand des Rechtsstreits geworden waren und sich aus ihnen nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen ließ, dass der Krankenhausaufenthalt im ersten Behandlungsabschnitt medizinisch notwendig war. In jenem Fall war eine weitere gerichtliche Sachaufklärung zur Frage der Notwendigkeit der stationären Behandlung geboten. Im vorliegenden Fall war eine solche Beweisaufnahme nicht durchzuführen, weil der für den Kläger sprechende Anscheinsbeweis bislang nicht erschüttert worden ist, es vielmehr in dem anstehenden Prüfungsverfahren überhaupt erst um die Frage geht, ob dies gelingt und ob die Beklagte substantiiert einwenden kann, die Krankenhausbehandlung der Versicherten ab 16.April 2000 sei nicht notwendig gewesen.“ Der 3.Senat des BSG präzisiert seine Auffassung also dahin, dass das Gericht trotz formell ordnungsgemäßer Rechnung die beklagte Krankenkasse dann nicht zur Zahlung verurteilen darf, wenn der durch die Wertung des Krankenhausarztes begründete Anscheinsbeweis erschüttert worden ist. Dieser Auffassung folgt nunmehr auch der 8.Senat des BSG in seinem Urteil vom 24.9.2003 (Az. B 8 KN 2/02 KR R).

39

Der Anscheinsbeweis, soweit dieser wirklich begründbar sein sollte, ist vorliegend auch rechtzeitig erschüttert worden. Zu Unrecht rügt die Klägerin, dass die Beklagte ihre Einwendungen verspätet und in einem nicht ordnungsgemäßen Prüfungsverfahren vorgebracht habe. Zur Frage des Einwendungsausschlusses wegen Verspätung ist folgendes auszuführen:

40

Das BSG hat seine Rechtsprechung nunmehr dahin präzisiert, dass für die Bewertung des behandelnden Krankenhausarztes über die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ein Anscheinsbeweis spreche, der erschüttert werden könne (vgl. BSG, Urt. v. 28.5.2003 – B 3 KR 10/02 R-, und BSG, Urt. v. 24.9.2003 – B 8 KN 2/02 KR R-). Dieser Anscheinsbeweis kann indes erschüttert werden, er muss aber auch erschüttert werden. Das BSG neigt dabei der Auffassung zu, die beklagte Krankenkasse zu verurteilen, wenn der Anscheinsbeweis nicht erschüttert worden ist. Die Rechtsprechung über den Anscheinsbeweis und seine Erschütterung ist dabei im Zusammenhang mit der Rechtsprechung des BSG zu den „Berliner Verträgen“ zu sehen (BSG, 13.12.2001- B 3 KR 11/01 R-). Hier hat das Bundessozialgericht entschieden, die Weigerung eines Vertragspartners, die vertraglich vereinbarte Form einzuhalten, führe nicht unbedingt zum sofortigen Verlust der Rechtsposition, soweit eine Nachholung möglich ist. Die Überprüfung könne aber nur solange nachgeholt werden, wie sich der andere Vertragspartner darauf einstellen kann und muss. Für die Kammer ergibt sich damit folgendes Bild:

41

Es spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Wertung der behandelnden Krankenhausärzte über die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung zutreffend ist. Die Kammer hat nun zwar erhebliche Zweifel, dass sich ein Anscheinsbeweis tatsächlich begründen lässt. Auch sie nimmt aber zur Kenntnis, dass die Wertung der behandelnden Krankenhausärzte zunächst einmal die erste medizinische Stellungnahme darstellt. Die Folge dieser Bewertung ist, je nach Standpunkt, dass die Krankenkassen entweder den Anscheinsbeweis erschüttern oder sie zumindest substantiierte einzelfallbezogene Einwendungen machen müssen, weil das Gericht mangels eigener medizinischer Sachkunde nicht ohne weiteres in der Lage ist, die medizinischen Wertungen der Krankenhausärzte zu widerlegen. Diese Einwendungen kann die Krankenkasse aber nur solange geltend machen, wie die Krankenhäuser damit rechnen müssen.

42

Auch der KBV ist auf eine zeitnahe Durchführung des Überprüfungsverfahrens ausgerichtet. Dies geht aus verschiedenen Vorschriften des rheinland-pfälzischen KBV hervor. So fordert nach § 4 Absatz 4 KBV das Krankenhaus für Patienten, die bei der Aufnahme noch keine Kostenübernahmeerklärung vorweisen, eine solche unverzüglich bei der zuständigen Krankenkasse an. Die Krankenkasse teilt unverzüglich mit, ob sie die Kosten übernimmt oder aus welchen Gründen sie die Kostenübernahme ablehnt.  Nach § 7 Absatz 1 KBV ist der Krankenkasse spätestens am dritten Werktag nach der Aufnahme die Aufnahmeanzeige zuzusenden. Ebenso ist nach § 7 Absatz 2 KBV die Entlassanzeige spätestens am dritten Werktag nach dem Verlassen zu übersenden. Nach § 9 Absatz 1 Satz 1 KBV wird die Rechnung der Krankenkasse in der Regel innerhalb von 14 Kalendertagen nach der Entlassung übersandt. Diese ist nach § 9 Absatz 6 Satz 1 KBV von der Krankenkasse innerhalb von 14 Kalendertagen nach Rechnungseingang zu zahlen. Nach § 9 Absatz 8 KBV gelten vorstehende Regelungen als zeitnahe Regelungen nach § 17 Absatz 1 Satz 3 BPflV. Mitteilungen nach § 12 Absatz 2 KBV müssen unverzüglich erfolgen.

43

Der Vertrag nach § 112 Absatz 2 Nr.2 SGB V über die Überprüfung zur Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung ist insgesamt vom Bestreben einer zeitnahen Klärung von Zweifelsfragen getragen. In den Schlussbemerkungen zu den Erläuterungen und Umsetzungshinweisen zu diesem Vertrag heißt es denn auch, das Verfahren sei im Interesse der Beteiligten zügig durchzuführen.

44

Dies zeigt, dass auch die rheinland-pfälzischen Vertragsparteien von einer zügigen Abwicklung des Überprüfungsverfahrens ausgegangen sind. Der Grund hierfür ist dem vergleichbar, den das BSG für die Berliner Verträge herausgearbeitet hat. Es soll nicht ein Gutachter nachträglich allein auf schriftliche Dokumentationen angewiesen sein, sondern vor allem die anschauliche Beurteilung des laufenden Falles oder die frische Erinnerung des behandelnden Krankenhausarztes im Zusammenwirken mit dem Vertreter des MDK nutzbar sein. Dies ist der beste Weg, aufgekommene Zweifel möglichst rasch und unbürokratisch auszuräumen. Lange Zeit nach einem Behandlungsfall verschlechtert sich die Beweislage des Krankenhauses und erhöht seinen Aufwand. Die Einleitung des Verfahrens unter Einschaltung des MDK ist deshalb spätestens dann notwendig, wenn die Krankenkasse nach Vorlage der Rechnung und dem Fälligwerden der geforderten Vergütung Zweifel an der Behandlungsnotwendigkeit hat. Unterlässt sie dies, so ist sie nach Treu und Glauben mit solchen Einwendungen endgültig ausgeschlossen, die bis dahin geltend gemacht werden konnten (vgl. BSG, 13.12.2001 – B 3 KR 11/01 R-).

45

Grundsätzlich muss danach die Krankenkasse innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungseingang ein Überprüfungsverfahren wenigstens einleiten (so zumindest auch BSG, 24.9.2003 – B 8 KN 2/02 KR R -, wobei das BSG offenbar sogar substantiierte Einwendungen innerhalb der Zahlungsfrist verlangt). Die Kammer ist also nicht der Auffassung, dass innerhalb der 14-Tagesfrist eine substantiierte Einwendung bereits vorliegen muss. Eine solche Verpflichtung wäre kaum zu erfüllen, sie ergibt sich auch nicht aus den vertraglichen Bestimmungen für Rheinland-Pfalz. Zu bedenken ist vor allem, dass in zahlreichen Fällen aus den der Krankenkasse vorliegenden Daten (Aufnahme-, Entlassungsanzeige, Rechnung, Kostenübernahmeantrag) Zweifel an der Behandlungsnotwendigkeit nicht ersichtlich sind. Mindestens in diesen Fällen kann also eine substantiierte Einwendung innerhalb von 14 Tagen nicht erwartet werden.

46

Hat die Krankenkasse ein Überprüfungsverfahren innerhalb von 14 Tagen nicht einmal eingeleitet, kann sie allerdings später keine Einwendungen mehr geltend machen. Die 14-Tagesfrist zur Einleitung des Prüfungsverfahrens ergibt sich aus dem rheinland-pfälzischen KBV. Wenn die Krankenkassen im Grundsatz verpflichtet sind, Rechnungen innerhalb von 14 Tagen zu begleichen, ist es auch geboten, innerhalb dieser Zeit eine Prüfung der Krankenhausbehandlung einzuleiten. Die 14-tägige Zahlungsfrist soll den Krankenkassen die Möglichkeit geben, die Rechnung auf offenkundige Abrechnungsfehler zu überprüfen. Dies ist dann aber auch der passende Zeitrahmen, die Rechnung im Übrigen einer Prüfung zu unterziehen. Es gibt keinen sachlichen Grund, die Rechnung zu begleichen, sie dann abzuheften und zu einem beliebigen Zeitpunkt später nochmals zu überprüfen. Dem steht auch § 9 Absatz 6 Satz 4 KBV nicht entgegen. Zwar heißt es dort, Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art könnten auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht und Differenzbeträge verrechnet werden. Dies steht der Auslegung des Vertrages durch die Kammer aber nicht entgegen, weil § 9 Absatz 6 Satz 4 KBV zur Einleitung des Verfahrens kein Wort verliert. Auch die Kammer geht, wie ausgeführt, davon aus, dass eine substantiierte Einwendung innerhalb von 14 Tagen nicht zu erwarten ist.

47

Vorliegend  hat die Klägerin ihrerseits erheblich verspätet einen Verlängerungsantrag gestellt. Einen Tag darauf hat die Beklagte eine Begutachtung des Falles eingeleitet, die mit einer substantiierten Einwendung durch den MDK geendet hat. Die MDK-Stellungnahme wurde etwa drei Monate nach Rechnungserstellung abgegeben. Bei dieser Sachlage geht die Kammer von keiner verspäteten Erschütterung der medizinischen Bewertung durch die behandelnden Krankenhausärzte aus. Bei frühzeitiger Einleitung des Prüfungsverfahrens steht es nicht allein im Ermessen der Beklagten, in welcher Geschwindigkeit die gutachterliche Stellungnahme erfolgt, weil in aller Regel noch einige Zeit vergeht, bis die maßgeblichen Unterlagen übersandt worden sind.

48

Die Kammer kann daher an dieser Stelle offen lassen, ob nicht die Klägerin schon deshalb mit ihrem Anspruch ausgeschlossen ist, weil sie ihre Rechnung unter Verstoß gegen § 9 Absatz 1 Satz 1 KBV erst über zwei Monate nach Beendigung der stationären Behandlung erstellt und übersendet hat. Auch § 9 Absatz 1 Satz 1 KBV dient einer zügigen Abwicklung des Prüfungsverfahrens, die bei erheblich verspäteter Rechnungsübersendung nicht mehr im erwünschten Maße erreicht werden kann.

49

Die Einwendungen sind zeitnah und auch substantiiert und einzelfallbezogen. Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Klägerin, die MDK-Stellungnahme sei inhaltsleer. Der MDK-Gutachter hat, wie das spätere Gutachten bestätigt hat, den Hauptmangel der Behandlung, die Durchführung eines Langzeit-EKG erst am 21.6.2001, exakt aufgezeigt. Die Kammer kann auch nicht erkennen, dass diese Einschätzung auf einer unzureichenden Beurteilungsgrundlage erfolgt wäre. Dem MDK standen Entlassungsbericht, Kopien der Fieberkurve, der Pflegedokumentation und der Diabeteskurve zur Verfügung. Der Vortrag der Klägerin ist nicht substantiiert, weil sie nicht darlegt, welche Unterlagen nicht herangezogen worden sind und weil sie nicht ausführt, dass eine vollständigere Anforderung von Unterlagen zu einer anderen, für die Klägerin positiven Bewertung des Falles geführt hätte. 

50

In diesem Zusammenhang ist schließlich festzustellen, dass das Prüfungsverfahren entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur zeitnah, sondern auch ordnungsgemäß eingeleitet worden ist. Die Kammer stellt dabei fest, dass an die Art der Durchführung des Prüfungsverfahrens keine strengen Anforderungen zu stellen sind. Maßgeblich ist nach den Feststellungen des BSG die Zeitnähe der Prüfung. Die übrigen Anforderungen insbesondere des Vertrages nach § 112 Absatz 2 Nr.2 SGB V über die Überprüfung zur Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung stellen für die Kammer keine zwingenden Vorgaben dar, deren Nichterfüllung automatisch zur Unbeachtlichkeit der Einwendungen führt. Richtig ist zwar, dass zunächst ein Kurzbericht anzufordern ist, ehe der MDK mit einer Prüfung beauftragt werden soll. Hierzu ist aber anzumerken, dass nach den Erläuterungen und Umsetzungshinweisen zu § 1 und § 2 Absatz 1 die Anforderung des Kurzberichts in erster Linie den Krankenkassen und der Entlastung des MDK dienen soll. Der Verzicht auf den Kurzbericht trifft daher in erster Linie den MDK, nicht aber die Klägerin, die im Gegenteil sogar noch von der Belastung, einen (zusätzlichen) Kurzbericht anzufertigen, befreit wird. Ferner ist anzumerken, dass nicht jeder Verstoß gegen Formvorschriften automatisch einen Anspruchsverlust auf der einen und einen Einwendungsverlust auf der anderen Seite nach sich zieht. Diese Rechtsfolgen müssen ihrerseits durch einen sachlichen Grund begründbar sein. Der Einwendungsausschluss durch Zeitablauf ist begründbar, weil die nicht zeitnahe Einleitung eines Prüfungsverfahrens in aller Regel zu Beweisschwierigkeiten führt, die durch nachträgliche Akteneinsicht allein nicht behoben werden können. Einen derartigen sachlichen Grund kann die Kammer für die von der Klägerin gerügten Verstöße nicht erkennen. Ob auf dem Formular an den MDK vom 14.8.2001 „medizinische Vorberatung“ steht, ist insoweit unmaßgeblich, als durch den MDK eine Überprüfung des kompletten Krankenhausaufenthaltes vorgenommen worden und auf dieser Grundlage eine substantiierte Stellungnahme erfolgt ist.

51

Die Kammer muss daher an dieser Stelle nicht jede einzelne Folge jeden einzelnen Verstoßes aufführen. Die Vorgehensweise der Beklagten im vorliegenden Einzelfall führt jedenfalls nicht dazu, dass die Beklagte mit ihren Einwendungen ausgeschlossen wäre.

52

Die Einwendungen, die von der Kammer mangels einer unbedingten Pflicht zur Begleichung einer Rechnung auch zu beachten sind, sind somit zeitnah, substantiiert und bei der gebotenen großzügigen Auslegung auch ordnungsgemäß geltend gemacht worden. Die im gerichtlichen Verfahren anzustellenden Ermittlungen haben ergeben, dass der stationäre Krankenhausaufenthalt nicht in vollem Umfang vertretbar gewesen ist.

53

Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

54

Ein Zinsanspruch besteht nicht.

55

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Absatz 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Absatz 1 VwGO und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

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