Urteil vom Sozialgericht Speyer (15. Kammer) - S 15 R 189/10

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen. Diese tragen ihre Kosten selbst.

3. Der Streitwert wird auf 4.106,23 € festgesetzt.

Tatbestand

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Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für an die Beigeladenen zu 1) bis 4) vom 01.06.2003 bis zum 30.11.2007 neben der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub beitragsfrei gezahlten Lohnzuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit rechtmäßig in Anspruch genommen worden ist.

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Die Klägerin beschäftigt die Beigeladenen seit längerer Zeit. Ausweislich der abgeschlossenen Arbeitsverträge wurde zwischen der Klägerin und den Beigeladenen ein fester Stundenlohn und die Zahlung von Lohnzuschlägen für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit vereinbart. Seit dem 01.01.2004 betrug die monatliche Arbeitszeit einheitlich 169 Stunden. Die Klägerin zahlte den Beigeladenen die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit auch für Zeiten aus, in denen diese wegen Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erhielten und in denen diese Urlaub hatten.

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In dem Zeitraum vom 13.12.2007 bis zum 16.07.2008 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 01.06.2003 bis zum 30.11.2007 durch. Ausweislich des Schlussprotokolls vom 30.07.2008 teilte sie der Klägerin mit, dass anhand der vorgelegten Unterlagen und Berechnungen nicht schlüssig nachgewiesen worden sei, dass die ausgezahlten Zuschläge die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach § 3b Einkommenssteuergesetz [EStG] dem Grunde und der Höhe nach erfüllen. Zudem seien die Lohnzuschlage auch bei Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und während des Erholungsurlaubes gezahlt worden. Für diese sozialversicherungspflichtigen Zuschläge würden die Beiträge nachberechnet. Mit Schreiben vom 11.08.2008 hörte die Beklagte die Klägerin zu der beabsichtigten Nachforderung in Höhe von 11.469,66 € an. In ihrem Schreiben vom 26.08.2008 führte die Klägerin aus, dass die Arbeitszeit von 169 Stunden monatlich von keiner Beigeladenen überschritten worden sei. Durch die Dokumentation der Beigeladenen für jeden Monat werde gewährleistet, dass Zuschlage neben dem Grundlohn tatsächlich nur für die geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeiten gezahlt werden und keine allgemeinen Gegenleistungen für andere Arbeitsleistungen darstellen. Der Arbeitgeber sei verpflichtet Entgeltfortzahlung im Krankheits- und Urlaubsfall an die Arbeitnehmer zu zahlen. Der Gesetzgeber sehe dies anscheinend anders, so dass bei der Beitragspflicht für Zuschläge im Krankheits- und Urlaubsfall Kompromissbereitschaft bestehe.

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Mit Bescheid vom 29.08.2008 forderte die Beklagte von der Klägerin die Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 11.498,66 €. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich bei den gezahlten Lohnzuschlägen um beitragspflichtige Lohnzuschläge handele.

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Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung wiederholte sie ihr Vorbringen aus der schriftlichen Anhörung und legte eine Bestätigung der Beigeladenen vor, dass diese in der Zeit vom 13.12.2007 bis zum 16.07.2008 zu keiner Zeit mehr als 169 Stunden im Monat bei der Klägerin gearbeitet haben. Zudem führte die Klägerin aus, dass nach einem Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 14.01.2009 (Az.: 5 AZR 89/08) diese Zuschläge auch im Krankheitsfall nicht beitragspflichtig seien.

6

Mit Bescheid vom 16.11.2009 setzte die Beklagte die Nachforderung auf 4.106,23 € herab. Zur Begründung führte sie aus, dass im Rahmen des Widerspruches glaubhaft gemacht worden sei, dass es sich bei einem Teil der mit Zuschlägen belegten Zeiten nicht um etwaige Überstunden handelte, sondern um vertraglich geschuldete Arbeitszeiten mit Zuschlägen neben dem entsprechenden Grundlohn. Daher bestand für diese, nunmehr für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlten Zuschläge, Steuer- und Beitragsfreiheit, so dass der Bescheid entsprechend korrigiert worden sei. Hinsichtlich der weiterhin strittigen Beitragspflicht von Zuschlägen für Zeiten der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder während des Erholungsurlaubes werde die Sache der Widerspruchsstelle zur Entscheidung vorgelegt.

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Mit Bescheid vom 08.02.2010 wies die Beklagte den Widerspruch - soweit ihm nicht durch Bescheid vom 16.11.2009 abgeholfen wurde - zurück und versagte eine Kostenerstattung. Zur Begründung führte sie aus, dass Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt würden, teilweise steuerfrei und damit in der Folge auch beitragsfrei seien. Steuerfrei seien jedoch nur Zuschläge für tatsächlich geleistete Arbeit. Bei den Zuschlägen für Zeiten der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder während des Erholungsurlaubes handele es sich nicht um steuerfreie Zuschläge, da während dieser Zeit eben keine tatsächliche Arbeitsleistung erfolge. Eine Kostenerstattung scheide aus, da die Klägerin die entscheidenden Unterlagen erst im Widerspruchsverfahren vorgelegt habe.

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Mit der am 02.03.2010 bei dem Sozialgericht Speyer erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung führt sie aus, dass sich die Steuerfreiheit für Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit aus § 3b EStG ergebe. Das BAG habe entschieden, dass diese Zuschläge auch für Zeiten der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall weiter zu gewähren seien. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich die Steuerfreiheit nicht auch auf diese Zuschläge zu erstrecken.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 29.08.2008 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 16.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 08.02.2010 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist sie auf den Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus, dass die Klägerin die Nachzahlung der Lohnsteuer auf die Zuschläge akzeptiert habe.

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Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, sowie der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Der Bescheid der Beklagten vom 29.08.2009 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 16.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 08.02.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte war berechtigt für die vom 01.06.2003 bis zum 30.11.2007 in Zeiten von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaub gezahlten Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit Sozialversicherungsbeiträge nachzufordern, da es sich hierbei um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt handelt.

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Den Umfang der Beitragspflicht bei versicherungspflichtigen Beschäftigten liegt für alle Zweige der Sozialversicherung, dass heißt für die Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung, das Arbeitsentgelt zugrunde. Im hier streitigen Zeitraum vom 01.06.2003 bis zum 30.11.2007 ergab sich dies aus § 226 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V], aus § 162 Nr. 1 SGB VI, aus § 342 SGB III und aus § 57 Abs. 1 SGB XI.

19

Arbeitsentgelt sind gemäß § 14 Abs. 1 SGB VI alle laufenden und einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Im Hinblick auf einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, bestimmt § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV, dass durch Rechtsverordnung bestimmt werden kann, diese ganz oder teilweise nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen. Dabei ist eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Nach § 1 der Verordnung über die Bestimmung des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung (Arbeitsentgeltverordnung – [ArEV], die im Zeitraum vom 1. Januar 1990 bis zum 30. Juni 2006 galt und deshalb hier teilweise anwendbar ist), sind einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus § 3 dieser Verordnung – die hier keine Anwendung findet – nichts Abweichendes ergibt. Das gleiche ergibt sich für den nachfolgenden Zeitraum aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (Sozialversicherungsentgeltverordnung - [SvEV]), wenn das Entgelt auf dem die Zuschläge berechnet werden nicht mehr als 25 Euro für jede Stunde beträgt.

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Für Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit regelt § 3b Einkommenssteuergesetz [EStG], eine Steuerfreiheit nur für Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, die neben dem Grundlohn gezahlt werden, soweit sie u.a. für Nachtarbeit 25 v.H. (Nr. 1), für Sonntagsarbeit 50 v.H. (Nr. 2) und für Feiertagsarbeit 125 vom v.H. des Grundlohns nicht übersteigen.

21

Grundlohn ist nach § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen. Laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt, z.B. Monatsgehälter, Wochen- und Tageslohn (vgl. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Kommentar, § 3b Rn. B 5).

22

Ausweislich der sich in der Verwaltungsakte befindlichen Arbeitsverträge hatten die Beigeladenen zu 1) bis 4) einen Anspruch auf Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Diese Zuschläge zahlte die Klägerin auch für Zeiten in denen die Beigeladenen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erhielten oder im Urlaub waren. Somit wurden die Zuschläge auch für solche Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt, die von den Beigeladenen nicht tatsächlich geleistet wurde.

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Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3b Abs. 1 EStG und der ständigen Rechtssprechung des Bundesfinanzhofs sind Zuschläge dieser Art jedoch nur steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Arbeit gezahlt werden (vgl. BFH, Beschluss vom 02.03.2005, Az.: IX B 166/03; BFH, Beschluss vom 27.05.2009, Az.: VI B 69/08, Rn. 3 nach juris; FG Hamburg, Urteil vom 02.02.2011, Az.: 6 K 151/10, Rn. 24 nach juris). Die Steuerfreiheit der Zuschläge soll dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen gewährt werden, die mit dieser Arbeit zu besonderen Zeiten verbunden sind. Fallen diese Zuschläge jedoch an, ohne das die erschwerte Arbeit tatsächlich geleistet wird, gibt es auch nach dem Zweck des Gesetzes keinen Grund diese steuerfrei zu stellen. Dies bedeutet, dass die Zuschläge, die für tatsächlich nicht geleistete Arbeit gezahlt werden, Arbeitsentgelt nach § 14 SGB IV darstellen und somit bei der Berechnung des Sozialversicherungsbeitrages zu berücksichtigen sind. Die Regelungen in § 1 Abs. 1 Nr. 1 SvEV (bzw. § 1 ArEV) knüpfen eindeutig an die Lohnsteuerfreiheit der Zuschläge an. Nur Zuschläge, die lohnsteuerfrei sind, sind nicht dem Arbeitsentgelt hinzuzurechnen. Dies entspricht auch dem Auftrag aus § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, wonach bei der Gestaltung der entsprechenden Verordnungen eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen ist. Etwas anderes lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes herleiten. Dieses hat in seinem Urteil vom 14.01.2009 (Az.: 5 AZR 89/08) entschieden, dass die Entgeltfortzahlung für wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ausgefallene Feiertagsarbeit die entsprechenden Zuschläge mit einschließe, wobei dies auch für Sonntagszuschläge gelte. Damit hat das BAG jedoch nicht entschieden, dass auch diese Zuschläge dann lohnsteuerfrei bzw. beitragsfrei sein sollen. Vielmehr hat das BAG festgehalten, dass die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen es nicht rechtfertigen, das vereinbarte Entgelt wie Aufwendungsersatz zu behandeln (BAG, aaO, Rn. 13 nach juris). Es komme nach dem BAG für die Bemessung des fortzahlungspflichtigen Entgeltes nicht darauf an, ob und in welcher Höhe das vereinbarte Entgelt oder Teile davon steuerfrei und in der Sozialversicherung beitragsfrei sind. Das BAG hat somit erkennbar keine Entscheidung über die Steuer- oder Beitragsfreiheit treffen wollen, sondern nur herausgearbeitet, dass der Arbeitgeber auch dann die Zuschläge schuldet, wenn diese nicht steuerfrei sind.

24

Es ist somit nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Zuschläge, die für nicht tatsächlich geleistete Arbeit gezahlt wurden, bei der Berechnung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages berücksichtigt hat. Die Berechnung der nachgeforderten Sozialversicherungsbeiträge ist von der Klägerin nicht beanstandet worden und für das Gericht waren keine Fehler ersichtlich.

25

Der Bescheid vom 29.08.2008 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 16.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 08.02.2010 ist somit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

26

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

27

Die Kostenentscheidung beruht aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO].

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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz [GKG].

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