Urteil vom Sozialgericht Speyer (7. Kammer) - S 7 KR 482/13

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Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 162.488,70 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2013 zu zahlen und der Klägerin ordnungsgemäße Rechnungen über die Arzneimittellieferungen im Zeitraum vom 01.03.2010 bis einschließlich 31.12.2012 zu erteilen, welche die von Art. 226 MwStSystRL geforderten Angaben enthalten.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Tatbestand

1

Die klagende Krankenkasse nimmt die beklagte, in den Niederlanden ansässige Apotheke auf Rückzahlung der Umsatzsteuer sowie auf Erteilung ordnungsgemäßer Rechnungen für Arzneimittellieferungen an Versicherte der Klägerin in Anspruch.

2

Die Beklagte ist zum 01.02.2010 dem zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und dem Deutschen Apothekerverband e.V. gemäß § 129 Abs. 2 SGB V geschlossenen Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung (nachfolgend: Rahmenvertrag) nach § 2b Abs. 2 Rahmenvertrag beigetreten. Ab März 2010 lieferte die Beklagte im Wege des Versandhandels Arzneimittel an Versicherte der Klägerin. Über die von der Beklagten als Abrechnungsstelle beauftragte A… Apotheken-Verrechnungsstelle Dr. C… … GmbH & Co. KG (O…) stellte die Beklagte der Klägerin im Zeitraum von März 2010 bis einschließlich Dezember 2012 Abrechnungsbeträge für Arzneimittellieferungen in Rechnung, die die Klägerin mit 2.010.226,91 € beziffert (vgl. Anlagenkonvolut K2 zur Klageschrift vom 05.07.2013). Die Abrechnungsbeträge wurden dabei jeweils ermittelt, indem von den in den Rechnungen aufgeführten Bruttowerten („Brutto“-Beträge) der gesetzliche Apothekenrabatt, die (gesetzlichen und vertraglichen) Herstellerrabatte, die Eigenbeteiligung der Versicherten sowie die Zuzahlung der Versicherten abgezogen wurden.

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Mit Schreiben vom 12.07.2012 bat die Klägerin die Beklagte um die Angabe der deutschen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Beklagten, die Vorlage einer Bestätigung, dass die Beklagte ihrer Steuerpflicht gegenüber einem deutschen Finanzamt nachkommt, die Benennung des Finanzamts, an das die Umsatzsteuer abgeführt wird und der entsprechenden Steuernummer. Des Weiteren forderte sie die Vorlage eines Nachweises über die tatsächliche Abführung der Umsatzsteuer sowie einer Bestätigung der jeweiligen zuständigen niederländischen bzw. deutschen Finanzbehörde, dass diese Behörden mit der Anwendung der Vereinfachungsregelung nach Abschnitt 1a.2 Abs. 14 Satz 2 UStAE einverstanden sind. Hierfür setzte die Klägerin der Beklagten eine Frist bis zum 26.07.2012 und wies darauf hin, dass die Klägerin bei nicht rechtzeitiger Vorlage dieser Dokumente eine Retaxierung der bisherigen und künftigen Arzneimittelabrechnungen der Beklagten vornehmen werde.

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Mit Schreiben vom 23.07.2012 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin ihre deutsche Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie ihre deutsche Steuernummer mit und gab an, dass sie ihre Umsätze entsprechend den gesetzlichen Verpflichtungen erkläre und monatliche Umsatzsteuer-Voranmeldungen an das für sie zuständige Finanzamt Kleve übermittle, welches ihr gegenüber Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide erlasse bzw. die Jahressteuerfestsetzung vornehme. Mit Schreiben vom 25.07.2012 übersandte die Beklagte der Klägerin zudem in Kopie eine Mitteilung des Finanzamts K… vom 06.06.2008 betreffend die umsatzsteuerrechtliche Erfassung der Beklagten sowie Kopien der seitens des Finanzamts K… gegenüber der Beklagten ergangenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für den Monat Februar 2010 vom 29.04.2010 und für den Monat April 2012 vom 12.07.2012.

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Eine Bescheinigung über die Anwendung der Vereinfachungsregelung nach Abschnitt 1a.2 Abs. 14 Satz 2 UStAE (a.F.) legte die Beklagte jedoch nicht vor.

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Mittels ihrer Abrechnungsstelle behielt die Klägerin die von der Beklagten - für die Monate Juni 2012 und Juli 2012 an Versicherte der Klägerin erbrachten Arzneimittellieferungen (unter Abzug des Apothekenrabatts, der Herstellerrabatte und der Zuzahlungen der Versicherten) - in Rechnung gestellten Beträge in Höhe von 187.526,27 € (Juni 2012) bzw. 19.685,63 € (Juli 2012) vollständig ein. Eine Reaktion der Beklagten hierauf erfolgte nicht.

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Dies sei nach dem Vortrag der Klägerin erfolgt, da die Klägerin aus den von der Beklagten übersandten Unterlagen nicht habe ersehen können, ob für die mit ihr getätigten Umsätze die vollständige Umsatzsteuer an das zuständige Finanzamt abgeführt wurde und die Beklagte auch in der Folgezeit keine Bescheinigung bezüglich einer Anwendung der Vereinfachungsregelung des Abschnitts 1a.2 Abs. 14 Satz 2 UStAE (a.F.) vorgelegt habe.

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Mit Schreiben vom 01.10.2012 bat die Klägerin die Beklagte um Mitteilung, ob sich an dem im Schreiben vom 23.07.2012 zum Ausdruck gekommenen Sachstand etwas geändert habe und die Beklagte ihr zusätzliche aktuelle Unterlagen zur Verfügung stellen könne.

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Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 02.10.2012 mit, dass die vollumfängliche Unterwerfung der gemeldeten Umsätze der Beklagten, welche die Klägerin anhand des zugesandten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides für April 2012 habe nachvollziehen können, sich auch im Vorauszahlungszeitraum Mai 2012 wiederholt habe und fällige Zahllasten - soweit sich solche aus der Steuerfestsetzung ergeben hätten - an das Finanzamt abgeführt worden seien. Zudem sei das Modell „Vorteil 24“, in das die Beklagte eingebunden gewesen sei, mittlerweile eingestellt worden. Künftige Abrechnungen zwischen der Klägerin und der Beklagten seien daher wohl nicht mehr zu erwarten, so dass die zwischenzeitlich geäußerte Ansicht der Finanzverwaltung, die Umsätze mit den gesetzlichen Krankenkassen seien nicht in Deutschland steuerbar, kaum mehr eine Rolle spielen dürfte.

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Gleichwohl kam es auch in der Folgezeit zu weiteren, jedoch deutlich geringeren Arzneimittelabrechnungen gegenüber der Klägerin seitens der Beklagten. Die insofern von der Beklagten für die Monate August, Oktober und November 2012 in Rechnung gestellten Beträge behielt die Klägerin - wie auch schon in den Vormonaten - vollständig ein; für September erfolgte keine Arzneimittelabrechnung der Beklagten.

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Mit Schreiben vom 21.12.2012 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie insbesondere aufgrund des Umstands, dass die Beklagte es nicht vermocht habe, eine Bescheinigung über die Anwendung der Vereinfachungsregelung des Abschnitts 1a.2 Abs. 14 Satz 2 UStAE (a.F.) beizubringen, davon ausgehe, dass die Beklagte für ihre Arzneimittellieferungen zulasten der Klägerin keine Umsatzsteuer in Deutschland abgeführt und die in den Abrechnungsbeträgen rechnerisch enthaltenen Umsatzsteuerbeträge somit zu Unrecht abgerechnet habe. Sie forderte die Beklagte daher unter Klageandrohung auf, die in der Zeit von Januar 2010 bis Oktober 2012 zu Unrecht abgerechneten - rechnerisch in den Abrechnungspreisen für die Arzneimittellieferungen an Versicherte der Klägerin enthaltenen - und von der Beklagten vereinnahmten Umsatzsteuerbeträge in Höhe von 385.513,74 € abzüglich der bereits einbehaltenen Rechnungsbeträge für Juni bis Oktober 2012 in Höhe von 183.961,78 € - mithin also 201.551,96 € - bis spätestens 18.01.2013 zu zahlen. Des Weiteren forderte die Klägerin die Beklagte auf ihr für die Abrechnungsmonate von Januar 2010 bis einschließlich Oktober 2012 entsprechend der Rechtslage berichtigte Rechnungen zu erteilen, wobei die Klägerin damals irrtümlich davon ausging, dass die Beklagte ihr gegenüber bereits seit Januar 2010 abrechnet; tatsächlich rechnet die Beklagte erst seit März 2010 gegenüber der Klägerin ab.

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Die Beklagte kam diesen Aufforderungen nicht nach. Mit Schreiben vom 11.01.2013 teilte sie der Klägerin mit, dass der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht bestehe. Denn zum einen habe das zuständige Finanzamt bis einschließlich des Voranmeldungszeitraums Mai 2012 die von der Beklagten gemeldeten Umsätze vollumfänglich der deutschen Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz von 19 % unterworfen - wobei diese Besteuerung jedoch nicht auf der Anwendung der Vereinfachungsregelung gemäß Abschnitt 1a.2 Abs. 14 UStAE (a.F.) beruhe - und etwaige sich hieraus ergebende fällige Zahllasten seien von der Beklagten an das Finanzamt abgeführt worden. Zum anderen liege eine Bruttopreisabsprache vor, die zur Folge habe, dass die Klägerin - nicht zuletzt zur Gewährung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises - zur Abrechnung des gleichen Preises berechtigt sei, den eine inländische Apotheke abrechnen könnte. Dies gelte unabhängig davon, ob die Klägerin ihrerseits auf den Abrechnungsbetrag (einschließlich des rechnerisch enthaltenen Umsatzsteuerbetrags) Umsatzsteuer schulde. Des Weiteren bestehe auch keine Pflicht der Beklagten zur Korrektur von Rechnungen. Aus den von ihr genannten Gründen sehe die Beklagte auch keinen Anlass für die bis dato von der Klägerin vorgenommenen Einbehaltungen aus den monatlichen Arzneimittelabrechnungen und forderte ihrerseits die Klägerin auf, bis spätestens 01.02.2013 sämtliche Außenstände zu begleichen.

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Die Klägerin kam dieser Aufforderung ebenfalls nicht nach. Sie behielt auch den von der Beklagten für den Monat Dezember 2012 in Rechnung gestellten Betrag vollständig ein. Insgesamt behielt die Klägerin Rechnungsbeträge in Höhe von 208.241,51 € ein.

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Am 08.07.2013 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Speyer erhoben.

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Mit Beschluss der Kammer vom 28.07.2014 hat sich das SG Speyer für das Klageverfahren für örtlich zuständig erklärt, nachdem die Beklagte beantragt hatte festzustellen, dass das SG Speyer örtlich unzuständig ist.

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Die Klägerin trägt vor, dass ihr ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegen die Beklagte in der geltend gemachten Höhe zustehe, da die Beklagte die Zahlungen der rechnerisch in den Abrechnungsbeträgen enthaltenen Umsatzsteuerbeträge ohne Rechtsgrund erlangt habe. Die von der Beklagten angesetzten „Brutto“-Beträge, die bei der Berechnung der Abrechnungsbeträge als Ausgangsgröße gedient hätten, hätten der Höhe nach grundsätzlich jeweils den einheitlichen Apothekenabgabepreisen nach §§ 78 Abs. 2 und 3 AMG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) einschließlich Umsatzsteuer entsprochen und sich bis einschließlich Dezember 2012 auf insgesamt 2.351.331,27 € belaufen. Unter Außerachtlassung der umsatzsteuerrechtlich als Entgeltminderung zu behandelnden Apothekenrabatte in Höhe von 29.389,42 € hätten die Abrechnungsbeträge demnach rechnerisch einen Umsatzsteueranteil von insgesamt 370.730,21 € (dies entspreche 19/119 von 2.321.941,85 €) enthalten. Die Abrechnungen seien jedoch ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis erfolgt. Die Beklagte selbst sei keine Umsatzsteuerschuldnerin in Bezug auf die an die Klägerin erbrachten Arzneimittellieferungen. Ihr stehe unter Zugrundelegung von Sinn und Zweck der Arzneimittelpreisverordnung daher keine Umsatzsteuer zu. Ausländische Apotheken seien nach § 2b Abs. 2 des Rahmenvertrages berechtigt, auf der Grundlage des § 78 Abs. 3 AMG bezogene, für den Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes zugelassene und in der Großen Deutschen Spezialitätentaxe (so genannte Lauer-Taxe) als preisgebunden ausgewiesene Fertigarzneimittel zu Lasten der Krankenkassen abzurechnen. Auf der Grundlage des § 78 AMG sei die AMPreisV erlassen worden. Der Apothekenabgabepreis bei der hier einschlägigen Abgabe von Fertigarzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, setze sich nach § 3 Abs. 1 AMPreisV grundsätzlich aus einem Festzuschlag von 3 % auf den nach § 3 Abs. 2 AMPreisV ermittelten Betrag zuzüglich eines Betrages von (im streitgegenständlichen Zeitraum) 8,10 € sowie der Umsatzsteuer zusammen. Dabei ergebe sich aus dem Zweck der AMPreisV, im Bereich der zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnungsfähigen verschreibungspflichtigen Arzneimittel dem versicherten Personenkreis einen einheitlichen Apothekenabgabepreis zu gewährleisten sowie einen ruinösen Preiswettbewerb zwischen den Apotheken zu verhindern, so dass die Umsatzsteuer nur dann und insoweit Preisbestandteil des Apothekenabgabepreises sein könne, als sie auch tatsächlich bei der abgebenden Apotheke anfällt. Ob und inwieweit tatsächlich Umsatzsteuer anfällt, bestimme sich aber weder nach § 78 AMG noch nach der AMPreisV, sondern allein nach den Vorschriften des Umsatzsteuerrechts. Lieferungen von Arzneimitteln durch Apotheken, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässig sind, stellten regelmäßig eine - im jeweiligen Mitgliedstaat für die betreffende Apotheke umsatzsteuerfreie - innergemeinschaftliche Lieferung dar (vgl. Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL). Die Umsatzsteuer entstehe hierbei grundsätzlich auf Ebene der als Leistungsempfänger anzusehenden Krankenkasse, die nach § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Nr. 5, 1a UStG Steuerschuldner in Bezug auf einen sogenannten innergemeinschaftlichen Erwerb sei. Die Umsatzsteuer entstehe in diesen Fällen also gerade nicht bei der abgebenden, im EU-Ausland ansässigen Apotheke, sondern bei der gesetzlichen Krankenkasse selbst. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20.05.2015 (XI R 2/13). In dieser Entscheidung habe sich der BFH mit der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Arzneimittellieferungen (im konkreten Fall der Beklagten) an privat und gesetzlich krankenversicherte Personen in Deutschland auseinanderzusetzen gehabt. Der BFH habe dabei zunächst generell festgehalten, dass Leistungsempfänger nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich derjenige sei, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet werde. Bei gesetzlich Krankenversicherten finde bei der Lieferung rezeptpflichtiger (erstattungsfähiger) Arzneimittel bei Abschluss eines zwischen den Apotheken und den gesetzlichen Krankenversicherungen geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrages nach § 129 SGB V oder eines öffentlich-rechtlichen Einzelvertrages gemäß § 140e SGB V zwischen der Apotheke als leistendem Unternehmer und der GKV als Leistungsempfänger ein Leistungsaustausch statt, wobei der Kunde das Medikament in Erfüllung des Versicherungsvertrages von seiner GKV als Sachleistung gemäß § 2 Abs. 2 SGB V erhalte (sog. Sachleistungsprinzip, BFH a.a.O., Rn. 42). Für das vorliegende Verfahren gelte die oben genannte Aussage des BFH, dass der umsatzsteuerrechtliche Leistungsaustausch zwischen der Beklagten als leistender Unternehmerin und der Klägerin als Leistungsempfängerin stattfinde. Denn das vorliegende Verfahren beziehe sich auf Arzneimittellieferungen der Beklagten, die diese nach ihrem Beitritt zum Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung erbracht habe. Die bisherige Argumentation der Klägerin, dass sich die streitgegenständlichen Arzneimittellieferungen auf Seiten der Beklagten als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen und auf Seiten der Klägerin als umsatzsteuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe darstellten, werde durch das Urteil des BFH vom 20.05.2015 somit bestätigt. Wenn die Apotheke aber keine Umsatzsteuer schulde, könne die Umsatzsteuer auch nicht Preisbestandteil des Apothekenabgabepreises nach § 78 AMG i.V.m. § 3 AMPreisV sein. § 3 AMPreisV könne nur so auszulegen sein, dass die Umsatzsteuer nur dann und nur in der Höhe Bestandteil des Apothekenabgabepreises werde, wenn und soweit der Lieferant sie auch tatsächlich schuldet. Andernfalls hätten ausländische Apotheken einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber inländischen Apotheken und die gesetzlichen Krankenkassen müssten bei wirtschaftlicher Betrachtung zweimal Umsatzsteuer auf die von Apotheken mit Sitz im EU-Ausland gelieferten Arzneimittel zahlen. Die Beklagte habe auch keine Bescheinigung über die Anwendung der Vereinfachungsregelung nach Abschnitt 1a.2 Abs. 14 Satz 2 UStAE (a.F.) vorgelegt. Eine solche Bescheinigung werde niederländischen Apotheken vom zuständigen Finanzamt Kleve bei Vorliegen der Voraussetzungen aber grundsätzlich ohne weiteres erteilt; der Klägerin lägen entsprechende Bescheinigungen anderer Versandapotheken vor. Die Höhe der zu Unrecht von der Beklagten vereinnahmten Umsatzsteuerbeträge ergebe sich grundsätzlich, indem man aus dem gesamten von der Beklagten mittels ihrer Abrechnungsstelle der Klägerin für den Zeitraum von März 2010 bis Dezember 2012 in Rechnung gestellten Betrag die Umsatzsteuer herausrechne. Die Umsatzsteuer sei vorliegend demnach aus dem gesamten Abrechnungsbetrag in Höhe von 2.351.331,27 € abzüglich der Apothekenrabatte in Höhe von 29.389,42 € herauszurechnen und betrage mithin 370.730,21 € (dies entspreche 19/119 von 2.321.941,85 €). Hiervon sei schließlich noch der bereits von der Klägerin einbehaltene Betrag von 208.241,51 € abzuziehen. Somit habe die Beklagte Umsatzsteuerbeträge in Höhe von 162.488,70 € zu Unrecht vereinnahmt; diese seien der Klägerin als tatsächlicher Schuldnerin der Umsatzsteuer zurückzugewähren. Die von der Beklagten vorgetragenen Argumente überzeugten nicht: Das von der Beklagten zitierte Urteil des LSG Hessen vom 30.06.2011 (L 8 KR 198/08) habe sich ausschließlich mit dem Fall einer fehlerhaften Preismeldung eines pharmazeutischen Unternehmens zur Lauer-Taxe und dadurch bedingte Abrechnungsprobleme beschäftigt. Um eine fehlerhafte Preismeldung gehe es hier jedoch nicht. Die Argumentation der Beklagten, es liege eine Bruttopreisabsprache vor und daher müsse die Klägerin das „Risiko einer fehlerhaften eigenen Preiskalkulation“ tragen, kranke im Übrigen daran, dass die Klägerin und die Beklagte hier überhaupt keine Absprache über die Arzneimittelpreise getroffen hätten, sondern diese sich vielmehr aus gesetzlichen Vorschriften ergäben und der Klägerin daher auch kein Fehler bei der Kalkulation unterlaufen sein könne. Der Vergütungsanspruch des Apothekers habe nach neuerer Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 13/08 R) seine Grundlage unmittelbar im öffentlichen Recht und werde nicht (länger) über einen in jedem Einzelfall abzuschließenden öffentlich-rechtlichen Kaufvertrag zwischen dem Apotheker und der Krankenkasse konstruiert. Selbst wenn man den Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung als Absprache einordnen wollte, läge jedenfalls keine Preisabsprache vor. Vielmehr werde in § 2b des Rahmenvertrages, wo der Beitritt ausländischer Apotheken geregelt ist, lediglich auf die gesetzlichen Preisvorschriften des § 78 AMG verwiesen. Das Argument der Beklagten, die in den Abrechnungsbeträgen rechnerisch enthaltenen Umsatzsteuerbeträge seien von ihr - selbst wenn keine Bruttopreisabsprache vorläge - schon deshalb rechtmäßig gegenüber der Klägerin abgerechnet worden, weil das zuständige Finanzamt in Bezug auf die von der Beklagten gemeldeten Umsätze vollumfänglich deutsche Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz von 19 % festgesetzt habe und die gemeldeten Umsätze dementsprechend nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt worden seien, könne ebenfalls nicht überzeugen. Erstens werde schon mit Nichtwissen bestritten, dass die von der Beklagten erwähnten Umsatzsteuerfestsetzungen überhaupt die Arzneimittellieferungen an die Klägerin betreffen. Den von der Beklagten vorgelegten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheiden des Finanzamts K… für die Monate April und Mai 2012 lasse sich das jedenfalls nicht entnehmen. Zweitens komme es für die Frage, ob die Umsatzsteuerbeträge rechtmäßig abgerechnet wurden oder nicht, letztlich nicht darauf an, ob ein Finanzamt gegenüber der Beklagten tatsächlich Umsatzsteuer festsetzt oder nicht. Es komme vielmehr allein darauf an, ob diese Festsetzung zu Recht oder zu Unrecht geschieht. Anderenfalls hätte es die Beklagte nämlich selbst in der Hand, einen (eigentlich nicht bestehenden) Anspruch gegen die Klägerin zu begründen, da es sich bei der Umsatzsteuer um eine sogenannte Anmeldungssteuer handele, bei der grundsätzlich bereits die Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehe. Im vorliegenden Fall wäre eine entsprechende Festsetzung unrechtmäßig, so dass die Beklagte durch Einlegung eines Rechtsbehelfs den Eintritt der Bestandskraft der Bescheide verhindern könnte und auch müsste. Drittens gehe schließlich auch der Hinweis der Beklagten auf das Urteil des BSG vom 03.03.2009 (B 1 KR 7/08 R) ins Leere. Anders als in dem diesem Urteil zu Grunde liegenden Fall würde die Festsetzung von Umsatzsteuer durch das zuständige Finanzamt im hier zu beurteilenden Fall gerade nicht der allgemeinen Praxis und öffentlich erklärten Rechtsauffassung der Finanzverwaltung entsprechen. Sie würde ihr vielmehr eindeutig zuwiderlaufen, so dass es der Beklagten obläge, durch Einlegung von Rechtsbehelfen die endgültige Festsetzung von Umsatzsteuer zu verhindern, sofern der Vorbehalt der Nachprüfung der entsprechenden Bescheide bereits aufgehoben worden sein sollte. Die Pflicht der Beklagten zur Erteilung ordnungsgemäßer Rechnungen, welche die von Art. 226 MwStSystRL geforderten Angaben enthalten, ergebe sich zum einen bereits als Nebenpflicht aus dem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten. Zum anderen sei die Klägerin aber auch aus den einschlägigen Vorschriften des niederländischen Umsatzsteuerrechts, mit denen die zwingenden Bestimmungen des Art. 220 Abs. 1 Nr. 1 und 3 MwStSystRL in nationales Recht umgesetzt würden, zur Rechnungserteilung verpflichtet.

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Die Klägerin beantragt zuletzt,

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die Beklagte zu verurteilen,

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1. an die Klägerin 162.488,70 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2013 zu zahlen,

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2. der Klägerin ordnungsgemäße Rechnungen über die Arzneimittellieferungen im Zeitraum vom 01.03.2010 bis einschließlich 31.12.2012 zu erteilen, welche die von Art. 226 MwStSystRL geforderten Angaben enthalten.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat zunächst vorgetragen, dass die Beklagte keine Versandapotheke in den Niederlanden betreibe, sondern das Geschäftsmodell auf die Abholung der Medikamente durch den Patienten bzw. durch einen von ihm Beauftragten ausgelegt sei (Abholapotheke). Hinsichtlich der von der Klägerin zitierten BFH-Entscheidung vom 20.05.2015 sei jedoch anzuerkennen, dass der BFH das von der Apotheke propagierte Abholmodell verneint und stattdessen einen Versandhandel gemäß § 3c UStG für das Streitjahr 2008, in dem noch das sozialversicherungsrechtliche Kostenerstattungsprinzip Anwendung gefunden habe, angenommen habe. Offensichtlich bleibe der BFH für die Folgejahre, die unter dem Regime des sozialversicherungsrechtlichen Sachleistungsprinzips gestanden hätten, der bisherigen deutschen Linie treu und habe - konform der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung - einen Leistungsaustausch zwischen Apotheke und Krankenkasse bejaht. Die Beklagte erneuere allerdings nochmals ihre Bedenken, ob diese Rechtsauffassung vor dem EuGH Bestand haben würde. Zwischen beiden Parteien liege eine Bruttopreisvereinbarung vor, die einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der an die Beklagte gezahlten Beträge darstelle. Das Sachleistungsprinzip finde bei ausländischen Leistungserbringern wie der Beklagten nicht per Gesetz, sondern qua individuellen Vertragsbeitritts Anwendung. Entgegen der Behauptung der Klägerin bestehe somit eine rechtsgeschäftlich zustande gekommene Absprache hinsichtlich der Preisvorschriften. Die abgerechneten „Brutto“-Beträge entsprächen den Vorgaben, die der Rahmenvertrag (auch) für die ausländischen Leistungserbringer innerhalb des auf Vertrag gegründeten Sachleistungsprinzips vorsehe. Diese Vertragsklausel sehe vor, dass in der Lauer-Taxe als preisgebunden ausgewiesene Fertigarzneimittel zu Lasten der Krankenkassen abzurechnen seien. Dies stelle eine Bruttopreisvereinbarung dar. Da sich bei der Beklagten um einen ausländischen Leistungserbringer im Sinne des Sozialrechts handele, griffen nicht automatisch die öffentlich-rechtlichen Vorschriften der AMPreisV. Das Argument der Klägerin, die ausländischen Apotheken hätten einen Vorteil, der zu Lasten der Krankenkassen gehe, könne das Vorliegen einer Bruttopreisvereinbarung ebenfalls nicht stichhaltig widerlegen. Denn angenommen, es handele sich um eine Nettopreisvereinbarung (so die Klägerin), dann käme es gleichwohl weiterhin zu Preisunterschieden zwischen deutschen und ausländischen Abholapotheken. Die dem Gericht vorliegenden Vorauszahlungsanmeldungen bzw. -bescheide für die Zeiträume 02/2010, 04/2012 und 05/2012 seien als ausreichender Beleg für die Steuerschuldnerschaft der Beklagten zu sehen. Die Behauptung der Klägerin, sie selbst sei die wahre Schuldnerin der Umsatzsteuer, werde mit Nichtwissen bestritten. Die Klägerin habe zwar vorgetragen, dass ihr gegenüber nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung Umsatzsteuerbescheide erlassen worden seien. Gleichwohl habe sie keine Belege dafür vorgelegt, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe definitiv ein innergemeinschaftlicher Erwerb aus den Arzneimittelgeschäften mit der Beklagten besteuert wurde. Der vorgelegte Bericht der Sonderprüfung habe sich nur auf die Monate Mai bis Dezember 2012 bezogen, so dass das Ergebnis der Sonderprüfung für die Vormonate nicht nachgewiesen sei. Hilfsweise sei die Höhe der Klageforderung auch fehlerhaft ermittelt worden. Die Klägerin habe bei der Ermittlung der Klageforderung nur den Apothekenrabatt in Abzug gebracht, nicht jedoch den Herstellerrabatt. Es bleibe insoweit festzuhalten, dass keine Krankenkasse jemals den Anteil der Herstellerrabatte an die Apotheken ausgezahlt, geschweige denn eine darin enthaltene Umsatzsteuer getragen habe. Dies belege auch die Sachverhaltsschilderung der Klägerin. Somit fehle auf Seiten der Klägerin das Tatbestandsmerkmal „auf deren Kosten“. Sie sei nicht um einen in dem Herstellerrabatt enthaltenen Umsatzsteueranteil entreichert, so dass jedenfalls insoweit nicht von einer ungerechtfertigten Bereicherung der Beklagten ausgegangen werden dürfe. Indem die Klägerin die vorliegende Klageforderung unter Nichtabzug des Herstellerrabattes ermittelt und nur den Apothekenrabatt mindernd in Ansatz gebracht habe, versuche sie ihrerseits aus der Klage ungerechtfertigten Profit zu schlagen. Unter Berücksichtigung dieses Einwands sei die Klageforderung jedenfalls um 38.213,46 € zu hoch gegriffen. In dem zwischen den entsprechenden Landesverbänden in Rheinland-Pfalz geschlossenen Arzneiliefervertrag (ALV RP) gemäß § 129 Abs. 5 SGB V seien in § 11 Regelungen zur Rechnungs- und Taxbeanstandung niedergelegt. Das vertraglich eingeräumte Recht zur Beanstandung sei gemäß dem Bundessozialgericht umfassend (BSG-Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 13/08 R) und erfasse Beanstandungen aller Art. Diese Vorschriften regelten abschließend die Rechnungslegung zwischen den Vertragsparteien und führten bei Überschreiten der gesetzten Fristen zum Verlust des Vergütungs- bzw. Rückforderungsanspruchs. Nach dem hier maßgeblichen ALV RP seien sachliche und rechnerische Berichtigungen, Taxbeanstandungen etc. nur innerhalb von 12 Monaten nach Ende des Abrechnungsmonats, also des auf den Liefermonat folgenden Kalendermonats, möglich. Die Klägerin habe erstmals im Juli 2012 Abrechnungsbeträge des Liefermonats Juni 2012 einbehalten mit dem lapidaren Hinweis auf eine nicht geklärte Umsatzsteuerproblematik. Dies habe sich für die Liefermonate Juli bis Dezember 2012 in dem jeweils folgenden Abrechnungsmonat wiederholt. Die Beanstandungen der Klägerin bezüglich der Liefermonate Juni bis Dezember 2012 seien innerhalb der Frist des § 11 Abs. 1 ALV RP erfolgt. Die seitens der Beklagten hiergegen erhobenen Einwände seien innerhalb der Dreimonatsfrist des § 11 Abs. 2 ALV RP geltend gemacht worden. Erstmals mit Schreiben der Klägerin vom 21.12.2012 seien weitere Beträge für die Liefermonate Januar 2010 bis Oktober 2012 beanstandet und zur Rückzahlung des darin zu Unrecht abgerechneten Umsatzsteuerbetrags aufgefordert worden. Bezüglich des bereits einbehaltenen Betrags habe die Klägerin die Aufrechnung erklärt. Zu diesem Zeitpunkt seien jedoch die Liefermonate bis einschließlich Oktober 2011 einer Beanstandung bereits nicht mehr zugänglich gewesen, da die Frist des § 11 Abs. 1 ALV RP verstrichen gewesen sei; sie müssten auf dieser vertraglichen Grundlage als endgültig anerkannt gelten (vgl. § 11 Abs. 5 ALV RP). Die Fristen des § 11 ALV RP seien Ausschlussfristen.

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Die Klägerin erwidert, die Behauptung der Beklagten, sie betreibe keine Versandapotheke, sondern verfolge ein Geschäftsmodell, dass auf die Abholung der Medikamente durch den Patienten bzw. ein von ihm Beauftragten ausgelegt sei, werde mit Nichtwissen bestritten. Die Beklagte werde auch nicht ernsthaft behaupten wollen, dass Versicherte der Klägerin, die keineswegs sämtlich im grenznahen Bereich wohnten, Wegstrecken von mehreren hundert Kilometern in Kauf nehmen würden, nur um Arzneimittel von der Beklagten zu beziehen. Dem Urteil des BFH vom 20.05.2015 (XI R 2/13, Rn. 59) sei zudem die Aussage der Beklagten zu entnehmen, „dass die Möglichkeit der Abholung der äußerst seltene Ausnahmefall sei“. Zudem sei es unerheblich, wie sich die Sachlage heute darstelle; entscheidend sei allein der Sachverhalt im streitgegenständlichen Zeitraum. Soweit die Beklagte ihrerseits die Steuerschuldnerschaft der Klägerin mit Nichtwissen bestreite, verkenne sie, dass es sich hierbei nicht um eine Tatsache, sondern um eine Rechtsfrage handele, die einem Bestreiten mit Nichtwissen nicht zugänglich sei. Zudem komme es im Rahmen des vorliegend geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs auch nicht darauf an, ob die Klägerin Umsatzsteuer schuldet, sondern allein darauf, ob seitens der Beklagten ein „Rechtsgrund zum Behaltendürfen“ bestehe. Aus diesem Grunde seien auch die Umsatzsteuerbescheide der Klägerin für die Jahre 2010 bis 2012 nicht entscheidungserheblich. Die Beklagte verkenne bei ihrem Vorbringen, dass in Höhe des im Herstellerrabatt (rechnerisch) enthaltenen Umsatzsteueranteils keine ungerechtfertigte Bereicherung der Beklagten vorliege, dass die beiden in Rede stehenden Rabatte umsatzsteuerrechtlich unterschiedlich zu qualifizieren seien und die von ihr kritisierte Differenzierung daher sachlich gerechtfertigt sei. Der Herstellerrabatt werde der Krankenkasse zwar formal wie auch der Apothekenrabatt ebenfalls von der Apotheke gewährt. Wirtschaftlich getragen werde er jedoch vom pharmazeutischen Unternehmer, welcher der Apotheke den Herstellerrabatt erstatte. Umsatzsteuerrechtlich komme es daher zu keiner Minderung des von der Apotheke vereinnahmten Entgelts. Vielmehr sei die Rabatterstattung durch den pharmazeutischen Unternehmer als Entgeltzahlung von dritter Seite für die Lieferung des Arzneimittels zu beurteilen. Die Behauptung der Beklagten, auf Seiten der Klägerin fehle es am Tatbestandsmerkmal „auf deren Kosten“, sei somit unzutreffend, da die Klägerin vorliegend auch in Bezug auf den als umsatzsteuerrechtliches Entgelt zu behandelnden Herstellerrabatt Schuldnerin der hierauf entfallenden Umsatzsteuer (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 2 UStG) und daher insoweit „entreichert“ sei. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes habe bereits im Jahr 2012 festgestellt, dass die deutschen Vorschriften für den Apothekenabgabepreis auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gälten, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Wege des Versandhandels nach Deutschland an Endverbraucher abgeben (Beschluss vom 20.08.2012 - GmS-OGB 1/10). Zu diesen Vorschriften über den Apothekenabgabepreis zähle auch die AMPreisV. Der ALV RP sei auf das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten überhaupt nicht anwendbar, da er für die Beklagte keine Rechtswirkung habe. Die Beklagte bzw. ihr Leiter gehörten dem Landesapothekerverband Rheinland-Pfalz e.V. schon nicht an. Sie bzw. er seien dem ALV RP auch nicht beigetreten (Hinweis auf ein Schreiben des Landesapothekerverbands Rheinland-Pfalz e.V. vom 17.06.2014), obgleich hierzu jederzeit die Möglichkeit bestanden hätte.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

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Die als Leistungsklage statthafte Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 162.488,70 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2013 sowie auf Erteilung ordnungsgemäßer Rechnungen über die Arzneimittellieferungen im Zeitraum vom 01.03.2010 bis einschließlich 31.12.2012, welche die von Art. 226 MwStSystRL geforderten Angaben enthalten.

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Rechtsgrundlage für das klägerseitige Begehren ist der aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Erstattungsanspruch, der parallel zum zivilrechtlichen Bereichungsanspruch nach §§ 812 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entwickelt wurde. Danach sind Leistungen, die eines rechtlichen Grundes entbehren, zurückzuerstatten (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 02.11.2009 - L 1 AS 746/09).

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Die Beklagte hat von der Klägerin eine Leistung ohne Rechtsgrund erlangt. Die Beklagte ist zum 01.02.2010 dem zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband e.V. gemäß § 129 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - (SGB V) geschlossenen Rahmenvertrag nach § 2b Abs. 2 Rahmenvertrag beigetreten. Danach sind ausländische Apotheken ab dem auf den Erklärungseingang beim Deutschen Apothekerverband folgenden Kalendermonat berechtigt, auf Grundlage des § 78 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG) bezogene, für den Geltungsbereich des AMG zugelassene und in der Lauer-Taxe als preisgebunden ausgewiesene Fertigarzneimittel zu Lasten der Krankenkassen abzurechnen. Für Abrechnungen unter den Voraussetzungen nach Satz 1 gelten die Preisvorschriften nach § 78 AMG sowie § 7 Heilmittelwerbegesetz (sog. Rabattverbot). Die weiteren Einzelheiten ergeben sich aus diesem Rahmenvertrag sowie den ergänzenden Verträgen nach § 129 Abs. 5 SGB V. Auf Verlangen sind den Krankenkassen oder deren Verbänden Nachweise über die Bezugsquellen vorzulegen. Die Regelungen des SGB V, insbesondere zu gesetzlichen Abschlägen, zur Zuzahlung der Versicherten, zur Arzneimittelabrechnung und Datenübermittlung und die Arzneimittelabrechnungsvereinbarung nach § 300 Abs. 3 SGB V gelten entsprechend.

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Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium und, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel, in Apotheken oder von Tierärzten im Wiederverkauf abgegeben werden, festzusetzen. Ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist zu gewährleisten (§ 78 Abs. 2 Satz 2 AMG). Für Arzneimittel nach § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG, für die durch die Verordnung nach § 78 Abs. 1 AMG Preise und Preisspannen bestimmt sind, haben die pharmazeutischen Unternehmer einen einheitlichen Abgabepreis sicherzustellen (§ 78 Abs. 3 Satz 1, 1. Halbsatz AMG).

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Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der auf der Grundlage des § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG erlassenen Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) in den im streitgegenständlichen Zeitraum gültigen Fassungen vom 26.03.2007 (gültig bis 31.12.2010) bzw. vom 22.12.2010 (gültig bis 31.12.2012) sind bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch die Apotheken zur Berechnung des Apothekenabgabepreises ein Festzuschlag von 3 Prozent zuzüglich 8,10 € sowie die Umsatzsteuer zu erheben.

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Aus den gesetzlichen Regelungen ergibt sich, dass die Beklagte durch den Beitritt nach § 2b Abs. 2 des Rahmenvertrages mit Wirkung ab 01.02.2010 dem Rahmenvertrag beigetreten ist. Dies hatte zur Folge, dass die Beklagte ab 01.03.2010 auf Grundlage des § 78 Abs. 3 AMG bezogene, für den Geltungsbereich des AMG zugelassene und in der Lauer-Taxe als preisgebunden ausgewiesene Fertigarzneimittel zu Lasten der Klägerin abgerechnet hat. Insbesondere aus der Vorschrift des § 2b Abs. 2 Satz 2 Rahmenvertrag geht eindeutig hervor, dass mit dem Beitritt zu dem Rahmenvertrag auch die für alle von dem Rahmenvertrag erfassten - deutschen wie ausländischen - Apotheken geltenden gesetzlichen Preisvorschriften gleichermaßen gelten. Denn danach gelten auch für beigetretene Apotheken für Abrechnungen unter den Voraussetzungen nach § 2b Satz 1 Rahmenvertrag die Preisvorschriften nach § 78 AMG. Findet § 78 AMG somit uneingeschränkt Anwendung, ist auf dieser Grundlage auch die AMPreisV anzuwenden. Somit gibt es zwischen insbesondere inländischen und ausländischen Apotheken zwar eine unterschiedliche Möglichkeit, wie der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V zur Anwendung kommt, nämlich nach § 129 Abs. 3 SGB V entweder dadurch, dass die Apotheke einem Mitgliedsverband der Spitzenorganisation angehört und die Satzung des Verbandes vorsieht, dass von der Spitzenorganisation abgeschlossene Verträge dieser Art Rechtswirkung für die dem Verband angehörenden Apotheken haben (Nr. 1) oder dadurch, dass dem Rahmenvertrag beigetreten wird (Nr. 2). Die Rechtsfolge der Anwendung des Rahmenvertrages ist aber für beide Varianten gleich, nämlich die Geltung der Preisvorschriften nach § 78 AMG. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten liegt damit gerade keine Bruttopreisvereinbarung zwischen der Klägerin und der Beklagten vor. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass keine rein vertragliche Vereinbarung vorliegt, die zum Einbezug der Beklagten in das Sozialversicherungsrecht vorherrschende Sachleistungsprinzip führt, sondern ein gesetzlicher, durch Vertrag lediglich näher ausgestalteter Vergütungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin besteht, wenn die Abgabe eines Arzneimittels aufgrund vertragsärztlicher Verordnung als Sachleistung der GKV auf Kosten der Klägerin an ihre Versicherten erfolgt (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 22.08.2012 - GmS-OGB 1/10, Rn. 20; juris). Somit haben sich die Beteiligten nicht vertraglich auf einen Bruttopreis ohne Umsatzsteuer geeinigt; vielmehr gelten die gesetzlichen Preisvorschriften.

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Zwischen den Beteiligten ist unstrittig, dass die Beklagte für sämtliche Arzneimittellieferungen im Zeitraum März 2010 bis Dezember 2012 an Versicherte der Klägerin dieser die Bruttoabgabepreise für die Arzneimittel nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV in Rechnung gestellt hat, abzüglich des Apothekenrabatts, der Herstellerrabatte und der Zuzahlungen der Versicherten. Auch für die Kammer bestand hieran kein Zweifel. Der Apothekenabgabepreis enthält nach dieser Vorschrift jedoch auch die Umsatzsteuer. Jedoch gilt der allgemeine Grundsatz, dass Umsatzsteuer nur dann in Rechnung gestellt werden darf, wenn der Leistungserbringer selbst dem Finanzamt auch Umsatzsteuer schuldet. Daran fehlte es im Fall der Beklagten. Lieferungen von Arzneimitteln durch Apotheken, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässig sind, stellen eine innergemeinschaftliche Lieferung dar, die nach Art. 138 Abs. 1 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) im jeweiligen Mitgliedstaat für die betreffende Apotheke umsatzsteuerfrei ist. Nach dieser Vorschrift befreien die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt. Ein solcher Sachverhalt liegt hier vor. Die Beklagte hat im Laufe des Verfahrens - auch unter dem Eindruck der in eigener Sache ergangenen Entscheidung des BFH vom 20.05.2015 (XI R 2/13) - zugestanden, dass sie im Wesentlichen als Versandapotheke agiert hat und nicht, wie zunächst vorgetragen, als Abholapotheke. Die Klägerin selbst gilt nach deutschem Umsatzsteuerrecht als Steuerschuldnerin der Umsatzsteuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb der Arzneimittel. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterliegt der Umsatzsteuer der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt. Nach § 1a Abs. 1 UStG liegt ein innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt vor, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

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1. Ein Gegenstand gelangt bei einer Lieferung an den Abnehmer (Erwerber) aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates oder aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebiete, auch wenn der Lieferer den Gegenstand in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt hat,

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2. der Erwerber ist

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a) ein Unternehmer, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt, oder
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt, und

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3. die Lieferung an den Erwerber

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a) wird durch einen Unternehmer gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt und
b) ist nach dem Recht des Mitgliedstaates, der für die Besteuerung des Lieferers zuständig ist, nicht auf Grund der Sonderregelung für Kleinunternehmer steuerfrei.

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Diese Voraussetzungen lagen im Fall der Klägerin vor, da die Arzneimittel bei Versand durch die Beklagte an die Klägerin als Erwerber aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates (Niederlande) in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates (Deutschland) gelangt sind. Die Klägerin als Erwerber ist eine juristische Person, die die Arzneimittel nicht für ihr Unternehmen erwarb, sondern für ihre Versicherten. Diese Lieferungen an die Klägerin wurden durch die Beklagte als Unternehmer gegen Entgelt im Rahmen ihres Unternehmens ausgeführt und sind nach dem Recht des Mitgliedstaates, der für die Besteuerung der Beklagten zuständig ist, nicht auf Grund der Sonderregelung für Kleinunternehmer steuerfrei. Der BFH hat mit Urteil vom 20.05.2015 (a.a.O., Rn. 42; juris) klargestellt, dass bei Abschluss eines zwischen den Apotheken und den gesetzlichen Krankenkassen geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrages nach § 129 SGB V oder eines öffentlich-rechtlichen Einzelvertrages gemäß § 140e SGB V zwischen der Apotheke als leistendem Unternehmer und der gesetzlichen Krankenkasse als Leistungsempfänger ein Leistungsaustausch stattfindet, wobei der Kunde das Medikament in Erfüllung des Versicherungsvertrages von seiner gesetzlichen Krankenkasse als Sachleistung gemäß § 2 Abs. 2 SGB V erhält. Damit gilt auch im vorliegenden Fall die Klägerin als gesetzliche Krankenkasse als Leistungsempfänger und damit als umsatzsteuerpflichtig nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG für den innergemeinschaftlichen Erwerb der Arzneimittel gegen Entgelt von der Beklagten.

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Ob die Beklagte selbst für die innergemeinschaftlichen Lieferungen an die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum (zu Unrecht) bereits Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt hat oder nicht, spielt für das vorliegende Verfahren keine Rolle. Es musste daher auch nicht aufgeklärt werden, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Umsatzsteuer durch die Beklagte abgeführt wurde und ob die auszugsweise vorgelegten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide des Finanzamts K… überhaupt die streitgegenständlichen Lieferungen betreffen. Denn es ist für das vorliegende Verfahren nur relevant, dass rechtmäßigerweise die Beklagte auf ihre innergemeinschaftlichen Lieferungen nach den gesetzlichen Bestimmungen keine Umsatzsteuer schuldet, sondern die Klägerin als Leistungsempfänger. Es obliegt der Beklagten, gegen gegebenenfalls unberechtigte Umsatzsteuerforderungen des Finanzamts die entsprechenden Rechtsbehelfe einzulegen, was nach Mitteilung der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung auch geschehen ist. Dasselbe gilt hinsichtlich der von der Beklagten aufgeworfenen Zweifel bezüglich der tatsächlichen Abführung von Umsatzsteuer durch die Klägerin.

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Die Höhe des Rückforderungsbetrages ist von der Klägerin zutreffend berechnet worden. Das von der Beklagten hiergegen vorgebrachte Argument, dass die Klägerin zu Unrecht die Herstellerrabatte nicht abgezogen habe, dringt nicht durch. Unstreitig ist die Höhe der Brutto-Apothekenabgabepreise für sämtliche Arzneimittellieferungen im streitgegenständlichen Zeitraum von der Klägerin auf insgesamt 2.351.331,27 € beziffert worden. Diese Summe wird auch von der Beklagten nicht angezweifelt. Hiervon sind von der Klägerin für die Berechnung des umsatzsteuerpflichtigen Entgelts zu Recht die Apothekenrabatte (§ 130 SGB V) in Höhe von insgesamt 29.389,42 € abgezogen worden, da diese umsatzsteuerrechtlich als Entgeltminderung nach § 17 UStG zu behandelnden sind (vgl. BFH, Urteil vom 28.05.2009 - V R 2/08). Somit ist die von der Beklagten der Klägerin zu Unrecht mit in Rechnung gestellte Umsatzsteuer aus einem Betrag in Höhe von 2.321.941,85 € zu berechnen. Die Herstellerrabatte sind umsatzsteuerrechtlich demgegenüber - wie die Klägerin zutreffend vorgetragen hat - nicht abzuziehen. Unbeachtlich ist, dass die Klägerin der Beklagten tatsächlich lediglich den Brutto-Apothekenabgabepreis (einschließlich Umsatzsteuer), abzüglich sämtlicher Rabatte und der Zuzahlung der Versicherten, somit 2.010.226,91 €, vergütet hat. Denn streitgegenständlich ist nicht die Rückerstattung der gesamten erhaltenen Vergütung für die Arzneimittellieferungen, sondern lediglich die Umsatzsteuer der Arzneimittellieferungen. Die Umsatzsteuer jedoch errechnet sich aus dem Brutto-Apothekenabgabepreis abzüglich des Apothekenrabatts. Die Herstellerrabatte wie auch die Zuzahlung der Versicherten sind nicht umsatzsteuermindernd zu berücksichtigen, sondern als Zahlungen Dritter umsatzsteuerrechtliches Entgelt (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG). Die Berechnung der von der Beklagten zu erstattenden Umsatzsteuer erfolgt daher so, wie es die Beklagte bei ordnungsgemäßer Rechnungsstellung von vorneherein hätte machen müssen, nämlich aus dem Brutto-Apothekenabgabepreis abzüglich der Apothekenrabatte. Dies ergibt eine Summe von 162.488,70 € (19/119 von 2.321.941,85 € = 370.730,21 €, abzüglich der von der Klägerin unstreitig bereits einbehaltenen 208.241,51 €).

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Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten sind die Forderungen für die Monate März 2010 bis Oktober 2011 von der Klägerin nicht nach § 11 Abs. 1 des nach § 129 Abs. 5 SGB V zwischen dem Apothekerverband Rheinland-Pfalz e.V. und den Krankenkassenverbänden geschlossenen Arzneilieferungsvertrags (ALV RP) verfristet geltend gemacht worden. Nach dieser Vorschrift werden die bei der Rechnungsprüfung festgestellten rechnerisch und sachlich unrichtig angesetzten Beträge von der Krankenkasse innerhalb von 12 Monaten nach Ende des Kalendermonats berichtigt, in dem die Abrechnung erfolgte. Denn der ALV RP gilt nicht für die Beklagte. Nach § 2 Abs. 2 ALV RP gilt der Vertrag für öffentliche Apotheken, deren Leiter dem Landesapothekerverband (LAV) angehören und deren Filialapotheken. Öffentliche Apotheken, deren Leiter nicht dem LAV angehören und deren Filialapotheken sind an der Lieferung nur dann beteiligt, wenn sie diesen Vertrag einschließlich seiner Anlagen, Nachträge, Protokollnotizen und die Beschlüsse der Schiedsstelle sowie die Verträge nach § 129 Abs. 2 SGB V und § 300 SGB V in der jeweils geltenden Fassung gegen sich gelten lassen. Dies teilen die Leiter schriftlich der Arbeitsgemeinschaft der BKK-LKK als Geschäftsstelle der Krankenkassen mittels Anlage 2 mit (§ 2 Abs. 3 ALV RP). Weder § 2 Abs. 2 ALV RP noch § 2 Abs. 3 ALV RP sind durch die Beklagte erfüllt, da sie weder dem LAV angehört noch ihren Beitritt zu dem Vertrag nach Abs. 3 erklärt hat. Dies hat der LAV in dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben vom 17.06.2014 ausdrücklich bestätigt. Entgegen der Auffassung der Beklagten, der ALV RP nach § 129 Abs. 5 SGB V gelte für ausländische Apotheken entsprechend, weil der ALV RP aus einer Zeit stamme, in der ausländische Apotheken noch gar nicht mit deutschen Krankenkassen hätten abrechnen können, hätte die Beitrittsmöglichkeit nach § 2 Abs. 3 ALV RP es auch der Beklagten ermöglicht, dem Vertrag jederzeit beizutreten. Auch durch den Verweis in § 129 Abs. 5 Satz 2 SGB V auf § 129 Abs. 3 Nr. 2 SGB V lässt sich entnehmen, dass der ALV RP nur für diejenigen - ausländischen und nicht automatisch vom Vertrag erfassten inländischen - Apotheken gilt, die diesem auch ausdrücklich beitreten.

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Die Klägerin hat daher Anspruch auf Zahlung der von der Beklagten ohne Rechtsgrund erlangten 162.488,70 €.

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Die Klägerin hat Anspruch auf Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2013 als Verzugszinsen nach § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

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Die Pflicht der Beklagten zur Erteilung ordnungsgemäßer Rechnungen über die Arzneimittellieferungen im Zeitraum vom 01.03.2010 bis einschließlich 31.12.2012, welche die von Art. 226 MwStSystRL geforderten Angaben enthalten, ergibt sich aus Art. 220 Nr. 1 und 3 MwStSystRL i.V.m. Art. 138 MwStSystRL sowie als Nebenpflicht aus dem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten.

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Der Klage war deshalb vollumfänglich stattzugeben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG).

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