Urteil vom Sozialgericht Stralsund (3. Kammer) - S 3 KR 51/14

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 2.510,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Juli 2011 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1

Streitig ist die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung – hier die Kodierfähigkeit der Subkategorie T83.5 (Infektion und entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt) des ICD-10-GM als Nebendiagnose im Sinne der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR).

2

Die bei der Beklagten krankenversicherte D. befand sich vom 5. Juni bis zum 15. Juni 2010 in stationärer Behandlung in der Klinik und Poliklinik für Urologie der Universitätsmedizin XXX. Bei der Versicherten war 2003 wegen einer interstitiellen Zystitis operativ die gesamte Harnblase entfernt worden und es erfolgte die Anlage einer neuen Harnableitung mittel Ileumconduit. Die geplante stationäre Aufnahme am 5. Juni 2010 erfolgte bei Zustand nach teilweisem Darmverschluss und Bauchwandbruchbildung zur operativen Revision des Bauchwandbruchs, welche am 7. Juni 2010 durchgeführt wurde. Bei der prästationären Vorstellung zur OP-Vorbereitung am 25. Mai 2010 wurde eine Infektion im Urin mit einer jeweils signifikanten Keimbesiedelung mit Staphylococcus aureus, Enterococcus faecalis und Citrobacter freudii festgestellt. Die mikrobiologische Austestung ergab die Notwendigkeit der antibiotischen Therapie mit Imipenem (Zienam).

3

Mit Endabrechnung vom 8. Juli 2010 stellte die Klägerin der Beklagten die vorgenannte Behandlung mit der Fallpauschale G13Z mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 5.090,86 € in Rechnung. Die Beklagte glich den Rechnungsbetrag voll aus und veranlasste am 16. Juli 2010 die Einleitung eines Einzelfallprüfverfahrens zu der Frage, ob die Nebendiagnosen T83.5, B95.6 und B95.2 korrekt kodiert worden seien. Hierüber informierte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) die Klägerin mit Schreiben vom 27. Juli 2010.

4

Die Gutachterin des MDK, Frau Dr. XXX, vertrat in ihren sozialmedizinischen Stellungnahmen vom 28. März 2011 und 15. März 2013 die Auffassung, dass ein Ileumconduit keine Prothese, Implantat oder Transplantat darstellen würde, sodass die Nebendiagnose T83.5 nicht kodiert werden könne. Weder sei eine Infektion durch die Ersatzblase noch eine Infektion der Ersatzblase selbst (Pouchitis) den medizinischen Unterlagen zu entnehmen. Stattdessen sei die Nebendiagnose T83.5 durch die Nebendiagnose N39.0 (Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet) zu ersetzen. Daraus würde die Fallpauschale G21B resultieren.

5

Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 18. Mai 2011 unter Hinweis auf das Gutachten des MDK erfolglos von der Klägerin um eine Gutschrift der bereits angewiesenen Rechnung und eine erneute Abrechnung der Fallpauschale G21B verlangt hatte, nahm sie am 23. Juli 2011 eine Verrechnung und eine Zahlung lediglich in Höhe von 2.580,30 € vor.

6

Mit der am 7. Februar 2014 erhobenen Klage macht die Klägerin einen Anspruch auf die vollständige Bezahlung der Endabrechnung vom 8. Juli 2010 geltend. Die von der Beklagten im Anschluss an den MDK vertretene Auffassung sei nicht haltbar. Vielmehr sei ihr mit Blick auf die Möglichkeit einer spezifischeren Kodierung entgegen zu treten. Bei der Versicherten sei vor Jahren die Harnblase entfernt worden, die Harnleiter seien in ein ausgeschaltetes Darmsegment eingepflanzt worden (Ileumconduit). Im Falle des Ileumconduits würde ein Darmsegment des Ileums aus der Kontinuität des Dünndarmes ausgeschaltet, welches sodann als Urinauffangreservoir dienen würde. Die Harnleiter würden in den Darmabschnitt verpflanzt (implantiert) und würden den Urin an die Körperoberfläche leiten. Es würde sich um ein autologes Transplantat aus Darm handeln. Der Darmabschnitt würde innerhalb der Bauchhöhle „umgepflanzt“ (transplantiert). Auch bei einer Niere, die innerhalb des Körpers umgesetzt würde, z.B. aufgrund einer Harnleiterenge, würde man auch von einer autologen Transplantation sprechen. Venen, die aus dem Unterschenkel entnommen und als Herzkranzgefäße verwendet werden, seien auch autologe Transplantate. Vorliegend würde es sich nicht anders verhalten. Die Argumentation des MDK diesbezüglich, dass hier kein Transplantat vorliegen würde, da die Übernahme der physiologischen Harnblasenfunktion fehle, würde somit völlig ins Leere gehen. Darmsegmente zur Harnableitung seien immer Infektanfälliger als die eigentliche Schleimhaut des Harntraktes, sodass aus ihrer Sicht die T83.5 der spezifische Kode für die bei der Versicherten aufgetretene Infektion darstellen würde. Es würde sich daher nicht um eine unspezifische Harnwegsinfektion handeln, welche durch eine Nebendiagnose N39.0 zu beschreiben wäre. Vorliegend sei gleichzeitig die Ursache für die Infektion zu beschreiben, was über die Diagnose T83.5 als spezifischem Kode gelingen würde. Eine Infektion des Ileumconduits sei mit Nachweis von Leukozyten im Urin und dem entsprechenden Erregernachweise erbracht. Klinische Symptome der Infektion würde es im Gegensatz zur Blasenentzündung nicht geben. Der Begriff Pouchitis würde in der täglichen urologischen Praxis nicht gebraucht, zumal die Versicherte auch gar kein Pouch besitzen würde, wie aus den Patientenunterlagen zu entnehmen sei.

7

Zu den weiteren Gutachten des MDK vom 15. August 2014 und vom 24. November 2014 führte die Klägerin aus, dass den Ausführungen des MDK weiterhin nicht zugestimmt werden könne. Die Argumentation des MDK, die hier den Wortstamm anführen würde, sei schlichtweg nicht zielführend. Transplantat habe seinen Ursprung in dem lateinischen Wort „transplare“, was dementsprechend „umsetzen“, „umpflanzen“ oder „verpflanzen“ bedeuten würde. Eine autologe Transplantation sei demnach gegeben, wenn Spender und Empfänger dieselbe Person seien. Eine Anfrage bei Prof. Volkmer, Chefarzt der Urologie im Klinikum Kassel und Vorsitzender des Arbeitskreises „Versorgungsforschung, Qualitätsmanagement und Ökonomie der DGU“, welcher über seine Funktion und als Spezialist über einige Expertise verfügen dürfte, habe ihre Argumentation hinsichtlich der spezifischen Verschlüsselung über den ICD-Kode T83.5 als absolut korrekt bestätigt. Auf die Stellungnahme vom 9. Januar 2015 werde verwiesen. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass das Kapitel XIV des ICD-10-GM im Vorspann als Exklusivum die T-Diagnosen aufführt, sodass grundsätzlich aus der ICD-Systematik heraus davon auszugehen sei, dass die T-Kodes unzweifelhaft spezifischer seien.

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Die Klägerin beantragt,

9

die Beklagte zu verurteilen, an sie einen weiteren Betrag in Höhe von 2.510,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Juli 2011 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

12

Unter Verweis auf zwei weitere Gutachten der Ärztin des MDK, Frau Dr. XXX, vom 15. August 2014, 24. November 2014, welche beide nach Einsichtnahme in die vom Gericht von der Klägerin beigezogenen Behandlungsunterlagen erstellt worden sind, vertritt die Beklagte weiterhin die Auffassung, dass die T83.5 als Nebendiagnose nicht zu kodieren gewesen sei. Ein Ileumconduit sei kein autologes Darmtransplantat, sondern eine künstlich geschaffene Harnableitung = Harnweg. Keine der vorbeschriebenen physiologischen Funktionen der Harnblase (Harnreservoir, Kontinenz, Harndrang, Harnentleerung) würden ersetzt. Die Verwendung des Begriffes Transplantation bzw. Transplantat im Zusammenhang mit der Schaffung eines Ileumconduits als Harnableitung mittels Darminterponat sei mit der urologischen OP-Lehre und dem per definitionem geforderten Funktionsersatz bei Transplantation medizinisch nicht korrekt. Damit sei die Zuweisung des Kodes T83.5 nach dem ICD-GM-System 2010 klassifikatorisch nicht korrekt. Die Infektion der Harnableitung, des Harnweges Ileumconduits, durch Bakterien sei hier mikrobiologisch belegt und antibiotisch therapiert worden. Die mikrobiologisch nachgewiesene bakteriell verursachte Infektion eines Harnweges würde nach den Deutschen Kodierrichtlinien organspezifisch mit N39.0 abgebildet. Das gleichzeitige Vorhandensein eines Ileumconduits könne mit der Nebendiagnose Z93.6 abgebildet werden. Daher bliebe festzustellen, dass die Klägerin nicht die Vergütung der DRG G13Z verlangen könne. Es sei die DRG G21B für die Abrechnung heranzuziehen.

13

Die Kammer hat die Verwaltungsakten der Beklagten sowie von der Klägerin die Patientendokumentation des streitigen Behandlungsfalles beigezogen und Beweis erhoben durch ein Gutachten des Oberarztes der Klinik und Poliklinik für Urologie des XXX, Dr. C. vom 30. Juli 2015 mit einer ergänzenden Stellungnahme vom 4. Februar 2016.

14

Hierzu führt die Klägerin aus, dass der Gerichtssachverständige die Zuweisung des Kodes T83.5, nachdem aus seiner nachvollziehbaren Sicht ein Ileumconduit ein autologes substituiertes Transplantat im Harntrakt darstellen würde, bestätigt. Auch sei bestätigt worden, dass die Anlage einer Urinkultur und die anschließende antibiotische Behandlung hinsichtlich dieses Transplantates erfolgt sei.

15

Die Beklagte vertritt dagegen die Auffassung, dass den inhaltlichen Aussagen des Sachverständigengutachtens des Dr. C. nicht gefolgt werden könne. Sie verweist insoweit auf die Stellungnahme der Dr. XXX vom 30. November 2015, die sie sich vollständig zu Eigen macht. Die Ärztin des MDK wiederholt, dass durch ein Ileumconduit keine der vier physiologischen Harnblasenfunktionen ersetzt würde. Die Anlage eines Ileumconduits würde als supravesikale Harnableitung der Schaffung eines Harnweges durch Umformung eines Darmabschnittes zum Zwecke lediglich ständigen Urindurchflusses dienen. Infektionen des Harnweges würden als Harnwegsinfektionen bezeichnet. Im vorliegenden Fall sei das Vorliegen einer signifikanten Harnwegsinfektion medizinisch belegt. Harnwegsinfektionen würden medizinisch gesichert durch Bakterien verursacht. Damit sei auch die dem Kode T83.5 innewohnende Kausalität („…durch Prothese …. im Harntrakt“) nicht erfüllt. Die Zuweisung des Kodes T83.5 würde im vorliegenden Fall nicht Richtlinienkonform erfolgen. Nach den DK 2010 sei der Kode T83.5 unabhängig von der formalen Korrektheit und Definition und Kausalität nur dann zu verwenden, wenn kein spezifischer Kode aus den organspezifischen Kapiteln der ICD-10 oder kein Kode für Krankheiten nach medizinischen Maßnahmen zur Verfügung stehen würde. Die so organspezifisch wie mögliche Kodierung von Krankheiten und damit die Einhaltung einer Kodierhierarchie sei, unabhängig ob Haupt- oder Nebendiagnose, das jahresunabhängig und übergreifende Grundprinzip der Kodierung von Krankheiten nach der ICD-10-Systematik. Wie bereits dargelegt, könne die vorliegende Erkrankung – der Harnwegsinfekt – im ICD-10 organspezifisch abgebildet werden. Die erfolgte Diagnostik würde keinen Rückschluss zulassen, dass der Harnwegsinfekt nicht die bakterielle Erkrankung hinreichend beschreiben würde. Eine Erkrankung des Ileumconduits würde nicht beschrieben. Außerdem sei zu diskutieren, ob überhaupt eine Komplikation im Sinne der Überschrift des Kapitel XIX, Gruppe „T80 – 88“ vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Klage ist begründet.

1.

17

Gegenstand der nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG - vgl. hierzu z. B. Urteil des 1. Senats vom 16. Dezember 2008 – Az. B 1 KN 1/07 KR R – SozR 4-2500 § 109 Nr. 13 – Rn. 9 bzw. des 3. Senats vom 18. September 2008 – Az. B 3 KR 15/07 R – SozR 4-2500 § 109 Nr. 11 – Rn. 10) statthaften (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist hier ein von der Klägerin konkret bezifferter Anspruch auf die zusätzliche Zahlung einer Krankenhausvergütung in Höhe von 2.510,74 €.

2.

18

Die Klage ist begründet, denn die hier streitige Krankenhausbehandlung der Versicherten D. in der Zeit vom 5. Juni bis zum 15. Juni 2010 war auf der Grundlage der Fallpauschale DRG G13Z mit einem Betrag in Höhe von insgesamt 5.090,86 € zu vergüten, so dass sich unter Berücksichtigung der unstreitig erfolgten Verrechnung ein Anspruch auf Restzahlung in Höhe von 2.510,74 € errechnet.

a)

19

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist hier § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen - Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG - und der Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2010 sowie dem Vertrag über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen der Krankenhausgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern e.V. (KGMV) und den Landesverbänden der Krankenkassen i.d.F. des Schiedsspruchs vom 4. Mai 2004 und dem Vertrag zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung zwischen der Krankenhausgesellschaft KGMV und den Landesverbänden der Krankenkassen vom 7. April 1999. Danach entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser i.S. des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird (vgl. BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1 S 3; BSGE 90, 1, 2 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3 S 20).

20

Bei der Klägerin handelt es sich um ein zugelassenes Krankenhaus i.S. des § 108 SGB V, die Patientin D. war während der Dauer der streitigen Krankenhausbehandlung unstreitig bei der Beklagten versichert, und sie bedurfte ohne Zweifel einer Krankenbehandlung mit den Mitteln eines Krankenhauses, weil das Behandlungsziel nicht durch eine teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenbehandlung erreicht werden konnte (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V).

b)

21

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nr. 1 bis 7 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Streitig ist hier die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) i.V.m. der auf der Grundlage des § 9 KHEntgG und § 17b KHG abgeschlossenen Fallpauschalenkatalog für das Jahr 2010, welcher einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge enthält.

22

Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG) geordnet. Dabei erfolgt die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG – insoweit folgt die Kammer der ständigen Rechtsprechung des BSG (grundlegend in dem Urteil vom 18. September 2008 - Az.: B 3 KR 15/07 R = SozR 4-2500 § 109 Nr. 11 - Rn. 15) - in zwei Schritten: In einem ersten Schritt werden die Diagnosen nach der Deutschen Version der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision Version 2006 (ICD-10-GM) sowie die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des BMG herausgegebenen "Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V" (OPS-301) verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V) . Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene "Kodierrichtlinien" (Deutsche Kodierrichtlinien - DKR - Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren) beschlossen. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der Fallgruppenzuordnung (DRG-Zuordnung) liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde. Auf der Basis eines "Entscheidungsbaumes" wird anhand verschiedener Kriterien eine exakte DRG-Zuordnung vorgenommen. Zur Einstufung in die jeweils abzurechnende DRG werden Software-Programme (Grouper) eingesetzt, die vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), einer Einrichtung der Selbstverwaltungspartner, zertifiziert sind. In diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus eingegebenen Kode nach dem OPS-301 eine bestimmte DRG angesteuert.

23

Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die DKR, und der ICD-10-GM in der vom DIMIDI der für das Jahr 2010 herausgegebenen Version. Diese sind nach der ständigen Rechtsprechung des BSG streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben und lassen keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen (st. Rspr., grundlegend im bereits vorgenannten Urteil vom 18. September 2008, a.a.O., Rn. 18).

24

Die korrekte Kodierung einer vollstationären Krankenhausbehandlung ist danach dem Grunde nach von der Beantwortung folgender fünf Fragen abhängig (vgl. hierzu das von dem DIMIDI herausgegebenen Informationsbroschüre „Basiswissen Kodieren, Eine kurze Einleitung in die Anwendung der ICD-10-GM und OPS“, Stand 2010, Seite 24 - 30):

25

- Weshalb wurde der Patient/die Patientin aufgenommen und hauptsächlich behandelt (Stichwort Hauptdiagnose)?

26

- Welche Behandlung dieser Diagnose wurde durchgeführt und ist diese verschlüsselbar (Stichwort Prozedur)?

27

- Hatte der Patient/die Patientin noch weitere Erkrankungen, die während des Aufenthalts einer Behandlung bedurften (Stichwort Nebendiagnosen)?

28

- Gab es zusätzliche Faktoren (z.B. Behinderungen, Funktionseinschränkungen etc.), die die Versorgung des Patienten/der Patientin erschwert haben (Stichwort weitere Nebendiagnosen)?

29

- Hat der Patient/die Patientin noch andere relevante kodierbare Behandlungen erhalten (Stichwort weitere Prozeduren)?

c)

30

Streitig und für die Abrechenbarkeit der von der Klägerin zugrunde gelegten Fallpauschale entscheidungserheblich ist vorliegend die Kodierbarkeit der streitige Nebendiagnose T83.5 (Infektion und entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt), die hier nach der von den Selbstverwaltungspartnern bestimmten Entscheidungslogik (dem sog. Entscheidungsbaum) insoweit erlöswirksam ist, als sie zusammen mit den hier unstreitigen Parametern statt der vom MDK favorisierten Fallpauschale G21B die höher bewertete Fallpauschale G13Z auslöst.

31

Die Deutschen Kodierrichtlinien bestimmen, ob und welche Nebendiagnosen für die Abrechnung zusätzlich zur Hauptdiagnose zu kodieren sind. Nach den Vorgaben der DKR 2010 ist dies dann der Fall, wenn die fragliche Diagnose zu kodieren ist und sich auf das Versorgungsgeschehen tatsächlich im Sinne eines zusätzlichen Aufwands ausgewirkt, d.h.,wenn sie für das Versorgungsgeschehen tatsächlich bedeutsam geworden ist (BSG, Urteil vom 25. November 2010 – B 3 KR 4/10 R = SozR 4-2500 § 109 Nr. 21., Rn. 16ff; vgl. auch zuletzt das Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 13/14 R = SozR 4-5560 § 17b Nr. 6, Rn. 17). In dem hier maßgeblichen Abschnitt D003i der DKR 2010 (Seite 10) wird nämlich der Begriff Nebendiagnosen als "eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt" definiert. Weiter heißt es dort:

32

„Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist:

33

•therapeutische Maßnahmen
•diagnostische Maßnahmen
•erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand

34

Bei Patienten, bei denen einer dieser erbrachten Faktoren auf mehrere Diagnosen ausgerichtet. ist, können alle betroffenen Diagnosen kodiert werden. Krankheiten, die durch den Anästhesisten während der präoperativen Beurteilung dokumentiert wurden, werden nur kodiert, wenn sie den oben genannten Kriterien entsprechen. Sofern eine Begleitkrankheit das Standardvorgehen für eine spezielle Prozedur beeinflusst, wird diese Krankheit als Nebendiagnose kodiert. Anamnestische Diagnosen, die das Patientenmanagement gemäß obiger Definition nicht beeinflusst haben, wie z.B. eine ausgeheilte Pneumonie vor 6 Monaten oder ein abgeheiltes Ulkus, werden nicht kodiert".

35

Drüber hinaus wird unter der Überschrift „Abnorme Befunde“ (Seite 12) klargestellt, dass „Abnorme Labor-, Röntgen-, Pathologie- und andere diagnostische Befunde“ nicht kodiert werden, „es sei denn, sie haben eine klinische Bedeutung im Sinne einer therapeutischen Konsequenz oder einer weiterführenden Diagnostik (nicht allein Kontrolle der abnormen Werte)“.

36

Im Anschluss an das Urteil des BSG vom 25. November 2010 (a.a.O., Rn. 17), dem eine sprachlich gleiche Fassung der Definition einer Nebendiagnose in den DKR zugrunde gelegen hat, sind danach nur solche Nebendiagnosen (Begleiterkrankungen und andere Versorgungsbesonderheiten) zusätzlich zur Hauptdiagnose kodierfähig, deren Versorgung weitere und in Bezug auf die Haupterkrankung nicht gebotene Leistungen des Krankenhauses ausgelöst haben. Hauptdiagnose in diesem Sinne ist nach den DKR 2010 "die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist" (vgl. Abschnitt D002f, Seite 4). Sind gemessen an dem hieraus sich ergebenden Versorgungsbedarf wegen einer Nebenerkrankung zusätzliche Leistungen zu erbringen, so rechtfertigt dies die Kodierung der entsprechenden Nebendiagnose. Maßstab hierfür ist jedenfalls bei Operationen nach den DKR 2010 die "Abweichung von dem Standardvorgehen für eine spezielle Prozedur" (vgl. Abschnitt D003i, Seite 10). Erfordert also eine Begleiterkrankung besondere Leistungen der Diagnostik, der Therapie oder der Betreuung/Pflege und wirkt sie sich somit im "Patientenmanagement" aus, so ist das für die Kodierung bei operativ zu versorgenden Haupterkrankungen beachtlich, wenn die Erbringung dieser Leistungen in der von der Fallpauschale für die Haupterkrankungen abgedeckten Standardversorgung nicht vorgesehen ist.

d)

37

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Erwägungen ist die Kammer nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon überzeugt, dass die Klägerin den Abrechnungsfall zutreffend mit der Nebendiagnose T83.5 verschlüsselt hat. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

aa)

38

Es unterliegt vorliegend keinen Zweifeln, dass die bei der prästationären Vorstellung zur OP-Vorbereitung am 25. Mai 2010 im Urin der Versicherten festgestellte Infektion mit einer jeweils signifikanten Keimbesiedelung mit Staphylococcus aureus, Enterococcus faecalis und Citrobacter freudii eine Begleiterkrankung war, welche aufgrund der Notwendigkeit der Austestung verschiedener Antibiotika und deren anschließende Gabe einen maßgeblichen zusätzlichen Ressourcenverbrauch für die geplante operative Revision des Bauchwandbruchs (Herniotomie) verursacht hat. Die medizinische Notwendigkeit dieser zusätzlichen Leistung hat der Gerichtssachverständige schlüssig und überzeugend damit begründet, dass der Urin nicht infiziert sein darf, da während der geplanten Herniotomie ein ständiger Kontakt des Urins, welcher über das Conduit kontinuierlich gefördert wird, mit dem OP-Feld besteht. Dies wird weder von der Gutachterin des MDK noch von der Beklagten in Frage gestellt, sodass die im Urin festgestellte Infektion dem Grunde nach als Nebendiagnose kodierfähig war.

bb)

39

Entgegen der übereinstimmenden Auffassung der Beklagten und der Gutachterin des MDK ist die Kodierung der Subkategorie T83.5 auch medizinisch wie klassifikatorisch korrekt und mit den Vorgaben der DKR bzw. des ICD-10-GM Version 2010 vereinbar.

40

Ausgangspunkt für die von der Kammer als zutreffend erachtete Verschlüsselung ist nach den im Anhang A zu den DKR 2010 enthaltenen Grundregeln zur Verschlüsselung die Feststellung der Art der Angabe, die verschlüsselt werden soll, und der Zugriff auf den entsprechenden Teil des Alphabetischen Verzeichnisses der ICD-10-GM 2010. Handelt es sich – wie hier bei der im Urin festgestellten Infektion – um eine Krankheit oder Verletzung oder um einen sonstigen in den Kapiteln I – XIX oder XXI zu klassifizierenden Zustand, ist der Teil 1 des alphabetischen Verzeichnisses zu berücksichtigen. Die Richtigkeit der ausgewählten Schlüsselnummer ist danach durch einen Rückgriff auf das Systematische Verzeichnis des ICD-10-GM zu überprüfen. Bei der Auswahl der zutreffenden Kategorie gilt der Grundsatz, dass „so spezifisch wie möglich zu verschlüsseln ist“; wobei die Organmanifestation einer Allgemeinkrankheit (d.h. einer Erkrankung, die nicht ein einzelnes Organ, sondern den ganzen Organismus betrifft) nicht über die Lokalisation, sondern primär über die Allgemeinerkrankung kodiert werden muss (vgl. Nr. 2 der Verschlüsselungsanleitung zur ICD-10-GM Version 2010).

41

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Vorgaben ist festzustellen, dass unter Beachtung der im Teil 1 des Alphabetischen Verzeichnisses aufgeführten Stichwörter sowohl eine „Infektion durch Harnorgantransplantat“ als auch eine „Infektion durch Blasenapparat“ mit der von der Klägerin favorisierten Kategorie T83.5 zu verschlüsseln ist, während eine – wie sich dem dortigen Zusatz „a.n.k.“ ergibt (vgl. hierzu die Ausführungen unter dem Punkt „Methodik und Erarbeitung“ in der Einführung in das Alphabetische Verzeichnis zur ICD-10-GM 2010, S. 10) – eine andern Orts nicht klassifizierte „bakterielle Infektion der Harnwege“ mit der von der Beklagten favorisierten Kategorie N39.0 zu verschlüsseln wäre. Hieraus ist nach Auffassung der Kammer der Schluss zu ziehen, dass bei einer durch Harnorgantransplantat verursachten Infektion in diesem Fall ein Vorrang der Kodierung der Subkategorie T83.5 besteht.

42

Dieser Vorrang wird auch durch einen Rückgriff auf das Systematische Verzeichnis des ICD-10-GM 2010 bestätigt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass den Kernbereich der 22 Kapitel des ICD-10-GM die organspezifischen Krankheiten bilden, die - geordnet nach der Lokalisation – in den Kapiteln 3 bis 14 aufgeführt sind. Soweit sich manche Erkrankungen keinem spezifischen Organ zuordnen lassen, sind sie zur besseren Übersichtlichkeit der ICD in bestimmten Kapiteln zusammengefasst. Es ist deshalb dem Grunde nach nicht zu beanstanden, dass die Gutachterin des MDK zunächst geprüft hat, ob die im Urin der Versicherten festgestellte Infektion mit einem Diagnoseschlüssel des XIV. Kapitels des ICD-10-GM zu kodieren war, in dem die Krankheiten des Urogenitalsystems mit den Schlüsselnummern N00 – N99 enthalten sind. Die von der Beklagten und dem MDK favorisierte Subkategorie N39.0 (Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bekannt) ist Teil der Kategorie N39.- (Sonstige Krankheiten des Harnsystems), welche wiederum Teil der Gruppe N30-N39 (Sonstige Krankheiten des Harnsystems) ist.

43

Die Beklagte und die Gutachterin des MDK haben jedoch bei der von ihnen für zutreffend erachteten Kodierung der Subkategorie N39.0 als Nebendiagnose nicht hinreichend beachtet, dass dem diesem Kapitel vorangestellten Vorspann unter Rubrik „Exklusivum“ (Exkl.) u.a. auch die Information zu entnehmen ist, dass Erkrankungen, die mit einem Kode nach dem Kapitel XIX „Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)“ klassifiziert sind, nicht mit einer Kategorie des XIV. Kapitels verschlüsselt werden dürfen. Unter Berücksichtigung der Kodierregel D013c enthaltenen Vorgaben, welche ausweislich ihrer Überschrift die im Systematischen Verzeichnis verwendete formale Vereinbarungen enthält, handelt es sich nämlich bei den im Kapitelvorspann unter dem Klassenattribut „Exkl.“ aufgeführten Ausschlussvermerken um Angaben über Krankheitszustände, „die selbst wenn der Titel der Rubrik vermuten lässt, dass sie an dieser Stelle zu klassifizieren wären – tatsächlich an anderer Stelle klassifiziert sind“. Unter dem Klassenattribut „Exkl.“ finden sich daher Informationen, wann ein Kode nicht anzuwenden ist oder was ein Kode nicht beinhaltet (vgl. das bereits oben angeführte Basiswissen Kodieren, S. 10). Die hier direkt nach dem Titel des XIV. Kapitels erfolgte Aufzählung von Ausschlussvermerken hat – sofern die dortigen Voraussetzungen erfüllt sind - zur Folge, dass der Ausschluss für alle im Kapitel enthaltenen Gruppen bzw. Kategorien und damit auch für die Subkategorie N39.0 Anwendung findet. Es ist daher dem Grunde nach nicht zutreffend, wenn die Gutachterin des MDK und die Beklagte hier offenbar von einem grundsätzlichen Vorrang der sog. organspezifischen Kodierung gegenüber der Kodierung eines sog. T-Kodes, d.h., einer Kategorie aus einer der im Kapitel XIX enthaltenen Gruppen ausgehen. Jedenfalls gilt dies nicht im vorliegenden Fall.

44

Ein solcher Vorrang ergibt sich hier auch nicht unter Berücksichtigung der in der Kodierregel D002f enthaltenen Vorgaben zur Kodierung von Erkrankungen bzw. Störungen nach medizinischen Maßnahmen, welche zum damaligen Zeitpunkt in den DKR 2010 ausdrücklich lediglich unter dem Oberpunkt „Hauptdiagnose“ aufgeführt worden waren. Diese Verschlüsselungsvorgaben befinden sich seit der Version der DKR für das Jahr 2013 nunmehr in der Kodierregel D015l und sind seitdem ausdrücklich sowohl für die Kodierung der Haupt- als auch der Nebendiagnose zu beachten. Die Kammer hat jedoch keine Bedenken, dass diese Vorgaben auch schon zum damaligen Zeitpunkt für die Kodierung von Nebendiagnosen gegolten haben, denn der in Anhang B der DKR 2013 enthaltenen Zusammenfassung der Änderungen gegenüber der Vorversion 2012 ist zu entnehmen, dass die entsprechende Anwendung des aus der DKR D2000 übernommenen Absatzes zur Kodierung von Erkrankungen bzw. Störungen nach medizinischen Maßnahmen auch für die Kodierung der Nebendiagnosen zur „Klarstellung“ erfolgte. Danach sind sowohl die in der dortigen Tabelle 1 enthaltenen Kodes für die spezifische Verschlüsselung von Erkrankungen bzw. Störungen nach medizinischen Maßnahmen ebenso wie die Kategorien T80-T88 „Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, andernorts nicht klassifiziert“ nur dann als Hauptdiagnose – respektive hier als Nebendiagnose – zu verschlüsseln, „wenn kein spezifischerer Kode in Bezug auf die Erkrankung bzw. Störung existiert oder die Verschlüsselung dieses spezifischeren Kodes durch ein Exklusivum der ICD-10-GM ausgeschlossen ist“. Zwar vertreten die Gutachterin des MDK und die Beklagte vorliegend die Auffassung, dass die im Urin festgestellte Infektion am spezifischsten mit der Subkategorie N39.0 verschlüsselt werden kann, so dass eine Verschlüsselung der Subkategorie T83.5 schon bereits unter Beachtung der vorgenannten Kodierregel ausgeschlossen sei. Es bedurfte hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung über die von der Beklagten und der Gutachterin des MDK vertretene Rechtsauffassung, weil hier die Verschlüsselung der Subkategorie N39.0 durch das im Vorspann des Kapitels XIV enthaltenen Exklusivum ausgeschlossen ist. Wie die nachfolgenden Darlegungen belegen, steht nämlich einer Verschlüsselung der Subkategorie T83.5 weder entgegen, dass es sich bei dem Ileumconduits nicht um ein Transplantat im Sinne der T83.5 handelt, noch fehlt es hier an der erforderlichen Kausalität des Transplantats für die unstreitig im Urin festgestellte Infektion und entzündliche Reaktion.

cc)

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Das Kapitel XIX der ICD-10-GM Version 2010 enthält ausweislich der im Kapitelvorspann enthaltenen Gliederung u.a. die Gruppe T80-T88, welche mit dem Klassentitel „Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, andernorts nicht klassifiziert“ überschrieben ist.

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Nach dem unter der Gruppenüberschrift enthaltenen Exklusivum ist zwar eine Verschlüsselung einer der nachfolgenden Kategorien dann ausgeschlossen, wenn eine „Inanspruchnahme medizinischer Betreuung wegen postoperativer Zustände, bei denen keine Komplikationen bestehen, wie z.B. „das Vorhandensein einer künstlichen Körperöffnung (Z93.-)“ erfolgt, ausgeschlossen. Hierunter fällt auch das bei der Versicherten vorhandene Ileumconduit, welches unter die Subkategorie Z93.6 das „Vorhandensein anderer künstlicher Körperöffnungen der Harnwege in Form eines Nephrostoma, Ureterostoma und Urethrostoma“ zu subsumieren ist. Es ist vorliegend jedoch nicht zweifelhaft, dass die Inanspruchnahme der medizinischen Betreuung nicht allein auf dem Vorhandensein einer komplikationsfreien künstlichen Körperöffnung beruht, sondern dass sowohl die geplanten operativen Revision eines Bauchwandbruches als auch die zuvor im Urin festgestellte Infektion eine Komplikation der im Jahre 2003 operativ erfolgten Entfernung der Harnblase und einer neu angelegen Harnleitung mittels Ileumconduit darstellt. Entgegen der von der Beklagten zuletzt vertretenen Auffassung bezeichnet man in der Medizin als Komplikation eine unerwünschte Folge einer Krankheit, eines Unfalls, eines Eingriffs oder eines Medikaments, die nicht im engeren Sinn zum Krankheitsbild gehören (vgl. die bei Wikipedia abgerufene Definition). Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es dabei nicht darauf an, dass es sich um einen „unvorhergesehenen“ Umstand handeln muss. Zu den möglichen Risiken und Komplikationen nach Anlage einer künstlichen Harnableitung mit Hilfe eines Ileumconduits zählen neben einem Bauchbruch (Hernie) auch das Auftreten von Harnwegsinfektionen (vgl. die Ausführungen bei Wikipedia unter dem Begriff „Uro- stoma“). Insoweit verweist die Klägerin letztlich zu Recht auf die Tatsache, dass die bereits in den beiden Klassentiteln der Kategorie T83.- und der Subkategorie T83.5 enthaltenen Informationen ein Indiz dafür sind, dass es sich bei dem Vorhandensein einer Infektion und entzündlichen Reaktion u.a. durch Transplantat um eine Komplikation im Sinne der ICD-10-GM handelt. Ebenso liegt hier auf der Hand und bedarf keinen weiteren Darlegungen der Kammer, dass die weiteren nach der Gruppenüberschrift unter dem Punkt „Exkl.“ enthaltenen Angaben einer Kodierung der Kategorie T83.5 nicht entgegenstehen.

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Die erste Kategorie der Gruppe T80-T88 beinhaltet ausweislich der Überschrift der T83.- „Komplikationen durch Prothesen, Implantate oder Transplantate im Urogenitaltrakt“. Für die Kammer bestehen trotz der entgegenstehende Meinung der Gutachterin des MDK, welcher sich die Beklagte vorbehaltlos angeschlossen hat, keine durchgreifenden Zweifel, dass das bei der Versicherten angelegte Ileumconduit unter den dort u.a. verwendeten Begriff „Transplantat im Urogenitaltrakt“ subsumiert werden kann. Dabei legt die Kammer die von der Gutachterin des MDK selbst mitgeteilten Definition eines Transplantats zugrunde, wonach es sich bei einem Transpantat um ein „transplantiertes (d.h. verpflanztes) oder zu transplantierendes Organ oder Gewebe…“ bzw. bei der Transplantation um die „Übertragung von Zellen, Geweben oder Organen auf ein anderes Individuum oder an eine andere Körperstelle zu therapeutischen Zwecken“ handelt (vgl. Gutachten der Dr. Paul vom 15. August 2014 auf Seite 7). Insoweit besteht eine volle Übereinstimmung zu den Feststellungen des Gerichtssachverständigen, der auf Bl. 4 seines Gutachtens ebenfalls davon ausgegangen ist, dass „Transplantate verpflanzte Organe, Gewebe oder Zellen“ sind. Unter Berücksichtigung dieser Definition steht für die Kammer ohne jeden Zweifel fest, dass ein Ileumconduit, bei dem es sich ausweislich der auf Seite 8 des MDK-Gutachtens vom 15. August 2014 enthaltenen Definition um eine operativ gebildete „inkontinente künstliche Harnableitung (sog. Urostoma) aus einem ausgeschalten Dünndarmsegment“ handelt, unter den Begriff eines Transplantates im Sinne der Kategorie T83.- bzw. der Subkategorie T83.5 fällt. Denn hier wurde zur Herstellung einer künstlichen Harnleitung körpereigenes Gewebe insoweit „verpflanzt“, als ein Stück des Dünndarms abgetrennt und in dieses stillgelegte Darmteil die beiden Harnleiter eingenäht, das Darmstück an einer Seite verschlossen und am anderen Ende als Stoma im Unterbauch ausgeleitet und leicht vorstehend in die Bauchdecke eingenäht wird.

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Dem steht hier nicht entgegen, dass einem Ileumconduit jegliche physiologische Harnblasenfunktion fehlt. Unabhängig davon, dass mit der Verwendung von Darmabschnitten zur Harnableitung ganz offensichtlich überhaupt möglich und beabsichtigt ist, die Funktion der Harnblase zu ersetzen, sondern dass ausweislich der Beantwortung der Beweisfrage 5 in dem Gerichtsgutachten vom 30. Juli 2015 mit Hilfe des Ileumconduits lediglich eine künstliche Verbindung zwischen den Harnleitern und der Oberhaut zur Ableitung des Harns in einen Stoma-Beutel geschaffen werden soll, verkennt die Gutachterin des MDK insoweit, dass die Verschlüsselung der Subkategorie T83.5 nicht nur auf „Organtransplantate“ beschränkt ist. Wie der Überschrift der Kategorie T83.- ebenso unzweifelhaft entnommen werden kann wie der Überschrift der Subkategorie T83.5 unterfallen diesen beiden Kategorien Komplikationen bzw. Infektionen und entzündliche Reaktion durch Transplantate „im Urigenitaltrakt“ bzw. durch Transplantat „im Harntrakt“. Die Kategorie ist also ganz offensichtlich nicht auf ein – hier nicht vorliegendes – Transplantat der Harnblase beschränkt, sondern umfasst nach seinem Wortlaut die Gesamtheit der Harnorgane, zu denen u.a. neben der Harnblase auch die anderen harnableitenden Organteile wie die Harnleiter (Ureter) bzw. Harnröhre (Urethra) zählen. Die beiden letztgenannten Teile des Harnorgans weisen unzweifelhaft nicht die von der Gutachterin des MDK genannten vier physiologischen Harnblasenfunktionen (Harnreservoir, Kontinenz, Harndrang, Harnentleerung) auf, sondern dienen wie das Ileumconduit ebenfalls nur der reinen Ableitung des Harns. Auch die bereits oben erwähnte Tatsache, dass in dem Alphabetischen Verzeichnis des ICD-10-GM 2010 die Erkrankung „Infektion durch Harnorgantransplantat“ enthalten ist, ist ein Indiz dafür, dass die in der Subkategorie T83.5 enthaltene Bezeichnung „Transplantat“ medizinisch nicht auf einen Ersatz der Harnblase beschränkt ist. Mit dieser Bewertung befindet sich die Kammer nicht nur in voller Übereinstimmung mit den Feststellungen des Gerichtssachverständigen Dr. C. (vgl. S. 4 seines Gutachtens vom 30. Juli 2015 bzw. seine ergänzende Stellungnahme vom 4. Februar 2016), sondern auch mit der von der Klägerin eingeholten Auskunft des Vorsitzenden des Arbeitskreises Versorgungsforschung, Qualitätsmanagement und Ökonomie der Deutschen Gesellschaft für Urologie und Chefarztes der Urologie im Klinikum Kassel Prof. Dr. XXX.

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Schließlich ist die Kammer mit an Sicherheit grenzenden – Wahrscheinlichkeit von dem Vorliegen des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem Vorhandensein eines Transplantat und der Entstehung einer Infektion und entzündlichen Reaktion überzeugt. Die Erforderlichkeit dieses Ursachenzusammenhangs folgt aus der Verwendung der Präposition „durch“ sowohl in der Bezeichnung der Kategorie T83.- als auch der Subkategorie T83.5. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es insoweit nicht darauf an, dass eine Erkrankung des Ileumconduits nicht beschrieben wird, denn mit der Subkategorie T83.5 wird nicht eine Erkrankung des Transplantates klassifiziert, sondern eine Erkrankung „durch Transplantat“. Entscheidend für den maßgeblichen Ressourcenverbrauch ist auch nicht eine Erkrankung des Ileumconduits, sondern die vom Gerichtssachverständigen mitgeteilte und von der Gutachterin des MDK nicht in Frage gestellte Tatsache, dass aufgrund des Vorliegens einer Infektion mit dem festgestellten Keimspektrum im Urin wegen des Kontakts des Urins mit dem OP-Feld die Gefahr einer Wundinfektion besteht. Erforderlich ist deshalb hier ein Ursachenzusammenhang zwischen der Anlage eines Ileumconduits und der Entstehung einer Harnwegsinfektion.

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Zur Bestimmung des ursächlichen Zusammenhangs ist hier nach Auffassung der Kammer auf die allgemein im Sozialrecht geltende Theorie der wesentlichen Bedingung zurückzugreifen, welche vom Bundessozialgericht für das Unfallversicherungsrechts entwickelt wurde (ausführlich hierzu G. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 7, Stand 30. Juni 2016, Rn. 28 ff, hier Rn. 33), aber beispielsweise auch im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Beurteilung der Frage, ob Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten Folge einer Krankheit ist, Anwendung findet (Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 44, Stand 30. Mai 2016, Rn. 77). Ursächlich (im Rechtssinne) sind hiernach nur diejenigen Bedingungen (im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne), die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Auf die zeitliche Reihenfolge kommt es nicht an. Um als „wesentlich“ begriffen zu werden, muss das schädigende Ereignis nicht alleinige oder überwiegende Bedingung sein. Vielmehr kann es mehrere rechtlich wesentliche Ursachen geben. Wenn mehrere Ursachen gemeinsam zu einem Schaden beigetragen haben (mitursächlich gewesen sind), können sie durchaus nebeneinander stehende Teilursachen im Rechtssinne sein. Die Betrachtung ist von einem ex post Standpunkt aus und im Gegensatz zur Adäquanztheorie anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale vorzunehmen (G. Wagner, a.a.O., Rn. 33 bzw. 34 m.w.N.).

51

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Vorgaben ist zwar in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Gutachterin des MDK festzustellen, dass Harnwegsinfektionen medizinisch gesichert durch Bakterien verursacht werden; wobei die Infektionen allgemein meist durch Bakterien entstehen, die über die Harnröhre aufsteigen (vgl. z.B. die Beschreibung der Krankheitsentstehung bei Wikipedia unter den Stichworten „Bakteriurie“ bzw. „Uro-stoma“). Soweit die Gutachterin des MDK jedoch hieraus den Schluss zieht, dass damit „die dem Kode T83.5 innewohnende Kausalität nicht erfüllt sei“, verkennt sie, dass die Anlage eines Ileumconduits ebenfalls eine Bedingung ist, die hier nicht hinweggedacht werden kann, ohne das der Erfolg entfiele, und die damit desgleichen ursächlich im naturwissenschaftlichen- philosophischen Sinne ist. Denn das Vorhandensein eines Ileumconduits begünstigt in besonderer Weise das Vorhandensein von Bakterien im Urin und ist damit jedenfalls eine wesentliche Mitursache für die Erkrankung an einer Harnwegsinfektion, die dadurch entsteht, dass die Erreger die körpereigenen Abwehrmechanismen überwinden, sich signifikant vermehren und hierdurch eine Reaktion des Immunsystems hervorrufen (vgl. die Ausführungen zur Entstehung einer Harnwegsinfektion bei Wikipedia unter den Stichworten „Bakteriurie“ und „Harnwegsinfektion).“

52

Die wesentliche Mitwirkung an der Entstehung einer Harnwegsinfektion beruht einerseits auf der vom Gerichtssachverständigen beschriebenen Tatsache, dass Darmstücke, auch wenn sie zur Harnableitung Verwendung finden, meistens mit Bakterien und Leukozyten besiedelt sind, die im Urinstatus nachweisbar sind. Auch dem Gutachten der Dr. XXX vom 15. August 2014 kann entnommen werden, dass es durch die Verwendung von Darmabschnitten zur Harnableitung unabhängig vom verwendeten Darmsegment und Einpflanzungstechnik der Harnleiter zwangsläufig zur Keimbesiedelung kommt (s. 9 des MDK-Gutachtens). Dem steht hier nicht entgegen, dass die Gutachterin des MDK zu Recht anführt, dass eine physiologische Bakteriurie (= zu vernachlässigendes Vorhandensein von Bakterien im Urin) von dem hier signifikanten Vorhandensein hoher Keimzahlen im Sinne eines Harnwegsinfektes und klinischen Infektzeichen zu trennen ist. Dies gilt auch für die von der Gutachterin mitgeteilte Tatsache, dass Harnwegsinfektionen völlig unabhängig vom Vorhandensein jeglicher Harnableitungen entstehen können. Denn auch die Gutachterin des MDK hat eingeräumt, dass ein vorhandenes Ileumconduit wegen der Nähe zur Hautoberfläche und Manipulation mit Basisplatte und Urinauffangbeutel eine Harnwegsinfektion begünstigen kann (Gutachten der Dr. XXX vom 15. August 2014, S. 10). Auch der Beschreibung von möglichen Risiken und Komplikationen bei Wikipedia unter dem Stichwort „Urostoma“ kann entnommen werden, dass die Anlage eines Conduits das Potential für das Aufsteigen von krankheitsauslösenden Keimen von der äußeren Haut zum Nierenbecken biete. Dies wird auch von der Beklagten in dem letzten Schriftsatz bestätigt, wonach sich in der Literatur nachlesen ließe, dass „immer im Zusammenhang mit der Versorgung durch ein Ileumconduit besonders auf die Entwicklung eines Harnwegsinfektes geachtet werden müsse“. Nach alledem ist festzustellen, dass mit der Anlage eines Ileumconduits ganz offensichtlich ein vielfaches höheres Risiko für die Entstehung eine Harninfektion durch Bakterien besteht, als ohne eine solche künstliche Harnableitung. Hieraus zieht die Kammer den Schluss, dass im vorliegenden Fall die Anlage eines Ileumconduits jedenfalls eine wesentliche Mitursache für den hier festgestellten Nachweis typischer Bakterien in signifikanten Keimanzahl einschließlich Leukozyten (= Entzündungszellen) im Urin darstellt; zumal andere Ursachen für das hier signifikant vermehrte Vorhandsein von Bakterien und Leukozyten nicht ersichtlich und auch von der Gutachterin des MDK nicht vorgetragen worden sind.

3.

53

Die Begründetheit des Zinsanspruchs ergibt sich § 17 Abs. 3 des Landesvertrages Krankenhausbehandlung M-V und berücksichtigt die unstreitige Tatsache, dass die Beklagte am 21. Juli 2011 eine vollständige Verrechnung und Überweisung des von ihr nur für begründet gehaltenen Betrages von 2.580,30 € vorgenommen hat

4.

54

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO; sie entspricht dem Ergebnis der Hauptsache. Das Rechtsmittel der Berufung bedurfte hier gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klage eine Geldleistung von mehr als 750,00 € beträgt, keiner ausdrücklichen Zulassung durch das Sozialgericht.

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