Urteil vom Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz - VGH B 6/98, VGH B 5/98

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Tenor

Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Tatbestand

I.

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Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage, ob der Beschwerdeführer von der Finanzverwaltung die namentliche Bekanntgabe von Informanten verlangen kann.

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1. Der Beschwerdeführer ist als Notar tätig. Anfang der 80er Jahre geriet er in  den Verdacht, sich der Steuerhinterziehung schuldig gemacht zu haben. Nach den  Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz wurde der damalige  Leiter der Steuerabteilung des Ministeriums der Finanzen, Ministerialdirigent  ..., von einer in seinen Diensträumen erschienenen Person über angeblich  steuerrechtlich unkorrekte Verfahrensweisen des Beschwerdeführers, nämlich das  "Splitten von einheitlichen Verträgen zum Zwecke der Einsparung von  Grunderwerbsteuer", informiert und benachrichtigte davon den damaligen Vorsteher des Finanzamtes Koblenz. Dieser fertigte einen handschriftlichen Vermerk mit dem - von Herrn ... später als sinngemäß zutreffend bezeichneten - Inhalt, bestimmte, vom Beschwerdeführer beurkundete Verträge seien "frisiert" und  "oberfaul".

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In der Folgezeit kam es zur Nachbesteuerung eines der Mandanten des Beschwerdeführers. Gegen den Beschwerdeführer wurde ein Strafverfahren wegen  Hinterziehung von Grunderwerbsteuer eingeleitet, aber schließlich, nachdem das  Schöffengericht ihn verurteilt, das Landgericht ihn teilweise freigesprochen und  das Oberlandesgericht Koblenz dieses Urteil u.a. wegen eines Aufklärungsmangels  bezüglich des Freispruchs aufgehoben hatte, gemäß § 153 a Abs. 2 StPO gegen eine Geldauflage von 100.000,00 DM eingestellt.

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Der Beschwerdeführer verlangte daraufhin, ihm mitzuteilen, wer ihn beim  Finanzministerium und bei dem Finanzamt denunziert habe und verfolgte beide  Auskunftsbegehren nach Ablehnung durch die Finanzbehörden im Klageweg weiter. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen abgewiesen. Die vom Beschwerdeführer eingelegten Berufungen hat das Oberverwaltungsgericht durch die hier angegriffenen Urteile vom 16. September 1997 zurückgewiesen.

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Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der  Beschwerdeführer habe keinen Anspruch auf Benennung der betreffenden  Informanten. Der gemäß § 18 Landesdatenschutzgesetz dem Grunde nach bestehende  Auskunftsanspruch sei hier entfallen, weil die Auskunft die ordnungsgemäße  Erfüllung der behördlichen Aufgaben gefährden würde. Die Finanzbehörden seien  auf Informanten angewiesen; das Interesse an deren Geheimhaltung überwiege im  vorliegenden Fall das Auskunftsinteresse des Beschwerdeführers. Denn einerseits  gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass der oder die Informanten wider besseres  Wissen oder leichtfertig falsche Behauptungen aufgestellt hätten. Andererseits  gelte der Beschwerdeführer nach der Einstellung des Strafverfahrens vor dem  Gesetz als unschuldig; seine berufliche Existenz sei nicht zerstört und auch  nicht schwer beeinträchtigt worden. Auch eine etwaige Rechtsverfolgung gegen den  oder die Informanten vor den Straf- oder Zivilgerichten verleihe dem  Auskunftsinteresse kein ausschlaggebendes Gewicht. Eine solche Rechtsverfolgung  hätte nämlich schon wegen der mittlerweile eingetretenen Verjährung keine  hinreichende Erfolgsaussicht.

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Gegen die Nichtzulassung der Revision in beiden Urteilen des  Oberverwaltungsgerichts hat der Beschwerdeführer erfolglos Beschwerden zum  Bundesverwaltungsgericht eingelegt; beide Beschwerden wurden als unzulässig  verworfen.

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2. Nach Zustellung beider Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts am 16. März  1998 hat der Beschwerdeführer am 16. April 1998 Verfassungsbeschwerden gegen die  zugrunde liegenden Urteile des Oberverwaltungsgerichts erhoben und geltend  gemacht: Die Entscheidungen verletzten sein Grundrecht auf informationelle  Selbstbestimmung, welches Art. 1 Abs. 1 der Landesverfassung als Teil des  allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleiste. Der Anspruch des Betroffenen auf  Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten entfalle nur, soweit die  Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der behördlichen Aufgaben gefährde. Diese  Gefährdung habe das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall zu Unrecht  bejaht. Im Gegensatz zu Fällen schwerer Kriminalität seien im steuerlichen  Bereich die Behörden auf anonyme Informanten nicht angewiesen. Davon abgesehen  sei auch nicht erkennbar, dass diese Erkenntnisquelle versiegen würde, wenn den  Informanten die Geheimhaltung nicht garantiert werden könnte. Hier stehe noch  nicht einmal fest, dass die Person, die angeblich seinerzeit Herrn ...  informiert habe, auf die Geheimhaltung ihrer Identität noch Wert lege; insoweit  hätte die Finanzverwaltung sich durch Nachfrage vergewissern müssen. Abgesehen  davon verdiene der Informant aber auch deshalb keinen Schutz, weil er  leichtfertig falsche Verdächtigungen ausgesprochen habe. Der in dem Wort  "frisieren" ausgedrückte Vorwurf einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung habe  sich im Strafverfahren in keiner Weise bewahrheitet. Das Ministerium der Justiz hat sich im Einvernehmen mit dem Ministerium der  Finanzen wie folgt geäußert: Die Verfassungsbeschwerden seien unbegründet. Die  Steuerbehörden seien auf Informanten angewiesen; diese würden abgeschreckt, wenn  sie mit der Aufdeckung ihrer Identität rechnen müssten. Das öffentliche  Interesse überwiege hier das Interesse des Beschwerdeführers, zumal keine  Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die den Behörden übermittelten Informationen  wider besseres Wissen oder leichtfertig geäußert worden seien.  Ministerialdirigent a.D. ... habe auf Rückfrage bestätigt, dass sein Informant  uneingeschränkte Anonymität gewünscht habe und ihm diese auch zugesagt worden  sei.

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Der Landesbeauftragte für den Datenschutz hält die Verfassungsbeschwerden  ebenfalls für unbegründet: Die Behörden seien grundsätzlich  geheimhaltungspflichtig bezüglich der Information, wer sie auf rechtswidriges  Verhalten Dritter hingewiesen habe. Denn der rechtskonform die Verwaltung  unterstützende Bürger sei vorrangig schutzwürdig gegenüber dem rechtsbrechenden  Bürger. Anderes gelte nur, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Informant die Behörde wider besseres Wissen oder leichtfertig falsch  unterrichtet oder in der Absicht gehandelt habe, dem Betroffenen rechtswidrig  Schaden zuzufügen. Diese Kriterien habe das Oberverwaltungsgericht zutreffend  erkannt und angewandt.

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3. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof hat der  Beschwerdeführer beantragt, die Verfassungsbeschwerdeverfahren auszusetzen, bis  in einem anschließenden Verfahren über einen noch zu stellenden Antrag, ihn von  seiner notariellen Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf den früheren  Ministerialdirigenten ... zu entbinden, entschieden sei. Zur Begründung hat er  ausgeführt, er werde nach der Entbindung von seiner Schweigepflicht im Einzelnen  darlegen und beweisen, dass Herr ... gegen ihn einen "persönlichen Rachefeldzug"  führe: Dieser habe einen erfundenen, in Wirklichkeit nicht existierenden  Informanten vorgeschoben, um ihn, den Beschwerdeführer, selbst beim Finanzamt  denunzieren zu können. Der Verfassungsgerichtshof hat den Aussetzungsantrag  abgelehnt.

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Die Akten des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz - 7 A12512/96.OVG und 7 A  10004/97.OVG - sowie die Strafverfahrensakten 105 Js (Wi) 15684/85 der  Staatsanwaltschaft Koblenz haben vorgelegen.

Entscheidungsgründe

II.

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1. Die Verfassungsbeschwerden, die der Verfassungsgerichtshof wegen des  weitgehend identischen Streitstoffs zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung  verbunden hat, sind zulässig. Der Beschwerdeführer hat den Rechtsweg erschöpft  (§ 44 Abs. 3 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof - LGVerfGH -),  indem er gegen die angegriffenen Urteile des Oberverwaltungsgerichts vorab  Nichtzulassungsbeschwerden zum Bundesverwaltungsgericht erhoben hat. Die  Beschwerdefrist (§ 46 Abs. 1 LGVerfGH) ist gewahrt: Obwohl sie an sich schon mit  der Zustellung der beiden angegriffenen Urteile des Oberverwaltungsgerichts zu  laufen begann, wurde sie durch die Beschwerdeentscheidungen des  Bundesverwaltungsgerichts, mit denen der Rechtsweg sich erschöpfte, neu in Lauf  gesetzt (s. VerfGH Rheinland-Pfalz, NJW 1995, 444).

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2. Die Verfassungsbeschwerden sind auch entscheidungsreif. Eine Aussetzung der Verfahren in entsprechender Anwendung des § 33 Abs. 1 BVerfGG, den der  Verfassungsgerichtshof mangels ausdrücklicher landesgesetzlicher Regelung seinem  Rechtsgedanken nach heranzieht, wäre nur in Betracht gekommen, wenn für seine  Entscheidung die Feststellungen oder die Entscheidung eines anderen Gerichts  hätten Bedeutung erlangen können. Dies ist nicht der Fall. Sollten in einem  anderen Verfahren - nach Entbindung des Beschwerdeführers von seiner notariellen  Verschwiegenheitspflicht - zusätzliche und von den bisherigen Feststellungen  abweichende Erkenntnisse über die Urheberschaft und den Ablauf der hier in Rede  stehenden Informationskette gewonnen werden, wären sie für die vorliegenden  Verfassungsbeschwerden ohne Belang. Da diese sich gegen die oben erwähnten  Urteile des Oberverwaltungsgerichts richten, ist insoweit grundsätzlich der  Sachstand im Zeitpunkt von dessen letzter mündlicher Verhandlung vom 02.  September 1997 maßgebend. Zudem waren die gemäß § 45 LGVerfGH zur Begründung der Verfassungsbeschwerden erforderlichen Angaben innerhalb der in § 46 Abs. 1  LGVerfGH vorgeschriebenen Beschwerdefrist zu machen. Die Andeutungen des  Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof  laufen aber auf keine bloße Ergänzung des bis dahin Vorgetragenen hinaus; weder  sind derartige Behauptungen in den Sitzungsniederschriften des Verwaltungsgerichts Koblenz und des Oberverwaltungsgerichts protokolliert, noch  hat der Beschwerdeführer sie in den betreffenden verwaltungsgerichtlichen  Verfahren schriftsätzlich erhoben. Die nunmehr beantragte Aussetzung soll  vielmehr dazu dienen, dem Verfassungsgerichtshof einen neuen Lebenssachverhalt  zur Entscheidung zu unterbreiten. Das aber wäre nach Ablauf der Frist des § 46  Abs. 1 LGVerfGH nicht mehr zulässig (s. auch BVerfGE 77, 275[282]; BayVerfGH,  Entscheidung vom 10. Juli 1998 - Vf. 130-VI-96 -).

III.

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Die Verfassungsbeschwerden sind nicht begründet. Die Urteile des  Oberverwaltungsgerichts, wonach der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf  Bekanntgabe des oder der Informanten hat, die sich seinerzeit mit steuerlich  relevanten Mitteilungen an das Finanzministerium und das Finanzamt wandten,  stehen mit der Landesverfassung in Einklang.

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1. Prüfungsmaßstab ist das durch Art. 1 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland- Pfalz - LV - geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches auch das  Grundrecht auf "informationelle Selbstbestimmung" umfasst. Dieses schützt den  Bürger gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten. Daraus ergeben sich auch Auskunftspflichten der Verwaltung gegenüber dem Bürger: Er hat grundsätzlich ein Recht zu erfahren, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß (grundlegend BVerfGE 65, 1  [43, 46]). Der verfassungsrechtlich anerkannte Auskunftsanspruch erstreckt sich  nicht nur auf den Inhalt personenbezogener Daten, sondern auch auf deren Quelle:  Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt auch denjenigen, der die  Ungewissheit über die Identität eines Informanten beseitigen möchte.  Dementsprechend bestimmt § 18 Abs. 1 Nr. 1 Landesdatenschutzgesetz - LDSG - (ebenso wie § 19 Abs. 1 Nr. 1 Bundesdatenschutzgesetz - BDSG -), dass dem  Betroffenen auf Antrag Auskunft zu erteilen ist über die zu seiner Person  gespeicherten Daten "auch soweit sie sich auf die Herkunft beziehen". In diesen so umschriebenen Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle  Selbstbestimmung greifen die Urteile des Oberverwaltungsgerichts ein, indem sie die von den Finanzbehörden gegenüber dem Beschwerdeführer ausgesprochene Auskunftverweigerung bestätigen.

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2. Der Eingriff ist aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das  allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 1 Abs. 1 LV ist nicht schrankenlos  gewährleistet. Der Einzelne muss vielmehr grundsätzlich Einschränkungen dieses  Rechts bei überwiegendem Interesse der Allgemeinheit hinnehmen. Dies ergibt sich  zwar nicht unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 Satz 2 LV, der die freie Entfaltung der  Persönlichkeit lediglich an die Schranken des Sittengesetzes und nicht - wie  Art. 2 Abs. 1 GG - zugleich auch an die Beachtung der Rechte anderer und der verfassungsmäßigen Ordnung bindet. Es folgt aber daraus, dass Art. 1 Abs. 2 LV  dem Staat die Verwirklichung des Gemeinwohls zur Aufgabe macht. Zu diesem  Gemeinwohlauftrag gehört es, die rechtlichen Interessen und Belange des  Einzelnen, Dritter und der Gemeinschaft gegeneinander abzugrenzen und zu  harmonisieren; sie verpflichtet zu einem Ausgleich der wechselseitigen Rechte  und Pflichten insbesondere nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

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Gerichtliche Entscheidungen, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht  beeinträchtigen, verletzten folglich Art. 1 Abs. 1 LV nur dann, wenn sie sich  nicht auf eine gesetzliche Grundlage stützen können, die ihrerseits den  Prinzipien der Verfassung entspricht, also insbesondere den Grundsatz der  Verhältnismäßigkeit wahrt, oder wenn eine diesen Anforderungen genügende  Regelung nicht in verfassungsgemäßer Weise, nämlich unter Beachtung des eingeschränkten Grundrechts, ausgelegt und angewandt worden ist (ständige Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 2 Abs. 1 GG: BVerfGE 7, 198 [206]; 95, 267  [306]). Diese Anforderungen sind hier gewahrt.

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a) Die gesetzliche Regelung, die den Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts  zugrunde liegt, ist mit der Landesverfassung vereinbar. Die Entscheidungen  stützen sich auf § 18 Abs. 1 und 3 LDSG. Zweck dieser gesetzlichen Neuregelung  aus dem Jahr 1994 war es, den Auskunftsanspruch gegenüber der bisherigen  Rechtslage wesentlich zu stärken und ihn damit zum zentralen Bestandteil des  Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung auszugestalten (s. dazu  Globig/Schuber, Kommentar zum Landesdatenschutzgesetz, in: Praxis der Gemeindeverwaltung, § 18 Anm. 1). § 18 Abs. 1 LDSG gewährleistet jetzt einen  stringenten, auch die Quellenangabe einschließenden Anspruch auf Auskunft, der  an keinen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum der Behörde mehr gebunden ist  und deshalb auch keine besondere Darlegung eines schützenswerten  Auskunftsinteresses mehr verlangt. Die Auskunftserteilung unterbleibt nur in den  in § 18 Abs. 3 LDSG abschließend genannten Ausnahmefällen, insbesondere soweit  die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der behördlichen Aufgaben (Nr. 1) oder  die öffentliche Sicherheit gefährden würde (Nr. 2) oder ein Geheimhaltungsbedürfnis wegen schutzwürdiger Interessen Dritter besteht (Nr. 3).

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Das Gesetz stellt damit sicher, dass die Verweigerung der Auskunft im Einzelfall  nur auf eine umfassende Güterabwägung zwischen dem Auskunftsinteresse einerseits  und den vorerwähnten Geheimhaltungsinteressen andererseits nach dem  Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gestützt werden darf. Inhaltlich unterscheidet  sich § 18 Abs. 3 LDSG nicht von § 19 Abs. 4 BDSG, dem die landesrechtliche  Regelung nachgebildet ist, der aber das Gewollte deutlicher zum Ausdruck bringt als sie: Danach unterbleibt die Auskunftserteilung, soweit einer der drei oben  bezeichneten Versagungsgründe vorliegt "und deswegen das Interesse des  Betroffenen an der Auskunftserteilung zurücktreten muß". Dieses gesetzliche  Abwägungsmodell ist verfassungskonform, weil es die widerstreitenden, jeweils  verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter (Transparenz für den Betroffenen,  sachgerechte und effektive Aufgabenerfüllung der öffentlichen Verwaltung,  Datenschutzrechte Dritter) zu einem angemessenen Ausgleich bringt.

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b) Die Auslegung und Anwendung des § 18 LDSG durch das Oberverwaltungsgericht  ist nicht zu beanstanden. Nach dessen Auffassung ist der Anspruch des  Beschwerdeführers auf Benennung des oder der Informanten im vorliegenden Fall  ausgeschlossen gemäß § 18 Abs. 3 Nr. 1 LDSG; die Entscheidungen sind begründet  mit einem das Auskunftsinteresse überwiegenden Geheimhaltungsinteresse der  Finanzbehörden. Dies hält verfassungsrechtlicher Nachprüfung stand.

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aa) Bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, namentlich bei der Verhinderung und  Aufdeckung von Straftaten, ist der Staat auf die Mithilfe seiner Bürger  angewiesen. Dies gilt keineswegs nur, wie der Beschwerdeführer meint, für Fälle schwerer Gewalt- und Rauschgiftkriminalität (einen solchen Fall betraf die Entscheidung BVerwGE 89, 14), sondern auch im steuerlichen Bereich: Die  Finanzbehörden sind dem Gebot gleichmäßiger Besteuerung verpflichtet; sie haben  die Aufgabe, die Steuergerechtigkeit zu fördern und der Steuerhinterziehung  entgegenzuwirken. Hierfür sind Informationen Dritter nicht nur hilfreich,  sondern häufig unentbehrlich. Oft erhalten die Finanzbehörden nur durch Hinweise  von Privatpersonen Kenntnisse über steuerlich relevante Sachverhalte, die andere  Personen betreffen. Dies zeigt auch der vorliegende Fall: Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hätten die Behörden ohne den oder die  Informanten auch hier von der steuerverkürzenden Handlung, die zur  Nachbesteuerung geführt hat, nichts erfahren. Müssten die Gewährsleute damit  rechnen, dass ihre Identität später preisgegeben wird, ließe aber die  Bereitschaft zur Informationserteilung insgesamt mit hoher Wahrscheinlichkeit  erheblich nach. Aus diesem Grund sind nach der Rechtsprechung des  Bundesfinanzhofs (BFHE 174, 197 = BStBl. 1994 II, S. 552) die Namen von  Informanten auch durch das Steuergeheimnis geschützt.

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Dem lässt sich nicht entgegenhalten, bei steuerlich relevanten Verdächtigungen  habe ein Informant im Falle seiner Benennung nicht um Leib und Leben zu fürchten  wie im Bereich der Gewaltkriminalität, sondern ihm drohe regelmäßig nur eine  Auseinandersetzung mit den Mitteln des Rechtsstaates. Gerade in steuerlichen  Angelegenheiten werden Informanten nicht selten aus dem privaten oder  beruflichen Umfeld des Betroffenen stammen (müssen) und gerade deshalb häufig  auf die strikte Wahrung ihrer Anonymität Wert legen. Die Preisgabe ihrer  Identität müsste auf diejenigen, die in entsprechender Lage über einschlägige Erkenntnisse verfügen, in der Regel abschreckend wirken und ließe die Bereitschaft der Bürger zur Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen insgesamt  sinken. Auskünfte über Gewährsleute gefährden deshalb grundsätzlich die  ordnungsgemäße Erfüllung der den Finanzbehörden obliegenden Aufgaben jedenfalls  dann, wenn die Gewährsleute den Schutz ihrer Anonymität ausdrücklich verlangten oder sonst den Umständen nach auf ihn rechnen konnten. Dies ist hier der Fall.

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Was zunächst die Person betrifft, die nach den Feststellungen des  Oberverwaltungsgerichts den damaligen Ministerialdirigenten ... in dessen  Diensträumen aufsuchte und über nach ihrer Auffassung steuerrechtlich unkorrekte  Verfahrensweisen des Beschwerdeführers unterrichtete, hat sie sich gegen die  Bekanntgabe ihres Namens ausdrücklich verwahrt. Das Ministerium der Finanzen hat  dies dem Beschwerdeführer bereits in dem die Auskunft ablehnenden Bescheid vom  06. Juni 1995 mitgeteilt und auch in der mündlichen Verhandlung vor dem  Verfassungsgerichtshof nochmals bestätigt, dass dieser Informant seinerzeit auf  uneingeschränkte, dauerhafte Vertraulichkeit Wert legte. Entgegen der Auffassung  des Beschwerdeführers bedurfte es keiner späteren Rückfrage mehr bei dem Informanten, ob er an seiner Anonymität immer noch festhalten wolle. Ein Zwang  zu solchen Nachfragen müsste die Hinweisgeber nachhaltig verunsichern, was, wie  schon gesagt, im Interesse der Erfüllung der behördlichen Aufgaben gerade  vermieden werden soll. Außerdem ist nicht zu verkennen, dass planmäßige,  zeitabschnittweise zu wiederholende Rückfragen die Erfassung der betreffenden  Namen und Anschriften (oder wenigstens der Telefonnummern) in Dateien bedingen  würde; allein schon dies wäre für die Geheimhaltung mit Risiken verbunden. Ein  Hinweisgeber, der sich vertraulich an eine Behörde wandte, wird deshalb  grundsätzlich ohne Anstoß von außen selbständig entscheiden müssen, ob und wie  lange er auf die Vertraulichkeit noch Wert legt.

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Entsprechende Überlegungen gelten auch für den Informanten des Finanzamts  Koblenz: Soweit es sich dabei (unzweifelhaft zumindest auch) um Herrn ... selbst  handelte, geht der Auskunftsanspruch ohnehin ins Leere; denn Herr ... hat die  Weitergabe der Information, mag er sie zunächst auch gegenüber dem  Beschwerdeführer bestritten haben, später ausdrücklich bestätigt. Sollte darüber  hinaus der vorerwähnte, dem Beschwerdeführer unbekannt gebliebene Informant des  Finanzministeriums auch dem Finanzamt unmittelbar Hinweise gegeben haben, steht  nach dem oben Gesagten fest, dass dieser sich die Wahrung seiner Anonymität  ausbedungen hat. Aber selbst für den Fall, dass noch eine dritte Person - weder  Herr ... noch dessen Informant - sich an das Finanzamt gewandt haben sollte,  durfte das Oberverwaltungsgericht ohne weiteres davon ausgehen, dass (auch) dieser Person an strikter Verschwiegenheit gelegen war. Das Geheimhaltungsinteresse ist, wie der Landesbeauftragte für den Datenschutz im  Einzelnen zutreffend dargelegt hat, nicht abhängig von einer ausdrücklichen  Bitte um vertrauliche Behandlung, sondern kann sich auch sonst aus den Umständen  des Falles erschließen. Im vorliegenden Fall lässt es sich schon daraus ersehen, dass diese Person während der gesamten Dauer des durch sie mit ausgelösten  Verfahrens ihre Identität bisher gerade nicht preisgegeben hat, obwohl das  Auskunftsverlangen des Beschwerdeführers in dessen persönlichem und beruflichem  Umfeld und darüber hinaus bekannt geworden ist.

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bb) Das behördliche Geheimhaltungsinteresse allein berechtigt allerdings nicht  zwangsläufig zur Auskunftsverweigerung. Die Auskunft unterbleibt vielmehr nur, soweit das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung wegen des  Geheimhaltungsgrundes zurücktreten muss. Im Rahmen dieser Güterabwägung hat das  Geheimhaltungsinteresse ein verfassungsrechtlich erhebliches Gewicht nur  innerhalb bestimmter Grenzen: Der Verleumdung, der üblen Nachrede oder auch der leichtfertig falschen Verdächtigung darf der freiheitliche Rechtsstaat nicht  Vorschub leisten.

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Zwar lässt der Umstand allein, dass eine den Behörden vertraulich erteilte Information letztlich nicht bewiesen werden kann oder sich gar als unrichtig erweist, das Geheimhaltungsbedürfnis hinsichtlich der Informationsquelle nicht entfallen, und zwar selbst dann nicht, wenn ein Irrtum des Informanten auf  leichter Fahrlässigkeit beruht. Denn die Behörden können die für ihre Aufgabenerfüllung unentbehrlichen Informationen Dritter nur erwarten, wenn nicht  schon jede geringe Nachlässigkeit des Informanten zu seiner Preisgabe führt  (ebenso BVerwGE 89, 14 [19]). Auch auf die Motive des Informanten kommt es  gerade in Steuerangelegenheiten nicht entscheidend an: Ob er aus Gerechtigkeitsgefühl oder aber aus weniger hehren Beweggründen gehandelt hat, ist für die Verwertung steuerlich relevanter Mitteilungen unerheblich. Denn der  Staat macht seinen Steueranspruch selbst dann zu Recht geltend, wenn die  Information, die die Finanzbehörde zum Tätigkeitwerden veranlasst hat, auf  moralisch verwerflichen Motiven beruhen sollte (BFHE 174, 197 = BStBl. 1994 II,  552 [554]; Hetzer, NJW 1985, 2991 [2992]).

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Dagegen entfällt das Geheimhaltungsbedürfnis regelmäßig dann, wenn ausreichende  Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Informant die Behörden wider besseres  Wissen oder leichtfertig falsch informiert hat. Personen, die andere in dieser Weise denunzieren, sind als Gewährsleute meist ungeeignet. Durch deren  Enttarnung werden sich deshalb andere, verlässliche Informanten von ihrer  Tätigkeit nicht abhalten lassen. Auch darf der Rechtsschutz des Betroffenen  gegen solche Denunzianten nicht behindert werden; sie zu schützen, entspräche  keinen vernünftigen rechtsstaatlichen Anliegen.

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Im vorliegenden Fall gibt es aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der oder die  Informanten gegenüber dem Finanzministerium und dem Finanzamt Koblenz wider  besseres Wissen oder leichtfertig falsche Angaben gemacht haben. Dagegen spricht  nicht nur, dass ein Mandant des Beschwerdeführers tatsächlich in größerem Umfang  Steuern nachzahlen musste. Vielmehr hatte das Oberverwaltungsgericht auch die  Erkenntnisse zu berücksichtigen, die in dem Strafverfahren gegen den  Beschwerdeführer selbst gewonnen worden sind. Wohl ist dieses Strafverfahren  nach § 153 a StPO eingestellt worden, so dass strafrechtlich von der Unschuld  des Beschwerdeführers auszugehen ist. Doch stand dies einer eigenständigen  Würdigung und Bewertung der Strafakten in dem nachfolgenden  verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht entgegen (s. BVerfG, NJW 1991, 1530  [1532]). Insofern ist von Belang, dass vor der Verfahrenseinstellung mehrere  Kollegialgerichte - nämlich das Schöffengericht Koblenz sowie im  Berufungsrechtszug das Landgericht Koblenz - Feststellungen getroffen hatten, die zumindest den äußeren Tathergang einer im Notariat des Beschwerdeführers  unterlaufenen Steuerverkürzung klar bestätigten und die als solche auch in dem  anschließenden Revisionsverfahren vom Oberlandesgericht Koblenz nicht  beanstandet worden sind. Dieser Verlauf des Strafprozesses zeigt, dass der oder die Informanten ihre Äußerungen gegenüber den Steuerbehörden nicht ins Blaue  hinein abgegeben hatten.

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Anhaltspunkte für eine leichtfertig falsche Verdächtigung des Beschwerdeführers  lassen sich auch nicht daraus ableiten, dass der Informant des  Finanzministeriums bestimmte, vom Beschwerdeführer beurkundete Verträge als  "frisiert" und "oberfaul" bezeichnet haben soll. Mit dieser Wortwahl hat sich  das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner Güterabwägung im Einzelnen auseinandergesetzt (s. S. 17 f. des Urteils 7 A 10004/97.OVG). Es hat erwogen,  ob darin ein "überschießender", leichtfertig über die eigentliche Bekundung dem  Informanten bekannter Tatsachen hinausgehender Vorwurf gelegen haben könnte,  diese Frage aber letztlich verneint: Es handele sich nur um eine drastische  umgangssprachliche Beschreibung einer bestimmten, als unkorrekt empfundenen  Verhaltensweise, aber nicht um eine darüber hinausgreifende Denunziation von  eigenständigem Gewicht. Gegen diese Bewertung ist - mit Blick auf den dem  Oberverwaltungsgericht unter Beachtung der grundrechtlich geschützten  informationellen Selbstbestimmung zuzubilligenden Wertungsrahmen -  verfassungsrechtlich nichts einzuwenden.

29

cc) Gegenüber dem beachtlichen Geheimhaltungsinteresse der Finanzbehörden hat  das Auskunftsinteresse des Beschwerdeführers geringeres Gewicht. Dieser war zwar  durch das gegen ihn durchgeführte Strafverfahren über einen langen Zeitraum  hinweg erheblichen Belastungen ausgesetzt. Andererseits gilt er aber, wie schon  erwähnt, nach der Einstellung jenes Strafverfahrens vor dem Gesetz als  unschuldig. Seine berufliche Existenz wurde nicht nachhaltig beeinträchtigt; er  ist weiter als Notar an seinem langjährigen Amtssitz tätig, und seine  Standesorganisation ist nicht gegen ihn vorgegangen. Soweit die Auskunft über  die Identität des oder der Informanten den Beschwerdeführer in die Lage  versetzen könnte, diese Personen straf- oder zivilrechtlich zur Rechenschaft zu  ziehen, hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass eine derartige  Rechtsverfolgung schon wegen der inzwischen eingetretenen Verjährung keine  Erfolgsaussichten hätte; diesen Feststellungen ist die Verfassungsbeschwerde  nicht entgegengetreten. Vor diesem Hintergrund ist die Güterabwägung, die das  Oberverwaltungsgericht durchgeführt hat, verfassungsrechtlich nicht zu  beanstanden.

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