Beschluss vom Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz - VGH B 6/14, VGH A 12/14

Gründe

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Die Verfassungsbeschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen (§ 15a Abs. 1 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof - VerfGHG -).

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Die Verfassungsbeschwerde „gegen diesen Aufdruck auf dem Wahlzettel“ (gemeint sind geschlechterparitätische Angaben sowie der Abdruck des Textes von Art. 3 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes - GG - auf dem Stimmzettel für die Kommunalwahlen am 25. Mai 2014) und damit, bei der gebotenen sachgerechten Auslegung dieses Vorbringens, unmittelbar gegen §§ 29 Abs. 2 Satz 1 und 2, 30 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 des Kommunalwahlgesetzes - KWG - ist zwar statthaft. Dies gilt auch für den als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 19a Abs. 1 VerfGHG zu begreifenden Antrag des Beschwerdeführers, dass dieser „Aufdruck (…) noch vor der Wahl im Mai 2014 aus von den Wahlzetteln gestrichen wird“. Der Beschwerdeführer kann insbesondere nicht auf die Wahlprüfungsbeschwerde nach Art. 82 Satz 2 der Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV - verwiesen werden. Dieser außerordentliche Rechtsbehelf (Glauben, in: Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 82 Rn. 18), der als lex specialis anderen Rechtsschutzmöglichkeiten vor dem Verfassungsgerichtshof, insbesondere auch der Verfassungsbeschwerde, zwar grundsätzlich vor geht (vgl. zu Art. 41 GG BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. August 2009 - 2 BvQ 50/09 -, NVwZ 2009, 1367), gilt nur für Wahlen zum Landtag. Die Möglichkeit, Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen kommunalrechtliche Wahlrechtsnormen zu erheben, bleibt hiervon daher unberührt (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. November 1960 - 2 BvR 536/60 -, NJW 1961, 19; Kammerbeschluss vom 18. November 1995 - 2 BvR 1953/95 -, NVwZ-RR 1996, 163).

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Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen des § 45 VerfGHG entsprechenden Weise begründet. Der Beschwerdeführer hat nicht hinreichend dargetan, inwieweit er sich durch die nach den §§ 29 Abs. 2 Satz 1 und 2, 30 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 KWG in den Stimmzettel für die Kommunalwahlen aufzunehmenden geschlechterparitätsbezogenen Angaben und den Abdruck des Textes von Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt sieht. Das Erfordernis hinreichender Begründung verlangt unter anderem, dass sich aus dem Vorbringen mit hinreichender Deutlichkeit die Beschwerdebefugnis ergibt. Die bloße verbale Behauptung einer Verfassungsrechtsverletzung genügt hierfür nicht (VerfGH RP, Urteil vom 14. November 1966 - VGH 5/66 -, AS 10, 100 [102]). Es ist vielmehr erforderlich, dass aus der Begründung der Verfassungsbeschwerde bei objektiver Beurteilung zumindest die Möglichkeit einer Verletzung der geltend gemachten Grundrechte erkennbar wird (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 16. August 1994 - VGH B 15/93 -, NJW 1995, 444 [445]). Dies umfasst auch die Darlegung, inwieweit der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die angegriffene Maßnahme in eigenen Rechten beeinträchtigt wird (VerfGH RP, Urteil vom 22. Juni 2004 - VGH B 2/04 -, AS 31, 348 [350]; Urteil vom 29. Januar 2007 - VGH B 1/06 -, AS 34, 169 [180]).

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Diesen Anforderungen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht. Der Beschwerdeführer trägt im Wesentlichen lediglich vor, andere Bevölkerungsgruppen könnten unter Berufung auf den Gleichheitsgrundsatz vergleichbare Aufdrucke erzwingen. Zudem erschwere es der Aufdruck, Frauen als Kandidatinnen für Gemeinderatswahlen zu gewinnen. Der Aufdruck stelle den „gezielten Versuch einer massiven Wahlbeeinflussung dar“ und sei deshalb „ein Verstoß gegen jede freie und unbeeinflusste Wahl“. Es liege der „Versuch einer gezielten Wahlbeeinflussung“ vor. Dem Beschwerdeführer wurde daher seitens des Verfassungsgerichtshofs Gelegenheit gegeben, sein Vorbringen zu vertiefen. Hierauf hat er allerdings erneut im Wesentlichen vorgebracht, dass er - so wörtlich - „großen Wert darauf lege, dass meine Argumentation als jeden Wähler, so auch mich persönlich betreffend, in vollem Umfang Anerkennung findet“. Allein der unrichtige Ablauf der Wahl treffe zu viele Wähler und fordere dazu heraus, Beschwerde einzulegen. Die Geltendmachung einer Verletzung nur objektiven Verfassungsrechts reicht zur Begründung einer rügefähigen Beschwer allerdings ebenso wenig aus wie ein bloß reflexhaftes Betroffensein des Beschwerdeführers. Eine Popularbeschwerde ist nach Art. 130a LV nicht vorgesehen (VerfGH RP, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - VGH B 1/01 -, AS 29, 207 [209]).

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Auch im Übrigen ist eine Verletzung eigener verfassungsmäßiger Rechte nicht substantiiert dargetan. Es mangelt der Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf die erhobenen Grundrechtsrügen an einer Auseinandersetzung mit der einfach-gesetzlichen Gesetzeslage und insbesondere den einschlägigen verfassungsrechtlichen Maßstäben (zu diesem Erfordernis vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Mai 2013 - 1 BvR 1083/09 -, NZS 2013, 621 f. m.w.N.). Für eine mögliche Verletzung der in Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV gewährleisteten Freiheit der Wahl (VerfGH RP, Urteil vom 11. Mai 1953 - VGH 2/52 -, AS 2, 171 [174]; Beschluss vom 24. Oktober 2001 - VGH B 1/01 -, AS 29, 207 [211]) durch die von ihm mit seiner Verfassungsbeschwerde angegriffenen Bestimmungen des Kommunalwahlgesetzes hat der Beschwerdeführer nicht substantiiert vorgetragen.

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Der Grundsatz der Freiheit der Wahl verlangt, dass jeder Wähler sein Wahlrecht ohne Zwang und Beeinflussung von außen ausüben kann und insbesondere auch vor Beeinflussungen geschützt wird, die geeignet sind, seine Entscheidungsfreiheit trotz bestehenden Wahlgeheimnisses ernstlich zu beeinträchtigen (VerfGH RP, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - VGH B 1/01 -, AS 29, 207 [211]). Daraus folgt nicht zuletzt das an den Staat gerichtete Verbot amtlicher Wahlbeeinflussung, das auch der konkreten Gestaltung des Stimmzettels Grenzen setzt (VerfGH RP, Urteil vom 18. September 2006 - VGH W 13, 19 und 23/06 -, AS 33, 311 [312 f.]). Auch insoweit ist den staatlichen und kommunalen Organen jede inhaltliche Einwirkung auf das individuelle Wahl- und Abstimmungsverhalten verwehrt (vgl. entsprechend BayVerfGH, Entscheidung vom 10. Juni 2013 - Vf. 19-VII-11 -, NVwZ-RR 2014, 81 [82 f.]).

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An einer Auseinandersetzung des Beschwerdeführers mit den mit seiner Verfassungsbeschwerde angegriffenen Bestimmungen des Kommunalwahlgesetzes anhand dieser verfassungsrechtlichen Maßstäbe des Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV fehlt es. Dabei hätte ein Eingehen auf die, für jeden frei zugänglichen, Gesetzesmaterialien, insbesondere auf die vom Gesetzgeber gegebene Begründung für die angegriffenen Normen (vgl. dazu LT-Vorlage 16/2325, S. 5 ff.; Plenarprot. 16/49, S. 2988 ff. sowie Laubinger, NVwZ 2014, 121 ff.), nahe gelegen.

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Mit der Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

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Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei. Eine Auslagenerstattung findet nicht statt (§ 21a Abs. 1 VerfGHG).

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