Beschluss vom Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz - VGH N 14/14, VGH B 16/14


Tenor

1. Artikel 1 Nummer 12, Nummer 13 und Nummer 24 des Sechzehnten Landesgesetzes zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes vom 8. Mai 2013 (GVBl. S. 139) sind mit Artikel 50 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 76 Absatz 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz unvereinbar und daher nichtig, soweit damit § 29 Absatz 2 Sätze 1 und 2 sowie § 30 Absatz 2 Satz 1, Absatz 3 Satz 1 und § 56 Absatz 1 Halbsatz 2 Nummer 5 des Kommunalwahlgesetzes in der Fassung vom 31. Januar 1994 (GVBl. S. 137), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 26. November 2008 (GVBl. S. 294), neu gefasst werden.

2. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) sowie die weitergehenden Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2) bis 5) werden verworfen.

3. Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1) und 2) im Normenkontrollverfahren wird zurückgewiesen.

4. Das Land Rheinland-Pfalz hat den Beschwerdeführern zu 2) bis 5) die im Verfassungsbeschwerdeverfahren notwendigen Auslagen zu 2/3 zu erstatten.

Gründe

A.

1

Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren betreffen Änderungen des Kommunalwahlgesetzes von Rheinland-Pfalz, die der gleichmäßigen Repräsentation von Frauen und Männern in kommunalen Vertretungskörperschaften dienen sollen, nachdem bei den Kommunalwahlen im Jahr 2009 landesweit lediglich 16,8 % der Mandate von Frauen besetzt worden waren.

I.

2

Die umstrittenen Änderungen sind durch das Sechzehnte Landesgesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes vom 8. Mai 2013 (GVBl. 2013, S. 139 – KWÄndG –) erfolgt und nach Art. 4 dieses Gesetzes mit Wirkung zum 1. März 2013 in Kraft getreten. Sie regeln den Aufdruck geschlechterparitätsbezogener Angaben auf den amtlichen Stimmzetteln, das Führen einer Paritätsstatistik durch das Statistische Landesamt sowie die gesetzliche Aufforderung an die Parteien und Wählergruppen, bei der Aufstellung der Wahlvorschläge Geschlechterparität anzustreben. Im Einzelnen lauten die Vorschriften wie folgt:

3

Nach Art. 1 Nr. 4 KWÄndG wird dem § 15 KWG, der die Aufstellung und Verbindung von Wahlvorschlägen regelt, folgender neuer Absatz 4 angefügt:

4

„(4) Frauen und Männer sollen gleichmäßig in Vertretungskörperschaften repräsentiert sein (Geschlechterparität). Bei der Aufstellung der Wahlvorschläge sind die Parteien und Wählergruppen aufgefordert, Geschlechterparität anzustreben. […]“

5

Gemäß Art. 1 Nr. 12 KWÄndG erhält § 29 Abs. 2 KWG betreffend die Stimmzettel bei Verhältniswahl folgende Fassung:

6

„(2) Die Stimmzettel enthalten den im Wortlaut abzudruckenden Text des Artikels 3 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes, den Geschlechteranteil in der Vertretungskörperschaft zwei Monate vor der Wahl und die zugelassenen Wahlvorschläge in der Reihenfolge ihrer öffentlichen Bekanntmachung (§§ 23, 24 Abs. 1 und 2) unter Angabe des Kennworts sowie des Namens, Vornamens und Geschlechts der Bewerber jedes Wahlvorschlags. In einem Feld unterhalb des jeweiligen Kennworts werden für die Liste Angaben zum Geschlechteranteil auf dem Wahlvorschlag bis zu dem Platz, der der Hälfte der in der Wahl zu vergebenden Plätze entspricht (aussichtsreiche Plätze) gemacht. […]“

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Des Weiteren erhalten nach Art. 1 Nr. 13 KWÄndG § 30 Absätze 2 und 3 betreffend die Stimmzettel bei Mehrheitswahl folgende Fassung:

8

„(2) Ist nur ein Wahlvorschlag zugelassen worden, so enthält der Stimmzettel den im Wortlaut abzudruckenden Text des Artikels 3 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes, den Geschlechteranteil in der Vertretungskörperschaft zwei Monate vor der Wahl und den Wahlvorschlag unter Angabe des Kennworts sowie des Namens, Vornamens und Geschlechts der Bewerber. […]“

9

(3) Ist kein Wahlvorschlag zugelassen worden, so enthält der Stimmzettel den im Wortlaut abzudruckenden Text des Artikels 3 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes, den Geschlechteranteil in der Vertretungskörperschaft zwei Monate vor der Wahl und entsprechend Raum zur Eintragung so vieler wählbarer Personen, wie Ratsmitglieder zu wählen sind. […]“

10

Nach Art. 1 Nr. 24 KWÄndG erhält auch § 56 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 5 KWG eine Ergänzung. Die Vorschrift betrifft die Wahlen zum Bezirkstag des Bezirksverbands Pfalz, für die die Bestimmungen des Ersten Teils des Kommunalwahlgesetzes insoweit keine Anwendung finden, als sie die personalisierte Verhältniswahl betreffen. Insoweit gilt nach der Neufassung, dass

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„5. die Stimmzettel den im Wortlaut abzudruckenden Text des Artikels 3 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes, den Geschlechteranteil in der Vertretungskörperschaft zwei Monate vor der Wahl und die zugelassenen Wahlvorschläge in der Reihenfolge ihrer öffentlichen Bekanntmachung […] unter Angabe des Kennworts sowie des Namens und Vornamens, des Berufs und der Anschrift der ersten fünf Bewerber jedes Wahlvorschlags enthalten; in einem Feld unterhalb des jeweiligen Kennworts werden für die Liste Angaben zum Geschlechteranteil auf dem Wahlvorschlag bis zum Platz 15 gemacht,“.

12

Nach Art. 1 Nummer 26 KWÄndG wird darüber hinaus § 73 KWG (Wahlstatistiken) ergänzt. Absatz 1 der Vorschrift lautete in der bisherigen Fassung:

13

„(1) Die Ergebnisse der Wahlen zu den Gemeinderäten, Verbandsgemeinderäten und Kreistagen sowie zum Bezirkstag des Bezirksverbands Pfalz sind vom Statistischen Landesamt Rheinland-Pfalz statistisch auszuwerten; das Ergebnis der Auswertung ist zu veröffentlichen.“

14

Mit dem KWÄndG wird Absatz 1 um Sätze 2 und 3 wie folgt ergänzt:

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„Dabei wird mit Hilfe der geschlechtsspezifischen Auswertung der Wahlvorschläge und der paritätsbezogenen Angaben in den Niederschriften auch eine Statistik geführt, die der Bewertung der jeweiligen Chancen der Geschlechter bei den Verhältniswahlen dient (Paritätsstatistik). Diese soll insbesondere geschlechtsgetrennte Angaben über die Anzahl und prozentuale Verteilung der angetretenen Bewerber in der Wahlversammlung sowie der bei der Wahl gewählten Bewerber, getrennt nach der ersten und zweiten Hälfte der für die Vertretungskörperschaft zu vergebenden Plätze, enthalten.“

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Ebenfalls neu in das Kommunalwahlgesetz aufgenommen wurden unter anderem – hier nicht angegriffene – Vorschriften über das parteiinterne Aufstellungsverfahren, bei dem die Niederschrift nunmehr jeweils nach Frauen und Männern getrennte paritätsbezogene Angaben enthalten muss (§§ 17, 18, 23 Abs. 2 Nr. 4 KWG), sowie eine Erstreckung der öffentlichen Bekanntmachung der Wahlvorschläge um paritätsbezogene Angaben einschließlich des Geschlechteranteils in der Vertretungskörperschaft zwei Monate vor der Wahl sowie den Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG (§ 24 KWG).

II.

17

Die Antragstellerinnen zu 1) und 2) sind die Fraktionen der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtag Rheinland-Pfalz. Sie begehren die Feststellung, dass § 29 Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie § 30 Abs. 2 Satz 1 KWG in der Fassung vom 31. Januar 1994, zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Mai 2013, mit der Verfassung für Rheinland-Pfalz vereinbar sind.

18

Zur Begründung ihres Normbestätigungsantrags tragen sie vor, dieser sei zulässig. Sie müssten als „Garanten des Gemeinwohls“ kein eigenes, subjektives Rechtsschutzinteresse darzutun. Aber selbst wenn man ein objektives Klarstellungsinteresse für erforderlich halte, sei ein solches gegeben, denn in der rechtswissenschaftlichen Literatur seien verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung über die Gestaltung des Stimmzettels geäußert worden. Die Vorschriften seien verfassungsgemäß. Insbesondere seien sie mit Art. 50 Abs. 1 Satz 1 und Art. 76 Abs. 1 LV vereinbar. Die vordergründig kollidierenden Verfassungsvorgaben zur Gleichberechtigung von Frau und Mann sowie zur Freiheit der Wahl seien durch den Handlungsauftrag des Grundgesetzes aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG in einen verhältnismäßigen Ausgleich gebracht worden. Die Regelungen über die Informationen zu den Geschlechteranteilen in der alten Vertretungskörperschaft und auf der jeweiligen Liste zielten nicht auf Begünstigung bestimmter Parteien, sondern auf die Umsetzung des Verfassungsziels der gleichberechtigten Vertretung von Frauen und Männern in kommunalen Vertretungskörperschaften. Die Freiheit der Wahl solle eine rationale Wahlentscheidung sichern. Dies setze die notwendigen Informationen der Wählerinnen und Wähler voraus.

III.

19

Die Beschwerdeführerin zu 1) ist die Piratenpartei Deutschland, Landesverband Rheinland-Pfalz. Die Beschwerdeführer zu 2) bis 5) sind dessen Mitglieder und waren bei den Kommunalwahlen am 25. Mai 2014 wahlberechtigt. Der Beschwerdeführer zu 2) war darüber hinaus wahlberechtigt zur Wahl des Bezirkstags Pfalz. Er kandidierte außerdem für den Stadtrat von N. Der Beschwerdeführer zu 4) – der sich keinem spezifischen Geschlecht zugehörig fühlt – und die Beschwerdeführerin zu 5) kandidierten bei der Stadtratswahl in M. Die Beschwerdeführerin zu 3) hat zunächst ebenfalls unter Verweis auf ihre Kandidatur für den Stadtrat in K Verfassungsbeschwerde erhoben. Mit Schriftsatz vom 17. März 2014 hat der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführer mitgeteilt, der Kreisverband K der Beschwerdeführerin zu 1) habe beschlossen, keine Liste zur Wahl des Stadtrats aufzustellen, weil er das aktuelle Kommunalwahlgesetz unter anderem als diskriminierend gegenüber intersexuellen Menschen erachte und eine Aufstellung eine stumme Zustimmung zu diesem Gesetz bedeutet hätte.

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Die Beschwerdeführer wenden sich gegen §§ 15 Abs. 4 Sätze 1 und 2, 29 Abs. 2 Sätze 1 und 2, 30 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 sowie § 56 Abs. 1 Nr. 5 und § 73 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 KWG. Sie begehren im Wege der Rechtssatzverfassungsbeschwerde die Feststellung der Nichtigkeit dieser Vorschriften und rügen die Verletzung der Grundsätze der Freiheit und Gleichheit der Wahl (Art. 76 Abs. 1 LV) sowie des allgemeinen Gleichheitssatzes und des Verbots der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2 LV). Der Beschwerdeführer zu 4) begehrt darüber hinaus die Feststellung der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 LV in Verbindung mit Art. 4a LV). Zur Begründung tragen die Beschwerdeführer vor, die Angaben auf dem Stimmzettel seien mit dem staatlichen Neutralitätsgebot nicht vereinbar, da sie bezweckten, die Wählerschaft amtlich zu nötigen, mehr Frauen zu wählen. Die Beschwerdeführerin zu 1) verfüge über deutlich mehr männliche als weibliche Mitglieder und sei offener für intersexuelle oder transsexuelle Personen als die meisten anderen Parteien. Durch die angegriffenen Vorschriften würden diejenigen Parteien benachteiligt, die aufgrund ihres Parteiprogramms nur wenige oder gar keine männlichen oder weiblichen Mitglieder hätten. Zudem führten sie dazu, dass Männer per se schlechtere Chancen hätten, gewählt zu werden.

21

Überdies werde der Beschwerdeführer zu 4) durch die Regelungen gezwungen, sich entweder zum männlichen oder zum weiblichen Geschlecht zu bekennen. Dies könne und wolle er jedoch nicht, da er sich gerade keinem Geschlecht zugehörig fühle. Es gebe keinen sachlichen Grund, weshalb die Wählerschaft auf dem Stimmzettel nur über das Geschlecht und den Frauenanteil informiert werden sollte, nicht aber über andere Kriterien wie etwa die sexuelle Orientierung, das Durchschnittsalter der Kandidaten, körperliche Behinderungen oder die ethnische Herkunft. Die verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung von Frauen und Männern sei im Übrigen bereits verwirklicht.

IV.

22

Der Verfassungsgerichtshof hat dem Landtag, der Landesregierung, dem Landeswahlleiter und der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Rheinland-Pfalz Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

23

1. Der Landtag hält den Normbestätigungsantrag für begründet (a), die Verfassungsbeschwerden hingegen für teilweise bereits unzulässig und im Übrigen für unbegründet (b).

24

a) Die Vorschriften über die Gestaltung des Stimmzettels in §§ 29 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 und 30 Abs. 2 Satz 1 KWG seien mit der Verfassung für Rheinland-Pfalz vereinbar. Sie enthielten schon keine amtliche Wahlbeeinflussung, denn es fehle jedenfalls an einer amtlichen Identifizierung mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern und damit an einer „Parteinahme“ im eigentlichen Sinne. Es gehe nur um sachgerechte, objektiv gehaltene amtliche Informationen, die wettbewerbsneutral und ohne parteipolitischen Bezug seien. Weder würden konkrete Wahlvorschläge unterbreitet, noch würden männliche oder weibliche Wahlbewerber oder Parteien unterschiedlich behandelt.

25

Aber selbst wenn man eine Einschränkung der Wahlfreiheit annähme, wäre diese mit Blick auf den zu erfüllenden Verfassungsauftrag aus Art. 17 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV gerechtfertigt. Dieser stelle einen „zwingenden Grund“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtfertigung von Differenzierungen im Rahmen der Wahlrechtsgleichheit dar. Dem Gesetzgeber gehe es um die Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern hinsichtlich der Chance, gewählt zu werden. Es solle keine Ergebnis-, sondern Chancengleichheit hergestellt werden.

26

b) Die Anträge der Beschwerdeführer im Verfassungsbeschwerdeverfahren müssten ohne Erfolg bleiben. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) sei unzulässig, weil diese als politische Partei gemäß § 44 Abs. 4 VerfGHG nicht beschwerdeberechtigt sei. Den Beschwerdeführern fehle in Bezug auf die Bestimmungen in § 15 Abs. 4 und § 73 Abs. 2 Satz 2 und 3 KWG die Beschwerdebefugnis, denn von diesen seien sie nicht selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. In Bezug auf die §§ 29 Abs. 1, 30 Abs. 2 KWG seien die Verfassungsbeschwerden offensichtlich unbegründet.

27

2. Die Landesregierung erachtet die Normbestätigungsanträge für zulässig und begründet (a) und die Verfassungsbeschwerden für zulässig, aber unbegründet (b).

28

a) Die Stellung der Antragstellerinnen zu 1) und 2) als „Garanten des Gemeinwohls“ rechtfertige es, diesen die Befugnis zuzugestehen, die Feststellung der Verfassungsmäßigkeit einer Norm zu beantragen, jedenfalls wenn sie hierfür – wie hier – ein objektives Klarstellungsinteresse anführen könnten.

29

§ 29 Abs. 2 Satz 1 und 2 und § 30 Abs. 2 KWG seien mit der Landesverfassung vereinbar. Die Paritätsangaben auf den Stimmzetteln seien amtliche Informationen, die den Wahlberechtigten unter anderem einen Vergleich zwischen den verschiedenen Wahlvorschlägen ermöglichten und Auskunft darüber gäben, ob und inwieweit die Parteien und Wählergruppen den gesetzlichen Appell, Geschlechterparität bei der Aufstellung der Wahlvorschläge anzustreben, umgesetzt hätten. Der darin liegende Eingriff in den Grundsatz der Freiheit der Wahl könne aber durch das verfassungsrechtliche Gebot gemäß Art. 17 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV, Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Staat und Gesellschaft zu ergreifen, gerechtfertigt werden. Die Regelung sei insoweit angemessen, denn die Bürgerinnen und Bürger könnten sich bewusst in die eine oder andere Richtung entscheiden.

30

b) Die Verfassungsbeschwerden seien zwar zulässig, aber unbegründet. Zwar könne ein Eingriff in die Grundsätze der Wahlgleichheit und Wahlfreiheit nicht ausgeschlossen werden. Dieser sei aber gemäß Art. 17 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV durch das Gebot, Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Staat und Gesellschaft zu ergreifen, gerechtfertigt. Die Vorschriften verstießen auch nicht gegen das Grundrecht des Beschwerdeführers zu 4) auf informationelle Selbstbestimmung. Das Kommunalwahlgesetz treffe keine eigene Regelung der Zuordnung zum weiblichen oder männlichen Geschlecht. Diese ergebe sich aus den Personenstandsregistern. Das Personenstandsgesetz habe zwar für nach dem 31. Oktober 2013 geborene Kinder die Möglichkeit vorgesehen, eine solche Angabe wegzulassen. Das führe aber nicht dazu, dass jede Verpflichtung, Angaben zum Geschlecht zu machen, zu unterbleiben hätte.

31

3. Der Landeswahlleiter trägt vor, bei den Kommunalwahlen 2004 hätten rund 53 % der Wählerinnen und Wähler die Listen der Wahlvorschlagsträger durch Kumulieren und Panaschieren verändert. Dabei hätten 36 % der Frauen ihren ursprünglichen Listenplatz verbessern können, während 43 % eine bessere Ausgangsposition verloren hätten.

32

4. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände betont, die angegriffenen Regelungen seien verfassungswidrig. Hinsichtlich der Gestaltung der Stimmzettel sähen sie eine amtliche Wählerbeeinflussung vor, gefährdeten die Neutralitätspflicht der Wahlorgane und griffen in die Selbstorganisation der Wählergruppen und Parteien ein. Insbesondere die Bestimmungen über das Aufstellungsverfahren unterstellten ein entsprechendes Potential an Bereitschaft von Frauen und Männern zur Übernahme von Verantwortung in kommunalen Vertretungsorganen. Diese Annahme könne für die kommunale Praxis so nicht bestätigt werden.

V.

33

Mit Beschluss vom 4. April 2014 – VGH A 15/14, VGH A 17/14 – hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz im Hinblick auf die Kommunalwahlen am 25. Mai 2014 – für deren Durchführung die Stimmzettel ab dem 8. April 2014 gedruckt wurden – auf die Anträge der Antragstellerinnen zu 1) und 2) sowie die Anträge der Beschwerdeführer zu 2) bis 5) den Vollzug von Art. 1 Nr. 12, Nr. 13 und Nr. 24 des 16. KWÄndG ausgesetzt, soweit damit § 29 Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie § 30 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und § 56 Abs. 1 Hs. 2 Nr. 5 KWG neu gefasst werden.

34

Keiner der Beteiligten hat auf diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs hin seinen Sachvortrag für das Hauptsacheverfahren ergänzt oder vertieft.

B.

35

Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2) bis 5) – über die der Verfassungsgerichtshof gemäß § 49 Abs. 1 VerfGHG ohne mündliche Verhandlung entscheidet – haben Erfolg, soweit sie die Neufassung von § 29 Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie § 30 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und § 56 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 5 KWG betreffen (I.). Soweit die Beschwerdeführer zu 2) bis 5) darüber hinaus die Neufassung von §§ 15 Abs. 4 und 73 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 KWG durch Art. 1 Nr. 4 und Nr. 26a des 16. KWÄndG angreifen, bleiben sie hingegen ohne Erfolg (II.). Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1), über die der Verfassungsgerichtshof ebenfalls gemäß § 49 Abs. 1 VerfGHG ohne mündliche Verhandlung entscheidet (III.), und der Normbestätigungsantrag der Antragstellerinnen zu 1) und 2) – über den nach § 16 Abs. 1 Satz 2 VerfGHG ebenfalls ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, weil die Beteiligten auf diese verzichtet haben (IV.) – bleiben in vollem Umfang erfolglos.

I.

36

Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2) bis 5) sind erfolgreich, soweit sie sich gegen die Neufassung von § 29 Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie § 30 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und § 56 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 5 KWG richten.

37

1. Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2) bis 5) sind, soweit sie gegen die Neufassung von § 29 Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie § 30 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und § 56 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 5 KWG gerichtet sind, zulässig. Insbesondere können die Beschwerdeführer nicht auf die Wahlprüfungsbeschwerde nach Art. 82 Satz 2 LV verwiesen werden. Dieser außerordentliche Rechtsbehelf (Glauben, in: Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 82 Rn. 18), der als Spezialregelung anderen Rechtsschutzmöglichkeiten vor dem Verfassungsgerichtshof, insbesondere auch der Verfassungsbeschwerde zwar grundsätzlich vorgeht (vgl. zu Art. 41 GG BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. August 2009 – 2 BvQ 50/09 –, NVwZ 2009, 1367), gilt nur für Wahlen zum Landtag. Die Möglichkeit, Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen kommunalrechtliche Wahlrechtsnormen zu erheben, bleibt hiervon daher unberührt (VerfGH RP, Beschluss vom 4. April 2014 – VGH A 15/14, VGH A 17/14 –, juris, Rn. 45).

38

2. Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2) bis 5) sind in Bezug auf die Neufassung der §§ 29 Abs. 2 Sätze 1 und 2, 30 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und § 56 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 5 KWG durch Art. 1 Nr. 12, Nr. 13 und Nr. 24 des 16. KWÄndG auch begründet. Die genannten Vorschriften sind mit dem Grundsatz der Freiheit der Wahl gemäß Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV unvereinbar und daher nichtig.

39

a) Der Verfassungsgerichtshof hat zu den aus dem Grundsatz der Freiheit der Wahl folgenden Maßstäben für die Ausgestaltung von Stimmzetteln bereits in seinem Beschluss vom 4. April 2014 – VGH A 15/14, VGH A 17/14 –, dargelegt, dass dieser einen unbedingten Schutz vor staatlicher Einwirkung auf den Inhalt der Entscheidung des Wählers durch die Gestaltung des Stimmzettels gewährleistet. Im Einzelnen hat der Verfassungsgerichtshof hierzu ausgeführt (juris, Rn. 47 ff.):

40

„Der Grundsatz der Freiheit der Wahl gemäß Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV, der in engem Zusammenhang mit dem Demokratieprinzip aus Art. 74 Abs. 1 LV steht, gewährleistet einen unbedingten Schutz vor staatlicher Einwirkung auf den Inhalt der Entscheidung des Wählers im Zeitpunkt der Stimmabgabe durch die Gestaltung des Stimmzettels.

41

aa) Der Grundsatz der Freiheit der Wahl gewährleistet die freie Willensbildung des Wählers als Voraussetzung funktionsfähiger Demokratie. In einer demokratischen Verfassungsordnung muss sich die Willensbildung des Volkes frei, offen und unreglementiert vollziehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1966 – 2 BvF 1/65 –, BVerfGE 20, 56 [98 f.]; Urteil vom 2. März 1977 – 2 BvE 1/76 –, BVerfGE 44, 125 [139]; Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233, 341/81 –, BVerfGE 69, 315 [346]). Die Beachtung der für die Stimmabgabe bei der Wahl geltenden Wahlgrundsätze und das Vertrauen in ihre Beachtung sind Voraussetzungen funktionsfähiger Demokratie (vgl. BVerfG, Urteil vom 3. März 2009 – 2 BvC 3, 4/07 –, BVerfGE 123, 39 [68 f.]; Beschluss vom 9. Juli 2013 – 2 BvC 7/10 –, NVwZ 2013, 1272 [1273]). Der Grundsatz der Freiheit der Wahl ist unmittelbar im Demokratieprinzip verankert. Wahlen vermögen demokratische Legitimation nur zu verleihen, wenn sie frei sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 1977 – 2 BvE 1/76 –, BVerfGE 44, 125 [139]; Beschluss vom 9. Juli 2013 – 2 BvC 7/10 –, NVwZ 2013, 1272 [1273]).

42

Der Grundsatz der Freiheit der Wahl verlangt, dass jeder Wähler sein Wahlrecht ohne Zwang und Beeinflussung von außen ausüben kann und insbesondere auch vor Beeinflussungen geschützt wird, die geeignet sind, seine Entscheidungsfreiheit trotz bestehenden Wahlgeheimnisses ernstlich zu beeinträchtigten (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 24. Oktober 2001 – VGH B 1/01 –, AS 29, 207 [211]). Aus dem Grundsatz der Freiheit der Wahl folgt das an den Staat gerichtete Verbot amtlicher Wahlbeeinflussung, das auch der konkreten Gestaltung des Stimmzettels Grenzen setzt (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 18. September 2006 – VGH W 13, 19 und 23/06 –, AS 33, 311 [312 f.]).

43

bb) Allerdings ist nicht jede staatliche Einwirkung auf die – vorbehaltlos gewährleistete – freie Willensbildung des Wählers ausgeschlossen. Sie kann durch einen besonderen, sie verfassungsrechtlich legitimierenden Grund gerechtfertigt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1966 – 2 BvF 1/65 –, BVerfGE 20, 56 [99]; vgl. auch zur st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts zu Differenzierungen im Rahmen der Ausgestaltung des Wahlrechts zuletzt BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2014 – 2 BvE 2/13 u.a. – , juris, Rn. 53 f.). Insofern ist eine Rechtfertigung von Einschränkungen der Freiheit der Wahl durch solches Verfassungsrecht möglich, das bereits von der Verfassung her in einem Spannungsverhältnis zu diesem Grundsatz steht und eine gegenläufige verfassungsrechtliche Grundentscheidung enthält (vgl. entspr. zur Wahlrechtsgleichheit BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2013
2 BvC 7/10 –, NVwZ 2013, 1272 [1273]).

44

Nach diesen Maßstäben richtet sich der genaue Verlauf der Grenzen zwischen gerechtfertigten und unzulässigen staatlichen Einwirkungen jeweils im Einzelfall nach dem formalen oder inhaltlichen Charakter der Einwirkung, nach ihrer Intensität sowie der zeitlichen und räumlichen Nähe zum eigentlichen Wahlakt (vgl. SaarlVerfGH, Urteil vom 1. Juli 2010
– Lv 4/09 –, AS 40, 272 [286]).

45

(1) Unbedenkliche inhaltliche Einwirkungen enthält danach vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips aus Art. 74 Abs. 1 LV grundsätzlich die allgemeine Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften.

46

Die Willensbildung des Volkes und die Bildung des staatlichen Willens durch seine verfassten Organe vollziehen sich in einer kontinuierlichen und vielfältigen Wechselwirkung: Politisches Programm und Verhalten der Staatsorgane wirken unablässig auf die Willensbildung des Volkes ein und sind selbst Gegenstand der Meinungsbildung des Volkes; Meinungen aus dem Volk, häufig vorgeformt und gestaltet vor allem in den politischen Parteien, in Verbänden und über Massenmedien, wirken auf die Willensbildung in den Staatsorganen ein. Regierung und Opposition sowie die sie tragenden politischen Kräfte im Parlament werden bei ihrem Verhalten stets auch die Wählerinnen und Wähler im Blick haben (BVerfG, Urteil vom 17. September 2013 – 2 BvR 2436/10, 2 BvE 6/08 –, NVwZ 2013, 1468 [1470]). Dies alles ist Teil des politischen Prozesses einer freiheitlichen Demokratie, wie das Grundgesetz und die Verfassung für Rheinland-Pfalz ihn verstehen (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 23. Oktober 2006 – VGH O 17/05 –, AS 33, 376 [381]; BVerfG, Urteil vom 2. März 1977 – 2 BvE 1/76 –, BVerfGE 44, 125 [139 f.]; Urteil vom 17. September 2013 – 2 BvR 2436/10, 2 BvE 6/08 –, NVwZ 2013, 1468 [1470]). Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften ist insoweit nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern auch notwendig (VerfGH RP, Urteil vom 23. Oktober 2006 – VGH O 17/05 –, AS 33, 376 [381]).

47

Im Hinblick auf die Intensität der inhaltlichen Einwirkung gilt, dass es den staatlichen Stellen erlaubt ist, unter Wahrung des Neutralitätsgebots im Wege der Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften, soweit sie der Öffentlichkeit ihre Politik, ihre Maßnahmen und Vorhaben sowie die künftig zu lösenden Fragen darlegen und erläutern (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 23. Oktober 2006 – VGH O 17/05 –, AS 33, 376 [382 ff.]; BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1966 – 2 BvF 1/65 –, BVerfGE 20, 56 [100]). Denn eine verantwortliche Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an der politischen Willensbildung des Volkes setzt voraus, dass der Einzelne von den zu entscheidenden Sachfragen, von den durch die verfassten Staatsorganen getroffenen Entscheidungen, Maßnahmen und Lösungsvorschlägen genügend weiß, um sie beurteilen, billigen oder verwerfen zu können. Dazu vermag staatliche Öffentlichkeitsarbeit einen Beitrag zu leisten (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 23. Oktober 2006 – VGH O 17/05 –, AS 33, 376 [383]).

48

Hingegen ist es den staatlichen Organen verwehrt, sich in amtlicher Funktion im Hinblick auf Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen oder zu bekämpfen, insbesondere durch Werbung die Entscheidung des Wählers zu beeinflussen (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 23. Oktober 2006 – VGH O 17/05 –, AS 33, 376 [382 ff.]; BVerfG, Urteil vom 2. März 1977 – 2 BvE 1/76 –, BVerfGE 44, 125 [147]).

49

(2) Zulässig können auch Einwirkungen sein, die sich aus der verfassungsmäßigen Gestaltung des Wahlrechts auf die Willensbildung des Volkes ergeben (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1966 – 2 BvF 1/65 –, BVerfGE 20, 56 [100]). In diesem Sinne gehören zu den besonderen Gründen, die Einschränkungen der Freiheit der Wahl von Verfassungs wegen rechtfertigen können, insbesondere die mit der Wahl selbst verfolgten Ziele, so etwa das Ziel der Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes und, damit zusammenhängend, der Sicherung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung (vgl. entspr. zur Wahlgleichheit und zur Chancengleichheit der politischen Parteien BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2014 – 2 BvE 2/13 u.a. –, juris, Rn. 54 m.w.N.). Auch die Zwecke, eine reibungslose Durchführung der Wahl sicherzustellen und eine Ordnung des Wahlverfahrens zu gewährleisten, sind solche legitimen Ziele, die verfassungsrechtlich in einem Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Freiheit der Wahl stehen (vgl. entspr. zur Wahlrechtsgleichheit BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 1970
2 BvR 225/70 –, BVerfGE 29, 154 [164]; SaarlVerfGH, Urteil vom 29. September 2011 – Lv 4/11 –, NVwZ-RR 2012, 169 [178]).

50

Für die Gestaltung von amtlichen Stimmzetteln folgt daraus, dass insbesondere solche Einschränkungen der Freiheit der Wahl gerechtfertigt werden können, die die äußere Form und das Verfahren der Stimmabgabe betreffen, sich also auf die notwendige Regelung des Vorgangs der Wahl beziehen und sich im Rahmen der Funktionen des Stimmzettels für die Wahl halten. Denn Stimmzettel sollen vor allem dazu dienen, das Wahlergebnis sicher zu erfassen und nachprüfbar zu machen sowie das Wahlgeheimnis zu gewährleisten (vgl. HessStGH, Urteil vom 26. Januar 1995 – P.St- 1171 –, NVwZ 1996, 161 [163]). Sie gehören zu den technischen Hilfsmitteln, die eine reibungslose Durchführung der Wahl sicherstellen sollen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 1970 – 2 BvR 225/70 –, BVerfGE 29, 154 [164]).

51

Dementsprechend hat der Verfassungsgerichtshof die sogenannte Wickelfalzung von Stimmzetteln für zulässig erachtet, wenn und soweit diese ausschließlich der Praktikabilität und guten Handhabung dient und nicht auf eine Wahlbeeinflussung gerichtet ist (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 18. September 2006 – VGH W 13/06 –, AS 33, 311 [312 f.]). Andere Verfassungsgerichte haben ähnliche Entscheidungen zur Verfassungsmäßigkeit der Faltung von Stimmzetteln und zur Notwendigkeit einer Reihenfolge der Wahlbewerber auf dem Stimmzettel getroffen (vgl. zur Zulässigkeit der Vorfaltung von Stimmzetteln LVerfG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20. Juni 2013 – LVerfG 6/12 – , juris, Rn. 20 ff.; VerfGH NRW, Beschluss vom 29. Januar 2013 – VerfGH 16/12 –; zur Reihenfolge des Abdrucks der Wahlvorschläge LVerfG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20. Juni 2013
– LVerfG 6/12 – , juris, Rn. 14 ff.; HessStGH, Urteil vom 26. Januar 1995 – P.St. 1171 –, NVwZ 1996, 161 [153] m.w.N.).

52

Einschränkungen der Wahlfreiheit durch eine Gestaltung des Stimmzettels aus wahlrechtsbezogenen formalen, den Inhalt der Wahlentscheidung nicht berührenden Gründen, können hiernach gerechtfertigt sein, wenn sie das zur Ordnung des Wahlverfahrens notwendige Maß nicht überschreiten (vgl. zu den Grenzen notwendiger Verfahrensgestaltung in Bezug auf den sogenannten Orientierungspfeil SaarlVerfH, Urteil vom 29. September 2011 – Lv 4/11 –, NVwZ-RR 2012, 169 [177]; differenzierend auch ders., ebd., S. 178 f. zur Reihenfolge der Parteien auf dem Stimmzettel; s. auch zur Unzulässigkeit der Aushändigung zusätzlicher Unterlagen in der Wahlkabine bzw. einem Begleitschreiben bei der Briefwahl ThürOVG, Urteil vom 26. Februar 2009 – 2 KO 238/08 –, juris, Rn. 54 ff.; zur Unzulässigkeit der Einwirkung auf das individuelle Abstimmungsverhalten durch den Aushang ausgefüllter Stimmzettelmuster BayVerfGH, Entscheidung vom 10. Juni 2013 – Vf: 19-VII-11 –, NVwZ-RR 2014, 81 [83]).

53

(3) Staatliche Einwirkungen auf den Inhalt des Wählerwillens im Zeitpunkt der Stimmabgabe durch eine Gestaltung des Stimmzettels sind dagegen unzulässig. Das gilt selbst dann, wenn sie die Verwirklichung materieller Verfassungsaufträge fördern sollen und keinen parteiergreifenden Charakter haben. Die dann unbedingte Unzulässigkeit der staatlichen Einwirkung auf die Willensbildung des Wählers folgt in diesem Fall bereits aus ihrem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammentreffen mit dem eigentlichen Wahlakt.

54

Den staatlichen Organen ist eine im Verhältnis zur zeitlichen Nähe des Wahltermins graduell ansteigende Zurückhaltungspflicht auferlegt. In Vorwahlzeiten unterliegen staatliche Einwirkungen auf die Willensbildung des Volkes dem Gebot äußerster Zurückhaltung (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 23. Oktober 2006 – VGH O 17/05 –, AS 33, 376 [383]; BVerfG, Urteil vom 2. März 1977 – 2 BvE 1/76 –, BVerfGE 44, 125 [151 ff.]; Beschluss vom 23. Februar 1983 – 2 BvR 1765/82 –, BVerfGE 63, 230 [244 f.]). Im nahen Vorfeld der Wahl tritt die Befugnis der Regierung, den Bürger sachlich zu informieren, zunehmend hinter das Gebot zurück, die Willensbildung des Volkes vor den Wahlen nach Möglichkeit von staatlicher Einflussnahme freizuhalten (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 23. Oktober 2006 – VGH O 17/05 –, AS 33, 376 [383 f.]).

55

Eine unbedingte zeitliche Grenze jeder staatlichen Einwirkung auf die Willensbildung des Volkes stellt dabei der eigentliche Wahlakt als der 'Grundakt demokratischer Legitimation' bzw. der 'grundlegende Legitimationsakt' (vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 1977 – 2 BvE 1/76 –, BVerfGE 44, 125 [140]; Beschluss vom 9. Juli 2013 – 2 BvC 7/10 –, NVwZ 2013, 1272 [1273]) dar. Die Stimmabgabe bei der Wahl bildet das wesentliche Element des Prozesses der Willensbildung vom Volk hin zu seinen Repräsentanten und ist damit die Grundlage der politischen Integration (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2013 – 2 BvC 7/10 –, NVwZ 2013, 1272 [1273]). Der Wahlakt ist in höchstem Maße der Integrität bedürftig. In ihm gipfelt der Prozess der politischen Meinungsbildung und Willensbildung des Volkes (vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 1977 – 2 BvE 1/76 –, BVerfGE 44, 125 [140; 143]). Er stellt insoweit nicht nur den Kulminationspunkt der Phase der Willensbildung des Volkes dar, sondern er überschreitet diese zugleich, indem er die eigentliche Betätigung dieses zuvor gebildeten Willens darstellt, nämlich die 'Willensbetätigung jedes einzelnen Bürgers als Ursprung der Staatsgewalt in der Demokratie' (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Juli 2007 – 2 BvE 1/06 u.a. –, BVerfGE 118, 277 [353]). Die wechselseitige Verschränkung des staatlichen und des gesellschaftlichen politischen Willensbildungsprozesses gilt für ihn folglich nicht. Der Wahlakt als Akt der Betätigung des Willens des Volkes, durch den die zu wählenden Staatsorgane erst kreiert werden, verläuft nur in eine Richtung: In ihm muss sich die Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen hin vollziehen, nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk hin (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1966 – 2 BvF 1/65 –, BVerfGE 20, 56 [99]; Urteil vom 2. März 1977 – 2 BvE 1/76 –, BVerfGE 44, 125 [140]). Die eigentliche Stimmabgabe ist daher nicht nur von parteiergreifender staatlicher Einflussnahme, sondern auch von sonstigen inhaltlichen staatlichen Einwirkungen unbedingt frei zu halten.

56

Die Zurückhaltungspflicht des Staates am Wahltag erfährt deshalb eine Zuspitzung in dem Schutz der räumlichen Sphäre des Wahllokals, in und vor dem eine Beeinflussung der Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild bereits einfachgesetzlich verboten ist (vgl. § 32 Bundeswahlgesetz und § 35 KWG; s. auch Hufen, LKRZ 2007, 41 [46]; Buus, LKRZ 2014, 102 [103]). Nochmals gesteigert ist der räumliche Schutz der Wahlfreiheit durch die Privatheit der Wahlkabine, die den Wähler im Zeitpunkt der Stimmabgabe in jeder Hinsicht gegen äußerliche Einflüsse abschirmt. Die Wahlkabine sichert nämlich nicht allein das Wahlgeheimnis ab, sondern auch die Freiheit der Wahl. Die Freiheit der Wahl verdichtet sich im Zeitpunkt der Ausübung des Stimmrechts damit
– vorbehaltlich des Sonderfalls der Briefwahl (s. zu dieser zuletzt BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2013 – 2 BvC 7/10 –, NVwZ 2013, 1272 [1273] m.w.N.) – zu einem Schutz auch der räumlichen Sphäre, in der sich der individuelle politische Wille des einzelnen Wählers ungestört entfalten kann. Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV gewährleistet insoweit auch das Recht, im Zeitpunkt der Stimmabgabe in der Wahlkabine ,in Ruhe gelassen zu werden‘. Dieser Schutz erstreckt sich auch auf den amtlichen Stimmzettel als dem Medium der Willensbetätigung in der Wahlkabine, dessen sich der Wähler notwendig bedienen muss, um von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Der Stimmzettel ist deshalb in besonderer Weise der Wahlfreiheit des Bürgers verpflichtet (vgl. auch Morlok, NVwZ 2012, 913 [916]).

57

Vor diesem Hintergrund kann eine inhaltliche Einwirkung auf das Ergebnis der Entscheidung des Wählers im Zeitpunkt des Wahlaktes und in der Privatheit der Wahlkabine durch eine Gestaltung des Stimmzettels auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie sonstigen, materiellen Verfassungswerten – etwa Gleichheits- und Freiheitsrechten oder Staatszielbestimmungen – diene.

58

Die Wähler sind im freiheitlichen Verfassungsstaat bei der Ausübung ihres Wahlrechts in inhaltlicher Hinsicht an sonstige, materielle Verfassungsvorgaben, insbesondere an die Grundrechte, weder unmittelbar noch mittelbar gebunden (vgl. statt vieler Dreier, in: ders., GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Vorb. Rn. 96 ff.; Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 190 Rn. 257; speziell zum Gleichheitssatz Heun, in: Dreier, GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 70 ff.). Das Wahlvolk ist insoweit kein Teil der Repräsentation, sondern kreiert im Wahlakt erst dasjenige Organ, dem die repräsentative Aufgabe obliegt: Der Wähler selbst ist keine 'repräsentative Figur'; die Wahl ist der ihm – und nicht seinem 'verbesserten Ich' – eröffnete Weg demokratischer Selbstbestimmung (vgl. Hans Meyer, Wahlsystem und Verfassungsordnung, 1973, S. 205). Diese Grundstruktur der freiheitlichen Verfassung steht nicht zur Disposition des Gesetzgebers. Dieser darf bei der Ordnung des Wahlverfahrens keine künstliche, in der Verfassung selbst nicht angelegte Spannungslage zwischen dem Grundsatz der Freiheit der Wahl auf der einen und einzelnen materiellen Verfassungsaufträgen auf der anderen Seite herbeiführen, indem er die staatliche Aufgabe ihrer Verwirklichung im Wege eines Appells auf dem Stimmzettel an die Wähler zurückdelegiert.“

59

An diesen Maßstäben hält der Verfassungsgerichtshof auch nach einer erneuten Befassung im Rahmen der vorliegenden Entscheidung in der Hauptsache fest.

60

b) Hieran gemessen verletzt die Neufassung von § 29 Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie von § 30 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und § 56 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 5 KWG durch das 16. KWÄndG den Grundsatz der Freiheit der Wahl gemäß Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV.

61

In der Vorgabe, dass der Stimmzettel neben den Namen und dem Vornamen des Wahlbewerbers auch dessen Geschlecht sowie den Text des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG, den Geschlechteranteil in der Vertretungskörperschaft zwei Monate vor der Wahl und Angaben zum Geschlechteranteil auf dem Wahlvorschlag auf aussichtsreichen Plätzen enthalten muss, liegt eine unzulässige staatliche Einwirkung auf den Inhalt der Wahlentscheidung im Zeitpunkt der Stimmabgabe und damit eine unzulässige Einschränkung des Grundsatzes der Freiheit der Wahl.

62

Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber mit der Gestaltung der Stimmzettel die Absicht verfolgt, den Wettbewerb zwischen den Wahlbewerbern, Parteien und Wählergruppen in parteiergreifender Weise zu beeinflussen – wofür allerdings spricht, dass die Regelungen gerade dem Zweck dienen sollen, den Frauenanteil in den Kommunalvertretungen zu erhöhen (vgl. hierzu zuletzt die Ausführungen der stellvertretenden Vorsitzenden der Antragstellerin zu 2) in der Sitzung des Landtags Rheinland-Pfalz vom 19. Februar 2014, Plenarprotokoll 16/66, S. 4281).

63

Indessen genügt es nach den obigen Ausführungen für die Annahme einer unzulässigen Einwirkung auf den Inhalt des Wählerwillens im Zeitpunkt der Stimmabgabe, dass die geschlechterparitätischen Elemente des Stimmzettels in ihrem Zusammenwirken bei normativer Betrachtung aus der Sicht eines mündigen, verständigen Wählers (s. zum Maßstab VerfGH RP, Urteil vom 18. September 2006 – VGH W 13, 19 und 23/06 –, AS 33, 311 [313]) einen appellativen Charakter entfalten: So wird der Wähler zunächst auf die Wertung des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG hingewiesen, nach der Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Darin liegt bei isolierter Betrachtung zwar eine zutreffende Information über den Normtext einer einzelnen Bestimmung des Grundgesetzes, die sich entsprechend auch in der Verfassung für Rheinland-Pfalz wiederfindet (vgl. Art. 17 Abs. 3 Satz 2 LV). Der eigentliche Gehalt der hier in Rede stehenden Vorgabe für die Gestaltung des Stimmzettels geht indessen weit über eine neutrale Wiedergabe des Normtextes hinaus. Denn schon indem der Gesetzgeber den Normtext aus dem Gesamtzusammenhang und dem ausgleichenden Gefüge der Verfassung herausgreift und ihn auf die Stimmzettel aufdrucken lässt, wird das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG in einzigartiger Weise herausgehoben. Der Gesetzgeber verleiht der Bestimmung damit einen besonderen Nachdruck und versieht den Normtext mit einer über diesen hinausreichenden, zusätzlichen Wertung. Der weitergehende Kontext, in den der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG gestellt wird, verstärkt diese Wirkung. Denn in Kombination mit dem Abdruck des tatsächlichen Frauenanteils in den kommunalen Vertretungskörperschaften und dem Geschlechteranteil auf dem Wahlvorschlag ergibt sich der an den Wähler gerichtete Appell, bevorzugt Kandidaten desjenigen Geschlechts seine Stimme zu geben, welches unterrepräsentiert erscheint. Auf diese Weise wird aus der Formulierung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ die Aufforderung, „Sorge dafür (zu tragen), dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind“ (vgl. Buus, LKRZ 2014, 102 [104]).

64

Dafür, dass diese Einwirkung auf den freien Willen der Wähler in tatsächlicher Hinsicht von vornherein objektiv untauglich sein könnte, diese zu dem angesonnenen Verhalten – hier: der vermehrten Wahl von Frauen bzw. entsprechend besetzten Listen – zu bewegen (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. April 1984 – 2 BvC 2/83 –, BVerfGE 66, 369 [380]; ähnliche Einschränkung auch bei BVerfG, Beschluss vom 21. April 2009 – 2 BvC 2/06 –, BVerfGE 124, 1 [24]), bestehen keine Anhaltspunkte. Wäre jede Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung der Wähler durch die Gestaltung des Stimmzettels von vornherein ausgeschlossen, hätte der Gesetzgeber auch ein untaugliches – und bereits deshalb unzulässiges – Mittel zur Erreichung seines Regelungszieles gewählt.

65

Liegt folglich eine unzulässige Einwirkung auf den freien Willen der Wähler vor, kann diese auch mit dem für sich genommen legitimen verfassungsrechtlichen Ziel der Erhöhung des Frauenanteils in Kommunalvertretungen nicht gerechtfertigt werden.

66

Insoweit hat der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Beschluss vom 4. April 2014 – VGH A 15/14, VGH A 17/14 – (juris, Rn. 70) ausgeführt:

67

„Die Verwirklichung des Verfassungsauftrags aus Art. 17 Abs. 3 Satz 2 LV und Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG stellt zwar an sich ein hohes Gut dar. Durch die Bestimmungen ist ausdrücklich klargestellt, dass sich das Gleichberechtigungsgebot auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. November 2013 – 1 BvR 63/12 –, juris, Rn. 25 m.w.N.; Caesar, in: Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 17 Rn. 25 f.). Sie können als Rechtfertigungsgrund für Förderungsmaßnahmen und die damit verbundene Ungleichbehandlung von Männern und Frauen zugunsten letzterer wirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2005 – 2 BvR 524/01 –, BVerfGE 114, 357 [370]; Heun, in: Dreier, GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Rn. 105; Osterloh, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 3 Rn. 265; Caesar, in: Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 17 Rn. 26). Der Gesetzgeber kann dabei im Rahmen seines Gestaltungsermessens entscheiden, wie er dem Gebot des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 LV und des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nachkommt (vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 5. Aufl. 2005, Art. 3 Rn. 311). Art. 17 Abs. 3 Satz 2 LV und Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG geben dem Landesgesetzgeber aber nach den vorstehenden Maßstäben kein Recht, durch die Gestaltung der amtlichen Stimmzettel auf die unbedingt zu schützende Willensbetätigung der Bürgerinnen und Bürger im Zeitpunkt des eigentlichen Wahlaktes einzuwirken.“

68

Auch hiervon ist der Verfassungsgerichtshof nach erneuter Befassung weiterhin überzeugt. Dabei kann offen bleiben, ob einzelne Elemente der Stimmzettelgestaltung – insbesondere die Angabe des Geschlechts – für sich genommen noch als verfahrensrechtliche Regelung zur Erleichterung der freien Ausübung des Stimmrechts gerechtfertigt werden könnten. Denn die Angabe des Geschlechts dient im vorliegenden Regelungszusammenhang der praktischen Umsetzbarkeit eines erfolgreichen Appells an den betroffenen Wähler, vorzugsweise Frauen oder entsprechend besetzte Listen zu wählen. Aufgrund dieser dienenden Funktion steht auch die Angabe des Geschlechts in untrennbarem Zusammenhang mit den anderen paritätsbezogenen Elementen des Stimmzettels und nimmt an deren Verfassungswidrigkeit teil.

69

c) Verletzt die Neufassung der §§ 29 Abs. 2 Sätze 1 und 2, 30 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und § 56 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 5 KWG nach alledem das Recht der Beschwerdeführer zu 2) bis 5) aus Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV, so kommt es auf eine weiter gehende Erheblichkeit oder Ergebniskausalität („Mandatsrelevanz“) dieser Rechtsverletzungen hier nicht an.

70

Wie schon im Rahmen des Eilbeschlusses vom 4. April 2014 (VerfGH RP, Beschluss vom 4. April 2014 – VGH A 15/14, VGH A 17/14 –, juris, Rn. 73) dargelegt, wurde das Erfordernis der Mandatsrelevanz von Wahlfehlern für die nachträgliche Kontrolle von Wahlen im Wege des Wahlprüfungsverfahrens entwickelt. Es beruht auf dem Interesse an dem Bestand der bereits gewählten Volksvertretung und trägt der Tatsache Rechnung, dass der mit der Nichtigerklärung einer bereits erfolgten Wahl infolge eines Wahlfehlers verbundene Eingriff in die Zusammensetzung einer gewählten Volksvertretung durch eine wahlprüfungsrechtliche Entscheidung vor dem Interesse an der Erhaltung der gewählten Volksvertretung gerechtfertigt werden muss (BVerfG, Urteil vom 3. März 2009 – 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07 –, BVerfGE 123, 39 [87]; Glauben, in: Bonner Kommentar, 137. Lfg. [Dez. 2008], Art. 41 Rn. 30 m.w.N.).

71

Auf die vorliegende Verfahrenskonstellation, in der es um die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von Vorschriften im Rahmen einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde geht, ist das Kriterium der Mandatsrelevanz folglich nicht übertragbar, zumal die betreffenden Regelungen aufgrund der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 4. April 2014 mit Blick auf die seinerzeit bevorstehenden Kommunalwahlen am 25. Mai 2014 bzw. den Beginn des Drucks der Stimmzettel am 8. April 2014 ohnehin bereits außer Vollzug gesetzt wurden.

72

d) Ob die Neufassung der §§ 29 Abs. 2 Sätze 1 und 2, 30 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und § 56 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 5 KWG darüber hinaus die weiteren als verletzt gerügten Grundrechte und sonstigen Rechte, insbesondere die passive Wahlrechtsgleichheit von männlichen Wahlbewerbern (Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV), die Chancengleichheit der politischen Parteien (Art. 21 GG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 LV; vgl. zur verfassungsunmittelbaren Geltung von Art. 21 GG VerfGH RP, Urteil vom 27. November 2007 – VGH A 22/07 und VGH O 27/07 –, AS 35, 263 [266]) sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 4a LV (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 22. Juni 2004 – VGH B 2/04 –, AS 31, 348 [352]) verletzen könnten, kann hier offenbleiben. Bereits eine Verletzung des Grundsatzes der Freiheit der Wahl führt zum Erfolg der Verfassungsbeschwerden (vgl. entspr. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013 – 2 BvE 6/08, 2 BvR 2436/10 –, NVwZ 2013, 1468 [1476] m.w.N.; s. auch bereits VerfGH RP, Beschluss vom 4. April 2014 – VGH A 15/14, VGH A 17/14 –, juris, Rn. 74).

II.

73

Soweit die Beschwerdeführer zu 2) bis 5) darüber hinaus die Neufassung von §§ 15 Abs. 4 und 73 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 KWG durch Art. 1 Nr. 4 und Nr. 26 a) des Sechzehnten Landesgesetzes zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes angreifen, bleiben die Verfassungsbeschwerden ohne Erfolg. Insoweit sind die Verfassungsbeschwerden bereits unzulässig.

74

Das folgt in Bezug auf § 73 Abs. 1 Satz 1 KWG schon daraus, dass die Frist für die Erhebung der Rechtssatzverfassungsbeschwerde, die gemäß § 46 Abs. 3 VerfGHG ein Jahr beträgt, abgelaufen ist, denn diese Regelung wurde mit dem 16. KWÄndG nicht neu gefasst.

75

Hinsichtlich der übrigen angegriffenen Bestimmungen sind die Verfassungsbeschwerden unzulässig, weil keiner der Beschwerdeführer die Möglichkeit einer gegenwärtigen, unmittelbaren Verletzung in eigenen Rechten dargetan hat. Hierzu hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Eilbeschluss vom 4. April 2014 – VGH A 15/14, VGH A 17/14 – (juris, Rn. 98 ff.) wie folgt ausgeführt:

76

„Aus der Begründung einer Verfassungsbeschwerde muss bei objektiver Beurteilung zumindest die Möglichkeit einer Verletzung der geltend gemachten Grundrechte erkennbar werden (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 16. August 1994 – VGH B 15/93 –, NJW 1995, 444 [445]). Dies umfasst auch die Darlegung, inwieweit der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die angegriffene Maßnahme in eigenen Rechten beeinträchtigt wird (VerfGH RP, Urteil vom 22. Juni 2004 – VGH B 2/04 –, AS 31, 348 [350]; Urteil vom 29. Januar 2007 – VGH B 1/06 -, AS 34, 169 [180]).

77

Für den Fall der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz bedeutet das Erfordernis, selbst betroffen zu sein, dass der Beschwerdeführer dem Grundsatz nach selbst Normadressat sein muss. Das ist der Fall, wenn der normierte Tatbestand durch die Person des Beschwerdeführers erfüllt wird und daraus Rechte oder Pflichten für ihn entstehen (Ruppert, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 90 Rn. 81; Schmidt-Bleibtreu, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 90 Rn. 356). Ist das Gesetz an einen anderen gerichtet, ist eine eigene Betroffenheit anzunehmen, wenn es zu direkten rechtlichen Nachteilen und nicht nur faktischen, reflexhaften Beeinträchtigungen für den Beschwerdeführer führt (vgl. Ruppert, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 90 Rn. 81; Schmidt-Bleibtreu, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 90 Rn. 356). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

78

1. Die Verfassungsbeschwerden sind in Bezug auf die durch Artikel 1 Nr. 4 eingeführte Sollvorschrift in § 15 Abs. 4 Satz 1 KWG ('Frauen und Männer sollen gleichmäßig in Vertretungskörperschaften repräsentiert sein [Geschlechterparität]') unzulässig, weil die Beschwerdeführer insoweit zur Begründung ihrer Verfassungsbeschwerde nur ausgeführt haben, die 'unverbindliche Sollvorschrift des § 15 Abs. 4 KWG in einem Wahlgesetz' sei 'ebenso widersinnig wie rechtlich zweifelhaft'. Eine eigene Grundrechtsbetroffenheit ist damit indessen nicht dargetan. Eine solche ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, denn die Vorschrift enthält lediglich eine allgemeine, unspezifische Absichtsbekundung des Gesetzgebers.

79

2. Auch soweit die Beschwerdeführer zu 2) bis 5) § 15 Abs. 4 Satz 2 KGW angreifen, sind ihre Verfassungsbeschwerden unzulässig, weil die Möglichkeit einer Verletzung eigener Rechte nicht dargetan ist.

80

Die Vorschrift ist an die Parteien und Wählergruppen adressiert. Auf eine mögliche Verletzung der Rechte der örtlichen Untergliederungen der Partei als eigentlichen Adressatinnen der Regelungen können sich die allenfalls reflexhaft betroffenen Beschwerdeführer zu 2) bis 5) als deren Mitglieder nicht – auch nicht im Sinne einer Prozessstandschaft – berufen. Zudem handelt es sich nicht um eine verpflichtende Vorschrift, sondern lediglich um einen Appell.
[…]

81

Die Möglichkeit einer eigenen Grundrechtsverletzung der Beschwerdeführerinnen zu 3) und zu 5) ist im Übrigen auch deshalb ausgeschlossen, weil die Beschwerdeführer vortragen, die Beschwerdeführerin zu 1) verfüge überwiegend über männliche Wahlbewerber, so dass nicht dargetan oder ersichtlich ist, weshalb § 15 Abs. 4 KGW die Beschwerdeführerinnen zu 3) und zu 5) als weibliche Bewerberinnen nachteilig in ihren eigenen Rechten berühren könnte. Soweit ihr Vortrag so zu verstehen sein sollte, dass sie eine Verletzung der Rechte männlicher Wahlbewerber geltend machen, wären sie hierzu nicht befugt. Die Möglichkeit einer Popularbeschwerde zugunsten männlicher Wahlbewerber ist in den einschlägigen Regelungen über die Verfassungsbeschwerde in Rheinland-Pfalz (Art. 130a LV, §§ 44 ff. VerfGHG) nicht vorgesehen (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 24. Oktober 2001 – VGH B 1/01 –, AS 29, 207 [209]).

82

3. In Bezug auf § 73 Abs. 1 Sätze 2 und 3 KWG sind die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2) bis 5) ebenfalls unzulässig, weil die Möglichkeit einer eigenen Rechtsverletzung nicht dargetan ist.

83

Soweit die Paritätsstatistik eine Vorwirkung auf das Aufstellungsverfahren der Parteien entfalten sollte, gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. […]

84

Auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 4a LV hat sich nur der Beschwerdeführer zu 4) ausdrücklich berufen; auch insoweit fehlt es aber an einer Darlegung der Möglichkeit einer eigenen Grundrechtsverletzung. Die Gewährleistung betrifft das Recht des Einzelnen, über die Erhebung und weitere Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen. Damit umfasst sie die Befugnis jedes Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen (VerfGH RP, Urteil vom 22. Juni 2004 – VGH B 2/04 –, AS 31, 348 [352]). Indessen wird durch § 73 Abs. 1 Sätze 2 und 3 KWG nur die staatliche Verwendung von unpersönlichen, bereits durch die Parteien und Wählergruppen erhobenen, anonymisierten und von der individuellen Person des einzelnen Wahlbewerbers völlig entkoppelten statistischen Daten zu einem für sich genommen zulässigen staatlichen Zweck, nämlich der Information der Wähler über den Stand der Verwirklichung des Verfassungsauftrags aus Art. 17 Abs. 3 LV und aus Art. 3 Abs. 2 GG, geregelt. Dieser Zweck behält auch dann seinen legitimen Anwendungsbereich, wenn eine Information der Wähler im Wege des Stimmzettels wegen der damit verbundenen Verletzung von Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV ausscheidet (s. oben B.I.2.b).

85

Im Übrigen scheidet auch deshalb die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die Regelung aus, weil das Fehlen der Angabe des Geschlechts eines einzelnen Bewerbers gemäß § 23 Abs. 2 Satz 3 KWG nicht automatisch zur diesbezüglichen Ungültigkeit des Wahlvorschlags führt; der Bewerber kann folglich – soweit er aufgrund der übrigen Angaben identifiziert werden kann – nicht allein deshalb von dem Wahlvorschlag gestrichen werden. Insoweit lassen die Regelungen auch Spielraum für die Berücksichtigung besonderer Einzelfälle, in denen ein biologisches Geschlecht eines Wahlbewerbers aus vorrangigen Gründen nicht angegeben werden kann.“

86

Auch nach erneuter Befassung mit dem bisherigen Vorbringen der Beschwerdeführer im Rahmen der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden in der Hauptsache bleibt der Verfassungsgerichtshof bei dieser Würdigung.

III.

87

Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) bleibt in vollem Umfang ohne Erfolg. Sie ist unzulässig. Insoweit hält der Verfassungsgerichtshof ebenfalls an seinen Ausführungen in dem Beschluss vom 4. April 2014 – VGH A 15/14, VGH A 17/14 – (juris, Rn. 109) fest, die wie folgt lauten:

88

„Die Beschwerdeführerin zu 1) ist als politische Partei, die sich auf ihre Rechte aus Art. 21 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 LV (Chancengleichheit) und aus Art. 21 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 50 Abs. 1 Satz 1 und Art. 76 Abs. 1 LV (Freiheit der Wahl) beruft, im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht beschwerdefähig. Denn insoweit macht sie eine Verletzung ihres verfassungsrechtlichen Status als Partei durch die rechtliche Gestaltung des Wahlverfahrens geltend (vgl. grundlegend BVerfG, Plenarbeschluss vom 20. Juli 1954 – 1 PBvU 1/54 –, BVerfGE 4, 27 [30 f.]; speziell in Bezug auf Gemeinderatswahlen BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 1957 – 2 BvH 1/56 –, BVerfGE 6, 367 [371 f.]; s. auch zuletzt BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2013 – 2 BvE 11/12 –, NVwZ 2013, 568 [569]; zur Geltendmachung des Verstoßes gegen Wahlrechtsgrundsätze auch Badura, in: Bonner Kommentar, 161. Lfg. [Mai 2013], Anhang zu Art. 38 Rn. 33). Zur Durchsetzung dieser statusmäßigen Rechte ist sie gemäß § 44 Abs. 4 VerfGHG grundsätzlich auf die Verfahren nach Art. 130 Abs. 1 LV verwiesen (vgl. insoweit VerfGH RP, Urteil vom 27. November 2007 – VGH A 22/07 und VGH O 27/07 –, AS 35, 263 [266]).“

IV.

89

Der Normbestätigungsantrag der Antragstellerinnen zu 1) und 2) ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

90

1. Der Normbestätigungsantrag der Antragstellerinnen zu 1) und 2) ist gemäß Art. 130 Abs. 1 LV zulässig. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 4. April 2014 – VGH A 15/14, VGH A 17/14 – (juris, Rn. 89 ff.) dazu bereits ausgeführt:

91

„a) Die Statthaftigkeit eines Normbestätigungsantrags folgt aus der objektiven, den Vorrang der Verfassung sichernden Funktion des Normenkontrollverfahrens. Dieses dient in Zweifelsfragen der Klärung der verfassungsrechtlichen Lage und damit dem Rechtsfrieden, weil sie Rechtssicherheit und Gewissheit schafft (vgl. insoweit in einem Normbestätigungsverfahren BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 – 2 BvF 3/02 –, BVerfGE 119, 247 [258]). Das Verfahren ist nicht dazu bestimmt, dem Antragsteller zum Recht zu verhelfen, vielmehr soll dem Recht selbst Geltung verschafft werden (Rein, Das Normbestätigungsverfahren, 1991, S. 120). Vor diesem Hintergrund erspart die Möglichkeit eines Normbestätigungsantrags den nach Art. 130 Abs. 1 Satz 1 LV Antragsberechtigten einen unzulässigen Zwang zur prozessualen Lüge (vgl. Lerche, in: Festschrift für Jauch, 1990, S. 121 [124]), wenn er die Norm gegen seine Überzeugung angreifen müsste, um eine Überprüfung zu erreichen.

92

Für die Zulässigkeit eines Normbestätigungsantrags sprechen ferner systematische Erwägungen. Insbesondere kann der Verfassungsgerichtshof in seiner Urteilsformel im Rahmen des Normenkontrollverfahrens nicht nur einen Antrag auf Normverwerfung ablehnen, sondern auch dessen Verfassungsmäßigkeit positiv feststellen (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 11. Juli 2005 – VGH N 25/04 –, juris; s. dazu auch Bier, in: Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 130 Rn. 25). Daraus folgt auch die Zulässigkeit eines auf die Feststellung der Verfassungsmäßigkeit gerichteten Normenkontrollantrags, denn was Entscheidungsinhalt sein kann, muss insoweit auch beantragt werden können (Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 1991, § 8 Rn. 4; ThürVerfGH, Urteil vom 20. April 2004 – VerfGH 14/02 –, LVerfGE 154, 383 [423 f.]).

93

Der Wortlaut der insoweit maßgeblichen Regelungen in Art. 130 Abs. 1 Satz 1 LV, Art. 135 Abs. 1 Nr. 1 LV steht dem nicht entgegen. Danach entscheidet der Verfassungsgerichtshof darüber, ,ob‘ ein Gesetz verfassungswidrig ist. Auch die Formulierung in § 23 Abs. 1 VerfGHG enthält keinen Hinweis darauf, dass die nach dieser Vorschrift erforderlichen 'Bedenken' gegen die Gültigkeit des Gesetzes vom Antragsteller selbst stammen oder von diesem zumindest geteilt werden müssen.

94

Dementsprechend ist auch nach Maßgabe der ähnlich formulierten Regelung in Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG ein Normbestätigungsantrag zum Bundesverfassungsgericht statthaft, wobei die Einengung der Antragsvoraussetzungen in § 76 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG in der Literatur überwiegend für verfassungswidrig und daher nichtig oder zumindest für verfassungsrechtlich bedenklich gehalten (vgl. Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2005, § 76 Rn. 23; Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 93 Rn. 123; Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2012, § 22 Rn. 688 m.w.N.) und vom Bundesverfassungsgericht selbst lediglich als zulässige gesetzgeberische Konkretisierung des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG angesehen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1997 – 2 BvF 1/93 –, BVerfGE 96, 133 [137]; s. ferner für ein Beispiel eines Normbestätigungsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 – 2 BvF 3/02 –, BVerfGE 119, 247). Das Landesgesetz über den Verfassungsgerichtshof enthält im Unterschied hierzu keine nähere Umschreibung von besonderen Voraussetzungen eines Normbestätigungsantrags.

95

b) Die Zulässigkeit eines nach Art. 130 Abs. 1 LV grundsätzlich statthaften Normbestätigungsantrags setzt indessen ein besonderes, objektiv begründetes Klarstellungsinteresse voraus, welches über dasjenige einfache Klarstellungsinteresse hinausgeht, das für den Normalfall des Normverwerfungsantrags genügt. Das folgt aus der Überlegung, dass für Gesetze im Normalfall eine Vermutung der Verfassungsmäßigkeit spricht (vgl. Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz, 1950, Art. 130, Anm. 3. b), S. 453 f., im Anschluss hieran BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. März 1953 – 2 BvE 4/52 –, BVerfGE 2, 143 [158]). Hiervon ausgehend muss ein konkreter, objektiv begründeter Anlass bestehen, die Frage der Vereinbarkeit des Gesetzes mit der Verfassung dem Verfassungsgerichtshof zu unterbreiten. Vor diesem Hintergrund gelten qualifizierte Anforderungen an die Darlegung von 'Bedenken' im Sinne des § 23 Abs. 1 VerfGHG.

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Diesen Anforderungen ist unter anderem genügt, wenn in der wissenschaftlichen Literatur ernst zu nehmende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der zur Überprüfung gestellten Vorschrift geäußert werden (vgl. Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2012, § 22 Rn. 687). Das ist hier der Fall angesichts der deutlichen Formulierungen von Laubinger in der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht, wonach „[D]iese Wahlempfehlungen auf den Stimmzetteln […] eindeutig gegen die von der Landesverfassung und dem Grundgesetz gewährleistete Freiheit der Wahl […]“ verstießen und die Nichtigkeit der Wahl nach sich zögen (Laubinger, NVwZ 2014, 121 [125]) und von Buus in der Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland, wonach „die Einführung der paritätsbezogenen Angaben auf dem Stimmzettel […] verfassungswidrig“ seien (Buus, LKRZ 2014, 102 [106]).

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Auch an dieser Auffassung hält der Verfassungsgerichtshof nach erneuter Befassung fest.

98

2. Der nach alledem zulässige Normbestätigungsantrag der Antragstellerinnen zu 1) und 2) ist unbegründet, denn Art. 1 Nr. 12, Nr. 13 und Nr. 24 KWÄndG sind – wie oben dargelegt (s. unter B.I.2.) – mit der Verfassung für Rheinland-Pfalz unvereinbar, soweit damit § 29 Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie § 30 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und § 56 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 5 des KWG neu gefasst werden.

V.

99

Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei. Die Anordnung der teilweisen Auslagenerstattung zugunsten der Beschwerdeführer zu 2) bis 5) folgt aus § 21a Abs. 1 VerfGHG.

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