Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 1 K 1301/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Beklagte wendet sich gegen die Rückforderung einer ihm von dem Kläger im November 2011 gewährten Zahlung in Höhe von 62.806,70 € (netto) für die Beantragung der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand.
3Der am 00.00.1948 geborene Beklagte stand als Verwaltungsoberamtsrat (A 13 BBesO) im Dienst des Klägers. Zuletzt war er freigestelltes Personalratsmitglied. Er trat zum 31. Dezember 2011 auf eigenen Antrag in den vorzeitigen Ruhestand.
4Zur Einsparung von Personalkosten lobte der Vorstand des Klägers am 1. Juli 2011 für seine nichtwissenschaftlichen Beschäftigten Abfindungen aus, wenn sie ihr Beschäftigungsverhältnis freiwillig beenden sollten. Der Auslobung gingen Gespräche des Vorstands des Klägers mit dem Personalrat voraus. Von der Auslobung haben etwa 35 Beschäftigte aller Berufsgruppen Gebrauch gemacht.
5Im Rahmen der Gespräche zwischen Vorstand und Personalrat erklärte der Beklagte gegenüber dem Vorstand, dass auch er sich eine Beendigung seines aktiven Beschäftigungsverhältnisses im Rahmen dieses Auslobungsprogramms vorstellen könne. Am 30. September 2011 unterzeichneten daraufhin der Beklagte und der Kläger, vertreten durch den kaufmännischen Direktor und den Vorstandsvorsitzenden, eine Vereinbarung, in der der Beklagte sich zur Beantragung der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand verpflichtete und der Kläger ihm dafür eine Zahlung in Höhe von 98.462 € (brutto) versprach. In der Vereinbarung wurde ausgeführt, dass sich die Parteien aufgrund der Beamtenstellung des Beklagten der besonderen Problematik der §§ 12 i.V.m. 2 Abs. 2 Satz 1 BBesG sowie § 814 Alt. 1 BGB bewusst seien. Es werde ausdrücklich Bezug genommen auf die Entscheidung des OVG NRW vom 2. August 2001 - 1 A 3262/99 -. Dem Kläger sei es bewusst, möglicherweise nicht zur Leistung verpflichtet zu sein, weshalb die Voraussetzungen des § 814 BGB zwischen den Parteien unstreitig vorlägen.
6Die Vereinbarung wurde im Anschluss vollzogen. Die Stelle des in den Personalrat nachrückenden Beschäftigten wurde nicht nachbesetzt. Über eine anonyme Anzeige erlangte das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW von dem Sachverhalt Kenntnis und forderte den Kläger mit Schreiben vom 30. Juli 2012 auf, den Betrag zurückzufordern.
7Unter dem 21. August 2012 forderte der Kläger den Beklagten zur Rückzahlung auf. Der Beklagte wies die Rückforderung mit Schreiben vom 5. Oktober 2012 zurück. Unter dem 10. Dezember 2012 forderte der Kläger den Beklagten unter Setzung einer Frist bis zum 1. Februar 2013 erneut zur Rückzahlung auf.
8Der Kläger hat am 5. April 2013 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass der Beklagte zur Rückzahlung aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs verpflichtet sei. Die Vereinbarung vom 30. September 2011 sei nichtig, da sie gegen den das Besoldungs- und Versorgungsrecht der Beamten prägenden Gesetzesvorbehalt verstoße. Die Rückforderung sei auch nicht ausgeschlossen. Die Vorschrift des § 814 BGB sei im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nicht anwendbar. Auch stehe der Grundsatz von Treu und Glauben der Geltendmachung dieses Anspruchs nicht entgegen. Denn die Initiative zum Abschluss der Vereinbarung sei vom Beklagten ausgegangen. Bei dem Abschluss der Vereinbarung sei den Beteiligten der rechtliche Graubereich bekannt gewesen. Der Kläger selbst habe aber die Rechtsproblematik nicht aufgearbeitet. Vielmehr sei der Beklagte bei den Vertragsverhandlungen anwaltlich vertreten gewesen und sein Anwalt habe auch den Text der Vereinbarung entworfen. Er habe demnach gewusst, dass er auf den ausgezahlten Betrag keinen Anspruch habe. Der Kläger habe sich auf die Vereinbarung nur eingelassen, weil er das vom Beklagten vorgebrachte Argument der Gleichbehandlung von Angestellten und Beamten bei der Auslobung schlüssig gefunden habe. Der Beklagte habe durch den Abschluss des Vertrages keine wesentlichen finanziellen Einbußen erlitten, da er sich nur noch ein Jahr vor dem Eintritt in den Ruhestand befunden habe. Zum Zeitpunkt der Vereinbarung habe er die Versorgungshöchstgrenze bereits erreicht.
9Der Kläger beantragt,
10den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 62.806,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Februar 2013 zu zahlen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Klage sei unzulässig. Die streitbefangene Rückforderung basiere nicht auf einer öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung. Jedenfalls sei die Klage unbegründet. In der Vereinbarung seien gerade keine besoldungs- oder versorgungsrechtlichen Angelegenheiten geregelt worden, sodass der insoweit geltende Gesetzesvorbehalt nicht betroffen werde. Er könne sich zudem auf die Regelung des § 814 BGB berufen. Die Rückforderung sei auch unbillig. Der Kläger habe sich zum Zweck der Einsparung von Personalkosten bewusst über seine eigenen Bedenken hinweggesetzt und habe ihn, den Beklagten, wiederholt regelrecht aufgefordert, von der Auslobung Gebrauch zu machen. Er sei in dem Gespräch mit dem Vorstand nicht anwaltlich vertreten gewesen. Seine Prozessbevollmächtigten hätten den Text der Vereinbarung auch nicht entworfen. Entgegen den Ausführungen des Klägers habe er durch die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand erhebliche finanzielle Einbußen. Er sei auf Grund der Vereinbarung unter Inkaufnahme eines deutlichen Versorgungsabschlags insgesamt 24 Monate früher in den Ruhestand getreten. Für diese 24 Monate habe er auf die ihm zustehenden höheren Besoldungsansprüche verzichtet. Insgesamt habe er deshalb ein Minus von fast 40.000 €. Hinzu komme ein Versorgungsabschlag in Höhe von 7,2 %, der jährlich fast 3.000 € ausmache.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
15Entscheidungsgründe:
16Die Klage hat keinen Erfolg.
17Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, weil die Klage eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art betrifft, § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
18Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlichrechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Ober- und Unterordnung stehen und sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient. Bildet die Grundlage des Klagebegehrens ein Vertrag, so kommt es für dessen Einordnung als öffentlich-rechtlicher oder zivilrechtlicher Vertrag auf Gegenstand und Zweck des Vertrages an.
19Vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. April 1986 - GmSOGB 1/85 BGHZ 97, 312, juris, Rn. 10 f.; BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1995 - 3 C 21/93 -, BVerwGE 97, 331 = juris, Rn. 39.
20Nach diesen Grundsätzen ist die Vereinbarung vom 30. September 2011 öffentlich-rechtlicher Natur. Die Ausgleichszahlung an den Beklagten steht im unmittelbaren Zusammenhang mit seinem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand, also dem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis, einem öffentlich-rechtlichem Rechtsverhältnis. Die Verknüpfung zwischen vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand und Ausgleichszahlung wird insbesondere aus § 3 der geschlossenen Vereinbarung deutlich, wo formuliert ist, dass der Beklagte "aufgrund seiner vorzeitigen Zurruhesetzung […] eine als Auslobungsbetrag bezeichnete Einmalzahlung" erhält.
21Vgl. zum öffentlichen-rechtlichen Charakter einer entsprechenden Abrede auch VG Minden, Urteil vom 17. Januar 2013 - 4 K 3074/10 -, juris, Rn. 31.
22Die als allgemeine Leistungsklage statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist allerdings unbegründet.
23Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf Rückzahlung der an den Beklagten für die Beantragung der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand ausgezahlten Summe, § 113 Abs. 5 VwGO analog.
24Als Grundlage für die geltend gemachte Rückzahlung kommen die spezialgesetzliche Rückzahlungsregelung des § 12 Abs. 2 BBesG und der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht.
25Der Anwendungsbereich von § 12 Abs. 2 BBesG ist nicht eröffnet. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Vorschrift gilt jedoch ausschließlich für die Überzahlung von "Bezügen". Um Bezüge im Sinne des BBesG handelt es sich bei der hier umstrittenen Zahlung an den Beklagten aber gerade nicht. Maßgeblich ist insoweit der sogenannte materielle Besoldungsbegriff, der seinerseits an den Inhalt der in Art. 74 a GG enthaltenen Gesetzgebungskompetenz des Bundes anknüpft. Besoldung im materiellen Sinne ist danach alles, was als globale Gegenleistung für die globale Leistungspflicht des Beamten, Richters oder Soldaten zu betrachten ist. Hiervon erfasst werden namentlich sämtliche in Erfüllung der Alimentationspflicht gewährten Leistungen.
26Vgl. OVG Münster, Urteil vom 02. August 2001 - 6 A 3262/99 -, juris, Rn. 8 ff., m.w.N.
27Hier handelte es sich aber gerade nicht um eine Leistung im Rahmen der Alimentationspflicht, sondern im Vordergrund stand - wie vorstehend ausgeführt - die Vereinbarung, dass der Beklagte eine "Abfindung" für einen Antrag auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand erhält.
28Vgl. für einen Parallelfall VG Minden, Urteil vom 17. Januar 2013 - 4 K 3074/10 -, a.a.O., Rn. 40.
29Die Voraussetzungen des gewohnheitsrechtlich anerkannten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs liegen jedoch vor.
30Der Kläger hat eine Vermögensverschiebung durch Leistung im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses vorgenommen. Diese Leistung erfolgte ohne Rechtsgrund. Die als Rechtsgrund einzig in Betracht kommende Vereinbarung zwischen den Beteiligten vom 30. September 2011 verstößt gegen den im Besoldungs- und Versorgungsrecht geltenden Gesetzesvorbehalt aus § 2 Abs. 2 BBesG und ist damit nichtig.
31Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BBesG sind Zusicherungen, Vereinbarungen und Vergleiche, die dem Beamten, Richter oder Soldaten eine höhere als die ihm gesetzlich zustehende Besoldung verschaffen sollen, unwirksam. Die Regelung stellt die einfach-rechtliche Konkretisierung eines hergebrachten und auch derzeit uneingeschränkt gültigen tragenden Grundsatzes des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) dar, wonach die Besoldung (und Versorgung) der Beamten, namentlich ihre Höhe, unmittelbar und ausschließlich der Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers vorbehalten und von ihm abstrakt-generell durch Gesetz zu regeln ist. Dieser Grundsatz des strikten Gesetzesvorbehalts im Bereich der Besoldung (und Versorgung) von Beamten soll sicherstellen, dass die Prinzipien der Unparteilichkeit und Objektivität nicht durch Versuche, individuell eine höhere Besoldung der Beamten zu erreichen, in Frage gestellt werden, und dass der Grundsatz der Gleichheit aller Beamten vor dem Gesetz gewahrt wird. Er kann weder durch Rechtsverordnung, Satzung, Verwaltungsakt, öffentlich-rechtlichen Vertrag noch durch private Absprachen geändert oder ersetzt werden. Die strenge Sanktionsregelung des § 2 Abs. 2 BBesG konkretisiert dabei die bereits aus den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Vorbehalts und des Vorrangs des Gesetzes als Ausprägungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 2, 3 GG) und aus dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Gesetzesbindung der Regelung von Besoldung und Versorgung (Art. 33 Abs. 5 GG) folgende Entscheidung, dass jeder Verstoß hiergegen wie auch jeder Versuch der Umgehung der abstrakt-generellen normativen Festlegung der Höhe der Besoldung unzulässig ist und zwingend zur Unwirksamkeit derartiger Regelungen und Vereinbarungen führt.
32Vgl. Hess. VGH, Urteil vom 19. Juni 1996 - 1 UE 1395/93 -, juris, Rn. 28.
33Die von den Beteiligten getroffene Vereinbarung verschafft dem Kläger eine über die ihm nach den gesetzlichen Vorschriften zustehende Alimentation. Vereinbarungen, die einem Beamten für die Beantragung der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand einen geldwerten Vorteil zusprechen, sind nichtig.
34Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. August 2001 - 1 A 3262/99 -, a.a.O., Rn. 24; VG Minden, Urteil vom 17. Januar 2013 - 4 K 3074/10 -, a.a.O., Rn. 61 f.
35Hieraus folgt indes kein Rückforderungsanspruch des Klägers.
36Die Kammer kann offen lassen, ob ein solcher Anspruch nach § 814 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist. Nach dieser Vorschrift kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach. Es ist umstritten, ob die Vorschrift auf den öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruch anwendbar ist.
37Vgl: bejahend: OVG NRW, Urteil vom 2. August 2001 - 1 A 3262/99 -, a.a.O., Rn. 47; a.A.: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Mai 2013 - OVG 5 B 3.10 -, juris, Rn. 48; Thüringer OVG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - 2 KO 701/00 -, NVwZ-RR 2003, 830 = juris, Rn. 51; Hessischer VGH, Urteil vom 17. Juli 1990 - 11 UE 1487/89 -, NJW 1991, 510 = juris, Rn. 30; für den unmittelbaren Anspruch nach § 12 Abs. 2 BBesG so auch BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2002 - 2 C 2.01 -, BVerwGE 116, 74 = juris, Rn. 18.
38Auch lässt die Kammer offen, ob die Beteiligten - wie § 4 Abs. 2 des Vertragswortlauts nahelegt - zumindest die Anwendung von § 814 BGB für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch durch Vertrag vereinbaren konnten.
39Dies bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn zumindest verstößt die Rückforderung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
40Die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ist diesem Grundsatz unterworfen. Dazu ist eine Abwägung der gegenläufigen Interessen, des Interesses des Bürgers am Schutz seines Vertrauens auf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage und des Interesses der Verwaltung an der Durchsetzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns, vorzunehmen. Die Erstattungspflicht entfällt dann, wenn das private Vertrauensschutzinteresse das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage überwiegt.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1985 - 7 C 48/82 -, BVerwGE 71, 85 = juris, Rn. 15.
42Nach diesen Grundsätzen fällt die Abwägung vorliegend zu Gunsten des Beklagten aus.
43Kläger und Beklagtem war es bewusst, dass die geschlossene Vereinbarung nichtig ist. Soweit der Kläger sich auf einen Rechtsirrtum beruft und darauf hinweist, dass die Vereinbarung von dem Beklagten als "treibende Kraft" entwickelt worden sei - was von diesem indes nachhaltig bestritten wird - ist dies nicht nachvollziehbar. In § 4 der Vereinbarung wird ausdrücklich auf § 2 Abs. 2 Satz 1 BBesG und die Entscheidung des OVG NRW vom 2. August 2001 - 1 A 3262/99 - Bezug genommen. In der in Bezug genommenen Entscheidung hatte das OVG NRW eine entsprechende Vereinbarung als nichtig bewertet. Auch hat der Kläger in § 4 der Vereinbarung erklärt, sich des Umstandes bewusst gewesen zu sein, möglicherweise nicht zur Leistung verpflichtet zu sein. Vor diesem Hintergrund ist der Vortrag des Klägers völlig unverständlich, warum die die Vereinbarung unterzeichnenden Vertreter sich über die Problematik der Nichtigkeit der geschlossenen Vereinbarung nicht bewusst gewesen sein sollten. Im Klageverfahren hat der Kläger auf S. 6 der Klageschrift ausdrücklich ausgeführt, dass "den Vertragsbeteiligten zumindest der rechtliche Graubereich klar" war. Sein Vortrag ist deshalb schon unschlüssig. Im Übrigen kommt es für die Beurteilung der Interessenlage auch nicht darauf an, wer "treibende Kraft" für den Vertragsabschluss gewesen ist. Deshalb sieht die Kammer im Rahmen der dem Verwaltungsgericht nach § 86 VwGO obliegenden Amtsermittlungspflicht keine Veranlassung, den von dem Kläger schriftsätzlich vorgeschlagenen und auch in der mündlichen Verhandlung erneut angeregten Beweisantritten auf Vernehmung von Zeugen nachzugehen.
44Da Kläger und Beklagter (kollusiv) eine nichtige Vereinbarung geschlossen haben, ist es ihnen grundsätzlich wechselseitig jeweils verwehrt, sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben zu berufen. Der Abschluss einer nichtigen Vereinbarung im beiderseitigen Bewusstsein schließt die Berufung auf Vertrauensschutz grundsätzlich aus. Insofern fordert das für den Kläger streitende gewichtige Interesse der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung grundsätzlich, den gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßenden Vertrag zurückabzuwickeln.
45Indes liegen besondere Umstände vor, die sich aus dem Inhalt der Vereinbarung ergeben. Die Nichtigkeit der Vereinbarung würde im Ergebnis einseitig den Beklagten belasten. Dies ergibt sich aus der teilweise unmöglichen Rückabwicklung der vereinbarten Leistungen. Zwar kann die an den Beklagten geleistete Zahlung rückabgewickelt werden. Gleichzeitig kann er aber nicht rückwirkend wieder in den Dienst versetzt werden. Die Versetzung in den Ruhestand ist - wie die Ernennung des Beamten - ein statusverändernder Verwaltungsakt. Sie ist nach dem Ruhestandsbeginn nicht mehr korrigierbar; die abschließenden Regelungen des Beamtenrechts stehen einem Rückgriff auf die Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts über den Widerruf und die Rücknahme von Verwaltungsakten und einem Wiederaufgreifen des Verfahrens (§§ 48, 49, 51 VwVfG) entgegen.
46Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2014 - 2 C 65/11 -, IÖD 2014, 160 = juris, Rn. 25.
47Die Versetzung in den Ruhestand ist für den Beklagten finanziell nachteilig. Zum einen wurden ihm für zwei Jahre die im Vergleich zur Besoldung niedrigeren Versorgungsbezüge ausgezahlt. Gleichzeitig musste er wegen des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Dienst im Umfang von zwei Jahren einen Versorgungsabschlag gem. § 14 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 69 f Abs. 1 LBeamtVG NRW in Höhe von 7,2 % hinnehmen. Deshalb ist die Rückabwicklung mit Treu und Glauben, nicht zuletzt auch unter Berücksichtigung der beiderseitigen Kenntnis von der Nichtigkeit der geschlossenen Vereinbarung, unvereinbar.
48Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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