Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 1 K 23/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d :
2Der 1986 geborene Kläger wendet sich gegen die Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge in Form von Übergangsgebührnissen und Übergangsbeihilfen.
3Der Kläger trat am 1. April 2005 in die Bundeswehr ein und verpflichtete sich für acht Jahre als Zeitsoldat. Während eines Auslandseinsatzes in Afghanistan im Mai 2010 telefonierte er mit seiner Freundin, welche ihm eine angebliche Vergewaltigung durch einen gemeinsamen Bekannten schilderte. Nachdem der Kläger im August 2010 nach Deutschland zurückgekehrt war, entführte er am 24. September 2010 den gemeinsamen Bekannten, verschleppte ihn in den Wald und bedrohte ihn, damit dieser die Vergewaltigung zugebe. Mit Berufungsurteil des Landgerichts Aachen vom 2. Oktober 2012 wurde der Kläger u.a wegen eines minderschweren Falls von Geiselnahme und Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten verurteilt. Die Revision des Klägers wurde vom OLG Köln mit Beschluss vom 5. April 2013 als unbegründet verworfen.
4Die Beklagte leitete gegen den Kläger im Januar 2011 ein gerichtliches Disziplinarverfahren nach der Wehrdisziplinarordnung ein. Mit zwei Bescheiden vom 19. Februar 2013 wurden dem Kläger wegen des anstehenden Dienstzeitendes am 31. März 2013 eine Übergangsbeihilfe dem Grunde nach und Übergangsgebührnisse in Höhe von 1.527,60 Euro bewilligt. Die Übergangsbeihilfe wurde wegen des laufenden Disziplinarverfahrens nicht ausgezahlt.
5Mit Verfügung vom 11. Juni 2013 wurde das Disziplinarverfahren eingestellt, weil der Wehrdisziplinarordnung nur Soldaten und frühere Soldaten unterfielen. Mit dem Dienstzeitende am 31. März 2013 sei der Kläger kein Soldat mehr, und aufgrund des rechtskräftigen Strafurteils unterfalle er nach den §§ 57, 53 und 48 des Soldatengesetzes (SG) auch nicht mehr dem Begriff des "früheren Soldaten". Mit Änderungsbescheid vom 20. Juli 2013 wurde dem Kläger eine Übergangsbeihilfe von 12.664,50 Euro vom Bundesverwaltungsamt ausgezahlt. Zudem wurden nunmehr Übergangsgebührnisse in Höhe von 1.567,39 Euro bewilligt.
6Unter dem 8. August 2013 wies das Bundesverwaltungsamt den Kläger darauf hin, dass der Einbehalt der Übergangsgebührnisse für die Zeit vom 6. April 2013 bis 30. April 2013 durch einen Programmfehler nicht durchgeführt worden sei. Der Kläger sei um einen Betrag von 1.306,16 Euro überzahlt, der zurückgezahlt werden müsse. Mit weiterem Schreiben vom 13. November 2013 wurde der Kläger zudem zur Rückforderung der Übergangsbeihilfe in Höhe von 12.664,50 Euro angehört. Aufgrund des rechtskräftigen Strafurteils hätten ihm weder Übergangsbeihilfe noch Übergangsgebührnisse zugestanden. Der Kläger bat mit anwaltlichem Schreiben vom 20. November 2013 um Erlass der Rückforderung. Er befinde sich im offenen Vollzug, habe Schulden von ca. 50.000,- Euro, und seine Lebensgefährtin, mit der er eine gemeinsame Tochter habe, habe sich von ihm getrennt. Er habe auch 4.000,- Euro an Schadensersatz und Schmerzensgeld an das Opfer gezahlt. Schließlich sei der Beklagten seine Verurteilung bekannt gewesen, gleichwohl habe man die Übergangsbeihilfe gezahlt und einige Wochen später deren Rückforderung angekündigt.
7Mit Bescheid vom 28. April 2014 nahm das Bundesverwaltungsamt den Bescheid über die Gewährung von Übergangsgebührnissen ab dem 6. April 2013 und den Bescheid über die Gewährung von Übergangsbeihilfe in vollem Umfang zurück. Zugleich wurden die Übergangsgebührnisse für die Zeit vom 6. April 2013 bis 30. April 2013 in Höhe von 1.306,16 Euro und die Übergangsbeihilfe zu einem Teilbetrag von 70 Prozent, und damit in Höhe von 8.865,15 Euro, zurückgefordert. Durch seine rechtskräftige Verurteilung habe der Kläger seine Ansprüche auf Versorgung ab dem 6. April 2013 verloren.
8Der Kläger begründete seinen Widerspruch vom 5. Mai 2014 u.a. mit traumatischen Erlebnissen während seines Afghanistan-Einsatzes und seiner aktuellen finanziellen Belastung und bat um völliges Absehen von jeglicher Rückforderung.
9Das Bundesverwaltungsamt half dem Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2014 teilweise ab und reduzierte den für die bewilligte Übergangsbeihilfe zurückgeforderten Betrag auf 50 Prozent, insgesamt 6.332,25 Euro. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Der Kläger habe aufgrund des rechtskräftigen Strafurteils bereits kraft Gesetzes gemäß § 56 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) seine Ansprüche auf die sog. Dienstzeitversorgung - Übergangsgebührnisse und Übergangsbeihilfe nach §§ 11 und 12 SVG - verloren, so dass es keiner Rücknahme der Bewilligungsbescheide bedürfe. Die Überzahlung betreffe Übergangsgebührnisse von 1.306,16 Euro und Übergangsbeihilfe von 12.664,50 Euro und sei gemäß § 49 Abs. 2 SVG nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung nach den §§ 812 ff. BGB zurückzufordern. Auf den Wegfall der Bereicherung könne sich der Kläger nicht berufen, weil er nach § 820 BGB verschärft hafte. Die Zahlung der Versorgungsbezüge stehe unter dem gesetzesimmanenten Vorbehalt des § 56 SVG. Aus Billigkeitsgründen werde gemäß § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG von der Übergangsbeihilfe nur ein Teilbetrag von 50 Prozent wegen des überwiegenden Mitverschuldens der Bezüge zahlenden Stelle zurückgefordert, auch werde die Forderung bis Juni 2015 gestundet.
10Der Kläger hat am 5. Januar 2015 Klage erhoben und bezieht sich auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren.
11Der Kläger beantragt sinngemäß,
12den Bescheid des Bundesverwaltungsamtes - Außenstelle Düsseldorf - vom 28. April 2014 in der Fassung dessen Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2014 aufzuheben.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie verweist auf ihre Ausführungen in den Bescheiden.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach‑ und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
18Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, vgl. § 101 Abs. 2 VwGO.
19Die zulässige Klage ist unbegründet.
20Der Bescheid des Bundesverwaltungsamtes − Außenstelle Düsseldorf − vom 28. April 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21Rechtsgrundlage für die Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge ist § 49 Abs. 2 Satz 1 SVG. Gemäß dieser, den Regelungen in § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG und § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG entsprechenden Vorschrift regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des BGB über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Übergangsgebührnisse und Übergangsbeihilfe sind Versorgungsbezüge im vorgenannten Sinne, sie zählen zur Dienstzeitversorgung der Soldaten auf Zeit (vgl. § 3 Abs. 4 Nr. 1 und 3 SVG).
22Diese sind dem Kläger auch ohne Rechtsgrund gezahlt worden, weil ihm ab dem 6. April 2013 keine Ansprüche auf Dienstzeitversorgung zustanden.
23Da das Strafurteil, mit welchem der Kläger zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und 10 Monaten verurteilt worden war, erst am 6. April 2013 rechtskräftig wurde, sind für den zum 31. März 2013 regulär aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit ausgeschiedenen Kläger die Vorschriften über frühere Soldaten auf Zeit anwendbar. Für die Folgen von Verurteilungen nach Beendigung des Dienstverhältnisses als Soldat auf Zeit gelten nach § 57 Abs. 1 SG die §§ 52 und 53 SG entsprechend. Damit werden die Vorschriften über die dienstrechtlichen Folgen einer strafrechtlichen Verurteilung eines Berufssoldaten nach Beendigungen des Dienstverhältnisses auch auf Soldaten auf Zeit für anwendbar erklärt.
24Vgl. Sanne/Weniger, Soldatengesetz, 2. Auflage 2014, § 57 Rnr. 1.
25Nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 SG verliert ein früherer Berufssoldat, gegen den wegen einer Tat, die er vor Beendigung seines Dienstverhältnisses begangen hat, eine Entscheidung ergangen ist, die nach § 48 SG zum Verlust seiner Rechtsstellung als Berufssoldat geführt hätte, seinen Dienstgrad und seine Ansprüche auf Versorgung. Nach § 48 Satz 1 Nr. 2 SG verliert ein Berufssoldat seine Rechtsstellung, wenn er zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer vorsätzlich begangenen Tat verurteilt worden ist. Folge des nach diesen Vorschriften für den Kläger angeordneten Verlustes seiner Rechtsstellung eines Soldaten auf Zeit ist nach § 56 Abs. 3 SG u.a. der Wegfall von Versorgungsansprüchen. Gleiches ist in § 56 Satz 1 SVG geregelt; danach verliert ein ehemaliger Soldat das Recht auf Dienstzeitversorgung in den Fällen des § 53 Abs. 1 SG und § 57 Abs. 1 SG.
26Nach § 812 Satz 1 BGB ist das herauszugeben, was ohne rechtlichen Grund erlangt wurde. Dies sind vorliegend Übergangsgebührnisse in Höhe von 1.306,16 Euro und Übergangsbeihilfe in Höhe von 12.664,50 Euro.
27Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Beklagten seine rechtskräftige Verurteilung vor Zahlung der Übergangsbeihilfe bekannt gewesen sei und sie damit in Kenntnis der Nichtschuld geleistet habe mit der Folge, dass gemäß § 814 BGB eine Rückforderung ausgeschlossen wäre. § 814 BGB ist in Fällen der vorliegenden Art nicht anwendbar. Mit Blick auf die eigenständige und abschließende Regelung der Voraussetzungen der Rückforderung in den maßgeblichen Vorschriften des Besoldungs- und Versorgungsrechts ist für § 814 BGB kein Raum. Diese Vorschrift betrifft eine Interessenabwägung im Privatrecht, die sich nicht auf das öffentliche Recht übertragen lässt. Die öffentliche Hand ist dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dem Gemeinwohl verpflichtet. Die Verweisung in den Vorschriften über die Rückforderung überzahlter Bezüge bezieht sich lediglich auf die Regelungen über den Umfang der herauszugebenden Bereicherung in den §§ 818 bis 820 BGB.
28Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Dezember 2011 - 2 K 8712/10 -, juris; Fürst, GKÖD, Stand: Januar 2016, § 12 BBesG, Rnr. 10 m.w.N.
29Ungeachtet einer Frage der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB haftet der Kläger im vorliegenden Fall nach allgemeinen Grundsätzen verschärft. Nach § 820 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Empfänger dann, wenn mit der Leistung ein Erfolg bezweckt war, dessen Eintritt nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als ungewiss angesehen wurde, falls der Erfolg nicht eintritt, zur Herausgabe so verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zur Zeit des Empfangs rechtshängig geworden wäre. Nach § 818 Abs. 4 BGB haftet der Empfänger von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an nach den allgemeinen Vorschriften. Das Gleiche gilt nach dem vorliegend einschlägigen § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrund, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde, erfolgt ist und der Rechtsgrund wegfällt.
30In Anknüpfung hieran hat das Bundesverwaltungsgericht die Regelung des § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB nach Maßgabe der gesetzlichen Verweisungen auch auf unter (ausdrücklichem oder gesetzesimmanentem) Vorbehalt geleistete Zahlungen entsprechend angewandt. Derartige Vorbehaltszahlungen sind danach bei Abschlagszahlungen, bei der Fortzahlung von Bezügen, die einem entlassenen Beamten aufgrund einer gerichtlichen Aussetzung der Vollziehung mit Rücksicht auf die von ihm gegen die Entlassungsverfügung erhobene Klage gezahlt worden sind, sowie bei Regelungen über das Ruhen von Versorgungsbezügen anerkannt. Dabei ist ohne Belang, ob sich der Beamte, Richter oder Soldat dieses gesetzlichen Vorbehalts, also der Gewissheit des Erfolgseintritts oder der Möglichkeit des Wegfalls des Rechtsgrundes im Sinne des § 820 Abs. 1 BGB, im Zeitpunkt der Überzahlung bewusst gewesen ist.
31Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Dezember 1976 - II C 36.72 - RiA 1977, 72, und vom 28. Februar 1985 - 2 C 16.84 -, NVwZ 1986, 743; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. Januar 2004 - 2 A 11893/03 -, IÖD 2004, 106; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Oktober 2011 - 1 A 1925/09 -, juris.
32Diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die im Anschluss an die zivilrechtliche Judikatur davon ausgeht, dass bezüglich der jeweils gewährten Leistung von vornherein mit einer Rückzahlungsverpflichtung gerechnet werden muss, lässt sich auf den Verlust der Versorgung nach Maßgabe des § 56 SVG übertragen. In der Vorschrift mit der ausdrücklichen Regelung, dass ein ehemaliger Soldat in den Fällen des 53 Abs. 1 SG und des § 57 Abs. 1 SG sein Recht auf Dienstzeitversorgung verliert, ist ein gesetzesimmanenter Vorbehalt im Sinne der obigen Ausführungen enthalten. Wie das Bundesverwaltungsamt im Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2014 zutreffend ausgeführt, bedarf es daher nicht der Aufhebung der die Dienstzeitversorgung bewilligenden Bescheide, wie sie noch im Rückforderungsbescheid vom 28. April 2014 ausgesprochen wurde.
33Die von der Beklagten geltend gemachte Forderung ist auch nicht verjährt. Im Fall der Rückforderung von überzahlten Versorgungsbezügen gilt § 195 BGB in der jeweiligen Fassung. Nach dieser Vorschrift beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre und beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit Kenntnis der Anspruchsvoraussetzungen zum Schluss des Jahres. Es muss seitens der Behörde Kenntnis von Tatsachen vorliegen, auf die ein Rückforderungsanspruch gestützt werden kann. Kenntnis von einer möglichen Überzahlung der Übergangsgebührnisse und der Übergangsbeihilfe konnte erst mit Rechtskraft des Strafurteils am 6. April 2013 vorliegen, der Rückforderungsbescheid stammt bereits vom 28. April 2014.
34Der Rückforderungsanspruch war zu diesem Zeitpunkt auch nicht verwirkt. Zwar kann nach dem auch im Versorgungsrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben der Rückforderungsanspruch auch schon vor dem Ablauf der Verjährungsfrist verwirkt sein, was von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Für die Annahme der Verwirkung bedarf es neben dem bloßen Zeitablauf zusätzlich ein bestimmtes Verhalten des Berechtigten, das geeignet ist, beim anderen Teil die Vorstellung zu begründen, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht werden. Außerdem wird eine Verletzung oder Gefährdung berechtigter Interessen des anderen Teils gefordert, etwa weil dieser sich auf die vom Berechtigten erweckte Erwartung, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht, einrichten durfte und eingerichtet hat.
35Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2008 - 2 B 22/08 -, juris.
36Hier fehlt es ungeachtet des klägerischen Vortrags, er habe darauf vertraut, die trotz Kenntnis der Beklagten von seiner Verurteilung erst nach Rechtskraft des Strafurteils erhaltenen Beträge behalten zu dürfen, bereits an dem Zeitmoment. Nachdem im Juli 2013 alle streitbefangenen Beträge ausgezahlt worden waren, wurde der Kläger schon im August 2013 auf die Überzahlung hingewiesen, im November 2013 erfolgte die Anhörung zur Rückforderung.
37Schließlich ist die Billigkeitsentscheidung nicht zu beanstanden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezweckt die Billigkeitsentscheidung - hier nach § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG - eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz getragenen Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung dar, so dass sie vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung ist. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem die Modalitäten der Rückabwicklung und die Auswirkungen auf die Lebensumstände des Beamten abzustellen.
38Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 – 2 C 4/11 –, NVwZ-RR 2012, 930, m.w.N.
39Bei der Billigkeitsentscheidung ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich ist. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung ist in die Ermessensentscheidung mit einzubeziehen. Deshalb ist aus Gründen der Billigkeit in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. Der Beamte, Soldat oder Richter, der keinen oder nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt hat, muss besser stehen, als derjenige, der die Überzahlung allein zu verantworten hat.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2013 - 1 A 305/12 -, juris; VG Aachen, Urteil vom 12. Oktober 2015 - 1 K 2261/14 -, nrwe.de; Schleswig-Holsteinisches VG, Urteil vom 27. Januar 2015 - 12 A 293/13 -, juris, m.w.N.
41Im Regelfall erscheint ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 Prozent des überzahlten Betrages angemessen. Bei Hinzutreten weiterer Umstände, etwa besonderer wirtschaftlicher Probleme des Betroffenen, kann auch eine darüber hinausgehende Ermäßigung des Rückforderungsbetrages in Betracht kommen.
42Die Beklagte hat unter Beachtung dieser Grundsätze im Rahmen ihrer nach § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG zwingend zu treffenden Ermessensentscheidung umfassend berücksichtigt, dass sie das überwiegende Mitverschulden an der Überzahlung trifft, weil die Leistung der Übergangsbeihilfe nach Eintritt der Rechtskraft und in Kenntnis des Strafurteils erfolgte. Mit der Beschränkung auf die Rückforderung der hälftigen Übergangsbeihilfe in Höhe von 6.332,50 Euro zuzüglich der Übergangsgebührnisse für April 2013 in Höhe von 1.306,16 Euro (insgesamt 7.638,41 Euro) ist der Billigkeit über die im Regelfall als angemessen einzustufende Ermäßigung von 30 Prozent hinaus genüge getan.
43Soweit es um die Modalitäten der Rückzahlung geht, ist der Kläger gehalten, der Beklagten seine finanzielle Situation darzulegen, um eine angemessene und wirtschaftlich tragbare Ratenzahlung zu vereinbaren.
44Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.
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