Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 3 K 1992/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten um den teilweisen Widerruf und die Rückforderung einer Zuwendung, welche die klagende Kommune unter Vorlage von "höhergeprüften" Rechnungsbelegen erhalten hat.
3Die Klägerin beantragte im März 2013 eine Subvention für die Maßnahmen Platzgestaltung "B. N. " an der M. T. und die Platzgestaltung am sog. "L. " (C. ) an der I.----straße in I1. -C1. .
4Mit Bescheid vom 27. Mai 2013 bewilligte das beklagte Land, hierbei vertreten durch die Bezirksregierung Köln, für das genannte Projekt und den Zeitraum vom 27. Mai 2013 bis zum 30. November 2013 eine Zuwendung in Höhe von 78.470,15 €. Diese bestand zu 9.808,77 € aus Mitteln des Beklagten und zu 68.611,48 € aus dem Europäischen Landwirtschaftsfond für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) gemäß der VO (EG) Nr. 1698/2005 vom 20. September 2005 (Schwerpunkt 3 – Steigerung der Lebensqualität im ländlichen Raum und Förderung der Diversifizierung der Wirtschaft). Die Zuwendung wurde in Form der Anteilfinanzierung in Höhe von 40 % bewilligt. Dem Zuwendungsbescheid lag die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung einer integrierten ländlichen Entwicklung vom 18. März 2008 in der Fassung vom 3. April 2012 (MBL. NRW. 2012 S. 223) zugrunde.
5In Ziffer 6.1 des Zuwendungsbescheides heißt bezüglich "Antrag und Auszahlung":
6"Abweichend von Ziffer 1.4 ANBest-G (scil: Allgemeine Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an Gemeinden) zu § 44 Landeshaushaltsordnung erfolgt die Auszahlung der Zuwendung (…) ausschließlich aufgrund bereits geleisteter Zahlungen im Erstattungsverfahren.
7Dem Auszahlungsantrag sind die Originalrechnungsbelege und Zahlungsnachweise (…) beizufügen."
8Am 12. Juni 2013 erteilte die Klägerin der Baufirma T1. den Auftrag zur Umgestaltung der oben genannten Bereiche in ihrem Ortsteil C1. . Die Arbeiten begannen am 1. Juli 2013 und wurden am 5. November 2013 von der Klägerin abgenommen. Die von der Baufirma T1. erstellten Rechnungen ("Teilschlussrechnungen") überprüfte die Klägerin auf sachliche und rechnerische Richtigkeit. Im Rahmen dieser Überprüfung korrigierte sie einzelne Positionen sowohl zu ihren Gunsten, also betragsmäßig nach unten, als auch zu ihren Ungunsten, also betragsmäßig nach oben (sog. "Höherprüfung").
9Dabei resultierte die Erhöhung der Rechnungspositionen in der Höhe von insgesamt 778,63 € teilweise aus der Zuordnung zu einer anderen Rechnungsposition ("Verschiebungen") und im Übrigen aus der Korrektur von Abweichungen der in der Rechnung zugrunde gelegten Maße von denjenigen im Aufmaß bzw. in der Mengenermittlung.
10Auf der Grundlage ihrer Rechnungsprüfung beantragte die Klägerin unter dem 20. November 2013 mit Blick auf Gesamtausgaben in Höhe von 251.013,53 € und zuwendungsfähigen Ausgaben in Höhe von 181.903,20 € die Auszahlung von Zuwendungsmitteln in Höhe von 72.761,28 €. Diese wurden ausweislich der Auszahlungsmitteilung der Landwirtschaftskammer NRW vom 6. Dezember 2013 an sie ausgezahlt.
11Mit Schreiben vom 4. Juli 2014 wies das Finanzministerium der Beklagten die Landwirtschaftskammer NRW darauf hin, dass im Rahmen einer Stichprobenüberprüfung aufgefallen sei, dass die unter dem 22. Oktober 2013 seitens der EG-Zahlstelle an die Bezirksregierungen erlassene Dienstanweisung, wonach die gängige Praxis der Erhöhung von Rechnungsbeträgen zu unterbleiben habe, sofern diese nicht auf offensichtliche Schreib- und Rechnungsfehler zurückzuführen seien, im hier streitbefangenen Förderfall nicht berücksichtigt worden sei.
12Mit Schreiben vom 17.Juli 2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie beabsichtige, den Zuwendungsbescheid in Höhe von 6.020,32 € zu widerrufen und 311,45 € von der Klägerin zurückzufordern. Sie führte aus, dass eine Prüfung im Rahmen der Fachaufsicht der Bescheinigenden Stelle des Finanzministeriums NRW ergeben habe, dass 778,63 € zu viel als zuwendungsfähige Ausgaben berücksichtigt worden seien. Es habe kein Zahlungsgrund für die Positionen vorgelegen; vielmehr habe es sich um eine freiwillige, nicht zuwendungsfähige Leistung der Klägerin gehandelt. Daraus resultiere eine Überzahlung in Höhe von 311,45 € (40 % von 778,63 €), die zu erstatten sei.
13Unter dem 30. Juli 2014 führte die Klägerin hierzu aus, die Erhöhung der Rechnungspositionen und die dementsprechende Zahlung sei mit Blick auf die maßgeblichen "Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen" (VOB/B) und etwaige Nachforderungen der Baufirma T1. erfolgt. Eine redliche Rechnungsprüfung verlange alle Rechnungspositionen korrekt abzurechnen, und zwar unabhängig davon, ob dies zu einem vor- oder nachteilhaften Ergebnis für den Auftraggeber führe. Nach der VOB solle die Schlussrechnung möglichst gemeinsam und einvernehmlich vorgenommen werden und habe zudem Ausschlusswirkung.
14Mit Bescheid vom 22. September 2014, zugestellt am 25. September 2014, widerrief der Beklagte den Zuwendungsbescheid vom 27. Mai 2013 in Höhe von 6.020,32 € und setzte die Zuwendung auf insgesamt 72.449,83 € fest. Ein Teilbetrag in Höhe von 311,45 € wurde von der Klägerin zurückgefordert. Der Widerruf eines Teilbetrags in Höhe von 5.708,87 € basierte darauf, dass von der bewilligten Zuwendung in Höhe von 78.470,15 € nur Mittel in Höhe von 72.761,28 € abgerufen worden seien.
15Der darüber hinausgehende Betrag in Höhe von 778,63 € und die damit verbundene Rückforderung von 311,45 € sei erforderlich, da einzelne „höhergeprüfte“ Rechnungspositionen mangels Zahlungsgrundes nicht förderfähig seien. Vielmehr handele es sich um eine freiwillige Leistung. Gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW (VwVG NRW) könne auch ein rechtmäßiger und bestandskräftiger Verwaltungsakt ‑ wie hier der Zuwendungsbescheid vom
1627. Mai. 2013 - widerrufen werden, wenn die Mittel nicht entsprechend dem Zweck des Bescheides verwendet würden. Dies sei hier aufgrund der Rechtsgrundlosigkeit der Zahlung in Höhe von 778,63 € der Fall. Die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, warum das Gebot einer einvernehmlichen Abrechnung und die Ausschlusswirkung der Schlussrechnung eine Erhöhung einzelner Rechnungspositionen gebiete. Es komme im hiesigen Zuwendungsverhältnis entscheidend auf Ziffer 6 des Bescheides an; welche Regelungen zwischen Kommune und Bauunternehmer bestünden, spiele für die Beurteilung der Zuwendungsfähigkeit keine Rolle. Das Interesse der Klägerin daran, die Zuwendung zu behalten, müsse hinter dem Interesse der Allgemeinheit, dass die Mittel der Beklagten für Ausgaben zum Wohl der Allgemeinheit zur Verfügung stehen, zurückstehen. Dies gebiete insbesondere der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, wonach freiwillige Leistungen über das vom Bauunternehmer geforderte Maß hinaus nicht gefördert werden könnten.
17Die Klägerin hat am 24. Oktober 2014 Klage erhoben.
18Zur Begründung führt sie aus, der Teilwiderrufs- und Rückforderungsbescheid sei rechtswidrig, da es sich bei sechs der monierten Rechnungserhöhungen um Korrekturen offenkundiger Rechnungs- bzw. Schreibfehler gehandelt habe. Offensichtlich seien nämlich nicht nur solche Fehler, die sich direkt aus der Schlussrechnung ergäben, sondern auch solche, die sich aus den zu der Rechnung gehörenden Aufmaßen, Massenermittlungen, Lieferscheinen und Stundenprotokollen ergäben. Die vom Beklagten zitierte Dienstanweisung selbst definiere den Begriff offensichtlicher Rechnungs- oder Schreibfehler nicht. Da sie jedoch vornehmlich Bauverträge betreffe, sei der Begriff im Sinne der VOB/B auszulegen. Sei ein Aufmaß-, Rechen oder Übertragungsfehler im Sinne der VOB/B offenkundig, müsse ein öffentlicher Auftraggeber bei VOB/B Verträgen für die Dauer der Verjährungsfrist jederzeit mit Nachforderungen rechnen und müsste dafür Rückstellungen im Haushalt bilden. Da die Prüfung der Schlussrechnung durch den Auftragnehmer heute üblich sei und Fehler daher auffielen, sei das Verlangen einer Nachtragsrechnung reine Förmelei und stehe in keinem Verhältnis zum erforderlichen Verwaltungsaufwand. Dieses praktische Bedürfnis werde augenscheinlich auch im Rahmen der Dienstanweisung erkannt, da diese eine Erhöhung bei offensichtlichen Fehlern zulasse. Eine enge Auslegung, die nur offenkundige Fehler in der Schlussrechnung selbst erfassen würde, stünde diesem praktischen Bedürfnis entgegen, weil die Kommunen als Auftraggeber in diesem Fall gehalten wären, auf die Nachtragsrechnung zu warten, um sich nicht der Gefahr des Widerrufs der Zuwendung auszusetzen. Für eine Differenzierung zwischen Fehlern in der Schlussrechnung selbst und Fehlern im Aufmaß o.ä. bestehe kein sachlicher Grund, weshalb die Berufung auf eine solche Auslegung den Widerrufsbescheid ermessensfehlerhaft mache. Vier der korrigierten Rechnungsfehler basierten auf einer falschen Übertragung von Mengen bzw. Maßen aus dem zugehörigen Aufmaß. Eine weitere Korrektur basiere darauf, dass der Unternehmer multipliziert statt addiert habe. Die sechste Korrektur sei erforderlich gewesen, weil der Unternehmer den falschen Einheitspreis (Verkehrszeichen entfernen und beseitigen statt entfernen und versetzen) zugrunde gelegt habe. Die übrigen drei Erhöhungen seien auf „Verschiebungen“ zurückzuführen. Diese Erhöhungen seien Zug-um-Zug gegen Kürzung anderer Rechnungspositionen vorgenommen worden, wodurch insgesamt erhebliche Einsparungen erzielt worden seien. Eine ordentliche Rechnungsprüfung verlange, falsch angesetzte Positionen in die richtige Position zu verschieben. Andernfalls sähe sie sich der Gefahr einer Klage auf Restlohnvergütung ausgesetzt. Mit diesem Problem setze sich die oben zitierte Dienstanweisung nicht auseinander, weshalb sie sich auch nicht ermessenslenkend oder -intendierend auf die Widerrufsentscheidung auswirken könne. Die Beklagte habe jedoch was die Verschiebungen betreffe keine eigenen Ermessenserwägungen angestellt, sodass der Widerrufsbescheid auch insoweit rechtswidrig sei.
19Die Klägerin beantragt,
20den Teilwiderrufs- und Rückforderungsbescheid der Bezirksregierung Köln vom 22. September 2014 aufzuheben, soweit hiermit
211. von der mit Bescheid vom 27. Mai 2013 bewilligten Zuwendung in Höhe von 78.470,15€ ein Teilbetrag von mehr als 5708,87€ widerrufen wird;
222. die Zuwendung insgesamt auf einen geringeren Betrag als 72.761,28€ festgesetzt wird;
233. ein Teilbetrag von 311,45€ zurückgefordert wird.
24Der Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Zur Begründung trägt er vor, die Vorschriften der VOB/B seien vorliegend nicht maßgeblich. Es komme vielmehr auf diejenigen der Landeshaushaltsordnung Nordrhein-Westfalen und die entsprechenden EU-Vorschriften sowie insbesondere auf Ziffer 6.1. des Zuwendungsbescheides in Verbindung mit Ziff. 6.7. der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) an. Die anteilige Förderung und Auszahlung dürfe sich aus Gründen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nur auf tatsächlich entstandene und notwendige Kosten zum Erreichen des Förderzweckes beziehen. Es sei nicht geboten, den Unternehmer auf etwaige Fehler hinzuweisen. Im Übrigen würde dies auch die VOB/B nicht gebieten. Daher seien Zahlungen im Vorgriff auf etwaige Nachforderungen als freiwillige, nicht zuwendungsfähige Leistungen zu qualifizieren. Ferner sei der Begriff des offenkundigen Rechnungs- bzw. Schreibfehlers im Sinne des Verwaltungsrechts und nicht im Sinne der VOB/B auszulegen. Im verwaltungsrechtlichen Sinne seien aber nur solche Fehler offensichtlich, die ohne nähere Prüfung der Unterlagen auffielen. Danach seien die erhöhten Ausgaben der Klägerin nicht förderfähig. Diesbezüglich sei auch kein Ermessensspielraum gegeben. Die generelle Abwägung im Sinne des § 49 VwVfG NRW sei dagegen vorgenommen worden - insbesondere falle die Rückforderung auch nicht unter die Bagatellgrenzen.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
29Die zulässige Klage ist unbegründet.
30Der Bescheid vom 22. September 2014 ist im angefochtenen Umfang rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
31Rechtsgrundlage für die Teilaufhebung der gewährten Zuwendung ist die Widerrufsvorschrift in § 49 Abs. 3 Nr. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW).
32Danach darf ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird.
33So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat die ihr gewährte Zuwendung in der strittigen Höhe von 311,45 € zweckwidrig verwandt. Sie hat diesen Betrag der beauftragten Bauunternehmung bezahlt, ohne dass diese dafür eine entsprechende Rechnung gestellt hätte. Ohne eine Rechnung, die die jeweils betreffende Position aufweist, fehlte es aber vorliegend an einem förderungsfähigen Aufwand. Dies hat zur Folge, dass der Klägerin die Zuwendung insoweit nicht zustand und widerrufen werden konnte. Dies ergibt sich aus den nachfolgenden folgenden Erwägungen:
34Die von der Klägerin als Auftragnehmerin im Rahmen der Belegprüfung vorgenommene Erhöhung der von der Baufirma T1. in Rechnung gestellten Beträge war förderschädlich. Diese sog. Höherprüfung kann entgegen der Ansicht der Klägerin nicht als Korrektur eines offensichtlichen Schreib- und/oder Rechenfehlers angesehen werden.
35Allerdings ist die jederzeitige Korrektur offensichtlicher Fehler in der Rechtsordnung anerkannt.
36Nach allgemeinem deutschem Rechtsverständnis unterliegen offensichtliche Unrichtigkeiten im Verwaltungs- oder im gerichtlichen Verfahren der jederzeitigen Berichtigung, wobei eine Unrichtigkeit dann offenbar ist, wenn sie sich aus dem Zusammenhang der Erklärung oder aus den Vorgängen bei ihrer Abgabe auch für jeden Dritten ohne Weiteres zweifelsfrei ergibt.
37Vgl. etwa zu § 118 VwGO: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 16. Juli 1968 – 6 C 1.66 –, juris; zu § 319 der Zivilprozessordnung (ZPO) Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 14. September 2004 - VI ZB 61/03 – Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2005, 156.
38Auch das tendenziell formenstrenge Zuwendungsrecht der Europäischen Union, das hier Berücksichtigung verlangt, da die Fördermittel ganz überwiegend aus dem Europäischen Landwirtschaftsfond für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) stammen,
39Vgl. Artikel 4 Abs. 1 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 mit der Zielbeschreibung: „Steigerung der Lebensqualität im ländlichen Raum und Förderung der Diversifizierung der Wirtschaft.“
40eröffnet die Möglichkeit, offensichtliche Fehler bzw. Irrtümer jederzeit zu korrigieren.
41Vgl. dazu Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 mit Durchführungsbestimmungen zum mit der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates eingeführten integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen; die insoweit einschlägigen Auslegungshinweise der Generaldirektion Landwirtschaft der Europäischen Kommission vom 18. Januar 1999 (VI/7103/98 Rev.2-DE) und aus dem Jahre 2002 (AGR 49533/2002-DE) und nunmehr Artikel 59 Abs. 6 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik.
42Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass es nicht im Belieben der nationalen Behörde als EU-Zahlstelle steht, ob sie einen offensichtlichen Fehler anerkennt oder nicht. Ob ein offensichtlicher Fehler vorliegt, unterliegt im Streitfall der abschließenden Beurteilung des Gerichts; anderes wäre mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 des deutschen Grundgesetzes nicht zu vereinbaren. Wie im nationalen Recht setzt die Annahme eines offensichtlichen Irrtums im Unionsrecht voraus, dass der Fehler für jeden mit der Sache vertrauten Betrachter ohne Weiteres erkennbar ist.
43Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 – 3 C 15/08 –, juris., Rn.19 f.
44Vor diesem Hintergrund ist die Offensichtlichkeit von Fehlern bei der Vorlage von Rechnungsbelegen nur dann gegeben, wenn ein verständiger Empfänger das Versehen ohne Weiteres erkennen kann. Dem Empfänger muss ohne Zweifel klar sein, was der Rechnungsaussteller an Stelle des unrichtigen Betrages richtigerweise als Betrag schreiben wollte. In Betracht kommen aus dem Dokument ersichtliche Zahlendreher, Übertragungs- oder Rechenfehler.
45Gemessen an diesen Grundsätzen fehlt es vorliegend an einem „offensichtlichen Fehler“ in den (höhergeprüften) Schlussrechnungen der Baufirma T1. . Die dort genannten Rechnungspositionen sind in sich schlüssig. Sie weisen keine aus dem Dokument ersichtlichen Zahlendreher, Übertragungs- oder Rechenfehler auf.
46Für den Empfänger fehlt damit jeder Anhalt, dass der Rechnungsersteller sich verschrieben oder verrechnet haben könnte.
47Das gilt zunächst für die von der Klägerin angeführten "Verschiebungen". So beruht ein Teil der Höherprüfung darauf, dass die Klägerin bei ihrer sachlichen Belegprüfung festgestellt hat, dass zum Beispiel eine bestimmte Menge an Verkehrszeichen von der kostengünstigeren Position "Verkehrszeichen entfernen" in die kostenintensivere Position "Verkehrszeichen entfernen und beseitigen" zu verschieben sei und daher dem Bauunternehmer eine höherer Werklohn zustehe, als er in seiner Rechnung gefordert habe. Ohne Erfolg legt die Klägerin mit ihrem Vorbringen weitere Fälle dar, in denen die VOB/B-Abrechnung nach Einheitspreis und Aufmaß einen höheren Rechnungsbetrag ergebe, als dies die Baufirma T1. in der Schlussrechnung gefordert habe. Die Klägerin meint, der Begriff des „offensichtlichen Irrtums“ müsse auch dann erfüllt sein, wenn der Bauunternehmer in der Rechnung weniger fordere als vertraglich nach Maßgabe der einbezogenen VOB/B geschuldet sei.
48Diese Auffassung ist abzulehnen. Bei der Frage nach der Offensichtlichkeit des Fehlers kommt es allein auf die Beteiligten des Subventionsverhältnisses und die dort vorgelegten Rechnungsbelege an. Ein Rückgriff auf das vertragsgemäß nach VOB/B Geschuldete kommt nicht in Betracht. Aus dem Zuwendungsbescheid und den darin einbezogenen Zuwendungsbestimmungen ergibt sich auch nicht ansatzweise, dass die Zuwendungsbehörde bei ihrer Belegprüfung und Mittelzuweisung die zur Projektdurchführung nach VOB/B geschlossenen Verträge (vereinbarte Einheitspreise, Aufmaß etc.) sowie nicht geltend gemachte (!) Ansprüche zu prüfen hätte. Die sachliche Richtigkeit der erhöhten Mengenansätze nach VOB/B (Entfernen und Beseitigen von Verkehrszeichen, Erhöhung der Frostschutzschicht, Pflaster schneiden, Füll- und Austauschboden, Bituminöse Decken usw.) ändert daran nichts.
49Im diesem Zusammenhang weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass es dem unternehmerischen Risiko des Rechnungserstellers unterfällt, wenn dieser weniger fordere, als ihm vertraglich zustehe. Die klagende Kommune kann sich (auch im Rahmen der gesetzlich nach § 30 Abs. 2 Satz 1 GemHVO NRW vorgesehenen Beleg- und Rechnungsprüfung auf "sachliche und rechnerische" Richtigkeit) nicht an die Stelle des privaten Rechnungserstellers setzen. Das bedeutet keineswegs, dass ihr ein redliches Verhalten als Vertragspartner unmöglich gemacht wird. Selbstverständlich kann sie - nicht zuletzt zur Vermeidung künftiger Nachforderungen ‑ ihrem Vertragspartner die betreffenden Unrichtigkeiten mitteilen und um Rechnungserhöhung bitten, welche dieser in aller Regel schon im eigenen finanziellen Interesse umgehend vornehmen wird.
50Ohne Erfolg bleibt der Einwand der Klägerin, das Verlangen einer Nachtragsrechnung sei eine reine Förmelei, die in keinem Verhältnis zum erforderlichen Verwaltungsaufwand stehe. Ohne dass es darauf entscheidungserheblich ankäme, vermag die Kammer nicht zu erkennen, warum es ihr nicht möglich sein sollte, die erste Prüfung der Rechnungspositionen anhand eines Entwurfs der Schlussrechnung vorzunehmen; diese Vorgehensweise ist nach den Erkenntnissen der Kammer durchaus nicht unüblich.
51Des Weiteren folgt aus dem ‑ von der Klägerin rechtsverbindlich akzeptierten - Inhalt des Bewilligungsbescheides vom 27. Mai 2013, dass die auf der Grundlage der Höherprüfung erhaltenen und verauslagten Mittel nicht zweckgerecht verwandt worden sind.
52Zweck der bewilligten Förderung aus Landes- und EU-Mitteln ist die Entwicklung und Steigerung der Lebensqualität im ländlichen Raum. Für die Abwicklung der Zuwendung ist der Beklagte ausdrücklich von den bei Kommunen an sich in Betracht kommenden Förderbedingungen, namentlich die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an Gemeinden (ANBest-G), abgewichen.
53So hat er in Ziffer 6.1 des Bescheides festgelegt, dass die Auszahlung der Zuwendung „ausschließlich aufgrund bereits geleisteter Zahlungen im Erstattungsverfahren“ (Hervorhebung durch die Kammer) erfolgt. Nach dieser Bestimmung, gegen deren Wirksamkeit keine Bedenken bestehen, widersprechen Zuwendungen, für einen - lediglich erwarteten, aber noch nicht bestehenden Kostenaufwand - dem auf Erstattung entstandener Kosten ausgerichteten Zweck der Förderung. Diese Förderbedingung kommt auch in dem weiteren Zusatz zum Ausdruck, dass dem Auszahlungsantrag „die Originalrechnungsbelege“ beizufügen sind. Für den jeweils von der Klägerin höhergeprüften Betrag fehlt es aber an einer vom Rechnungssteller ausgestellten Rechnung, die gerade die jeweilige Position mit dem jeweiligen Betrag ausweist.
54Des Weiteren hat der Beklagte das ihm auf der Rechtsfolgenseite der Widerrufsnorm eingeräumte Ermessen ohne Rechtsfehler ausgeübt, vgl. § 114 VwGO.
55Dabei ist das behördliche Ermessen angesichts der Zweckverfehlung der Zuwendung intendiert. Dies folgt aus den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis von selbst und bedarf keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung.
56Die Beklagte hat im Übrigen auch nicht verkannt, dass ihr ein Ermessen zusteht. So hat sie auf Seite 3 des angefochtenen Widerrufsbescheides eine „Abwägung“ zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der zweckentsprechenden Mittelverwendung und dem Interesse der Klägerin am Behaltendürfen der Zuwendung vorgenommen und sich dabei unter Berufung auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zugunsten der Allgemeininteressen entschieden. Eine solche Entscheidungsbegründung, die im Rahmen einer Abwägung gegenläufige Interessen gegenüberstellt und gewichtet, um sich dann für das Überwiegen eines Interesses zu entscheiden, dokumentiert der Sache nach die Ausübung behördlichen Ermessens, vgl. § 40 VwVfG NRW.
57Anders als die Klägerin meint, musste der Beklagte bei der Ausübung seines Ermessens nicht gesondert berücksichtigen, dass die Klägerin "Verschiebungen" vorgenommen hat, mithin die Erhöhung der einen Rechnungsposition mit der Kürzung einer anderen Rechnungsposition einherging. Insoweit handelt es sich nicht um einen Umstand, dessen Nichtberücksichtigung die ordnungsgemäße Ausübung des Widerrufsermessens in Frage stellt. Das streitige Subventionsverhältnis zielt, wie bereits oben erwähnt, darauf ab, dass Forderungen, die in Originalbelegen dokumentiert sind, erstattet werden (zuwendungsrechtliches Erstattungsverfahren). Diese strikte Anknüpfung an vorhandene Rechnungsbelege, die sich von der eher "objektiven" Feststellung des Zahlungsanspruchs im Rahmen der Rechnungsprüfung nach § 30 Abs. 2 GemHVO NRW unterscheiden mag, ist auch beim Widerruf zu berücksichtigen. Dies hat zur Folge, dass den Argumenten der Klägerin, wonach die Verschiebungen unter dem Strich eine Ersparnis von Kosten ergeben hätten, keine durchgreifende Bedeutung zugemessen werden kann.
58Die Rückforderung der an die Klägerin ausgezahlten Zuwendung ist ebenfalls rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW, wonach bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit - wie hier - ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen worden ist.
59Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
60Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung.
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