Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 6 K 1959/18
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Unter dem 25. September 2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen vom Typ ENERCON E-82 E2 mit einer Nabenhöhe von 108,38 m, einem Rotordurchmesser von 82 m und einer Nennleistung von 2,3 MW auf dem in der Windkraftkonzentrationszone Alsdorf gelegenen Grundstück Gemarkung B. , Flur , Flurstück .
3Mit Bescheid vom 28. April 2016, der Klägerin zugestellt am 4. Mai 2016, erteilte die Beklagte der Klägerin die beantragte Genehmigung unter Beifügung verschiedener Nebenbestimmungen. Unter Nr. 6.1.6 des Bescheides wurde der Klägerin Folgendes aufgegeben:
4" Der Unteren Umweltbehörde der T. B. ist der direkte Zugriff (Lesemöglichkeit) mittels Fernüberwachung und Modemverbindung auf folgende Parameter und Betriebsdaten zu gewähren:
5- Windgeschwindigkeit
6- Windrichtung
7- Anlage in Betrieb
8- Anlage startet
9- Anlage stoppt
10- Schattenabschaltung
11- Eisansatzerkennung
12- Wartung.
13Die hierfür erforderliche Hard- und Software (ENERCON Scada) ist vorhanden. Darüber hinaus nachweislich anfallende Kosten werden durch die Untere Umweltschutzbehörde der Städteregion Aachen übernommen."
14Im Rahmen der am 7. Juni 2017 in Anwesenheit des Geschäftsführers der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin durchgeführten Abnahmeprüfung wurde festgestellt, dass verschiedene Nachweise zur genehmigungskonformen Errichtung der Anlage nicht vollständig vorlagen bzw. verschiedene Nebenbestimmungen nicht vollständig umgesetzt waren, unter anderem die Nebenbestimmung Nr. 6.1.6. Insoweit wurde ausweislich des über die Abnahmeprüfung erstellten Protokolls festgehalten, dass der direkte Zugriff (Lesemöglichkeit) mittels Fernüberwachung nicht gewährt worden sei. Es wurde zugleich die "Forderung" aufgestellt, die Leserechte für den Dongle und den Benutzernamen zu gewähren. Mit Schreiben vom 11. Juli 2017 übersandte die Beklagte der Klägerin das Protokoll mit den festgestellten Mängeln und bat sie, bis zum 15. August 2017 die fehlenden Dokumente vorzulegen bzw. die Nebenbestimmungen zu erfüllen.
15Im nachfolgenden Schriftverkehr wies die Klägerin wiederholt darauf hin, dass die genannte Software ENERCON Scada nicht auf Leserechte beschränkt sei. Mit Hilfe dieser Software könnten sehr viel mehr Daten, insbesondere auch vertrauliche Daten, eingesehen werden. Derzeit könne nicht sichergestellt werden, dass mit Hilfe dieser Software nur die Daten, die entsprechend der Nebenbestimmung Nr. 6.1.6 gefordert würden, eingesehen werden könnten.
16Die Beklagte wies mit Schreiben vom 14. November 2017 darauf hin, dass alternativ zu dem geforderten direkten Zugriff ihrem Umweltamt wöchentlich auch ein Statusreport, ggf. automatisch generiert, entsprechend der Statusliste der in Rede stehenden Anlagen per E-Mail übermittelt werden könne. Gemäß der Nebenbestimmung Nr. 6.1.6 seien folgende Status-Codes anzugeben:
170 |
Status |
4 |
Schattenabschaltung |
8 |
Wartung |
14 |
Eisansatzerkennung |
Ein Angebot der Klägerin, die gewünschten Statusberichte nicht wöchentlich, sondern jährlich vorzulegen, wies die Beklagte mit Schreiben vom 27. November 2017 zurück. Hierzu führte sie aus, dass der Zweck der Nebenbestimmung insbesondere die zeitnahe Kontrolle der Einhaltung der einschlägigen Nebenbestimmungen sei, ohne hierfür einen zeitlichen Aufwand für die Behörde oder den Betreiber zu erzeugen. Das Auslesen der relevanten Anlagendaten erfolge hierbei mit der Software "ENERCON Remote 3". Mit Hilfe dieser Software sei lediglich ein Lesen der Anlagendaten möglich. Ein Steuern der Anlagen sei entsprechend eigener Erfahrung sowie nach Rücksprache mit anderen Anlagenbetreibern nicht möglich. Anlagenparameter, die mit Hilfe der Software gelesen werden könnten und ggf. Betriebsgeheimnisse beträfen, seien nicht ersichtlich. Die Klägerin werde daher aufgefordert, den Scada-Zugriff durch die Firma ENERCON freischalten zu lassen und der Beklagten die IP-Adresse der in Rede stehenden Anlagen in B. bis zum 15. Dezember 2017 mitzuteilen.
19Nachdem die Klägerin erneut darauf hingewiesen hatte, dass mit der eingesetzten Software auch eine Steuerung der Anlagen möglich sei und überdies eine Urheberrechtsverletzung vorliege, weil die Software "ENERCON Remote 3" und der Dongle nicht offiziell von der Beklagten beim Hersteller ENERCON erworben worden seien und sie daher kein Recht zur Nutzung der Lizenz habe, teilte die ENERCON Service Deutschland GmbH mit Schreiben vom 10. Januar 2018 auf Anfrage der Beklagten mit, dass nach ihrer Auffassung die Benutzung der Software ENERCON Scada Remote Systems durch die Beklagte keine Urheberrechtsverletzung darstelle. Es sei insoweit vorausgesetzt, dass vorab die Freigabe zur Sichtung der Windenergieanlage durch den jeweiligen Betreiber erfolgt sei. Der Benutzer mit dem Benutzernamen habe die Berechtigungsstufe "Customer 3". Diese Berechtigung erlaube keine Steuerung der Anlage und sei die niedrigste einzurichtende Berechtigungsstufe.
20Auf die Anhörung der Beklagten, die Erfüllung der Auflage im Wege des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens, also mittels Androhung und anschließender Festsetzung eines Zwangsgeldes, durchsetzen zu wollen, wies die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 6. April 2018 darauf hin, dass die beabsichtigte Verwaltungsvollstreckung offensichtlich rechtswidrig sei. Voraussetzung einer zulässigen Anwendung von Verwaltungszwang sei das Vorliegen eines wirksamen Verwaltungsaktes. Die zugrunde liegende Nebenbestimmung Nr. 6.1.6 sei aber nicht wirksam. Sie sei vielmehr nichtig. Sie leide an einem besonders schwerwiegenden Fehler, weil sie von der Klägerin insbesondere die Begehung einer rechtswidrigen Tat bei Vollzug der Nebenbestimmung und hierdurch zwangsläufig die Verwirklichung von Straf- oder Bußgeldtatbeständen verlange. Dies sei anzunehmen, weil ein Verstoß gegen den Urheberrechtsschutz des Computerprogramms vorliege. Durch die Nutzung des Computerprogramms komme es überdies zu einem rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin. Hierzu gehöre das Recht zur Geheimhaltung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Diese betrieblichen Interna, namentlich die Ertragswerte der Anlagen, könnten durch das Computerprogramm ausgelesen und verwertet werden. Dass eine ausschließliche Lesemöglichkeit durch das Programm bestehe, habe die Beklagte nicht nachgewiesen. Auch liege ein Datenschutzverstoß vor. Die in der Nebenbestimmung Nr. 6.1.6 genannten Daten könnten dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH sowie dem Kommanditgesellschafter der KG zugeordnet werden, da zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter eine enge finanzielle, personelle und wirtschaftliche Verflechtung bestehe. Weitere persönliche Daten des Geschäftsführers seien betroffen, unter anderem dessen Privatanschrift. Eine Einwilligung sei nicht erteilt, weshalb die Erhebung der Daten unzulässig sei. Schließlich sei die Nebenbestimmung auch unverhältnismäßig. Sie sei insbesondere nicht erforderlich. Die Fehlerhaftigkeit der Nebenbestimmung sei auch schwerwiegend und offensichtlich, weshalb diese Umstände zu ihrer Nichtigkeit führen müssten. Selbst bei einer Unterstellung der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes diene die Androhung des Zwangsgeldes im Übrigen keinem gesetzeslegitimen Zweck und sei die Vollstreckung insgesamt als unverhältnismäßig anzusehen.
21Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 24. April 2018 drohte die Beklagte der Klägerin für den Fall, dass sie der Auflage Nr. 6.1.6 im Genehmigungsbescheid vom 28. April 2016 nicht bis zum 31. Mai 2018 nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro an. Zur Begründung wies die Beklagte darauf hin, dass der Genehmigungsbescheid vom 28. April 2016 einschließlich der mit diesem Bescheid verbundenen Nebenbestimmung bestandskräftig geworden sei. Gründe, die zur Nichtigkeit der Nebenbestimmung führen könnten, seien nicht ersichtlich. Der geltend gemachte Verstoß gegen das Urheberrecht liege nicht vor. Dies habe die Firma ENERCON mit ihrem Schreiben vom 10. Januar 2018 ausdrücklich bestätigt. Der Vorwurf einer Straftatbegehung durch die zuständige Überwachungsbehörde mittels Einsichtnahme in die erforderlichen Daten über das Programm ENERCON Scada sei daher nicht zutreffend. Auch der Vorwurf, durch diese Nutzung würden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verletzt werden, sei unbegründet. Der Datenschutzbeauftragte der Beklagten sei zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei der Klägerin um eine juristische Person handele, an der als Kommanditisten K. und L. beteiligt seien. Es handele sich also nicht um eine Ein-Mann-GmbH & Co. KG. Mit der Software würden auch keine personenbezogenen Daten verarbeitet, sodass nach den datenschutzrechtlichen Regelungen weder ein Eintrag in das Verfahrensverzeichnis noch die Durchführung einer Vorabkontrolle erforderlich sei.
22Die Klägerin hat am 17. Mai 2018 Klage erhoben und am 25. Mai 2018 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung von Klage und Eilantrag wiederholt die Klägerin im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend weist sie darauf hin, dass die fragliche Nebenbestimmung Nr. 6.1.6 bereits nicht hinreichend bestimmt sei. Sie lasse weder erkennen, welche konkreten Schritte die Klägerin zur Erfüllung der Nebenbestimmung vorzunehmen habe, noch wie die Fernüberwachung konkret ablaufen werde. Sie verpflichte die Klägerin lediglich dazu, den "direkten Zugriff (Lesemöglichkeit mittels Fernüberwachung und Modemverbindung) […] zu gewähren". Wie dieser Zugriff zu "gewähren" sei, welche Schritte durch die Klägerin erforderlich seien, vor allem, ab wann ein solcher Zugriff gewährleistet werden müsse, ob und wenn ja, welche konkreten Nutzerdaten freigeschaltet werden müssten, ob es einer solchen Freischaltung überhaupt bedürfe oder die Klägerin nur ihre Freigabe bzw. Einwilligung zu erteilen habe, ergebe sich weder aus der Nebenbestimmung noch einer etwaigen Begründung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheides. Dass im nachfolgenden Schriftverkehr erstmals der Dongle und der Benutzername mitgeteilt worden seien und der Klägerin, erstmals im November 2017, konkret mitgeteilt worden sei, dass der Zugang für den benannten Nutzer durch die Firma ENERCON freizuschalten und der Beklagten die IP-Adresse der Windenergieanlagen mitzuteilen sei, könne die fehlende Bestimmtheit nicht heilen. Hinsichtlich der hinreichenden Bestimmtheit einer Nebenbestimmung sei auf den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung, spätestens auf den Zeitpunkt der Bestandskraft der Nebenbestimmung abzustellen. Zum Zeitpunkt des Eintritts der Bestandskraft der Nebenbestimmung sei der Klägerin aber weder bekannt gewesen, wann sie den Zugriff zu gewähren habe, noch unter Vornahme welcher konkreten Schritte eine solche Gewährung zu erfolgen habe. Der angefochtenen Zwangsgeldandrohung fehle es im Übrigen auch an der Vollstreckungsvoraussetzung einer wirksamen Grundverfügung. Denn die ihr zu Grunde liegende Nebenbestimmung sei nichtig. Ihre Fehlerhaftigkeit sei schwerwiegend und offenkundig. Sie dränge sich einem objektiven Betrachter förmlich auf. Ein verständiger Beobachter könne zu keinem anderen Schluss kommen, als dass mit der vorliegenden Nebenbestimmung weit mehr als das gefordert werde, was datenschutz- und urheberschutzrechtlich zulässig und verwaltungsrechtlich überhaupt erforderlich sei. Der massive Eingriff, den eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung des Anlagenbetriebs darstelle, stelle nicht das mildeste Mittel zur Erreichung des gewünschten Zwecks dar und sei daher grob unverhältnismäßig.
23Die Klägerin beantragt,
24die mit Bescheid der Beklagten vom 24. April 2018 erfolgte Zwangsgeldandrohung aufzuheben.
25Die Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend weist sie darauf hin, dass die Klägerin aufgrund der Bestandskraft des Genehmigungsbescheides nicht mehr mit Erfolg geltend machen könne, dieser sei rechtswidrig gewesen. Anhaltspunkte für seine Nichtigkeit ergäben sich nicht. Insbesondere leide der Genehmigungsbescheid hinsichtlich der fraglichen Nebenbestimmung nicht an einem besonders schwerwiegenden Fehler. Es müsse ein Verstoß gegen tragende Verfassungsprinzipien oder aber der Rechtsordnung immanente, sie tragende Zweck- und Wertevorstellungen vorliegen. Unabhängig vom Rang der Rechtsvorschrift müsse der Verstoß nach Art und Ausmaß überdies ein Gewicht haben, dass eine Einschränkung des Gebots der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zugunsten der Stabilität des Verwaltungsaktes und damit der Rechtssicherheit nicht mehr gerechtfertigt erscheine. Die von der Klägerin behaupteten Verstöße gegen das Urheberrecht, das Datenschutzrecht und die Verletzung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen erreichten nicht diese Tragweite, sodass die Klägerin letztlich Rechtmäßigkeitserwägungen im Rahmen der Nichtigkeitsprüfung anstelle. Hinsichtlich des behaupteten Verstoßes gegen das Urheberrecht werde schon bezweifelt, ob die Klägerin diesbezüglich Trägerin eigener subjektiver Rechte sei, schließlich gehe es um Urheberrechte der ENERCON GmbH als Herstellerin der Windenergieanlagen. Diese habe mit Schreiben vom 10. Januar 2018 ausdrücklich mitgeteilt, dass die Benutzung der Software durch die Beklagte aus ihrer Sicht keine Urheberrechtsverletzung darstelle. Die Software sei von der Beklagten nicht erworben worden, sondern von dem Betreiber einer Anlage des gleichen Herstellers in Erfüllung einer Nebenbestimmung zur Verfügung gestellt worden. Durch das Einpflegen der Benutzerkennung für den Lesezugriff erhalte die ENERCON GmbH Kenntnis von dem Zugriff des Nutzers auf die Daten der entsprechenden Anlage, sodass sie eine Nutzung unterbinden könne, wenn sie mit ihr nicht einverstanden sei. Von dieser Möglichkeit habe die ENERCON GmbH bisher aber in keinem Fall Gebrauch gemacht. Im Gegenteil habe sie bisher in allen vergleichbaren Fällen die Einhaltung der identischen Nebenbestimmung zur Fernüberwachung ermöglicht. Letztlich würden die von der Nebenbestimmung erfassten Daten auch nicht als Selbstzweck gesammelt, sondern zu Zwecken der Aufgabenerfüllung der Umweltbehörde benötigt.
28Die Kammer hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Verfahren 6 L 859/18 mit Beschluss vom 13. Juli 2018 als unbegründet abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen unter dem Aktenzeichen 8 B 1146/18 anhängig.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Verfahrens 6 L 859/18 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (2 Aktenordner) Bezug genommen.
30E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
31Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
32Der angefochtene Bescheid vom 24. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
33Rechtsgrundlage für die Androhung des Zwangsgeldes in dem Bescheid der Beklagte vom 24. April 2018 sind die §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 Abs. 1 und 5 VwVG NRW.
34Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Zwangsgeldandrohung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz maßgeblich. Denn das Zwangsgeld hat regelmäßig eine ausschließlich präventive Funktion als Beugemittel, das darauf abzielt, künftige objektive Rechtsverletzungen zu vermeiden. Entfaltet das Zwangsmittel aber in die Zukunft gerichtete Rechtswirkungen, sind auch entscheidungserhebliche Veränderungen der Sach- und Rechtslage, die nach seinem Erlass eintreten, der Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit zugrunde zu legen.
35Vgl. BVerwG, Urteile vom 14. März 2006 - 1 C 3.05 - und - 1 C 11.05 -, juris, jeweils Rn. 9, m.w.N.; vgl. auch Riese in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Loseblatt-Sammlung (Stand: Mai 2018), § 113 Rn. 276, der dafür plädiert, regelmäßig auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen.
36Dies zugrunde gelegt ist die angefochtene Zwangsgeldandrohung im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.
37Bedenken gegen ihre formelle Rechtmäßigkeit ergeben sich nicht. Sie ist auch materiell rechtmäßig.
38Gemäߠ§ 55 Abs. 1 VwVG NRW kann ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichtet ist (dazu 1.), mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtmittel keine aufschiebende Wirkung hat (dazu 2.). Zu den Zwangsmitteln zählt das Zwangsgeld, das gemäß §§ 57 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2, 60, 63 Abs. 1 und 5 VwVG NRW schriftlich anzudrohen ist (dazu 3.).
39Diese Anforderungen erfüllt die Nebenbestimmung Nr. 6.1.6 des Genehmigungsbescheides der Beklagten vom 28. April 2016.
401. Mit dieser Nebenbestimmung ist der Klägerin hinsichtlich des mit dem Bescheid genehmigten Betriebs von zwei Windenergieanlagen in der Windkonzentrationszone "B. " die Vornahme einer Handlung aufgegeben worden, namentlich
41der Unteren Umweltschutzbehörde der Beklagten den direkten Zugriff (Lesemöglichkeit) auf verschiedene Parameter und Betriebsdaten (Windgeschwindigkeit, Windrichtung, Anlage in Betrieb, Anlage startet, Anlage stoppt, Schattenabschaltung, Eisansatzerkennung und Wartung) zu gewähren.
422. Der Genehmigungsbescheid und insbesondere die - isoliert anfechtbare - Nebenbestimmung Nr. 6.1.6 sind von der Klägerin nicht angefochten und daher bestandskräftig geworden. Dies gilt selbst für den Fall, dass die streitgegenständliche Nebenbestimmung durch eine nachträgliche Änderung erneut anfechtbar geworden sein sollte (vgl. hierzu die Ausführungen unter 2.1).
43Aus den Einwendungen der Klägerin gegen die der Zwangsgeldandrohung zugrunde liegende Grundverfügung, namentlich die Nebenbestimmung Nr. 6.1.6 des Genehmigungsbescheides vom 28. April 2016, folgt nicht die Rechtswidrigkeit der hier streitgegenständlichen Zwangsgeldandrohung. Die Nebenbestimmung ist insbesondere weder infolge fehlender Bestimmtheit nicht vollstreckungsfähig (dazu 2.1), noch ist sie infolge schwerwiegender und offenkundiger Rechtswidrigkeit unwirksam und deshalb keine taugliche Vollstreckungsgrundlage (dazu 2.2).
442.1 Die Nebenbestimmung Nr. 6.1.6 ist hinreichend bestimmt und damit vollstreckungsfähig. Es ist zwar richtig, dass ein mangels Bestimmtheit nicht vollstreckungsfähiger Verwaltungsakt selbst dann nicht Gegenstand der Verwaltungsvollstreckung sein kann, wenn er bestandskräftig ist.
45Vgl. u.a. Sadler, VwVG/VwZG, Kommentar, 9. Auflage 2014, § 6 VwVG Rn. 13; Saarl. OVG, Urteil vom 20. Februar 2017 - 2 A 34/16 -, juris Rn. 30.
46Die streitgegenständliche Nebenbestimmung ist jedoch nicht unbestimmt.
47Gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG NRW muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das Bestimmtheitsgebot dient der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Der Adressat muss in der Lage sein zu erkennen, was von ihm gefordert wird; zudem muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts. Ob ein Verwaltungsakt diesen notwendigen Inhalt mit hinreichender Bestimmtheit bezeichnet, ist durch Auslegung seines verfügenden Teils in Zusammenhang mit den Gründen und sonstigen den Betroffenen bekannten oder für sie ohne weiteres erkennbaren Umständen festzustellen. Die Annahme seiner Rechtswidrigkeit oder gar Nichtigkeit wegen Unbestimmtheit scheidet aus, wenn die (vorrangige) Auslegung des Bescheids etwaige Zweifel an der Bestimmtheit beseitigt; dabei kommt es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter, sondern wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der angefochtenen Bescheide unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste.
48Vgl. BVerwG, u.a. Urteile vom 27. Juni 2012 - 9 C 7.11 -, juris Rn. 15, vom 2. Juli 2008 - 7 C 38.07 -, juris Rn. 11, und vom 18. April 1997 - 8 C 43.95 -, juris Rn. 35 und 37; Sadler, a.a.O., § 6 VwVG Rn. 10.
49Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot hat die materielle Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes zur Folge, unter den Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 VwVfG NRW unter Umständen sogar seine Nichtigkeit und damit Unwirksamkeit (§ 43 Abs. 3 VwVfG NRW).
50Ausgehend hiervon liegt kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot vor.
51Die Beklagte hat der Klägerin mit der fraglichen Nebenbestimmung aufgegeben, ihr mittels vorhandener Hard- und Software der Fa. ENERCON einen direkten Zugriff in Form einer Lesemöglichkeit auf verschiedene, enumerativ aufgezählte Parameter und Betriebsdaten der Anlagen zu gewähren. Unter Berücksichtigung des allein maßgeblichen Empfängerhorizonts spricht alles dafür, dass für die Klägerin, die die fragliche Software selbst besitzt und regelmäßig einsetzt, nicht zweifelhaft gewesen ist, wie einem Dritten - hier der Überwachungsbehörde - ein Zugriff auf die Anlagendaten gewährt werden konnte.
52Dass nach der Formulierung der Nebenbestimmung dieser Zugriff "mittels Fernüberwachung und Modemverbindung" gewährt werden sollte, was - worauf die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat - wohl schon lange nicht mehr dem Stand der Technik entspricht, ist unschädlich. Für die Klägerin war offensichtlich, dass mittels der eingesetzten Hard- und Software der ENERCON ein Zugriff nicht in dieser Form, sondern allein über das Internet erfolgt. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben muss die Klägerin sich dieses Verständnis entgegenhalten lassen. Diese Frage hat folgerichtig in dem hinsichtlich dieser Nebenbestimmung intensiv geführten Schriftwechsel der Beteiligten überhaupt keine Rolle gespielt und ist erst im Rahmen des Eilverfahrens 6 L 859/18 von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgeworfen worden.
53Ebenfalls ist im Ergebnis unschädlich, dass weder im Verfügungstenor noch in der Begründung des Genehmigungsbescheides vom 28. April 2016 ausgeführt war, wie der geforderte Zugriff auf die Anlagendaten im Einzelnen zu gewähren war, namentlich über den Zugriff auf einen bestimmten "Dongle" mit einem bestimmten Benutzernamen. Nach Auffassung der Kammer ist es - gerade bei immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheiden, die insbesondere zu den Schutzgütern des UVPG (Mensch, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft etc.) regelmäßig eine Vielzahl unterschiedlichster Nebenbestimmungen aufweisen - nicht immer erforderlich, in jeder Nebenbestimmung deren Umsetzung im Einzelnen und detailgenau vorzuzeichnen. Insoweit kann es jedenfalls dann, wenn allein die Überwachung der Anlagen in Rede steht, ausreichend sein, im Genehmigungsbescheid das Regelungsziel genau zu beschreiben und das hierfür vorgesehene Mittel anzugeben. Nähere Einzelheiten der Umsetzung können zwischen Genehmigungsinhaber und Genehmigungs- bzw. Überwachungsbehörde für das Überwachungsverfahren im Einzelnen abgestimmt werden. Erst dann, wenn die Erfüllung der Nebenbestimmung mit einem Zwangsmittel bedroht wird, muss zwischen den Beteiligten auch die Umsetzung im Einzelnen feststehen.
54Vgl. zu einer erst nachträglichen Konkretisierung: OVG Meckl.-Vorp., Urteil vom 13. September 2017 - 3 L 145/14 -, juris Rn. 40; OVG Bremen, Urteil vom 29. August 2000 - 1 A 398/99 -, juris Rn. 48 f.
55Diesen Anforderungen genügt die streitige Nebenbestimmung. Ziel und Mittel sind hinreichend genau beschrieben. Die Klägerin wusste, was von ihr gefordert wird.
56Unter Berücksichtigung des maßgeblichen Empfängerhorizonts und des Grundsatzes von Treu und Glauben begegnet die Nebenbestimmung unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Bestimmtheit aus den dargelegten Gründen daher keinen durchgreifenden Bedenken.
57Im Übrigen wäre ein etwaiger Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot zwischenzeitlich geheilt.
58Die Behörde ist befugt, einen unklaren Verwaltungsakt zu präzisieren und seine hinreichende Bestimmtheit nachträglich herbeizuführen. Denn es ist allgemein anerkannt, dass Verwaltungsakte nach ihrem Erlass noch geändert werden können, insbesondere dass inhaltliche Mängel auch nachträglich durch Änderung oder Ergänzung noch korrigiert werden können. § 45 Abs. 2 VwVfG NRW schließt nur die "Heilung" bestimmter verfahrensfehlerhafter Verwaltungsakte durch bloße Nachholung des Verfahrensschritts aus. Eine inhaltliche Änderung - bis hin zur vollständigen Aufhebung - ist sogar, nämlich im Rahmen der §§ 48 und 49 VwVfG, noch nach Bestandskraft zulässig.
59Vgl. BVerwG, Urteile vom 2. Juli 2008 - 7 C 38.07 -, juris Rn. 18, und vom 14. Dezember 1990 - 7 C 5.90 -, juris Rn. 26, und Beschluss vom 21. Juni 2006 - 4 B 32.06 -, juris Rn. 1; OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2015 - 2 A 616/14 -, juris Rn. 7 f.
60Zwar ist die Klarstellung, dass die Erfüllung der fraglichen Nebenbestimmung von der Klägerin verlangt, beim Hersteller der Windenergieanlagen, der ENERCON GmbH, die Freischaltung des Benutzers mit dem
61Dongle:
62Benutzername:
63für den SCADA-Zugriff zu beantragen, erst nach Eintritt der Bestandskraft des Genehmigungsbescheides vom 28. April 2016 erfolgt. Die Heilung einer fehlenden Bestimmtheit ist der Behörde aber nach den zuvor dargestellten Grundsätzen auch nach Eintritt der Bestandskraft nicht verwehrt. Vorliegend hat die Beklagte in ihrem der Klägerin mit Schreiben vom 11. Juli 2017 zugeleiteten Abnahmeprotokoll vom 7. Juni 2017 die Klarstellung vorgenommen, wie der Zugriff zu gewähren ist. Hierdurch hat sie die Nebenbestimmung Nr. 6.1.6 wirksam inhaltlich abgeändert. Jedenfalls im Zeitpunkt der vorliegend angefochtenen Androhung eines Zwangsgeldes wusste die Klägerin damit, was im Einzelnen von ihr verlangt wird und wie sie die Festsetzung eines Zwangsgeldes vermeiden kann.
64Diese nachträgliche Änderung der bereits in Bestandskraft erwachsenen Nebenbestimmung Nr. 6.1.6 hat Regelungscharakter und der Klägerin eine neue Anfechtungsmöglichkeit eröffnet. Die in dieser Form präzisierte Nebenbestimmung hat die Klägerin jedoch (ebenfalls) nicht angefochten. Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war die Nebenbestimmung Nr. 6.1.6 in der Fassung ihrer Präzisierung durch das Abnahmeprotokoll vom 7. Juni 2017 daher - auch unter Berücksichtigung der wegen der fehlenden Rechtsmittelbelehrung geltenden Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO - in Bestandskraft erwachsen. Zweifel an der Vollstreckungsfähigkeit des Grundverwaltungsakts bestehen nach alledem nicht.
652.2 Hinsichtlich der übrigen Einwände gegen die Grundverfügung gilt grundsätzlich, dass mit einem gegen Vollstreckungsmaßnahmen gerichteten Rechtsmittel nur deren Rechtswidrigkeit, nicht aber die Rechtswidrigkeit der Grundverfügung gerügt werden kann. Ist die Grundverfügung - wie hier - unanfechtbar geworden, so können Einwendungen gegen diese grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden.
66Vgl. BVerwG, u.a. Urteil vom 25. September 2008 - 7 C 5.08 -, juris Rn. 12; OVG NRW, Beschlüsse vom 14. März 2013 - 2 B 219/13 -, juris Rn. 8, vom 19. Dezember 2012 - 12 B 1339/12 -, juris Rn. 3, und vom 20. Januar 2012 - 4 B 1425/11 -, juris Rn. 4; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17. Januar 2018 - 1 S 2794/17 -, juris Rn. 3; OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 28. September 2016 - 3 M 170/16 -, juris Rn. 3; OVG Berl.-Brand., Beschluss vom 20. Januar 2016 - OVG 10 S 29.15 -, juris Rn. 4.
67Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nur dann, wenn der zu vollstreckende Grundverwaltungsakt i.S.v. § 44 VwVfG NRW nichtig und damit unwirksam ist. Denn nur ein wirksamer Verwaltungsakt kann Grundlage einer rechtmäßigen Verwaltungsvollstreckung sein.
68Vgl. statt Vieler OVG Berl.-Brand., Beschluss vom 20. Januar 2016 - OVG 10 S 29.15 -, juris Rn. 5.
69Die Klägerin hat mit ihrem Vorbringen jedoch keine Umstände aufgezeigt, die für eine Nichtigkeit der fraglichen Nebenbestimmung sprechen.
70Nach § 44 Abs. 1 VwVfG NRW ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.
71Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist die aus Rechtsmängeln abgeleitete Folge der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes stets als eine besondere Ausnahme von dem Grundsatz angesehen worden, dass ein Akt der staatlichen Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trage. Besonders schwerwiegend im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG NRW ist daher nur ein Fehler, der den davon betroffenen Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich erscheinen, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar sein lässt. Dagegen ist die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes nicht schon deswegen anzunehmen, weil er einer gesetzlichen Grundlage entbehrt (sog. "gesetzloser" Verwaltungsakt) oder die in Frage kommenden Rechtsvorschriften unrichtig angewendet worden sind.
72Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1997 - 8 C 1.96 -, juris Rn. 28, und Beschluss vom 11. Mai 2000 - 11 B 26.00 -, juris Rn. 8; OVG Berl.-Brand., Beschluss vom 20. Januar 2016 - OVG 10 S 29.15 -, juris Rn. 7; Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 17. Aufl. 2016, § 44 Rn. 7 ff. m.w.N.
73Der schwerwiegende Fehler muss darüber hinaus für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen und urteilsfähigen Bürger ohne Weiteres ersichtlich sein, er muss sich ihm geradezu aufdrängen. Dem Verwaltungsakt muss die Fehlerhaftigkeit gewissermaßen "auf die Stirn geschrieben" sein, d.h. es darf die ernsthafte Möglichkeit, dass der Verwaltungsakt doch rechtmäßig sein könnte, nach Lage der Dinge nicht bestehen. Kenntnis der verletzten Rechtsvorschriften oder Rechtsgrundsätze ist nicht Voraussetzung; es genügt, dass im Sinne der strafrechtlichen Theorie der Parallelwertung in der Laiensphäre ein billig und gerecht denkender, aufgeschlossener Staatsbürger ohne weitere Ermittlungen oder besondere rechtliche Überlegungen zu dem Schluss kommen muss, dass der Verwaltungsakt unmöglich rechtens sein kann.
74Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. August 2015 - 15 B 966/15 -, juris Rn. 12; Schlesw.-Holst. OVG, Urteil vom 17. April 2018 - 15 KF 9/17 -, juris Rn. 71 f.; BGH, Urteil vom 7. September 2017 - 2 StR 24/16 -, juris Rn. 72; BFH, Urteil vom 12. August 2015 - I R 45/14 -, juris Rn. 19; Ramsauer, a.a.O., § 44 Rn. 12 f. m.w.N.
75Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ist daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen.
76Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1997 - 8 C 1.96 -, juris Rn. 28, und Beschluss vom 5. April 2011 - 6 B 41.10 -, juris Rn. 4; OVG Berl.-Brand., Beschluss vom 20. Januar 2016 - OVG 10 S 29.15 -, juris Rn. 5.
77Dass diese Voraussetzungen in Bezug auf die Nebenbestimmung Nr. 6.1.6 vorliegen, ist nicht im Ansatz erkennbar.
78Ob die geltend gemachten Rechtsfehler (Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz, unbefugte Veröffentlichung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen der Klägerin, Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen, Unverhältnismäßigkeit der Nebenbestimmung) überhaupt vorliegen und geeignet sein können, eine "einfache" Rechtswidrigkeit der Nebenbestimmung zu begründen, muss die Kammer nicht entscheiden. Auf diese Prüfung besteht nach den zuvor dargestellten Grundsätzen bei einer bestandskräftigen Grundverfügung gerade kein Anspruch.
79Die Kammer kann hier auch offenlassen, ob die geltend gemachten Rechtsfehler, sollten sie tatsächlich vorliegen, besonders schwerwiegende Fehler darstellen würden. Denn es fehlt jedenfalls an einem offenkundigen Rechtsbruch.
80Dass die von der Klägerin angeführten, nach ihrer Einschätzung besonders schwerwiegenden Rechtsfehler für einen verständigen und urteilsfähigen Bürger nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen können, sondern einer eingehenden juristischen Prüfung bedürfen, zeigt bereits der Umstand, dass die Klägerin diese Fehler in einer insgesamt mehr als 30-seitigen Antrags- und Klagebegründung im Einzelnen darlegt. Selbst die zur Entscheidung berufene Kammer könnte nicht ohne nähere Prüfung beurteilen, ob die Erfüllung der Nebenbestimmung tatsächlich zu Verstößen gegen das Datenschutz- oder Urheberrecht führt, ob unter Umständen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in rechtswidriger Weise von der Nebenbestimmung betroffen sind und ob sie möglicherweise unverhältnismäßig ist. Nicht ohne Grund hat die Klägerin ihre Bitte, das Verfahren nicht auf den Einzelrichter zu übertragen, mit dem Hinweis darauf begründet, dass sich im Klageverfahren "komplexe datenschutz- und urheberrechtliche Fragestellungen im Konfliktfeld zwischen immissionsschutzrechtlichen Überwachungspflichten der Behörde und grundrechtlich geschützten Interessen des Betreibers von Windenergieanlagen an der Geheimhaltung von Betriebs- und Geschäftsinformationen" stellen würden. Dabei handele es sich "aufgrund der datenschutzrechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Verknüpfungen um eine durchaus komplexe Materie, die zudem einige grundsätzliche Sach- und Rechtsfragen" aufwerfe. Auch nach der Einschätzung der Klägerin kann daher vorliegend keine Rede davon sein, dass der streitgegenständlichen Nebenbestimmung die Rechtswidrigkeit "auf die Stirn geschrieben" steht und dass für einen verständigen Bürger ohne Weiteres erkennbar ist, dass ein solcher Verwaltungsakt unmöglich rechtens sein kann.
81Eine Nichtigkeit im Sinne von § 44 Abs. 1 VwVfG NRW liegt vor diesem Hintergrund nicht vor.
82Die Klägerin beruft sich schließlich auch ohne Erfolg auf den absoluten Nichtigkeitsgrund des § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 nichtig, wenn er die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht. Die Befürchtung der Klägerin, die Erfüllung der Nebenbestimmung erfordere von ihr im Hinblick auf das Urheberrecht des Herstellers der Windenergieanlagen eine strafbare oder jedenfalls mit einem Bußgeld bewehrte Handlung, ist nicht begründet. Denn ohne eine Mitwirkung der ENERCON GmbH, die den Nutzer der erforderlichen Hardware (Dongle) und der Software freischalten muss, ist die Fernüberwachung technisch nicht möglich. Das Vorliegen einer Urheberrechtsverletzung dürfte bei einer aktiven Mitwirkung des Rechteinhabers an einer Nutzung seiner Software aber zweifelhaft sein. Zu diesem Ergebnis kommt offenbar auch die ENERCON GmbH selbst, die auf Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 10. Januar 2018 mitgeteilt hat, dass die behördliche Nutzung des ENERCON Scada Remote Systems aus Herstellersicht keine Urheberrechtsverletzung darstelle (Bl. 806 der Beiakte II). Jedenfalls wird aber die Klägerin mit dem ihr allein abverlangten Antrag auf Freischaltung die Grenze zur Strafbarkeit oder zur Begehung einer Ordnungswidrigkeit ersichtlich nicht überschreiten.
83Eine unanfechtbare, wirksame und vollstreckbare Grundverfügung liegt damit im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vor.
843. Auch die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen sind gegeben.
85Gemäߠ§§ 57 Abs. 2, 63 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW sind Zwangsmittel schriftlich anzudrohen. In der Androhung ist dem Pflichtigen eine zur Erfüllung geeignete Frist zu setzen. Diesen Anforderungen wird die der Klägerin mit der schriftlichen Androhung gesetzte Frist, die Nebenbestimmung bis zum 31. Mai 2018 zu erfüllen, gerecht.
86Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes begegnet schließlich ebenfalls keinen Bedenken. Es bewegt sich mit 2.000 Euro am unteren Rand des gesetzlich vorgegebenen Rahmens von zehn bis einhunderttausend Euro (§§ 60 Abs. 1, 63 Abs. 5 VwVG NRW). Dass mit diesem Betrag das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Nichtbefolgung der Nebenbestimmung zu hoch bemessen sein könnte, ist nicht erkennbar.
87Soweit die Klägerin die Unverhältnismäßigkeit der Zwangsgeldandrohung mit Einwänden gegen die Verhältnismäßigkeit der zu Grunde liegenden Grundverfügung, namentlich der Nebenbestimmung Nr. 6.1.6, begründet, ist sie mit diesem Vortrag aus den unter Ziffer 2.2 dargelegten Gründen ausgeschlossen. Dass es aus rechtsstaatlichen Gründen ausnahmsweise gerechtfertigt oder gar erforderlich sein könnte, eine mögliche Unverhältnismäßigkeit der Grundverfügung auf die Vollstreckungsebene durchschlagen zu lassen, ist vorliegend nicht ansatzweise ersichtlich. Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Zwangsgeldandrohung bestehen auch im Übrigen nicht.
88Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24. April 2018 weist daher im Ergebnis nicht die von der Klägerin gerügten Rechtsfehler auf, weshalb die Klage vollumfänglich abzuweisen ist.
89Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
90Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
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