Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 7 K 14/18.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger vom Volk der Paschtunen und sunnitischen Glaubens. Er reiste am 22.04.2015 in das Bundesgebiet ein und stellte am 07.05.2015 einen förmlichen Asylantrag. Im April 2015 gab er an, 16 Jahre und 11 Monate alt zu sein. Seine Taskira sei in Afghanistan verblieben. Nach Durchführung einer Altersfeststellung wurde er als volljährig eingestuft und als Geburtsdatum der 01.01.1997 eingetragen. Im Dezember 2016 legte er eine Taskira vor, aus der sich das Geburtsdatum 00.00.94 ergibt.
3Mit Bescheid vom 20.08.2015 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an.
4Am 17.11.2015 wurde der Kläger nach Bulgarien überstellt. Er reiste jedoch am 28.11.2015 wieder in das Bundesgebiet ein. Eine für den 08.12.2015 geplante Überstellung zurück nach Bulgarien wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Aachen vom 07.12.2015 - 8 L 1042/15.A - vorläufig untersagt. Mit Beschluss vom 05.04.2016 - 8 L 1042/15.A - ordnete das Verwaltungsgericht Aachen die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 20.08.2015 erhobenen Klage - 8 K 2214/15.A - an. Mit Urteil vom 21.04.2016 - 8 K 2214/15.A - hob das Verwaltungsgericht Aachen den Bescheid vom 20.08.2015 auf.
5Bei seiner Anhörung beim Bundesamt am 05.12.2016 gab der Kläger an, er habe mit seinen Eltern, drei Schwestern und drei Brüdern in der Provinz Kunar gelebt. Das Haus stehe mittlerweile leer, gehöre aber noch der Familie. Diese lebe seit fünf Monaten in K. . Der Vater sei verstorben. Er habe Afghanistan im November 2014 verlassen. Die Reise habe 10.000 $ gekostet. Dafür habe ein Onkel ein Grundstück verkauft. Er habe in Afghanistan noch die Großfamilie. Es bestehe noch Kontakt zur Mutter. Die Schule habe er bis zur achten Klasse besucht. Danach habe er nicht gearbeitet, da seine Familie gut situiert sei und die wirtschaftlichen Bedingungen gut gewesen seien.
6Sein Vater habe für das Landesparlament kandidiert und sei von den Taliban im August 2014 auf dem Weg zu einer Wahlveranstaltung durch einen Sprengsatz getötet worden. Die dortigen Taliban stammten aus Pakistan und der pakistanische Geheimdienst (ISI) habe die Tötung finanziert. In dem Gebiet sei fast jeder ein Talib. Die Regierung habe dort keine Macht. Er, der Kläger, sei zu diesem Zeitpunkt in Bagram auf der Air Base der Amerikaner gewesen. An dem Tag habe es zahlreiche Gefechte zwischen den Taliban und den Amerikanern gegeben, bei denen sein 12-jähriger Cousin verletzt worden und auf die Air Base zur Behandlung gebracht worden sei.
7Sein Onkel gehöre dem Parlament an und habe sich um Friedensgespräche zwischen der Regierung und den Taliban bemüht. In K. und in der Provinz Kunar kenne jeder seine, des Klägers, Familie und wisse, dass er dazu gehöre. Bei einem Attentat im September 2014 sei der Onkel in einer Moschee in K. umgebracht worden. Er sei in einer Moschee erschossen worden. Er, der Kläger, sei dabei gewesen. Zwei der Täter seien von der Polizei verhaftet worden, einer sei entkommen.
8Die Taliban hätten im Gebiet die Herrschaft und eine eigene Art Verwaltung. Er habe einen Drohbrief bekommen mit der Aufforderung, sich mit ihnen zu treffen. Er habe sich mit den Dorfältesten beraten und diese hätten Kontakt zu den Taliban aufgenommen. Die Taliban hätten ein Treffen verlangt, ansonsten würde es schlimme Folgen haben. Die Ältesten hätten sich als Übermittler angeboten. Die Taliban hätten eine Anweisung vom ISI bekommen, ihn, den Kläger, umzubringen. Die Ältesten hätten einen Brief erhalten, mit der Anweisung an die Taliban, nach dem Vater auch ihn, den Kläger, festzunehmen bzw. umzubringen. Die Ältesten hätten ihn informiert und ihm geraten, das Land so schnell wie möglich zu verlassen. Er sei für zwei Tage nach K. gefahren, wo jedoch am zweiten Tag auf ihn geschossen worden sei. Die Sicherheitsleute der Familie hätten das Feuer erwidert. Danach habe er Afghanistan verlassen. Zu seiner Mutter habe jemand gesagt, dass er in Europa den Koran beleidige und beschmutze und deswegen ein Ungläubiger sei. Er sei weder in anderen Landesteilen noch im Iran oder Pakistan vor seinen Verfolgern sicher.
9Er leide außerdem unter psychischen Problemen und Schlafstörungen. Seit der schlechten Behandlung in Bulgarien vergesse er Dinge und könne sich u.a. an Daten schlecht erinnern.
10Er legte zwei Briefe und ein Wahlplakat bezüglich des Vaters vor sowie eine Bescheinigung des Pädagogischen Zentrums Aachen (PÄZ) vom 30.11.2016, wonach er sich dort in Behandlung befinde, und ein ärztliches Attest der Praxis M. vom 02.12.2016 mit den Diagnosen Angstträume, Angststörung, Depressive Störung und Schlafstörung.
11Im Laufe des Verfahrens hatte er bereits eine ärztliche Bescheinigung vom 07.12.2015 mit den Diagnosen ängstliche und depressive Reaktionsstörung, Erschöpfung und Schlafstörungen sowie ein Attest der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie E. vom 11.01.2016 mit der Diagnose Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) vorgelegt.
12Mit Bescheid vom 13.12.2017, als Einschreiben zur Post gegeben am 15.12.2017, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab und stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG nicht vorlägen. Es forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgemäßen Ausreise drohte es ihm die Abschiebung nach Afghanistan an.
13Der Kläger hat am 02.01.2018 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, es bestehe in Afghanistan landesweit Verfolgungsgefahr, da die Taliban vernetzt seien und er einer bekannten und einflussreichen Familie angehöre. Die Polizei sei nicht imstande, wirksamen Schutz zu gewährleisten. Außerdem sei er nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt eigenständig sicherzustellen.
14Er beantragt,
15die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 13.12.2017 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen,
16hilfsweise,
17die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten, ihm subsidiären internationalen Schutz nach § 4 AsylG zuzuerkennen,
18weiter hilfsweise,
19die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten, festzustellen, dass in seiner Person ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegt.
20Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
21die Klage abzuweisen.
22Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Die Erkenntnisse der Kammer zum Herkunftsland wurden in das Verfahren eingeführt.
24Entscheidungsgründe
25Die Kammer kann aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.11.2018 entscheiden, obwohl die Beklagte zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Die Beteiligten wurden unter Hinweis auf die Möglichkeit geladen, dass eine Entscheidung auch bei Nichterscheinen eines Beteiligten ergehen kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
26Es bestand weiterhin kein Anlass, die Verhandlung zu vertagen. Dementsprechend war der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers, die Verhandlung zu vertagen, abzulehnen. Gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 S. 1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Ein erheblicher Grund liegt nur dann vor, wenn es unter dem Aspekt der Wahrung des rechtlichen Gehörs nicht zu verantworten ist, den bisherigen Termin bestehen zu lassen bzw. fortzusetzen. Das ist der Fall, wenn trotz aller nach der Prozesslage gebotener und zumutbarer Anstrengungen die ordnungsgemäße Wahrnehmung eines Termins seitens eines Beteiligten nicht möglich ist.
27Nicht jegliche Erkrankung ist ein ausreichender Grund für eine Vertagung; eine solche ist vielmehr nur dann geboten, wenn die Erkrankung so schwer ist, dass die (weitere) Wahrnehmung des Termins nicht erwartet werden kann. Grundsätzlich ist die Verhandlungsunfähigkeit durch Vorlage eines ärztlichen Attestes nachzuweisen, aus dem sich die Unmöglichkeit der (weiteren) Teilnahme an der Verhandlung ergibt. Wird eine Terminsverlegung erst unmittelbar vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit besteht. Dies erfordert, dass das Gericht aus den Unterlagen Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung entnehmen und so die Frage der Verhandlungsunfähigkeit selbst beurteilen kann. Gerade bei kurzfristig gestellten Anträgen auf Terminsverlegung bestehen hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Februar 2018 - 4 A 10/18.A -, juris.
29Diese Anforderungen gelten erst recht im Falle eines Vertagungsantrags zu Beginn der mündlichen Verhandlung.
30Die Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Kläger hat zwar eine ärztliche Bescheinigung des B. Krankenhauses Aachen vom 30.11.2018 vorgelegt, wonach er sich seit August 2018 dort in ambulanter Behandlung aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung befindet und er aus ärztlicher Sicht zum aktuellen Zeitpunkt krankheitsbedingt nicht verhandlungsfähig ist. Insofern fehlt es jedoch an den Angaben, die erforderlich wären, um das Gericht in die Lage zu versetzen, ohne weitere Nachforschungen selbst zu beurteilen, ob Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit besteht. Vielmehr ist nicht einmal ersichtlich, unter welcher Erkrankung der Kläger überhaupt leidet. Dass diese Bescheinigung nicht hinreichend zur schlüssigen Darlegung und erst recht nicht zur Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit ist, leuchtet umso mehr ein, wenn man bedenkt, dass der Kläger bei einer nach eigenen Angaben schon länger andauernden Erkrankung jede Möglichkeit gehabt hätte, sich frühzeitig um geeignete Belege zu bemühen.
31Die Kammer war auch nicht gehalten, zum (wörtlich beantragten) Beweis bzw. - in Anbetracht der Tatsache, dass es um einen Vertagungsantrag geht - zur eigentlich intendierten schlüssigen Darlegung und Glaubhaftmachung der Tatsache, dass der Kläger der Verhandlung nicht folgen könne und auch nicht imstande sei, eine umfassende, seine Rechte wahrende Aussage zu machen, die in der mündlichen Verhandlung anwesende Fachärztin für Allgemeinmedizin, Psychiatrie und Psychotherapie Frau Dr. E. zu vernehmen. Der hierauf gerichtete Antrag war abzulehnen, da es sich insoweit um ein schlechthin untaugliches bzw. völlig ungeeignetes Mittel zur schlüssigen Darlegung und erst recht zur Glaubhaftmachung handelt.
32Vgl. entsprechend zum untauglichen bzw. völlig ungeeigneten Beweismittel BVerwG, Beschluss vom 12.03.2010 - 8 B 90/09 -, juris Rn. 25 und Beschluss vom 22.09.1992 - 7 B 40/92 -, juris Rn. 6.
33So bekundete die Ärztin auf Nachfrage des Gerichts, dass sie nicht die behandelnde Ärztin sei. Sie habe dem Kläger im Jahr 2016 ein Attest ausgestellt. Allein die grundsätzliche fachliche Qualifikation in Verbindung mit der Tatsache, dass die Ärztin nach eigenem Bekunden derzeit anderweitig mit dem Kläger persönlich zu tun hat, stellt nicht annährend eine ausreichende Grundlage dar, um den Gesundheitszustand des Klägers aktuell und ad hoc in der mündlichen Verhandlung hinreichend beurteilen zu können. Dementsprechend wäre ihre Stellungnahme auch nicht geeignet, das von der Rechtsprechung grundsätzlich verlangte ärztliche Attest zu ersetzen. Dabei bleibt die Kammer auch mit Blick auf den Vortrag des Prozessbevollmächtigten in seiner Stellungnahme nach Antragsablehnung dazu, dass die Ärztin die letzten beiden Tage überwiegend mit dem Kläger verbracht habe, dessen psychische Dekompensation und offensichtliche Unfähigkeit, dem Prozess zu folgen und seine Rechte zu wahren, bestätigt habe und nach ihrer fachmännischen Auffassung von einer depressiven Phase des Klägers auszugehen sei, in der er haltlos, orientierungslos und ratlos sei. Abgesehen davon, dass es sich, soweit die Ärztin „die letzten beiden Tage überwiegend mit dem Kläger verbracht“ haben soll, um eine sehr vage gehaltene Angabe handelt, bleibt es dabei, dass privater Kontakt - in Abgrenzung zu einer ärztlichen Untersuchung nach allgemeinen psychiatrischen Standards - schlicht keine hinreichende Beurteilungsgrundlage darstellt. Eine mündliche Stellungnahme einer Ärztin setzt - ebenso wie das von der Rechtsprechung grundsätzlich geforderte Attest - stets eine ärztliche Untersuchung voraus.
34Dabei ist außerdem mit in den Blick zu nehmen, dass die Rechtsprechung zum Nachweis einer behaupteten PTBS und grundsätzlich entsprechend bei anderen psychischen Erkrankungen, wenn die Unschärfen des jeweiligen Krankheitsbildes und seine vielfältigen Symptome es - wie bei der vorliegend behaupteten „depressiven Phase“ - in vergleichbarer Weise rechtfertigen, regelmäßig ein gewissen Mindestanforderungen genügendes fachärztliches Attest verlangt, aus dem sich nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher Grundlage der Arzt zu seiner Diagnose gelangt ist und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt, mit Angaben zum Behandlungsverlauf, zur Befunderhebung, zur Schwere der Krankheit und zur Behandlungsbedürftigkeit.
35Vgl. zur PTBS BVerwG, Beschluss vom 26.07.2012 - 10 B 21/12 -, juris Rn. 7 und Urteile vom 11.09.2007 - 10 C 8.07 - und - 10 C 17.07 -, juris, und zur Übertragbarkeit auf andere Erkrankungen OVG NRW, Beschluss vom 09.102017 - 13 a 1807/17.A -, juris Rn. 25; Beschluss vom 21.03.2017 - 19 A 2461/14.A -, juris Rn. 15 ff. und Beschluss vom 08.03.2016 - 19 A 1670/13 -, juris Rn. 36
36Insofern verkennt die Kammer nicht, dass es vorliegend um die bloße Darlegung eines Vertagungsgrundes und nicht um den vollen Nachweis der Erkrankung i.S. der obigen Rechtsprechung geht. Umgekehrt fällt jedoch ins Gewicht, dass der Kläger sich nicht nur auf eine psychische Erkrankung als solche, sondern auf eine daraus resultierende Verhandlungsunfähigkeit beruft, sprich die Darlegung eines besonderen Schweregrades erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund hält die Kammer jedenfalls ein ärztliches Attest bzw. eine mündliche ärztliche Stellungnahme auf Basis einer vorangegangenen ärztlichen Untersuchung für erforderlich. Eine solche Untersuchung ist aber gerade nicht dargelegt. Vielmehr wurde auf die Ablehnung des Terminverlegungsantrages mit der Begründung, der bloße Kontakt der Ärztin zum Kläger reiche nicht aus, lediglich geltend gemacht, sie habe die letzten zwei Tage „überwiegend mit dem Kläger verbracht“. Hätte die Ärztin hingegen die letzten beiden Tage vor der Verhandlung genutzt, um den Kläger einer eingehenden psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen, hätte sie zum einen die Eigenschaft als behandelnde Ärztin auf Nachfrage des Gerichts gerade nicht verneint. Zum anderen wäre zu erwarten gewesen, dass sie eine entsprechende ärztliche Stellungnahme selbst ausgestellt hätte. Damit wäre dem Kläger auch der noch vor der mündlichen Verhandlung mit einem im Publikum befindlichen Flüchtlingshelfer durchgeführte morgendliche Besuch im B. Krankenhaus erspart geblieben.
37Ohne dass es darauf noch entscheidungserheblich ankäme, ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass die Vorgehensweise des Klägers, trotz angeblicher dauerhafter Erkrankung am Tag der mündlichen Verhandlung eine ärztliche Bescheinigung von zwei Sätzen ohne jegliche konkrete Angabe einzureichen und einen Antrag auf Vertagung zu stellen, ein asyltaktisches Verhalten nahelegt, um den Prozess in die Länge zu ziehen.
38Denn zum einen drängt sich die Frage auf, warum trotz einer angeblichen längerfristigen Erkrankung seit 2016 keine ärztlichen Unterlagen bis auf die Bescheinigung vom 30.11.2018 mehr vorgelegt wurden. Dies ist auch nicht dadurch erklärlich, dass der Prozessbevollmächtigte angab, er habe erst kurz vor der Verhandlung zum Kläger Kontakt aufgenommen. Denn die Relevanz ärztlicher Unterlagen während des laufenden Klageverfahrens in Erwartung eines Termins zur mündlichen Verhandlung konnte dem Kläger, der sich bereits im Dublin-Verfahren 2016 auf psychische Problem berief, nicht verborgen bleiben.
39Zum anderen ist das Verhalten des Klägers auch im Übrigen ersichtlich durch eine asyltaktische Vorgehensweise geprägt. So trug er nach Einreise in das Bundesgebiet im April 2015 vor, 16 Jahre und 11 Monate alt zu sein. Auf Vorhalt, dass dies nach seinem äußeren Erscheinungsbild nicht realistisch sei, blieb er bei seiner Darstellung und berief sich auf entsprechende Angaben seiner Mutter. Seine Taskira sei in Afghanistan verblieben. Nach Durchführung einer Altersfeststellung wurde er als volljährig eingestuft und als Geburtsdatum wurde der 01.01.1997 eingetragen. Erst nach Abschluss des Dublin-Verfahrens - als sein Asylverfahren in Deutschland durchgeführt wurde und es somit auf die Altersangabe nicht mehr ankam - legte er im Dezember 2016 eine Taskira vor, aus der sich das Geburtsdatum 00.00.1994 ergibt. Eine andere Erklärung als eine gezielte asyltaktische Falschangabe gibt es hierfür nicht. Dass die Existenz der Taskira wohl kaum vom April 2015 bis Dezember 2016 - und zwar insbesondere auch während der Diskussion um sein Alter - in Vergessenheit geraten und ihm danach wieder eingefallen sein dürfte, erschließt sich von selbst.
40Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 13.12.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO.
41I.
42Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
43Die einzelnen Verfolgungshandlungen werden in § 3a AsylG näher umschrieben, die einzelnen Verfolgungsgründe in § 3b AsylG aufgeführt. Eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG kann nach § 3c AsylG ausgehen vom Staat (Nr. 1), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat oder die ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3).
44Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, drohen.
45Vgl. BVerwG, Urteile vom 01.06.2011 - 10 C 25.10 -, juris Rn. 22 m.w.N und vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, juris Rn. 19.
46Wenn der Asylbewerber frühere Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgung als Anhaltspunkt dafür geltend macht, dass sich die Verfolgung im Falle der Rückkehr in das Heimatland wiederholen werde, kommt ihm die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU zugute.
47Vgl. zur gleichlautenden Regelung in Art. 4 Abs. 4, Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83/EG BVerwG, Beschluss vom 06.07.2012 - 10 B 17.12 -, juris Rn. 5.
48Es ist Sache des Asylbewerbers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass ihm in seinem Heimatland politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissenstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden.
49Vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.08.1990 - 9 B 45.90 -, juris Rn. 2 und OVG NRW, Urteil vom 14.02.2014 - 1 A 1139/13.A -, juris Rn. 35.
50Gemessen an diesen Grundsätzen konnte die Kammer nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Kläger sein Heimatland aufgrund politischer Verfolgung verlassen hat oder dass ihm bei Rückkehr dorthin eine solche droht.
51Der Vortrag des Klägers zum Vorfluchtgeschehen in der Anhörung beim Bundesamt ist unglaubhaft. Seine Schilderung der Vorkommnisse in Afghanistan ist schlichtweg lebensfremd. So ist schon nicht nachvollziehbar, warum die Taliban, nachdem sie den Vater durch einen Sprengsatz getötet und den Onkel erschossen hatten, ihm, dem Kläger, zunächst einen Brief zukommen lassen sollten mit der Aufforderung, sich mit ihnen zu treffen. Hätten sie tatsächlich vom pakistanischen Geheimdienst den Auftrag erhalten, ihn zu festzunehmen bzw. töten, hätte es keinen Anlass gegeben, ihn zu einem Treffen aufzufordern. In Anbetracht der Ermordung zweier Familienmitglieder wäre wohl kaum zu erwarten gewesen, dass der Kläger sich freiwillig dorthin begibt. Außerdem ist es völlig realitätsfern, wenn der Kläger behauptet, die Taliban hätten eine schriftliche Anweisung zur Festnahme bzw. Tötung an die Dorfältesten als Vermittler weitergegeben. Denn dies musste aus Sicht der Taliban die Weitergabe dieser Information an den Kläger nach sich ziehen. Es ist aber schlichtweg unrealistisch, dass die Taliban als „Auftragsentführer bzw. -mörder“ ihren schriftlichen Auftrag dem anvisierten Opfer vorab mitteilen sollten mit der einzig logischen Konsequenz, dass das Opfer die Flucht ergreift. Der logische Bruch erschließt sich umso mehr, wenn man mit in den Blick nimmt, dass die Taliban andererseits zwei Tage später versucht haben sollen, den Kläger in K. zu erschießen, und sich dazu sogar die Mühe gemacht haben sollen, ihm bis dorthin zu folgen.
52Die mangelnde Glaubhaftigkeit des Vortrags wird noch untermauert durch die bereits eingangs geschilderten Falschangaben zum Alter.
53Die Defizite im Vortrag sind auch nicht dadurch erklärlich, dass der Kläger beim Bundesamt schilderte, er habe psychische Probleme und vergesse deshalb vieles. Abgesehen davon, dass aus den vorgelegten Attesten keine Gedächtnisproblematik hervorgeht, wären mnestische Probleme ohnehin lediglich geeignet, Gedächtnislücken, also unvollständigen Vortrag zu rechtfertigen. Ein vollständiger aber in sich unschlüssiger Vortrag kann darauf nicht zurückgeführt werden.
54Dieser Einschätzung stehen zuletzt auch die vorgelegten Dokumente (Briefe und Wahlplakat) aus Afghanistan nicht entgegen. Denn es ist in Afghanistan unschwer möglich, sich gefälschte oder aber echte, nur inhaltlich falsche Bescheinigungen zu verschaffen.
55Vgl. Auswärtiges Amt, Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 31.05.2018, S. 29 und vom 19.10.2016, S. 25.
56Unabhängig davon ist das Wahlplakat, selbst wenn man es als echt einstuft, ohnehin nur geeignet, die politische Tätigkeit der darauf abgebildeten Person und nicht das Verfolgungsschicksal des Klägers zu belegen.
57Der Kläger hat die Defizite im Vortrag beim Bundesamt auch nicht in der mündlichen Verhandlung ausgeräumt. Er hat sich zwar darauf berufen, dass es ihm gesundheitsbedingt nicht möglich sei, Stellung zu nehmen. Es bestand jedoch keine Veranlassung, ihm eine erneute Vortragsmöglichkeit durch Vertagung der Verhandlung zu geben. Insoweit ist auf die obigen Ausführungen dazu zu verweisen, dass eine Verhandlungsunfähigkeit nicht hinreichend dargelegt wurde.
58II.
59Aus den unter I. genannten Gründen droht dem Kläger bei Rückkehr ins Heimatland auch keine politische Verfolgung i.S.d. Art. 16a GG.
60III.
61Weiterhin sind keine Gründe für die Zuerkennung subsidiären (internationalen) Schutzes nach § 4 AsylG gegeben.
62Danach ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, wobei nach S. 2 als solcher die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts (Nr. 3) gilt.
63Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 AsylG sind nicht erfüllt. Mit Blick auf die Ausführungen unter I. ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger in Afghanistan die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne der Rechtsprechung des EGMR drohen.
64Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG sind nicht erfüllt. Unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen - wie etwa einer berufsbedingten Nähe zu einer Gefahrenquelle oder einer bestimmten religiösen Zugehörigkeit - besteht danach ein Abschiebungsverbot bei besonderer Verdichtung einer allgemeinen Gefahrenlage, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein.
65Vgl. EuGH, Urteil vom 30.01.2014 - Rs. C-285/12 (Diakité) -, juris Rn. 30; BVerwG, Urteile vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn. 19 und vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, juris Rn. 32; OVG NRW, Beschluss vom 17.09.2018 - 13 A 2914/18.A -, juris Rn. 10 und Beschluss vom 13.03.2018 - 13 A 343/18.A -, juris Rn. 12.
66Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr, damit in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob er auf internen Schutz in einer anderen Region des Landes verwiesen werden kann.
67Vgl. BVerwG, Urteile vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 13 und 16 und vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn.16; OVG NRW, Urteil vom 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, juris Rn. 77 ff. und BayVGH, Urteil vom 27.03.2018 - 20 B 17.31663 -, juris Rn. 28.
68Zur Ermittlung der Gefahrendichte ist - in Anlehnung an die Vorgehensweise zur Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts - aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der maßgeblichen Provinz lebenden Zivilpersonen annäherungsweise zu ermitteln und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Beziehung zu setzten. Neben dieser quantitativen Ermittlung bedarf es außerdem einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials u. a. mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Eine hinreichende Gefahrendichte für die Annahme der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes ist vorbehaltlich einer wertenden Gesamtbetrachtung des gefundenen Ergebnisses jedenfalls dann noch nicht gegeben, wenn das Risiko, als Zivilperson in der innerstaatlichen Auseinandersetzung getötet oder schwer verletzt zu werden, in der zu betrachtenden Region bei 1:800 liegt.
69Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn. 22 f.; OVG Lüneburg, Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris Rn. 70 f.; VGH BW, Urteil vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/12 -, juris; VG München, Urteile vom 15.05.2017 - M 26 K 16.35366 -, juris Rn. 25 und vom 16.03.2017 - M 17 K 16.35014 -, juris Rn. 36.
70In der Heimatregion der Familie des Klägers, Kunar, ist nicht für eine Vielzahl von Zivilpersonen von einer allgemeinen Gefahr auszugehen, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr bzw. Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG darstellt.
71Eine mathematisch genaue quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos durch Gegenüberstellung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher konfliktbedingter Gewalt dürfte zwar generell schwierig sein. Gleichwohl kann jedenfalls eine annäherungsweise quantitative Ermittlung erfolgen, um die Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung zu erfassen.
72Nach Angaben der UNAMA hat es in der Provinz Kunar in der Zeit vom 01.01. bis 31.12.2017 insgesamt 224 zivile Opfer (70 Tote und 154 Verletzte) gegeben.
73Vgl. UNAMA, Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Februar 2018, S. 67.
74Bei einer Einwohnerzahl von nach niedrigsten Schätzungen ca. 450.652 Einwohnern,
75vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan - Security Situation, Dezember 2017, S. 174,
76folgt daraus ein Risiko, in der Provinz Kunar Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, bei 1 : 2.012.
77Dass die Opferzahlen - u.a. bei anderer Zählweise und unter Erweiterung der Opfergruppen - höher liegen können, wie teils eingewandt wird,
78vgl. Stahlmann, Gutachten vom 28. März 2018, S. 176 ff.,
79ändert diese Bewertung nicht, denn die von UNAMA mitgeteilten Daten sind methodisch nachvollziehbar ermittelt. Sie sind auch deswegen belastbar, da sie von einer von der internationalen Staatengemeinschaft getragenen Organisation stammen und somit einer verlässlichen, an internationalen Standards orientierten Quelle zuzuordnen sind. Es ist nicht erkennbar, dass die Methodik der UNAMA inhaltliche Defizite aufweisen würde. Dass die Methodik überholt wäre, die Informationen an offen erkennbaren inhaltlichen Defiziten litten, insbesondere an entscheidungserheblichen unzutreffenden Tatsachenannahmen, unlösbaren Widersprüchen, sich aus den Stellungnahmen ergebenden Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit oder eines speziellen, hier nicht vorhandenen Fachwissens bedürften, ist weder ersichtlich noch substantiiert gerügt. Dabei ist der Kammer bewusst, dass es sich anhand dieser Zahlen lediglich um eine annäherungsweise quantitative Risikoermittlung mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor handeln kann. Es liegen für Afghanistan jedoch mangels Einwohnermeldewesens auch für die Bevölkerungszahlen nur Schätzungen vor, so dass jede Datenerhebung schon deswegen an tatsächliche Grenzen stößt. Dass und weshalb andere Auskunftsquellen methodisch belastbarere Primärdaten hätten oder ermitteln könnten, ist nicht ersichtlich, so dass die Daten von UNAMA zu Grunde gelegt werden.
80Vgl. so auch VG Aachen, Urteil vom 16.02.2018 -7 K 4918/17.A -, juris Rn. 40; VG Augsburg, Urteil vom 15.01.2018 - Au 5 K 17.31921 -, juris Rn. 35.
81Vor diesem Hintergrund gibt auch die Reisewarnung des Außenministeriums Österreich seit dem 11.07.2018 keinen hinreichenden Anlass, von einer Gefahrenlage i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG auszugehen.
82Die Kammer hält es nicht für gerechtfertigt, die Anzahl der durch die UNAMA registrierten verletzten und getöteten Zivilpersonen aufgrund einer hohen Dunkelziffer zu verdreifachen.
83Vgl. zu diesem Ansatz OVG Lüneburg, Urteil vom 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 65; VG München, Urteil vom 11.07.2017 - M 26 K 17.30939 -, juris Rn. 29 und VG Lüneburg, Urteil vom 20.03.2017- 3 A 124/16 -, juris Rn. 42.
84Denn die Dunkelziffer der Anschläge, die zu vielen Opfern geführt haben, dürfte gering sein, weil die UNAMA nur drei Quellen verlangt, um einen Vorfall zu zählen und damit jedenfalls bei Vorfällen mit vielen Opfern eine „Nichtmeldung“ unwahrscheinlich ist.
85Vgl. VG Berlin, Urteil vom 14.06.2017 - 16 K 219.17 A -, juris Rn. 44 unter Verweis auf UNAMA, Report 2016, Februar 2017, S. 8.
86Überdies ist im Rahmen der gebotenen wertenden Betrachtungsweise zu berücksichtigen, dass die Gesamtzahl der zivilen Opfer zu einem nicht unerheblichen Teil Personen mit erhöhten Gefährdungspotentialen betroffen haben dürfte. Infolgedessen kann nicht angenommen werden, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in der Provinz Kunar einer ernsthaften Tötungs- oder Verletzungsgefahr ausgesetzt wäre. Umstände, die ein maßgeblich erhöhtes Gefährdungspotential begründen würden, bestehen für den Kläger nach den obigen Ausführungen nicht. Insbesondere ergeben sich solche auch nicht aus seiner Situation als Rückkehrer. Vielmehr sind nach den Angaben des Auswärtigen Amtes -
87vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 31.05.2018, S. 28 und vom 19.10.2016, S. 24 -
88seit 2002 rund 5,8 Millionen afghanischer Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt, sodass eine Großzahl der afghanischen Bevölkerung einen Flüchtlingshintergrund hat.
89IV.
90Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.
911.
92Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Unter dem Begriff der unmenschlichen Behandlung ist die vorsätzliche und beständige Verursachung körperlicher Verletzungen oder physischen oder psychischen Leids zu verstehen, während bei einer erniedrigenden Behandlung nicht die Zufügung von Schmerzen, sondern die Demütigung im Vordergrund steht. Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können eine Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen.
93Vgl. VGH BW, Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 164 und Urteil vom 17.01.2018 - A 11 S 241/17 -, juris Rn. 253 m.w.N.
94Im Fall des Klägers kann danach ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht festgestellt werden. Die Lebensverhältnisse in Afghanistan sind zwar in vielfacher Hinsicht prekär. Allerdings kann nicht für sämtliche Rückkehrer aus dem westlichen Ausland, denen es in Kabul oder in Afghanistan insgesamt an (familiären oder sonstigen) Beziehungen oder an Unterstützungsnetzwerken fehlt, angenommen werden, die schlechten Bedingungen im Land könnten generell und bei allen diesen Rückkehrern ganz außerordentliche individuelle Umstände darstellen und die hohen Anforderungen zur Bejahung des Art. 3 EMRK erfüllen. Zwar ist Afghanistan und insbesondere Kabul gerade auch in jüngster Zeit mit der Rückkehr einer Vielzahl von Menschen aus dem benachbarten und westlichen Ausland konfrontiert. Dabei stellt sich deren Lage, obwohl die Situation für Rückkehrer schwierig ist, nicht für alle gleichermaßen problematisch dar. Berichte dahin, dass Rückkehrer generell oder aber jedenfalls in sehr großer Zahl und unabhängig von ihrer persönlichen Disposition ihr Existenzminimum nicht sichern könnten, gibt es nicht. Vielmehr sind bestimmte, vulnerable Gruppen wie etwa Familien mit jüngeren Kindern, alleinstehende Frauen, Kranke oder ältere Menschen in besonderem Maße gefährdet, ohne dass aber insgesamt festzustellen wäre, dass die Existenzsicherung oder gar das Überleben für sämtliche Rückkehrer nicht gewährleistet wäre.
95Vgl. hierzu ausführlich aktuell VGH BW, Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 164 ff. m.w.N. und VGH BW, Urteil vom 17.01.2018 - A 11 S 241/17 -, juris Rn. 473 ff. m.w.N.
96Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass ein arbeitsfähiger junger Mann regelmäßig auch ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Fall einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen zu erzielen.
97Vgl. VGH BW, Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris 392 ff. mit umfangreichen Nachweisen; OVG NRW, Beschluss vom 17.09.2018 - 13 A 2914/18.A -, juris Rn. 20 ff. und Beschluss vom 13.03.2018 - 13 A 343/18.A -, juris Rn. 19; OVG Nds., Beschluss vom 04.01.2018 - 9 LA 160/17 -, juris Rn. 28 m.w.N.; VGH BW, Urteil vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 08.11.2017 - 13a ZB 17.30615 -, juris Rn. 7; VG München, Beschluss vom 11.09.2018 - M 24 E 18.33442 -, juris Rn. 36.
98An der grundsätzlich bestehenden Existenzmöglichkeit für alleinstehende, leistungsfähige Männer - in Abhängigkeit des jeweils bestehenden Einzelfalls - hält auch der UNHCR weiterhin fest.
99Vgl. UNHCR Eligilbility Guidelines for assessing the international protection needs of asylum-seekers from Afghanistan vom 30.08.2018, S. 110.
100Im Lichte dieser Ausführungen erscheint es dem Kläger als erwachsenem, arbeits- und anpassungsfähigem Mann möglich, sein Leben in Afghanistan zu meistern. Er hat die Schule bis zur achten Klasse besucht, ist jung und arbeitsfähig. Außerdem kann er - wie auch in der Vergangenheit - mit umfangreicher familiärer Unterstützung rechnen. Nach seinen eigenen Angaben ist seine Familie gut situiert. Dass Vater und Onkel zu Tode gekommen sind und die Familie den Heimatort verlassen haben soll, glaubt die Kammer ihm nicht.
101Die Kammer kann auch keine krankheitsbedingte Einschränkung seiner Arbeitsfähigkeit feststellen.
102Im Falle einer behaupteten PTBS ist angesichts der Unschärfe des Krankheitsbildes sowie der vielfältigen Symptome regelmäßig ein gewissen Mindestanforderungen genügendes fachärztliches Attest vorzulegen, aus dem sich nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher Grundlage der Arzt zu seiner Diagnose gelangt ist und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben.
103Vgl. grundlegend dazu BVerwG, Beschluss vom 26.07.2012 - 10 B 21/12 -, juris Rn. 7 und Urteile vom 11.09.2007 - 10 C 8.07 - und - 10 C 17.07 -, juris.
104Diese in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze zur Substantiierung ärztlicher Stellungnahmen, die das Vorliegen einer PTBS zum Gegenstand haben, sind bei anderen psychischen Erkrankungen grundsätzlich entsprechend anzuwenden, wenn die Unschärfen des jeweiligen Krankheitsbildes und seine vielfältigen Symptome es in vergleichbarer Weise wie bei der PTBS rechtfertigen, gewisse Mindestanforderungen an die vorzulegenden Atteste zu stellen,
105vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Oktober 2017 - 13 a 1807/17.A -, juris Rn. 25; Beschluss vom 21.03.2017 - 19 A 2461/14.A -, juris Rn. 15 ff. und Beschluss vom 08.03.2016 - 19 A 1670/13 -, juris Rn. 36.
106Die vorgelegten Atteste vom 07.12.2015, 11.01.2016, 30.11.2016 und 02.12.2016 sind allesamt schon mit Blick auf das Ausstellungsdatum ungeeignet, um einen Rückschluss auf den aktuellen Gesundheitszustand des Klägers zuzulassen.
107Auch unabhängig davon ergeben die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen keine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Die ärztliche Bescheinigung vom 07.12.2015 mit den Diagnosen ängstliche und depressive Reaktionsstörung, Erschöpfung und Schlafstörungen genügt ersichtlich schon nicht den oben genannten Anforderungen. Außerdem ergibt sich daraus keine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit. Es ist lediglich vermerkt, der Kläger brauche dringend eine psychiatrische Behandlung, es sei eine medikamentöse Behandlung eingeleitet worden und er habe eine Überweisung für eine psychiatrische Weiterbehandlung bekommen.
108Das fachpsychiatrische Attest der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie E. vom 11.01.2016 betrifft eine PTBS in Zusammenhang mit Erlebnissen in Bulgarien und warnt vor einer bei erneuter Abschiebung dorthin drohenden Retraumatisierung. Mit der Situation des Klägers im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan setzt sich das Attest nicht auseinander.
109Die Bescheinigung des Q. Aachen vom 30.11.2016 beinhaltet lediglich, dass sich der Kläger seit dem 04.08.2016 in psychologischer Behandlung befindet und eine einmal wöchentliche Psychotherapie vorgesehen ist.
110Das ärztliche Attest der Praxis M. vom 02.12.2016 weist nur die Diagnosen Angstträume, Angststörung, Depressive Störung und Schlafstörung aus. Aus medizinischer Sicht sei eine psychotherapeutische Behandlung dringend erforderlich. Weder genügt das Attest den oben genannten Anforderungen, noch ergibt sich daraus eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit.
111Zuletzt fehlt es im Attest vom 30.11.2018 an jeglichen Angaben zur vorliegenden Erkrankung.
1122.
113Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
114Ein Abschiebungsverbot ergibt sich zunächst nicht aus dem Gesundheitszustand des Klägers. Es liegt keine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG vor. Eine solche ist nur gegeben bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG).
115Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Konkret ist die Gefahrenlage, wenn die befürchtete Verschlimmerung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in den Abschiebezielstaat einträte. Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 S.1 AufenthG dient hingegen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern.
116Vgl. VG München, Beschluss vom 09.09.2016 - M 10 S 16.30802 -, juris Rn. 8; VG Düsseldorf, Beschluss vom 16.08.2016 - 17 L 2574/16.A -, juris Rn. 48 ff. und VG Arnsberg, Beschluss vom 23.02.2016 - 5 L 242/16.A -, juris Rn. 31 und 64 m.w.N.
117Gemessen an diesen Grundsätzen liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine i.S.d. § 60 Abs. 7 AufenthG relevante Erkrankung vor. Wie bereits dargelegt, ergibt sich nicht einmal eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Erst recht ist keine Erkrankung des oben beschriebenen Schweregrades ersichtlich.
118Der Kläger kann sich auch nicht auf die allgemeine Lage in Afghanistan berufen. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfasst grundsätzlich nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen, da bei allgemeinen Gefahren gemäß § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG i.V.m. § 60a AufenthG über die Gewährung von Abschiebungsschutz im Wege politischer Leitentscheidungen entschieden werden soll (Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG). Grundsätzlich sind das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte an diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung gebunden. Sie dürfen Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG nicht besteht, nur dann im Einzelfall ausnahmsweise Schutz vor einer Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zusprechen, wenn eine Abschiebung Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG verletzen würde. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Ausländer im Zielstaat der Abschiebung einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, die landesweit besteht oder der der Ausländer nicht ausweichen kann.
119Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 12.07.2011 - 1 C 2.01 -, juris.
120Wann danach allgemeine Gefahren aus verfassungsrechtlichen Gründen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sei, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maß auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist dann erreicht, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren.
121Vgl. zu diesen Kriterien BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 38 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, Beschluss vom 15.01.2018 - 13 a 3297/17.A - juris Rn. 20 und VG Augsburg, Urteil vom 18.06.2018 - Au 5 K 17.31949 -, juris Rn. 56.
122Eine allgemeine Gefahrenlage in diesem Sinne besteht aus Sicht der Kammer für den Kläger nicht. Die hohen Anforderungen, aus denen wegen einer extremen Gefahrenlage ausnahmsweise ein solches Abschiebungsverbot hergeleitet werden könnte, liegen nicht vor. Wie bereits dargelegt ergeben sie sich insbesondere nicht aus den - fraglos schlechten - Lebensverhältnissen in Afghanistan.
123Die Ausreiseaufforderung mit der Abschiebungsandrohung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie beruht auf den §§ 34 Abs. 1 und 38 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG.
124Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 83 b AsylG.
125Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2 und 711 ZPO.
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