Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 1 K 1829/17
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d :
2Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung seiner Versorgungsbezüge.
3Der 1962 geborene Kläger stand zuletzt als Stabsfeldwebel im Dienst der Beklagten und wurde mit Ablauf des 31. Juli 2014 vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Die Ehe des Klägers wurde im Jahr 2003 geschieden, mit rechtskräftiger Entscheidung vom 9. Januar 2004 begründete das Familiengericht Delmenhorst zu Lasten der klägerischen Versorgungsanwartschaft und zu Gunsten der geschiedenen Ehefrau Rentenanwartschaften in Höhe von 403,46 Euro, bezogen auf den 30. September 2002.
4Im Hinblick auf den anstehenden Ruhestand übersandte die Bundesfinanzdirektion West dem Kläger unter dem 6. Mai 2014 u.a. ein Merkblatt über den Versorgungsausgleich. Mit Bescheid vom 19. September 2014 wurden die Versorgungsbezüge ab dem 1. August 2014 um monatlich 500,97 Euro gemäß § 55c Soldatenversorgungsgesetz (SVG) gekürzt. Mit Schreiben vom 30. November 2016 beantragte der Kläger eine Neuberechnung seiner Versorgungsbezüge und gab an, nach dem Gesetz zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr (BwAttraktStG) vom Mai 2015 sei § 55c SVG geändert worden; für bestimmte Soldatengruppen werde die Kürzung der Versorgungsbezüge bis zum Erreichen der Altersgrenze für Polizeibeamte ausgesetzt. Aus Gleichbehandlungsgründen müsse die Aussetzung auch für ihn gelten.
5Die Generalzolldirektion lehnte den Antrag auf Aussetzung des Versorgungsausgleichs mit Bescheid vom 20. Dezember 2016 ab. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2017 zurückgewiesen. Die Neuregelung des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG betreffe Soldaten, die wegen Überschreitens der für sie geltenden besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt worden seien; nur bei diesen sei die Aussetzung der Kürzung vorgesehen. Der Kläger sei nach § 2 Streitkräftepersonalstruktur-Anpassungsgesetz (SKPersStruktAnpG) ohne Überschreitung seiner besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt worden und unterfalle deshalb nicht dieser Ausnahmeregelung. Da er freiwillig in den Ruhestand getreten sei, liege auch kein Fall einer rechtswidrigen Ungleichbehandlung vor.
6Der Kläger hat am 6. April 2017 Klage erhoben und ausgeführt, die maßgeblichen Regelungen verstießen gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zudem sei bei ihm die besondere Altersgrenze durch das SKPersStruktAnpG auf das 50. Lebensjahr herabgesetzt worden, so dass er sich auf § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG berufen könne. Die Vorschrift müsse zumindest analog zur Anwendung kommen für Sachverhalte, bei denen der Soldat nach § 2 SKPersStruktAnpG in den Ruhestand versetzt worden sei.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Generalzolldirektion, Service-Center Düsseldorf, vom 20. Dezember 2016 und deren Widerspruchsbescheides vom 15. März 2017 zu verpflichten, ihm seit dem 1. Juni 2015 einbehaltene Kürzungsbeträge zu erstatten und ihm Versorgungsbezüge zukünftig ohne Kürzung bis zum Erreichen der in § 5 Bundespolizeibeamtengesetz bestimmten Altersgrenze zu gewähren
9hilfsweise,
10festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Versorgungsbezüge ohne Kürzung nach § 55c SVG bis zum Erreichen der in § 5 Bundespolizeibeamtengesetz bestimmten Altersgrenze zu gewähren,
11sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie bezieht sich umfänglich auf die angefochtenen Bescheide und ergänzt, der Kläger sei nach dem SKPersStruktAnpG in den Ruhestand versetzt worden und falle nicht unter die Neuregelung von § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach‑ und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
17Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten durch den Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung, vgl. §§ 87a Abs. 2, 101 Abs. 2 VwGO.
18Die zulässige Klage ist mit dem Haupt- und Hilfsantrag unbegründet.
19Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung ungekürzter Versorgungsbezüge und eine Erstattung bereits einbehaltener Beträge bzw. eine entsprechende diesbezügliche Feststellung. Der Bescheid vom 20. Dezember 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 15. März 2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO.
20Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil es der Begründung der Bescheide folgt, vgl. § 117 Abs. 5 VwGO. In diesen ist das Begehren des Klägers umfassend gewürdigt und in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dargelegt worden, dass die Kürzung seiner Versorgungsbezüge gesetzeskonform erfolgt ist und keine Anhaltspunkte für eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den Soldaten vorlägen, die nach dem BwAttraktStG wegen Überschreitens der besonderen Altersgrenze in den Ruhestand getreten sind. Auch für eine analoge Anwendung der Vorschriften ist kein Raum.
21Die Kammer hat bereits mit den Beteiligten bekanntem Urteil vom 13. Oktober 2016 (1 K 1935/15) in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass kein Anspruch auf ungekürzte Versorgungsbezüge besteht. In dem Verfahren wird ausgeführt:
22"Ergänzend bleibt festzuhalten, dass gegen die Anwendung der Kürzungsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Die für Beamte geltende, mit der Norm des § 55c SVG vergleichbare Vorschrift des § 57 BeamtVG ist sowohl unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums als auch hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit den Grundrechten (u.a. Art 6 Abs. 1 GG) sowie hinsichtlich des Gleichbehandlungsgrundsatzes mehrfach verfassungsgerichtlich überprüft worden. Danach ist der Eingriff in die versorgungsrechtliche Position des Ausgleichsverpflichteten, der in dem sofortigen und endgültigen Vollzug des Versorgungsausgleichs bei Eintritt des ausgleichspflichtigen Beamten in den Ruhestand liegt, durch Art 6 Abs. 1 GG und Art 3 Abs. 2 GG legitimiert und insgesamt verfassungsrechtlich unbedenklich.
23Vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 u. a. -, BVerfGE 53, 257, und Beschluss vom 9. November 1995 - 2 BvR 1762/92 -, DÖV 1996, 247; BVerwG, Urteil vom 19. November 2015 - 2 C 48/13 -, NVwZ-RR 2016, 467.
24Das Bundesverfassungsgericht hat dabei unter ausdrücklicher Billigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgeführt, dass der sachliche Grund für die durchzuführende Kürzung des Ruhegehalts nach Eintritt des Beamten in den Ruhestand darin bestehe, dass der Dienstherr durch die Ehescheidung des Beamten bezüglich der gesamten Versorgungsaufwendungen nicht höher belastet werden solle, als wenn der Beamte sich nicht hätte scheiden lassen, wozu es jedoch ohne die Kürzung kommen könne, da die Aufwendungen, die dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung als Folge der Begründung einer Rentenanwartschaft entstehen, von dem zuständigen Träger der Versorgungslast zu erstatten seien. Zum Ausgleich dieser Belastung diene im Innenverhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten die nach beamtenrechtlichen Grundsätzen vorzunehmende Kürzung der Versorgungsbezüge nach Maßgabe des § 57 BeamtVG (hier § 55c SVG).
25§ 55c SVG regelt die Kürzung der Versorgungsbezüge allein nach objektiven Voraussetzungen. Auf subjektive Umstände wie Kenntnis oder Verschulden kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Kürzung der Versorgungsbezüge ist zwingend durchzuführen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen.
26Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung ist auch nicht darin zu sehen, dass für Soldaten, die aufgrund Überschreitung der besonderen Altersgrenze in den Ruhestand treten, eine durch Art. 10 Nr. 8 BwAttraktStG eingeführte Sonderregelung gilt und die Kürzung bis zum Ende des Monats, in dem sie die Altersgrenze für Polizeivollzugsbeamte auf Lebenszeit erreichen, ausgesetzt wird. Bei dieser Rechtsänderung handelt es sich um eine zulässige Regelung, auf die sich der Kläger nicht berufen kann. Dem steht Art. 3 Abs. 1 GG nicht entgegen, weil der Kläger zur Gruppe der Berufssoldaten gehört, die freiwillig auf eigenen Antrag in den Ruhestand versetzt worden sind, während § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG die Gruppe der Soldaten betrifft, die einseitig durch Entscheidung des Dienstherrn wegen Überschreitens der besonderen Altersgrenze (vgl. §§ 44, 45 des Soldatengesetzes) in den Ruhestand versetzt worden sind. Dass der Kläger freiwillig in den Ruhestand getreten ist, folgt bereits aus § 2 Abs. 1 SKPersStruktAnpG. Die Vorschrift verlangt die Zustimmung des betreffenden Soldaten mit seiner Versetzung in den Ruhestand."
27Hieran wird nach nochmaliger Überprüfung und unter Berücksichtigung der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung
28- vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2018 - 1 A 2517/16 -, juris, und Bayerischer VGH, Beschluss vom 10. Dezember 2018 - 14 ZB 18.208 -, juris -
29festgehalten.
30Mangels positiver Kostengrundentscheidung bedarf es keines Ausspruchs über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren.
31Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
32Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.
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