Beschluss vom Verwaltungsgericht Aachen - 10 L 592/21
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2A. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung, mit der die Antragstellerin die vorläufige Zulassung zum Studium der Zahnmedizin im 1. Fachsemester nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2021/2022 bei der Antragsgegnerin anstrebt, ist unbegründet.
3Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl das streitige Rechtsverhältnis und der sich aus diesem ergebende und einer (vorläufigen) Regelung bedürfende Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Zulassung zum begehrten Studiengang nicht glaubhaft gemacht.
4I. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf eine außerkapazitäre Zulassung glaubhaft gemacht.
5Die Zahl der Studienplätze hat das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein‑Westfalen (MKW) durch Verordnung über die Festsetzung von Zulassungszahlen und die Vergabe von Studienplätzen im ersten Fachsemester für das Wintersemester 2021/2022 vom 23. Juni 2021 (GV. NRW. S. 850) i. d. F. der Änderungsverordnung vom 19. November 2021 (GV. NRW. S. 1222) auf 64 festgesetzt. Nach Mitteilung der Antragsgegnerin sind für das 1. Fachsemester 66 Studierende eingeschrieben (Stand: 5. Januar 2021). Eine darüber hinausgehende Kapazität besteht nicht.
6Die Ermittlung der jährlichen Ausbildungskapazität für Studiengänge, deren Plätze - wie hier im Studiengang Zahnmedizin - in einem zentralen Vergabeverfahren vergeben werden, erfolgt gemäß § 12 der Verordnung zur Ermittlung der Aufnahmekapazität an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen für Studiengänge außerhalb des zentralen Vergabeverfahrens (Kapazitätsverordnung NRW 2017 - KapVO NRW 2017 -) vom 8. Mai 2017 (GV. NRW. S. 591 - zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. August 2021 - GV. NRW. S. 1036 -) weiterhin nach der Verordnung über die Kapazitätsermittlung, die Curricularnormwerte und die Festsetzung von Zulassungszahlen (Kapazitätsverordnung ‑ KapVO ‑) vom 25. August 1994 (GV. NRW. S. 732), zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. August 2021 (GV. NRW. S. 1036). Sie ergibt sich aus einer Gegenüberstellung von Lehrangebot und Lehrnachfrage, ausgedrückt jeweils in Deputatstunden (DS). Das Berechnungsergebnis ist nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts der KapVO zu überprüfen, gemäß § 19 Abs. 1 KapVO für den Studiengang Zahnmedizin u. a. anhand der klinischen Behandlungseinheiten der Lehreinheit Zahnmedizin.
71. Lehrangebot
8Das Angebot einer Lehreinheit an Deputatstunden ergibt aus dem Lehrdeputat der verfügbaren Stellen (§§ 8, 9 KapVO) einschließlich des Lehrdeputats der an die Hochschule abgeordneten Personen und dem durch Lehraufträge zusätzlich zur Verfügung stehenden Deputat (§ 10 KapVO), abzüglich der Verminderungen des Lehrdeputats nach § 9 Abs. 2 und 3 KapVO und der Dienstleistungen, die die Lehreinheit für die ihr nicht zugeordneten Studiengänge zu erbringen hat (§ 11 KapVO) - vgl. insoweit auch Ziffer I. 1. der Anlage 1 zur KapVO -.
9a. Unbereinigtes Lehrangebot
10Die Berechnung des unbereinigten Lehrangebots erfolgt gemäß § 9 Abs. 1 und 2 KapVO anhand der für die verschiedenen Stellengruppen jeweils geltenden Regellehrverpflichtungen, wie sie sich aus der Verordnung über die Lehrverpflichtung an Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften (Lehrverpflichtungsverordnung - LVV) vom 24. Juni 2009 (GV. NRW. S. 409), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17. November 2021 (GV. NRW. S. 1222) ergeben.
11aa. Danach ist die Antragsgegnerin zum maßgeblichen Stichtag 15. September 2021 von 62 Personalstellen der Lehreinheit Zahnmedizin ausgegangen, die sie der vom MKW übernommenen Kapazitätsberechnung (vgl. § 4 KapVO NRW) zugrunde gelegt hat. Die Personalstellen verteilen sich nach dem vorgelegten Stellenplan des Wissenschaftlichen Personals auf 4 Universitätsprofessoren (W3) und 3 Universitätsprofessoren (W2) mit jeweils 9 DS, 1 Juniorprofessor (W1) in der ersten Anstellungsphase mit 4 DS, 46 Wissenschaftliche Angestellte mit befristeten Arbeitsverträgen mit jeweils 4 DS und 8 Wissenschaftliche Angestellte mit unbefristeten Arbeitsverträgen mit jeweils 8 DS. Dabei entsprechen die angesetzten Lehrverpflichtungen der Lehrverpflichtungsverordnung sowohl in der bis zum 30. November 2021 - und damit zum Stichtag - geltenden Fassung (LVV a.F.) als auch der durch die Verordnung vom 17. November 2021 (GV.NRW. S. 1222) ab 1. Dezember 2021 geltenden Fassung (LVV n.F.). Anhaltspunkte dafür, dass weitere gemäß § 8 KapVO einzubeziehende Personalstellen in der Lehreinheit Zahnmedizin vorhanden sein könnten, sind angesichts der von der Antragsgegnerin vorgelegten aktuellen Stellenbesetzungsübersicht nicht ersichtlich. Aus den vorhandenen Stellen und dem jeweiligen Deputatstundenansatz hat das MKW ein Brutto-Lehrangebot in Höhe von 315 DS ermittelt und ein durchschnittliches Lehrdeputat von (315 : 62 =) 5,08 DS.
12Die im Vergleich zum vorherigen Studienjahr 2020/2021 (Stichtag: 15. September 2020) vorgenommenen Stellenänderungen - hier: der Wegfall der Stellen der Akademischen Räte und eines zusätzlichen Lehrangebots aufgrund dienstrechtlicher Lehrverpflichtung sowie Einrichtung einer neuen Stelle Universitätsprofessor (W2), die Erhöhung der Stellen der Wissenschaftlichen Angestellten mit befristeten Arbeitsverträgen von 20 auf 46 und derjenigen mit unbefristeten Arbeitsverträgen von 5 auf 8 - haben nicht zu einer Verminderung des für das vorherige Studienjahr 2020/2021 zugrunde gelegten Brutto-Lehrangebots von insgesamt 251 DS geführt. Dazu hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass die Veränderungen zum einen vorgenommen worden seien, um die Stellenkategorien und die tatsächliche Besetzbarkeit der Stellen in Einklang zu bringen. Die bisherigen Stellen der Akademischen Räte seien durch Stellen für Wissenschaftliche Angestellte mit befristeten bzw. unbefristeten Arbeitsverträgen ersetzt worden. Zum anderen entstehe auf Grund der neuen Approbationsordnung für Zahnärzte/Zahnärztinnen (ZApprO) ein zusätzlicher Lehrbedarf für die Ausbildung der Studierenden. Der Curricularnormwert (CNW) habe sich dadurch von 7,80 auf 8,86 erhöht und es seien 16 neue Stellen für Wissenschaftliche Angestellte eingerichtet worden, um die bisherigen Kapazitäten aufrechtzuerhalten.
13Den vorgelegten Unterlagen der Antragsgegnerin lässt sich nachvollziehbar entnehmen, dass für die zuvor vorgesehene Stelle 1 „Akademischer Rat ohne ständige Lehraufgaben A 15-13“ mit 5 DS, die 5 Stellen „Akademischer Oberrat auf Zeit A 14“ mit je 7 DS, die 8 Stellen „Akademischer Rat auf Zeit A 13“ mit je 4 DS sowie das "Zusätzliche Lehrangebot" mit 1 DS (5 + 35 + 32 + 1 DS = 73 DS) 1 Stelle "Universitätsprofessor W2" mit 9 DS, 10 weitere Stellen „Wissenschaftliche Angestellte TV-L (befristet)“ mit je 4 DS und 3 weitere Stellen „Wissenschaftliche Angestellte TV-L (unbefristet)“ mit je 8 DS (9 + 40 + 24 DS = 73 DS) eingerichtet wurden. Darüber hinaus wurden weitere 16 Stellen „Wissenschaftliche Angestellte TV-L (befristet)“ mit je 4 DS (insgesamt 64 DS) wegen der Änderung der ZApprO eingerichtet. Zieht man diese 64 DS von den oben ermittelten 315 DS ab, so ergibt sich wiederum das Brutto-Lehrangebot des vorherigen Studienjahrs von 251 DS.
14Soweit die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die obergerichtliche Rechtsprechung,
15vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. Mai 2021 - 13 C 5/21 -, juris Rn. 5 ff. und vom 30. September 2021 - 13 B 1017/21, u.a. -, juris Rn.5 ff.,
16geltend macht, dass der Wegfall der Stelle „Akademischer Rat ohne ständige Lehraufgaben A 15 - 13“ nicht kapazitätsneutral erfolgt sei, da es sich zwar nach der früheren Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin um eine Stelle i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 11 LVV, tatsächlich aber um eine Stelle i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 10 LVV gehandelt und die Antragsgegnerin diese Stelle zu Unrecht mit 5 DS statt mit 9 DS in das Lehrangebot eingestellt habe, führt dies nicht zum Erfolg. Dem Einwand, eine Stelle sei im Stellenplan des vorherigen Studienjahrs nicht mit der korrekten Deputatstundenzahl geführt worden bzw. die Deputatstundenzahl für das vorherige Studienjahr sei insgesamt nicht richtig ermittelt worden, steht bereits entgegen, dass für das derzeitige Studienjahr im Rahmen der Überprüfung der Deputatstundenzahl der aktuelle bzw. der zum allein maßgeblichen Stichtag bestehende Stellenplan zu berücksichtigen ist. Denn der Deputatstundenansatz für das vorherige Studienjahr war unbeanstandet geblieben und die fragliche Stelle zum aktuellen Stichtag (15. September 2021) gänzlich weggefallen, ohne dass seitens der Antragsgegnerin eine Reduzierung der Deputatstunden vorgenommen worden ist. Im Übrigen liegen die vorgenommenen Änderungen im Stellenplan für das aktuelle Studienjahr im Organisationsermessen der Antragsgegnerin und lassen sachwidrige Änderungen zu Lasten der Studienbewerber nicht erkennen.
17Vgl. etwa zur Deputatreduzierung: OVG NRW, Beschluss vom 13. Oktober 2018 - 13 C 50/18 -, juris Rn. 4 f. und zur Stellenumwandlung bzw. -verlagerung: Beschluss vom 22. September 2009 - 398/09 -, juris Rn. 3 f.
18Ungeachtet dessen führte selbst die Berücksichtigung der geltend gemachten fehlenden 4 DS nicht zu einem für die Antragstellerin günstigeren Ergebnis. Denn ausgehend von einem dann anzunehmenden Brutto-Lehrangebot von 319 DS und einem durchschnittlichem Lehrdeputat von 5,15 DS würde die weitere Berechnung - vgl. dazu im Folgenden - letztlich (auch nach der Berechnung der Antragstellerin) zu einer Kapazität mit einer jährlichen Zulassungszahl von 65 führen, die ebenfalls durch die erfolgten 66 Einschreibungen erschöpft wäre.
19Im Übrigen sind Fehler bei der von Amts wegen vorzunehmenden Überprüfung nicht festzustellen. Ob hinsichtlich der befristet beschäftigten wissenschaftlichen Angestellten die rechtlichen Vorgaben des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz - WissZeitVG -) eingehalten und die Befristungsabreden wirksam sind, ist im Kapazitätsrechtsstreit regelmäßig nicht zu prüfen.
20Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Februar 2016 - 13 C 21/15 -, juris, Rn. 9, vom 11. Juli 2016 - 13 C 30/16-, juris, Rn. 10 ff., und vom 17. März 2017 - 13 C 20/16 -, juris, Rn. 3 ff.
21Auch verpflichten weder das (abstrakte) Stellenprinzip noch das Kapazitätserschöpfungsgebot die Hochschule zu dem Nachweis, dass sich ein bestimmter Stelleninhaber im Einzelfall tatsächlich (noch) in der Weiterbildung befindet und deshalb die Befristung des Arbeitsvertrages gerechtfertigt ist. Mit Blick auf das Stellenprinzip kommt den Befristungen von Arbeitsverträgen nach dem WissZeitVG allein arbeitsrechtliche, nicht aber kapazitätsrechtliche Bedeutung zu.
22Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Februar 2016 - 13 C 21/15 -, juris, Rn. 3, vom 11. Juli 2016 - 13 C 30/16 -, juris, Rn. 7, und vom 17. März 2017 - 13 C 20/16 -, juris, Rn. 6.
23bb. Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 KapVO wird die Wahrnehmung der Aufgaben in der unmittelbaren Krankenversorgung und für diagnostische Untersuchungen durch das in die Lehrdeputatberechnung eingehende Personal durch eine Verminderung der Lehrverpflichtung nach Maßgabe des Dienstrechts berücksichtigt. Solange das Dienstrecht eine solche Regelung ländereinheitlich nicht vorsieht, wird der Personalbedarf für die Krankenversorgung in der Lehreinheit Zahnmedizin nach Maßgabe der Regelungen in Nr. 2 berücksichtigt (Satz 2). Der Personalbedarf für die stationäre Krankenversorgung wird durch Abzug einer Stelle je 7,2 tagesbelegte Betten berücksichtigt (Nr. 2b), der Personalbedarf für die ambulante Krankenversorgung durch einen pauschalen Abzug i.H.v. 30 von Hundert der um den Personalbedarf für die stationäre Krankenversorgung nach Buchstabe b verminderten Gesamtstellenzahl (Nr. 2c). Die Abzüge für die stationäre Krankenversorgung sind in § 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 b) und c) KapVO bindend geregelt. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung ist insbesondere der pauschale Krankenversorgungsabzug von 30 % nicht zu beanstanden.
24Vgl. etwa: OVG NRW, Beschluss vom 4. März 2015 - 13 C 1/15 -, juris Rn. 7.
25Aus den seitens der Antragsgegnerin dem MKW mitgeteilten Zahlen zur Berechnung des Krankenversorgungsabzugs nach § 9 Abs. 3 KapVO hat diese 0,23 Stellen für den stationären und 18,53 Stellen für den ambulanten Krankenversorgungsabzug ermittelt. Dies ist nicht zu beanstanden.
26(1) Hinsichtlich des Krankenversorgungsabzugs nach § 9 Abs. 3 Nr. 2b) KapVO sind 592 Pflegetage (einschließlich Privatpatienten von Chefärzten, die über Verträge nach „neuem Chefarztrecht“ verfügen - sog. „Neuvertragler“ -) gemeldet, die - dividiert durch 365 Tage - 1,62 tagesbelegte Betten und bei weiterer Division durch 7,2 einen Personalbedarf von gerundet 0,23 Stellen ergeben.
27(2) Auch der Wert des Abzugs für die ambulante Krankenversorgung (18,53 Stellen) entspricht der Regelung des § 9 Abs. 3 Nr. 2 c) KapVO. Vorliegend sind von den 62 Stellen zunächst 0,23 Stellen (Personalbedarf für die stationäre Krankenversorgung) abzuziehen. Von diesem Ergebnis (61,77) entfallen pauschal 30 % (gerundet 18,53) auf die ambulante Krankenversorgung. Somit verbleiben für die Lehre im Ergebnis 43,24 Reststellen.
28Multipliziert man diese Reststellen mit dem oben festgestellten durchschnittlichen Lehrdeputat in Höhe von 5,08 DS beträgt das Lehrangebot zunächst (gerundet) 219,66 DS. Soweit bei Berücksichtigung eines (erhöhten) Brutto-Lehrangebots von 319 DS nach den obigen Ausführungen ein durchschnittliches Lehrdeputat von 5,15 DS zu Grunde gelegt würde, ergäbe sich ein Lehrangebot von 222,69 DS.
29b. Bereinigtes Lehrangebot
30aa. Lehrauftragsstunden
31Gemäß § 10 Satz 1 KapVO sind als Lehrauftragsstunden die Lehrveranstaltungsstunden in die Berechnung einzubeziehen, die der Lehreinheit für den Ausbildungsaufwand nach § 13 Abs. 1 KapVO in den dem Berechnungsstichtag vorausgehenden zwei Semestern im Durchschnitt je Semester zur Verfügung gestanden haben und nicht auf einer Regellehrverpflichtung beruhen. Nach der nicht zu beanstandenden vorgelegten Berechnung sind Lehrauftragsstunden von 0,53 : 2 = 0,27 je Semester hinzuzuziehen. Dies ergibt ein Lehrangebot je Semester von 219,93 DS bzw. für die Vergleichsberechnung von 222,96 DS je Semester.
32bb. Dienstleistungsexport
33Bei dem so genannten Dienstleistungsexport nach § 11 KapVO handelt es sich um Lehrleistungen der Lehreinheit Zahnmedizin an nicht zugeordnete Studiengänge, hier den Klinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin, die kapazitätsmindernd abzuziehen sind. Die Antragsgegnerin hat insoweit das Lehrangebot um 1,16 DS vermindert. Bei der Berechnung ist die Antragsgegnerin von diesbezüglich (rechnerisch) 115,50 Studienanfängern (= halbjährliche Aufnahmekapazität für das erste Studienjahr des Studienganges Medizin - Klinischer Teil gemäß der aktuellen Kapazitätsberechnung, ohne Schwund) und vom denkbar kleinsten Curricularanteil des nicht zugordneten Studiengangs (CAq) von 0,01 ausgegangen. Das Gericht hat keine Veranlassung, diesen zugrunde gelegten Dienstleistungsexport für die Klinisch-Praktische Medizin zu beanstanden. Soweit die Antragstellerin den Dienstleistungsexport in Höhe von 1,16 DS in Frage gestellt hat, führt dies im Übrigen letztlich auch bei einer Außerachtlassung des Dienstleistungsexports nicht zu einem für die Antragstellerin günstigeren Ergebnis, da auch insoweit eine Vergleichsberechnung (vgl. dazu im Folgenden) lediglich zu einer Studienplatzzahl von 65 führt.
34Das bereinigte Lehrangebot beträgt danach je Semester 218,77 DS (219,93 - 1,16 DS) bzw. das jährliche bereinigte Lehrangebot 437,54 DS. Nach der (ersten) Vergleichsberechnung (erhöhte Deputatstunden) ergeben sich je Semester 221,80 DS (222,96 - 1,16 DS) bzw. jährlich 443,60 DS. Nach der weiteren Vergleichsberechnung ohne einen Dienstleistungsexport (auf Basis der ersten Vergleichsberechnung) verbleibt das Lehrangebot bereinigt bei 222,96 DS je Semester bzw. jährlich bei 445,92 DS.
352. Lehrnachfrage und Aufnahmekapazität
36Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 KapVO bestimmt der Curricularnormwert den in Deputatstunden gemessenen Aufwand aller beteiligten Lehreinheiten, der für die Ausbildung eines Studierenden im jeweiligen Studiengang erforderlich ist. Bei der Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität sind die in Anlage 2 zur KapVO aufgeführten Curricularnormwerte anzuwenden (§ 13 Abs. 1 Satz 2 KapVO). Zur Ermittlung der Lehrnachfrage in den einzelnen Lehreinheiten wird der Curricularnormwert auf die am Lehrangebot für den Studiengang beteiligten Lehreinheiten aufgeteilt (Bildung von Curricularanteilen), vgl. § 13 Abs. 4 Satz 1 KapVO.
37Unter Anwendung der Formel 5 der Anlage 1 zur KapVO hat die Antragsgegnerin eine personelle Aufnahmekapazität von gerundet 58 Studienplätzen berechnet. Dabei hat sie einen Curriculareigenanteil (Cap) von 7,54 zugrunde gelegt und das jährliche bereinigte Lehrangebot von 437,54 DS durch 7,54 dividiert (= 58,03). Für die Vergleichsberechnungen errechnen sich danach für ein jährliches Lehrangebot von 443,60 DS bzw. von 445,92 DS gerundet jeweils 59 Studienplätze (58,83 bzw. 59,14).
38Die Antragsgegnerin ist bei der Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität zutreffend von dem in der Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 KapVO aufgeführten CNW für Zahnmedizin von 8,86 ausgegangen. Dieser - durch Rechtsverordnung festgelegte - im Vergleich zum vorherigen Studienjahr höhere CNW ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KapVO von der Antragsgegnerin zum Stichtag anzuwenden. Anhaltspunkte dafür, dass die Festlegung des CNW durch den Verordnungsgeber, dem insoweit ein weites Gestaltungsermessen zusteht,
39vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 18. September 1981 - 7 N 1.79 -, juris Rn. 53 ff. und OVG NRW, Beschluss vom 27. Februar 2008 - 13 C 5/08 -, juris Rn. 15 f.,
40unter keinen sachlichen Gesichtspunkten mehr haltbar, d.h. willkürlich ist, bestehen nicht. Vielmehr lässt sich den Ausführungen der Antragsgegnerin entnehmen, dass sich auf Grund der neuen Approbationsordnung für Zahnärzte und Zahnärztinnen ein zusätzlicher Lehrbedarf für die Ausbildung der Studierenden ergeben hat, der auch zu einer Erhöhung des CNW geführt hat. Der neue - höhere - CNW ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht nur anteilmäßig mit 1/5 (bzw. 0,2) für das erste Studienjahr zu berücksichtigen (und der alte CNW noch 4/5 bzw. 0,8). Maßgeblich ist auch insoweit allein der zum Stichtag (§ 5 Abs. 1 KapVO) gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Anlage 2 KapVO - einheitlich - festgelegte CNW.
41Dass die Ableitung des CAp in Höhe von 7,54 fehlerhaft ist, ist nicht erkennbar. Dabei gilt im Ausgangspunkt nach Art. 6 Abs. 3 Satz 5 des Staatsvertrages über die Hochschulzulassung vom 4. April 2019, dass die Hochschulen im Rahmen des Curricularnormwerts bei der Gestaltung von Lehre und Studium frei sind. Ihnen steht auch bei der Bestimmung des CAp ein Gestaltungsspielraum zu, den sie im Rahmen ihrer Lehrfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG auszufüllen haben. Dabei ist der Teilhabeanspruch der Studienbewerber aus Art. 12 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Der Gestaltungsspielraum wird erst überschritten, wenn der Eigenanteil missbräuchlich oder willkürlich bestimmt wird, etwa ein der Kapazitätsberechnung zugrunde gelegter quantifizierter Studienplan manipuliert wird, um die Zulassungszahl möglichst klein zu halten. Demgegenüber hält die Hochschule sich innerhalb ihres Spielraums, wenn sie die Aufteilung auf die Lehreinheiten - wie hier - anhand eines studienordnungsgemäßen Studienplans oder des tatsächlichen Studienbetriebs vornimmt.
42Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 10. Januar 2018 - 13 C 43/17 -, juris, Rn. 14 ff., m. w. N.
43Dafür, dass die Antragsgegnerin den CAp nach diesem Maßstab zu Lasten der Studienbewerber fehlerhaft gebildet hat, fehlt es an Anhaltspunkten. Insoweit führt auch der Einwand der Antragstellerin, dass bei der Berechnung der Curricularanteile systemwidrig mit 15 statt mit 14 Semesterwochen gerechnet worden sei, nicht zu einer Änderung des Curriculareigenanteils. Denn eine Berücksichtigung von 14 Semesterwochen bei der Berechnung würde zu einer Überschreitung des CNW (von 8,86) führen, der jedoch nach der KapVO bei der Kapazitätsberechnung zwingend einzuhalten ist. Eine Verpflichtung, die Gewährleistung des CNW durch anteilige Kürzung sowohl des Eigen- als auch des Fremdanteils am jeweiligen Curricularwert sicherzustellen, besteht entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht. Im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums steht es der Hochschule vielmehr frei, die Einhaltung des CNW auch auf andere Weise zu gewährleisten, sofern dies nicht missbräuchlich oder willkürlich ist, etwa um die Zulassungszahl möglichst klein zu halten.
44Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Juli 2019 - 13 C 37/19 -, juris Rn. 7 f.
45Anhaltspunkte für eine missbräuchliche oder willkürliche Handhabung durch die Antragsgegnerin bestehen nicht.
463. Überprüfung des Berechnungsergebnisses
47a. Die Antragsgegnerin hat eine Erhöhung der errechneten Studienanfängerzahl nach §§ 14 Abs. 3 Nr. 3, 16 KapVO (Schwundquote) vorgenommen, weil die Ermittlung nach dem „Hamburger Modell“ anhand ihrer Studierendenstatistiken einen Schwundausgleichsfaktor von 1/0,91 ergeben hat, der zu einer gerundeten Studienanfängerzahl von 64 (58 : 0,91 = 63,74) führt. Ausgehend von 59 Studienplätzen ergibt sich für die Vergleichsberechnungen danach eine Studienanfängerzahl von 65 (59 : 0,91 = 64,84)
48Vgl. auch allgemein zur Schwundberechnung: OVG NRW, Beschluss vom 12. März 2013 - 13 B 78/13 u. a. -, juris, Rn. 16 ff.
49b. Die Überprüfung des dargestellten Berechnungsergebnisses gemäß § 19 Abs. 1 KapVO ergibt - ausgehend von nach Angaben der Antragsgegnerin 53 für die studentische Ausbildung geeigneten klinischen Behandlungseinheiten - eine sachausstattungsbezogene Studienanfängerzahl von gerundet 79 (53 : 0,67 = 79,10). Gemäß § 19 Abs. 2 KapVO ist der niedrigere Wert zugrunde zu legen.
504. Demnach besteht im ersten Fachsemester eine Kapazität von 64 Studienplätzen. Die so ermittelte Zulassungszahl ist durch die vorgenommenen 66 Einschreibungen erreicht und die vorhandene Kapazität damit erschöpft. Dies gilt im Übrigen auch für die oben aufgeführten Vergleichsberechnungen, die jeweils zu einer Zahl von 65 Studienplätzen führen.
51Vgl. im Übrigen zur grundsätzlichen Kapazitätsaufzehrung und fehlenden Rechtsverletzung der Studienplatzbewerber im Falle von sog. "Überbuchungen" etwa: OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2019 - 13 B 25/19 -, juris Rn. 39 m.w.Nw.
52Insoweit ist auch der hilfsweise gestellte Antrag, die Antragstellerin beschränkt auf eine Anzahl von Semestern zuzulassen, unbegründet.
53II. Soweit die Antragstellerin - jedenfalls nach der Antragsbegründung hilfsweise - auch eine vorläufige Zulassung innerhalb der festgesetzten Kapazität begehrt, bleibt der Antrag ebenfalls ohne Erfolg. Etwaige Fehler im Zulassungsverfahren sind nicht aufgezeigt. Zudem ist nach dem bisherigen Verfahrensstand von einer Bestandskraft des Ablehnungsbescheids der Stiftung für Hochschulzulassung vom 8. September 2021 auszugehen, da dem Vorbringen der Antragstellerin nicht entnommen werden kann, dass sie gegen den Ablehnungsbescheid Klage erhoben hat.
54B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
55C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) und berücksichtigt, dass die begehrte Entscheidung die Hauptsache vorwegnimmt.
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