Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 10 K 2469/21.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der am 16. August 1983 in A./Iran geborene Kläger zu 1. und die am 5. September 1982 ebenfalls in A./Iran geborene Klägerin zu 2. sind iranische Staatsangehörige persischer Volkszugehörigkeit und konfessionslos. Nach eigenen Angaben verließen sie ihr Heimatland am 6. März 2021 und reisten über die Türkei und Griechenland am 27. März 2021 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie Asylanträge stellten. Hinsichtlich der Angaben in ihren Anhörungen vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 19. April 2021 sieht das Gericht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes ab und folgt gemäß § 77 Abs. 2 AsylG den Feststellungen des angefochtenen Bescheides.
3Mit Bescheid vom 8. November 2021, dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 17. November 2021 zugestellt, lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), die Anträge auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) sowie die Zuerkennung subsidiären Schutzes (Ziffer 3) für die Kläger ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen würden (Ziffer 4). Außerdem forderte es die Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen; für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist drohte es ihnen die Abschiebung nach Iran oder in einen anderen Staat an, in den sie einreisen dürften oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei (Ziffer 5). Schließlich wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).
4Die Kläger haben am 2. Dezember 2021 Klage erhoben und mit weiterem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom selben Tag einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist gestellt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags tragen sie vor, die Klage habe bereits am 19. November 2021 per besonderem elektronischem Anwaltspostfach (beA) versandt werden sollen, sei jedoch aufgrund eines Übermittlungsfehlers dem erkennenden Gericht nicht zugestellt worden. Dies habe der Prozessbevollmächtigte der Kläger erst durch telefonische Nachfrage bei Gericht am 2. Dezember 2021 erfahren. Für den Prozessbevollmächtigten sei nicht erkennbar gewesen, dass der Schriftsatz nicht versandt wurde. Auf Nachfrage des Gerichts sei eine "OSCI-ID-Nummer", deren Bedeutung nicht bekannt sei, nicht aufgefunden worden. Eine Rückfrage beim beA-Support der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) habe ergeben, dass im beA-Postfach fehlerhafte Sendungen in der Rubrik "gesendet" aufgeführt seien; eine Nachschau habe ergeben, dass in dieser Rubrik eine Fehlermeldung vorliege. Das "beA-Protokoll" habe unter anderem vermerkt, "Empfänger: Verwaltungsgericht Aachen. Eingang auf dem Server: 19.11.2021, 13:28:44“. Zudem befinde sich auf dem Protokoll der Hinweis, "Sämtliche durchgeführten Prüfungen lieferten ein positives Ergebnis“. Es sei nicht ersichtlich, warum Juristinnen und Juristen bei einem mehrseitigen beA-Protokoll wissen müssten, welche Bedeutung Abkürzungen wie einer "OSCI-ID" zukäme. Wenn der Gesetzgeber eine bestimmte Übertragungsform vorschreibe, müsse er dafür sorgen, dass die entsprechenden Übertragungsnachweise einfach und überschaubar seien. Es gebe keinen rechtlichen Unterschied zu einem Faxprotokoll, welches jeder Laie lesen könne. Das "beA-Protokoll" erwecke mit seiner grünen Unterlegung, seinen Häkchen und seinen verschiedenen positiven Bestätigungen den Eindruck einer erfolgreichen Sendung. Eine Frist dürfe dann gestrichen werden, wenn der Prozessbevollmächtigte davon ausgehen dürfe, alles getan zu haben, um den Zugang eines Schriftstücks bei Gericht herbeizuführen. Dies sei der Fall, wenn ein "beA-Protokoll" vorliege. Das Fehlen einer Eingangsbestätigung des Gerichts falle demgegenüber grundsätzlich nicht auf; diese liege im Übrigen regelmäßig erst nach Fristablauf vor. Eine entsprechende Kontrolle würde eine unzumutbare Belastung für Gerichte und Anwaltskanzleien darstellen. Den Eintrag "Empfänger Verwaltungsgericht Aachen, Eingang auf dem Server 19.11.2021, 13:28:44 Uhr" habe er als Eingangsbestätigung ansehen dürfen. Darüber hinaus sei die von ihm verwendete Software "d." mit dem beA derart verknüpft, dass die Übermittlung eines Schriftsatzes mit der Meldung "Versand im Hintergrund erfolgreich" bestätigt werde, ohne dass das Programm verlassen werden oder über den Internet-Browser das beA-Postfach geöffnet werden müsse. Zur Begründung der Klage in der Sache nehmen die Kläger auf ihre Angaben im Verwaltungsverfahren Bezug und tragen ergänzend vor, das Bundesamt gehe von falschen Prämissen aus. Der klägerische Sachvortrag sei an den objektiven Erkenntnissen zum Herkunftsland zu messen. Das Bundesamt habe die Lage im Iran unzutreffend eingeschätzt und der Bescheid stehe im Widerspruch zu den von ihm genutzten Erkenntnismitteln. Lücken in der Schilderung des Klägers zu 1. seien ihm nicht nachteilig vorzuhalten, da er sein Wissen lediglich vom Hörensagen beziehe.
5Die Kläger beantragen,
6die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 8. November 2021 zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen,
7hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, den Klägern subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zu gewähren,
8weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass in der Person der Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Iran vorliegen.
9Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
10die Klage abzuweisen.
11Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
12Hinsichtlich der Einzelheiten der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Bundesamts Bezug genommen.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
14Die Klage, über die die Einzelrichterin trotz Nichterscheinens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden kann, weil sie auf diese Möglichkeit mit der ordnungsgemäßen Ladung hingewiesen worden ist (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig.
15Die Klage ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der Klagefrist erhoben wurde.
16Gemäß § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG muss die Klage gegen Entscheidungen nach dem Asylgesetz innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung erhoben werden. Die Zustellung des streitbefangenen, mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheids bei dem Verfahrens- und hiernach Prozessbevollmächtigten der Kläger erfolgte ausweislich des anwaltlichen Eingangsstempels am Mittwoch, 17. November 2021. Ausgehend hiervon begann die zweiwöchige Klagefrist gemäß § 57 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1 BGB am Tag darauf und endete gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 222 Abs. 1 ZPO, 188 Abs. 2 BGB am Mittwoch, 1. Dezember 2021. Der ursprüngliche Klageschriftsatz vom 19. November 2021 ist – inzwischen unstreitig – nicht bei Gericht eingegangen, sondern erst die nachgereichten Schriftsätze vom 1. Dezember 2021, mit denen die Anschrift der Kläger mitgeteilt und um eine Eingangsbestätigung gebeten wurde. Die Erhebung der Klage erfolgte sodann am 2. Dezember 2021 und somit einen Tag zu spät.
17Die begehrte Wiedereinsetzung kann den Klägern nicht gewährt werden.
18Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
19Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Kläger waren nicht ohne Verschulden verhindert, die Klagefrist einzuhalten, da das Fristversäumnis auf einem schuldhaften Fehler ihres Prozessbevollmächtigten bei der Ausgangskontrolle beruhte, das ihnen zuzurechnen ist.
20Ein Verschulden i.S.d. § 60 Abs. 1 VwGO liegt vor, wenn diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen wird, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war.
21Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2021 – 8 C 4.21 –, juris, Rn. 14 m.w.N.
22Das Verschulden eines Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden des Beteiligten dabei gleich und ist ihm – auch im Asylverfahrensrecht – wie eigenes Verschulden zuzurechnen (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO).
23Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2022 – 11 A 493/21.A –, juris, Rn. 7 f. m.w.N.; dazu, dass diese Vorschriften auch im Asylverfahren anwendbar sind, BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 – 2 BvL 26/81 –, juris, Rn. 48 ff.
24Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, ohne Verschulden verhindert gewesen zu sein, die Klagefrist einzuhalten. Sein Vorbringen, für ihn sei nicht erkennbar gewesen, dass der Versand der Klageschrift an das Gericht nicht erfolgte, greift nicht durch.
25Übernimmt ein Rechtsanwalt die Prozessvertretung, ist die Wahrung der prozessualen Fristen eine der Aufgaben, denen er besondere Aufmerksamkeit widmen muss. Er muss deshalb den Betrieb seiner Kanzlei so organisieren, dass ein fristwahrender Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und vor Fristablauf beim zuständigen Gericht eingeht.
26Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2021 – 19 A 1418/20.A –, juris, Rn. 7; BGH, Beschluss vom 4. September 2018 – VIII ZB 70/17 –, juris, Rn. 13; jeweils m.w.N.
27Dies gilt – selbstverständlich – auch im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs. Nach § 55a Abs. 1 VwGO können u.a. vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden. Gemäß § 55a Abs. 3 VwGO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Ein sicherer Übermittlungsweg ist nach § 55a Abs. 4 Nr. 2 VwGO u.a. der Übermittlungsweg zwischen dem beA nach § 31a BRAO und der elektronischen Poststelle des Gerichts. Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen sind in der u.a. aufgrund § 55a Abs. 2 Satz 2 erlassenen Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) geregelt. Gemäß § 4 Abs. 1 ERVV darf ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist, (nur) auf einem sicheren Übermittlungsweg oder an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Gerichts (EGVP) über eine Anwendung, die auf dem Protokollstandard OSCI oder einem diesen ersetzenden, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Protokollstandard beruht, übermittelt werden.
28Nach § 55a Abs. 5 Satz 1 VwGO ist ein elektronisches Dokument eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Nach § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO ist dem Absender eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen. In der Praxis bedeutet dies, dass, sobald eine an das Gericht versendete Nachricht auf dem in dessen Auftrag geführten Server (sog. Intermediär) eingegangen ist, dieser automatisch für den Absender eine Bestätigung des Eingang der Nachricht generiert und per EGVP versendet. Entgegen des offenbar bestehenden Missverständnisses des Prozessbevollmächtigten der Kläger handelt es sich bei dieser Eingangsbestätigung also nicht um die Eingangsverfügung des oder der Vorsitzenden bzw. Berichterstatters oder Berichterstatterin der zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts, sondern um eine von dem Intermediär unmittelbar und automatisch generierte (automatisierte) Eingangsbestätigung. Diese Eingangsbestätigung soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob eine Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind.
29Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. Oktober 2021 – 8 B 11187/21 –, juris, Rn. 5; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. November 2020 – OVG 6 S 49/20 –, juris, Rn. 7; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. August 2019 – 2 M 58/19 –, juris, Rn. 9; BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20 –, juris, Rn. 22 (zu § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO); BAG, Beschluss vom 7. August 2019 – 5 AZB 16/19 –, juris, Rn. 20 (zu § 46c Abs. 5 Satz 2 ArbGG); jeweils unter Berufung auf die Begründung des Gesetzentwurfs zu dem gleichlautenden § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO, BT-Drs. 17/12634, S. 26.
30Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten bei der Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA entsprechen denen bei der Übermittlung von Schriftsätzen per Telefax. Auch bei der Übermittlung per beA ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Diese Überprüfung erfordert die Kontrolle, ob der Eingang des elektronischen Dokuments bei Gericht gemäß § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO automatisch bestätigt worden ist. Erst dann, wenn der oder die Prozessbevollmächtigte eine solche – dem Telefax-Sendeprotokoll vergleichbare – Eingangsbestätigung erhalten hat, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Ihr Ausbleiben muss ihn oder sie hingegen zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung des Schriftsatzes veranlassen.
31Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. Oktober 2021 – 8 B 11187/21 –, a.a.O., Rn. 10; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. November 2020 – OVG 6 S 49/20 –, a.a.O., Rn. 7; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. August 2019 – 2 M 58/19 –, a.a.O., Rn. 9; VG Düsseldorf, Urteil vom 31. Januar 2022 – 29 K 1789/20.A –, juris, Rn. 41 ff.; BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20 –, a.a.O., Rn. 21 f.; BAG, Beschluss vom 7. August 2019 – 5 AZB 16/19 –, a.a.O., Rn. 16 ff.
32Eine solche Kontrolle ist hier nicht durchgeführt worden. Vielmehr hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger selbst angegeben, eine Überprüfung erst auf Nachfrage beim beA-Support der BRAK vorgenommen zu haben. Sofern sich der Prozessbevollmächtigte darauf beruft, das "beA-Sendeprotokoll" hätte den Anschein eines erfolgreichen Versands erweckt, kann dem nicht gefolgt werden. Aus dem durch den Server des beA erstellten, vom Prozessbevollmächtigten vorgelegten Prüfprotokoll (beA Nachricht 105245007) ergibt sich ein Eingang des Dokuments bei Gericht nicht. Hätte der Prozessbevollmächtigte eine ordnungsgemäße Kontrolle vorgenommen, hätte ihm auffallen müssen, dass eine automatisierte Eingangsbestätigung gerade nicht vorlag, der Versand also nicht erfolgreich war. Dies war ohne weiteres daran zu erkennen gewesen, dass sich in dem Übermittlungsprotokoll unter dem Abschnitt "Zusammenfassung Prüfprotokoll" bei den Unterpunkten "Meldungstext", "OSCI-Nachrichten-ID", "Zugegangen" und "Übermittlungsstatus" keine Einträge befanden. Wäre eine Eingangsbestätigung erfolgreich übermittelt worden, hätte das beA unter dem Unterpunkt "Übermittlungsstatus" die Meldung "erfolgreich" angezeigt.
33Vgl. auch insofern bereits ausdrücklich BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20 –, a.a.O., Rn. 33.
34Auch wenn sich die Bedienung des beA und die Bedeutung der hierbei generierten Protokolle für den unbefangenen Nutzer möglicherweise nicht auf den ersten Blick erschließen mögen, gehört es zu den anwaltlichen Pflichten, sich mit der Funktionsweise des beA, insbesondere einer sicheren Ausgangskontrolle, vertraut zu machen. Dies war dem Prozessbevollmächtigten auch ohne weiteres möglich. Die Bedeutung der von Seiten des beA generierten Protokolle und die Überprüfung des Übermittlungsstatus' waren und sind seit Beginn der passiven Nutzungspflicht am 1. Januar 2018 Gegenstand nicht nur eingehender Anleitungen der BRAK und des beA-Supports,
35vgl. etwa die eingehenden Informationen unter https://www.brak.de/anwaltschaft/bea-erv/, https://www.brak.de/newsroom/newsletter/bea-newsletter/ und https://portal.beasupport.de/ (letzter Abruf jeweils: 7. März 2022),
36sondern auch bereits dezidierter höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung. So ist bereits dem beA-Newsletter 31/2019 der BRAK vom 17. Oktober 2019, auf den auch der BGH bereits hingewiesen hat,
37Vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20 –, a.a.O., Rn. 33.
38im Einzelnen zu entnehmen, worum es sich bei der automatisierten Eingangsbestätigung sowie dem Übermittlungs- und Prüfprotokoll handelt. Ausgeführt wird hierzu u.a.:
39"Während die Eingangsbestätigung durch den Justizserver erzeugt und an den Absender übermittelt wird, wird das Prüfprotokoll durch den eigenen Server erstellt. Es gibt Auskunft darüber, ob die Nachricht und alle angefügten Signaturen integer sind bzw. ob ordnungsgemäße Signaturen vorliegen.", vgl. https://www.brak.de/fileadmin/05_zur_rechtspolitik/newsletter/bea-newsletter/2019/ausgabe-31-2019-v-17102019.html (letzter Abruf: 7. März 2022).
40Sofern sich der Prozessbevollmächtigte auf die grüne Unterlegung und die Häkchen in der beA Nachricht 105245007 unter der Überschrift "Prüfprotokoll" und "Signaturprüfungen" beruft, ist insofern darauf hinzuweisen, dass diese über den Versendungsstatus eines Schriftsatzes an das Gericht keine Aussage treffen (können). Sofern in dem Prüfprotokoll ein "Eingang auf dem Server" vermerkt ist, handelt es sich nicht um den Server des Gerichts, sondern um den Server des beA.
41Der Prozessbevollmächtigte der Kläger kann sich schließlich auch nicht erfolgreich darauf berufen, die von ihm auch für den Versand von Schriftsätzen verwendete Software "d." vermittle den Eindruck einer erfolgreichen Übermittlung, indem am Ende der Bearbeitung ein Fenster mit dem Text "Versand im Hintergrund erfolgreich" erscheine. Der online auf der Webseite des Softwareherstellers veröffentlichten Anleitung "d. beA-Schnittstelle" ist unter der Überschrift "Erfolgskontrolle" ausdrücklich zu entnehmen, dass eine genaue Überprüfung des Versendungsstatuts per Schnittstelle mit dieser Software nicht möglich ist und der Nutzer daher stets im Postausgang des beA nachsehen solle, ob der Versand erfolgreich war.
42Vgl. "Anleitung d. beA-Schnittstelle" vom 28. November 2018, abrufbar unter xxx (letzter Abruf: 7. März 2022).
43Wird gleichwohl der Versand eines fristgebundenen Schriftsatzes über die beA-Schnittstelle dieser Software vorgenommen, ohne eine weitere Ausgangskontrolle durchzuführen, entspricht dies schuldhaft nicht der gebotenen anwaltlichen Sorgfalt.
44Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
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