Anerkenntnisurteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 5 K 2198/20
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks ……..straße 00 in …… (Gemarkung ……, Flur 00, Flurstücke 000 und …) und wendet sich gegen die Eintragung eines Bodendenkmals.
3Nachdem die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 16. Februar 2017 mitgeteilt hatte, dass sie die Eintragung des Grundstücks als Bodendenkmal beabsichtige, äußerte die Klägerin mit Schreiben vom 29. Mai 2017 Bedenken gegen die Annahme eines Bodendenkmals sowie gegen den Umfang der beabsichtigten Eintragung eines Bodendenkmals auf dem streitgegenständlichen Grundstück.
4Mit Bescheid vom 19. August 2020 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie das streitgegenständliche Grundstück in ihre Denkmalliste eingetragen habe. Zur Begründung nehme sie Bezug auf das beigefügte Bodendenkmalblatt. Darin ist unter der Überschrift "Darstellung der wesentlichen Merkmale des Denkmals" u.a. ausgeführt:
5"Der sogenannte …….. war ursprünglich ein Lehnsgut des ………Münsterstiftes und findet urkundlich erstmals im Jahr 1438 Erwähnung. 1655-1657 wurde auf den Fundamenten eines Vorgängerbaus ein neues Gebäude errichtet, welches jedoch im Zweiten Weltkrieg stark zerstört wurde, so dass obertägig nur noch ein Teil der Ostfassade und einige Bereiche der Zuwegung erhalten sind.
6Laut Ergebnissen einer geophysikalischen Prospektion im Jahr 2016 sind untertägig noch Strukturen, vermutlich Fundamentzüge und evtl. Kellerräume des Komplexes, vorhanden."
7In der denkmalrechtlichen Begründung heißt es unter der Überschrift "Archäologische Situation und Befunderwartung" weiter:
8"Das Gelände wird heute im nördlichen und östlichen Bereich durch die noch nachvollziehbaren Elemente einer Parkgestaltung mit historischem Baumbestand, Freiflächen sowie einer Allee zum Tor an der ……...Straße geprägt. … Im Norden liegt dem ehemaligen Hofgelände eine Teichanlage vor …"
9Ferner ist im Bodendenkmalblatt unter der Überschrift "Denkmalrechtliche Begründung" u.a. ausgeführt:
10"Für die Geschichte …….. und der …….. Patrizierfamilien ist der ……… von hoher Bedeutung. … Die Herrenhausruine ist unmittelbar mit dem nördlich und westlich vorgelagerten Park verknüpft, in dem sich mit einem weiteren Tor und der Einfriedung an der …….. Straße, der historischen Teichanlage in der Nordwestecke und der Baumallee resp. Sichtachse nach Osten noch wesentliche Elemente erhalten haben. …"
11Hiergegen hat die Klägerin am 31. August 2020 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor: Auf dem Grundstück solle ein Erweiterungsbau der Fachhochschule …….. errichtet werden, der durch die Unterschutzstellung beeinträchtigt werde. Lage und Ausdehnung des Bodendenkmals seien völlig offen; es gebe keine Belege. Sie legt eine Denkmalfachliche Ersteinschätzung des Denkmal-Gutachters Dr. …. …. vom 12. Juni 2020, ein Schreiben vom 19. November 2020 und eine Stellungnahme vom 11. Januar 2021 vor. Der Sachverständige komme darin zu dem Ergebnis, dass die Festlegung der Grenzen des Bodendenkmals unbegründet sei. Ausdehnung und Lage seien durch Grabungen festzustellen. Die von der Eintragung erfasste Fläche sei dreimal so groß wie die Fläche der Georadaruntersuchung. Die Ausführungen würden bestätigt durch die "Bauwerkserkundung im …….. Stadtgebiet mit Georadar" der ………… aus August 2016. Darin heiße es in der Zusammenfassung, dass die Ergebnisse nicht so zufriedenstellend gewesen seien und die Interpretation stark vom Vorwissen über das Herrenhaus abhänge, die Daten ergäben keine eindeutigen Ergebnisse. Die endgültige Beantwortung der Fragestellung stehe noch im Raum.
12Die Klägerin legte ferner vor den Bericht zur archäologischen Sachverhaltsermittlung "…….., …….. " der Fa. ……… von März 2021. Nach den zwischenzeitlich durchgeführten Untersuchungen in Absprache mit der Bezirksregierung Köln und dem Beigeladenen habe sich herausgestellt, dass sich im Südwesten kein Bodendenkmal ergeben habe. Im Nordwesten sei eine Untersuchung nicht möglich gewesen, im Nordosten seien Mauern festgestellt worden, die zum Teil aus Bauschutt errichtet wurden. Es gebe keinen Hinweis auf ein Bodendenkmal in diesem Bereich. Die Behauptung, dass Reste des …….. noch im Untergrund vorhanden seien, habe sich durch die Untersuchungen der Archäologen als unrichtig erwiesen. Der Beigeladene spreche selbst von "vermutlich unklarer Befundlage". Aquarellzeichnungen würden nichts darüber aussagen, was dort im Boden zu finden sei und ob es sich um Reste eines Denkmals handele.
13Dass sich auf dem Gesamtareal Relikte des ……… befänden, werde nicht in Abrede gestellt. Ob sich unter den als Parkflächen genutzten Bereichen ein Bodendenkmal befinde, sei reine Spekulation. Die Archäologen hätten festgestellt, dass die sichtbaren Mauern, als Hangstützmauern bezeichnet, lose gesetzt seien und dass es unterhalb dieser Mauern keine Hinweise auf Bodendenkmäler gebe, so Blatt 12 des Gutachtens. Die Festlegung der Grenzen des Bodendenkmals sei willkürlich und denkmalfachlich nicht haltbar. Das Bodendenkmal sei in einer Größenordnung von 2/3 überdimensioniert.
14Die Klägerin beantragt,
15den Bescheid der Beklagten vom 19. August 2020 über die Unterschutzstellung und Eintragung des Bodendenkmals "……….." auf dem Grundstück ……, …… Straße/……straße 00, Gemarkung ……., Flur 000, Flurstücke 000 und 000, aufzuheben und die Eintragung in der Denkmalliste der Beklagten zu löschen.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Zur Begründung führt sie aus: Es treffe nicht zu, dass die Grenzen des eingetragenen Bodendenkmals nicht eindeutig definiert oder willkürlich festgelegt seien. Aus den der Begründung des Denkmalswerts und der Eintragung zugrunde liegenden Georadaruntersuchungen ergebe sich die Abgrenzung des eingetragenen Bodendenkmals. Sie würden belegen, dass es sich bei den Bodenwellen auf dem Parkplatz und den unterirdisch vorhandenen, verfüllten Kellerräumen keinesfalls um Spekulationen handele. Der von der Klägerin beauftragte Sachverständige Dr. …… sei nicht Sachverständiger für die Beurteilung von Bodendenkmälern. Bei dem von ihm angesprochenen Teich handele es sich um ein Überbleibsel der vormaligen beiden Wasserumwehrungen, die in den Darstellungen von Couven (1753), Jacobi (1870), der Stübbenkarte (1881), dem Stadtplan (1910) und von Henrici-Schimpf Sieben (1919) erkennbar seien. Die Abgrenzung des Bodendenkmals orientiere sich an dem Verlauf der früheren Wasserumwehrung. Aus der Georadaruntersuchung ergebe sich, dass die vorhandenen Gebäudereste bis zu einer gewissen Höhe abgebrochen und mit dem Bauschutt verfüllt worden seien. Darauf sei der Parkplatz errichtet worden. Über diese Maßnahme existiere eine Fotodokumentation der Firma Philipps, die der Unteren Denkmalbehörde vorgelegen habe. Der Wert des Bodendenkmals bestehe darin, Erkenntnisse über Bauart, Materialien, Techniken, Gestaltung, Nutzung und zur Baugeschichte zu liefern. Ferner liege ein weiteres Bodendenkmal in Gestalt spätmittelalterlicher Fundamente vor. Die Abgrenzung des Bodendenkmals orientiere sich im Norden am Verlauf des Restes der Wasserumwehrung, im Osten an dem noch obertägig erkennbaren Verlauf des sichtbaren Grabens und im Süden und Westen an den Ergebnissen des Georadars. Die Begründung ergebe sich aus den Ausführungen im Bodendenkmalblatt, in dem darauf hingewiesen werde, dass im südlichen Anschlussbereich eine diagonal zur Gebäudeachse verlaufende Struktur in größerer Tiefe nachgewiesen worden sei, die sich mit den vorhandenen Plänen des Bodenhofes nicht erklären ließen und möglicherweise Reste einer Vorbebauung darstellten. Entsprechend sei der Schutzbereich nach Süden ausgedehnt. Es treffe nicht zu, dass Bauschutt aus der Zeit nach dem 17. Jahrhundert wertlos sei oder, dass ausschließlich durch Grabungen geklärt werden könne, ob und in welcher Abgrenzung ein Bodendenkmal vorliege.
19Durch die Georadaruntersuchungen sei die Lage der Außenwände des Herrenhauses, die exakt unter den auf dem Parkplatz befindlichen Bodenwellen lägen, bestätigt worden. Die Abgrenzung des Bodendenkmals sei ausschließlich im Süden und Westen an den Ergebnissen der Georadaruntersuchung orientiert.
20Aus den von ihr vorgelegten Luftbildaufnahmen und Fotos aus dem Archiv der Firma …… sei neben der Ruine des Bodenhofs auch dessen Abbruchmaterial zu erkennen.
21Eine Klärung der Frage, ob es sich bei der im Gelände erkennbaren Bruchsteinmauer östlich des Teiches um die gemauerte Einfassung des Grabens handele, sei wegen anstehenden Wassers nicht vollständig durchführbar gewesen. Dies sei als "unklare Befundlage" bezeichnet worden. Die Bruchsteinmauer sei jedenfalls Bestandteil der Teich- und Gartenanlagen und somit einer Umnutzung der ehemaligen Wehranlage des …….. Der 'Teich' sei nach begründeter Abgrenzung Bestandteil des Bodendenkmals.
22Die Allee und die obertägig erhaltenen Reste des Bodendenkmals seien als Baudenkmal in die Denkmalliste eingetragen und nicht Bestandteil des Bodendenkmals.
23Der Beigeladene schließt sich den Ausführungen der Beklagten an und trägt im Übrigen vor: Nach dem Ergebnis der von ihm in Auftrag gegebenen Sondierungen sei die südliche Böschungswand des Grabens angeschnitten worden, der mit Bauschutt verfüllt gewesen sei. Im Norden des Bodenhofs seien Sondagen wegen des alten Baumbestands nicht möglich gewesen. Die Untersuchung sei daher dort auf die im Gelände erkennbaren Bruchsteinmauern beschränkt worden. Trotz unklarer Befundlage seien Teiche und Bruchsteinmauer als Teil der Baugeschichte des Bodendenkmals ……… zu bewerten, die erst durch Zerstörung im 2. Weltkrieg geendet habe. Der ……….. sei im Jahr 1438 erstmals urkundlich erwähnt und habe bis zu seiner Zerstörung mehrere Umbauten und Veränderungen erfahren. Auch die unterirdischen Hinterlassenschaften der Gartenanlagen seien Teil des Bodendenkmals. Er verweise auf die aquarellierte Bleistiftzeichnung von Caspar Wolf von 1780/81. Ein Großteil der Teichanlagen habe sich vermutlich unter der nördlichen Bebauung erhalten. Auf der Preußischen Uraufnahme von 1843 seien nur noch die mit Mauern eingefassten Schlossgräben zu erkennen. Die Neuaufnahme von 1893 zeige eine Teichanlage in ähnlichen Ausmaßen wie heute. Dies stehe in Zusammenhang mit der Umgestaltung in einen englischen Landschaftsgarten im 19. Jahrhundert. Ob es sich bei den Mauern südlich des ………. um eine ehemalige Grabeneinfassung oder um eine Stützmauer handele, sei für die Abgrenzung des Bodendenkmals nicht von Belang, da es sich auch im Falle einer Stützmauer um einen Teil des Bodendenkmals Landschaftsgarten handele.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des Verwaltungsvorgangs der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe:
26Die Klage hat keinen Erfolg; sie ist unbegründet.
27Der angefochtene Bescheid vom 19. August 2020 ist rechtmäßig, § 113 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑ und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Er findet seine rechtliche Grundlage in § 3 des Gesetzes zum Schutze und zur Pflege der Denkmäler in Nordrhein-Westfalen (Denkmalschutzgesetz - DSchG) in der bis zum 31. Mai 2022 geltenden Fassung. Nach der Übergangsvorschrift des § 43 DSchG in der ab dem 1. Juni 2022 geltenden Fassung (DSchG n.F.) gelten die bis zum Inkrafttreten des DSchG n.F. vorgenommenen Eintragungen von Denkmälern fort.
28Nach § 3 Abs. 1 DSchG sind Denkmäler getrennt nach Baudenkmälern, ortsfesten Bodendenkmälern und beweglichen Denkmälern in die Denkmalliste einzutragen; über die Eintragung ist ein Bescheid zu erteilen, § 3 Abs. 3 DSchG.
29Bodendenkmäler sind nach § 2 Abs. 5 DSchG NRW bewegliche oder unbewegliche Denkmäler, die sich im Boden befinden oder befanden und der diese Sachen umgebende und mit ihnen eine Einheit bildende Boden,
30Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 20. November 2011 10 A 2611/09 ‑ und vom 5. März 1992 ‑ 10 A 1748/86 ‑, beide: juris.
31Als Bodendenkmäler gelten danach auch Zeugnisse tierischen und pflanzlichen Lebens aus erdgeschichtlicher Zeit, ferner Veränderungen und Verfärbungen in der natürlichen Bodenbeschaffenheit, die durch nicht mehr selbständig erkennbare Bodendenkmäler hervorgerufen worden sind, sofern sie die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen. Auch Spuren von Sachen sind Zeugnisse der Vergangenheit und damit Quellen. Sie können Bodendenkmäler sein. Dazu gehören die Überreste von Bauten und Installationen aller Art wie Gräber, Straßen etc., deren Spuren obertägig oder in Form von Bodeneingriffen erhalten geblieben sind.
32Vgl. Hönes in Davydov u.a., Denkmalschutzgesetz NRW, 4. Aufl., § 2 Rn. 162 ff.
33Bei der Bodendenkmaleigenschaft kommt es entscheidend darauf an, ob das Denkmal, auch wenn es in Teilen beeinträchtigt oder zerstört sein sollte, mit den die Denkmaleigenschaft begründenden Merkmalen im Wesentlichen noch vorhanden ist und die ihm zugedachte Funktion, Aussagen über bestimmte Vorgänge oder Zustände geschichtlicher Art zu dokumentieren, erfüllen kann.
34Vgl. Hönes in Davydov u.a., a.a.O. § 2 Rn. 166.
35Voraussetzung für die Eintragung eines Bodendenkmals in die Denkmalliste ist allerdings, dass in dem für eine Unterschutzstellung vorgesehenen Boden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Bodendenkmäler verborgen sind. Eine Gewissheit durch Sichtbarmachung des im Boden verborgenen ist jedoch nicht geboten, allerdings reichen bloße Mutmaßungen über die Existenz des Bodendenkmals für eine Eintragung in die Denkmalliste nicht aus. Ein lediglich hoher Wahrscheinlichkeitsgrad für das Vorhandensein eines Bodendenkmals, der die Ausweisung eines Grabungsschutzgebietes rechtfertigen mag, reicht für die endgültige Unterschutzstellung eines Bodendenkmals nach § 3 DSchG nicht aus.
36Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. März 1992 ‑ 10 A 1748/86 ‑, juris Rn. 52 ff.
37Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit muss sowohl angenommen werden können, dass in der unter Schutz gestellten Fläche überhaupt Bodendenkmäler vorhanden sind, als auch, dass auf der gesamten von der Unterschutzstellung betroffenen Fläche Bodendenkmäler vorhanden sind.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. April 2003 ‑ 8 A 3552/02 ‑, juris Rn. 11.
39Dem Gebot, wegen der grundrechtlichen Bedeutung der behördlichen Entscheidung eine sorgfältige Aufklärung des Sachverhalts vorzunehmen wird eine Sachverhaltsaufklärung gerecht, die für Zweifel an dem im Boden anzutreffenden archäologischen Befund keinen Raum lässt, aber die Zerstörung des zu Schützenden vermeidet bzw. aufgrund des Gewichts ihrer wissenschaftlich-sachverständigen Argumentation darauf verzichten kann, den letzten Beweis für das Bodendenkmal durch dessen Ausgrabung und damit seine Zerstörung zu liefern. Eine derartig wissenschaftlich abgesicherte Beweisführung kann unter Verzicht auf die Ausgrabung des im Boden Verborgenen je nach den konkreten Umständen etwa durch Fundstücke, Bodenveränderungen oder Luftbilder erfolgen. Daneben vermögen Vergleiche mit erforschten topographischen Situationen und Analogieschlüsse die notwendige an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein eines Bodendenkmals zu begründen.
40Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. März 1992 ‑ 10 A 1748/86 ‑, juris Rn. 63 ff.
41Wird ein Bodendenkmal vermutet und kennt man weder seine genaue Lage und seine Abmessungen noch, welche Erkenntnisse sich aus den Erd- oder Gesteinsschichten für die im Boden verborgene Sache, die Mehrheiten von Sachen oder die Teile von Sachen ergeben, folgt daraus zwingend, dass zu ihrem Schutz und zu ihrer Erhaltung nicht nur sie selbst, sondern die Fläche, innerhalb derer sie im Boden vermutet werden, als Bodendenkmal eingetragen werden muss.
42Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. Juli 2019 ‑ 10 A 4383/18 ‑, juris Rn. 29 und Urteil vom 5. März 1992 ‑ 10 A 1748/86 ‑, juris Rn. 44 ff.;
43Etwas anderes kann dann gelten, wenn Lage und Abmessungen von denkmalwerten Sachen im Boden offen sind, insbesondere nicht feststeht, ob sich im Boden des gesamten Grundstücks bzw. im Boden welcher konkreter Grundstücksteile sie sich verbergen. Es würde gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, wenn ein größeres Grundstück insgesamt in die Denkmalliste eingetragen würde, wenn derartige denkmalwerte Sachen nur in einem (kleineren) Teil des Grundstücks verborgen sind.
44Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. Dezember 1995 ‑ 10 A 4827/94 ‑, juris Rn 31.
45Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Denn aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen ergibt sich, dass auf der nahezu gesamten unter Schutz gestellten Fläche mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Bodendenkmal vorhanden ist.
46So lassen sich nach dem Bericht "Bauwerkserkundung im …… Stadtgebiet mit Georadar" (Bachelorarbeit der Frau ……) vom August 2016 in dem Messfeld 1, in dem nach dem Lageplan Überreste des Haupt- und der Ökonomiegebäude zu finden sein müssten, in pink markierten Kästen lineare Strukturen ausmachen. Diese seien links ca. 20 m lang und reichten bis in eine Tiefe von 1,4 m. Rechts seien sie ca. 30 m lang und bis etwa 1 m zu verfolgen. Sie würden genau an den Stellen liegen, an denen die Seiten des Herrenhauses ihre Mauern gehabt hätten. Ein weiteres Indiz für diese Mauern seien Wellen in der Parkoberfläche. Allerdings hätten die Daten nicht für sich gesprochen und keine eindeutigen Ergebnisse erbracht. In gewisser Weise habe noch Mauerwerk gefunden werden können, aber nicht in dem erhofften Ausmaß.
47In der von der Klägerin mit der Klage vorgelegten "Denkmalfachlichen Ersteinschätzung" des Denkmal-Gutachters Dr. …… …… vom 12. August 2020 ist u.a. ausgeführt:
48"Auf dem Parkplatz, der Anfang der 1960'er Jahre anstelle der Ruinenreste des kriegszerstörten Gebäudes errichtet wurde, sind noch Bodenwellen vorhanden, diese könnten auf eine möglicherweise vorhandene Mauer hinweisen. So kann darüber spekuliert werden, dass es sich um eine Kellerbebauung aus einer der Bauphasen des ehemaligen Gutshofs handelt. Diese könnte seinerzeit mit Bauschutt verfüllt worden sein. … Die Keller, wenn sie denn in Teilen vorhanden sein sollten, könnten eventuell noch Fundamentreste der Vorgängerbebauung aus dem Spätmittelalter enthalten, dies ist aber derzeit nicht zu belegen. Möglicherweise sind auch die übrigen Gräben, die noch ggf. nach dem Zweiten Weltkrieg vorhanden waren, mit Bauschutt verfüllt worden. Ein Aufschluss hierüber ist bislang allerdings nicht erbracht worden und kann nur durch Grabungen erfolgen.
49Die durch die Stadt ……. im Schreiben vom 16.02.2017 festgelegten Grenzen des Bodendenkmals entsprechen nicht den Grenzen des vermuteten Kellers oder des ggf. verfüllten Grabens. Sie scheinen willkürlich gezogen worden zu sein.
50… wird festgestellt, dass es einerseits keine belegte Aussage über Funde und über die Ausdehnung möglicher Funde gibt, andererseits aber die Grenzen des gewünschten Bodendenkmals willkürlich festgelegt worden sind, ohne dass die Lage und Ausdehnung eines Bodendenkmals in diesem Bereich nachgewiesen werden konnten."
51In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. November 2020 führt Dr. …… u.a. aus:
52"Diese Georadaruntersuchung hat der Sachverständige mit der Eingrenzung des Bodendenkmals verglichen …. Bei diesem Vergleich wird deutlich, dass die durch die Eintragung erfasste Fläche fast dreimal so groß ist wie die der Fläche der Georadaruntersuchung. Somit sind etwa zwei Drittel auch nach der eigenen Argumentation der Stadt …… unbegründet. …"
53In dem "Bericht zur archäologischen Sachverhaltsermittlung …….., ……… " der Fa. …….. von März 2021 sollten durch drei Schnitte die Außengrenzen des Bodendenkmals bestimmt und der genaue Verlauf und die Ausdehnung der Gräben bestimmt werden, die das Gelände ehemals begrenzt hätten. Der Arbeitsbereich Stelle 4 umfasste den Nordosten des Geländes mit zwei flankierenden Bruchsteinmauern. In der Zusammenfassung heißt es:
54"Die ehemalige Ausdehnung im Südwesten konnte nicht erfasst werden … Hingegen konnte der Verlauf des Grabens im südöstlichen Schnitt bestätigt werden und der Verlauf vervollständigt werden."
55In dem anliegenden "Stellenkatalog" werden die Mauern in die Neuzeit, 20. Jahrhundert, datiert, der Graben ("vermutlich alter Graben des Herrenhauses") in das 17. Jahrhundert. Die in AB 8 im südlichen Bereich des Bodendenkmals und darüber hinaus vorgenommene Grabung liegt mit Stelle 12 innerhalb des Bodendenkmalbereichs. Dort stellten die Gutachter lehmigen Schluff und weitere Auffüllschichten fest, die als Bänder sichtbar geworden seien und auch als massive, mit Bauschutt durchsetzte Auffüllschichten. Dieser Bereich ist in dem Bericht von …… zur Georadarerkundung mit 2 gekennzeichnet.
56In dem als AB 11 gekennzeichneten Grabungsbereich im Südwesten des Schutzbereichs waren archäologische Befunde nach den Feststellungen der Gutachter nicht nachweisbar.
57Auf den von der Beklagten vorgelegten historischen Karten ist erkennbar, dass der heutige Teich im Norden des unter Schutz gestellten Bereichs dort liegt, wo sich nach der Karte von Couven von 1753 eine Wasserumwehrung des ………. befand bzw. wo sich nach der Karte von Jacobi aus 1870, der Stübbenkarte von 1881, dem Stadtplan von 1910 und dem Plan von Sieben von 1917-1919 jeweils ein Wassergraben befand. Danach kann wohl mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem vorhandenen Teich um ein Überbleibsel der historischen Wasserumwehrung handelt. Dies ist aufgrund der von der Beklagten vorgelegten historischen Karten plausibel dargelegt, die allesamt, wenn auch in Nuancen unterschiedlich, die Gestaltung und die Lage des vormaligen Wassergrabens wiedergeben, die mit der des heutigen Teichs übereinstimmt.
58Nach alledem kann auch mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass jedenfalls in dem Bereich des Parkplatzes Reste der Außenmauern des vormaligen ……… vorhanden sind. Diese Annahme lässt sich stützen auf den Bericht von …… über die Bauwerkserkundung durch Georadar aus August 2016. Die darin in pink markierten Kästen dargestellten linearen Strukturen verlaufen genau dort, wo in Fortführung der an der Ostseite des vormaligen ………. oberirdisch noch vorhandenen Mauerreste rechtwinklig die nördliche und südliche Außenwand des ………. verliefen. Auch die von Frau ……. im Rahmen der Georadaruntersuchung festgestellten und von Herrn Dr. ……. bestätigten Bodenwellen auf dem Parkplatz sprechen dafür, dass sich dort jedenfalls im Boden Mauerreste befinden könnten, da sie höher als die übrige Parkplatzfläche liegen. Dies dürfte für ein unter der Oberfläche vorhandenes unnachgiebiges Material wie etwa Mauerwerk sprechen. Eine Ausgrabung ist an diesen Stellen nicht erfolgt, auch nicht durch die von der Klägerin beauftragte Fa. ……. Auch wenn mit der Georadaruntersuchung Mauerwerk danach nicht in dem erhofften Ausmaß festgestellt werden konnte, sind die Feststellungen zu Resten der Außenmauern und dazwischen befindlichem Bauschutt bzw. Abrissmaterial des vormaligen ………. hinreichend gesichert.
59Die Beklagte hat die Denkmalwürdigkeit der unter Schutz gestellten Fläche im Eintragungsblatt zur Denkmalliste vom 19. August 2020 sowie in dem darin in Bezug genommenen Bodendenkmalblatt vom 20. November 2019 anschaulich und nachvollziehbar mit dessen Bedeutung für die Geschichte der Menschen und der Bedeutung für Städte und Siedlungen begründet sowie wissenschaftliche, volkskundliche und städtebauliche Gründe für den Erhalt und die Nutzung angeführt. Auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen wird Bezug genommen. An der Richtigkeit der angeführten Gründe für die Bedeutung des ……… für die Geschichte …… und der …… Patrizierfamilien zu zweifeln, hat die Kammer keinen Anlass. Sie werden auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt. Soweit sie wohl die Auffassung vertritt, dass die historische Bedeutung des ………. mit der weitgehenden Zerstörung des oberirdischen Gebäudeteils verloren gegangen ist, vermag die Kammer sich dem nicht anzuschließen. Denn auch Spuren von Sachen wie etwa Überreste von Bauten - obertägig oder im Boden - können Bodendenkmäler sein und sogar der sie umgebende Boden.
60Die Kammer vermag auch der vom Kläger vertretenen Auffassung nicht zu folgen, wonach jedenfalls nicht das gesamte Grundstück unter Schutz gestellt werden dürfe. Die von der Klägerin erhobenen Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der erfolgten Unterschutzstellung im Hinblick auf die Größe der hiervon betroffenen Fläche sind unbegründet. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:
61Der im Norden gelegene Teich ist als Überbleibsel des vormaligen zum …….. gehörenden Wassergrabens anzusehen. Dies ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Auszügen aus oben bereits näher bezeichneten historischen Karten, auf denen - wenn auch in unterschiedlicher Ausdehnung - ein Wassergraben im Bereich entlang der nördlichen Grundstücksgrenze erkennbar ist. Die im Nordosten von der Fa. …….. festgestellten Bruchsteinmauern bestehen nach den Ausführungen in ihrem Bericht zum Teil aus Bauschutt, der beim Abbruch des ………. angefallen ist. Die Einbeziehung dieses nördlich des vormaligen ………. gelegenen Grundstücksteils in den Bereich des Bodendenkmals ist danach sachlich begründet und nicht unverhältnismäßig.
62In dem Bereich zwischen Teich und unmittelbar an die nördliche Seitenwand des vormaligen ………. anschließend befand sich im Westen ein sog. Ökonomiegebäude. Dies hat der Herr Dr. ………. vom Fachbereich Denkmalpflege/Stadtarchäologie der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar anhand der vorgelegten Lichtbilddokumentation der Fa. ……. über den Abbruch der Ruine in den frühen sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts dargelegt. Daraus ergibt sich auch, dass in dem Bereich zwischen dem südlichen Rundturm und der südlichen Grundstücksgrenze auf einer gelb markierten Fläche Abbruchmaterial (Steine) lagerte. In diesem Bereich hat die Fa. ……….. ausweislich ihres Berichts zur archäologischen Sachverhaltsermittlung …….. ……….. (Aktivitätsnummer NW 2021/1025) von März 2021 u.a. im Arbeitsbereich (AB) 8 im Südosten des Schutzbereichs eine Grabung durchgeführt, bei der u.a. massive, mit Bauschutt durchsetzte Auffüllschichten festgestellt wurden. In der Zusammenfassung heißt es hierzu, dass der Verlauf des Grabens im südöstlichen Schnitt habe bestätigt und vervollständigt werden können. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung, welche Aussage sich in Bezug auf den auf dem Foto Abbildung 6 auf Seite 11 des Berichts von archaeologie.de erkennbaren bogenförmigen hellen Streifen treffen lasse, hat Herr Dr. …….. erklärt, es handele sich um einen Hinweis auf die vormals (auch) dort verlaufende Wasserumwehrung des …….. Danach konnten auch im südlichen Grundstücksbereich archäologische Befunde erhoben werden.
63Nach alledem kann davon ausgegangen werden, dass in dem nahezu gesamten unter Schutz gestellten Bereich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Bodendenkmäler vorhanden sind. Die als Bodendenkmal eingetragene Fläche des klägerischen Grundstücks ist mithin nicht zu groß gewählt bzw. unverhältnismäßig.
64Nach alledem besteht auch kein Anspruch auf die von der Klägerin begehrte Löschung des Bodendenkmals aus der Denkmalliste der Beklagten.
65Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen findet nicht statt, da dieser keinen Sachantrag gestellt und sich somit auch selbst keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 162 Abs. 3 VwGO.
66Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung.
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