Beschluss vom Verwaltungsgericht Aachen - 9 L 522/22
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
2. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag des Antragstellers,
3dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihn vorläufig bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zum Aktenzeichen 9 K 1269/22 im Schuljahr 2022/2023 in die 5. Jahrgangsstufe der B. -M. -Gesamtschule H. aufzunehmen,
4hat keinen Erfolg.
5Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsgrund sowie Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).
6Der Antragsteller hat bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ihm kommt nach Maßgabe einer im einstweiligen Rechtsschutz allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung kein Anspruch auf Aufnahme in die 5. Jahrgangsstufe der B. -M. -Gesamtschule H. zu.
7Das Gericht lässt dahinstehen, ob der Antrag nicht bereits deshalb keinen Erfolg haben kann, weil dem Antragsteller von vornherein allenfalls ein Anspruch auf Neubescheidung zustehen kann. Die Schulaufnahme steht nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Februar 2005 (GV. NRW. S. 102), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Februar 2022 (GV.NRW. S. 250), (im Folgenden: SchulG NRW) und den Bestimmungen der Verordnung über die Ausbildung und die Abschlussprüfungen in der Sekundarstufe I in der Fassung vom 1. Mai 2021 (SGV. NRW. 223; im Folgenden: APO-S I), außerhalb der zwingenden rechtlichen Vorgaben, im pflichtgemäßen Ermessen des Schulleiters. Für Schüler, die die Aufnahme begehren, bedeutet dies, dass sie grundsätzlich nur einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung über ihren Aufnahmeantrag haben. Wird dieser wegen eines Ermessensfehlers im Aufnahmeverfahren nicht erfüllt, hat dies im Rechtsmittelverfahren in der Hauptsache - einem Widerspruchs- oder Klageverfahren - grundsätzlich zur Folge, dass die Antragsteller lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung ihres Antrags auf Aufnahme haben (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
8Vgl. VG Köln, Beschluss vom 31. Mai 2022 - 10 L 754/22 -, juris, Rn. 8 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. August 2021 ‑ 18 L 1384/21 -, juris, Rn. 5.
9Einer abschließenden Entscheidung bedarf es nicht, denn der Schulleiter der B. -M. -Gesamtschule H. hat den Antrag des Antragstellers auf Aufnahme in die Jahrgangsstufe 5 dieser Schule für das Schuljahr 2022/2023 zu Recht abgelehnt.
10Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW entscheidet die Schulleiterin oder der Schulleiter (im Folgenden: Schulleiter) innerhalb des vom Schulträger festgelegten Rahmens, insbesondere der Zahl der Parallelklassen pro Jahrgang, über die Aufnahme der Schülerin oder des Schülers (im Folgenden: Schüler) in die Schule. Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 SchulG NRW kann die Aufnahme unter anderem dann abgelehnt werden, wenn die Aufnahmekapazität der Schule erschöpft ist.
11Das ist hier der Fall. Die Aufnahmekapazität der B. -M. -Gesamtschule H. für das Schuljahr 2022/2023 in der Jahrgangsstufe 5 ist mit der Aufnahme von 108 Schülerinnen und Schülern erschöpft.
12Nach Maßgabe des vom Schulträger festgesetzten Rahmens wurden in diesem Schuljahr in der Jahrgangsstufe 5 der B. -M. -Gesamtschule H. vier Eingangsklassen gebildet. Die Gesamtaufnahmekapazität in diesen vier Eingangsklassen ergibt sich rechnerisch aus deren Größe, welche gemäß § 93 Abs. 2 Nr. 3 SchulG NRW durch die Verordnung zur Ausführung des § 93 Abs. 2 SchulG NRW bestimmt wird. Für das Aufnahmeverfahren zum Schuljahr 2022/2023 ist diese Verordnung in der Fassung der Änderungsverordnung vom 5. Mai 2021 anzuwenden (VO 2021 zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW).
13Der Schulleiter der B. -M. -Gesamtschule H. hat die Aufnahmekapazität unter Berücksichtigung deren Eigenschaft als Schule des Gemeinsamen Lernens und der vom Schulträger festgelegten Zügigkeit rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt.
14Nach § 6 Abs. 5 Sätze 1 und 2 der VO 2021 zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW beträgt der Klassenfrequenzrichtwert in der Sekundarstufe I u.a. der Gesamtschule 27 und es gilt die Bandbreite 25 bis 29. Grundsätzlich muss diese Bandbreite bei entsprechenden Anmeldeüberhängen zwar ausgeschöpft werden. Denn der verfassungsrechtliche Anspruch auf Zugang zum öffentlichen Bildungswesen unter zumutbaren Bedingungen begründet für den die Aufnahme begehrenden Schüler und seine Eltern einen Rechtsanspruch auf Ausschöpfung der verordnungsrechtlich bestimmten Aufnahmekapazität.
15Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. August 2018 - 19 B 1153/18 -, juris, Rn. 13 f., m.w.N.; VG Aachen, Urteil vom 18. Januar 2019 ‑ 9 K 2380/18 -, juris, Rn. 19; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. August 2021 - 18 L 1384/21 -, juris, Rn. 26.
16Gemäß § 46 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW kann der Schulleiter im Einvernehmen mit dem Schulträger die Zahl der in die Klasse 5 aufzunehmenden Schülerinnen und Schüler jedoch begrenzen, wenn ein Angebot für Gemeinsames Lernen eingerichtet wird, rechnerisch pro Parallelklasse mindestens zwei Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf aufgenommen werden und im Durchschnitt aller Parallelklassen der jeweilige Klassenfrequenzrichtwert nach der Verordnung zur Ausführung des § 93 Abs. 2 SchulG NRW nicht unterschritten wird. Gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 der VO 2021 zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW kann in Klassen des Gemeinsamen Lernens die Bandbreite unterschritten werden, wenn rechnerisch pro Parallelklasse mindestens zwei Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf aufgenommen werden und im Durchschnitt aller Parallelklassen die Bandbreite eingehalten wird.
17Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. An der B. -M. -Gesamtschule H. wurden zum Schuljahr 2022/2023 neun Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf in die Klasse 5 aufgenommen. Verteilt auf die vier Eingangsklassen ergibt sich hieraus rechnerisch eine Aufnahme von 2,25 Schülerinnen und Schülern pro Klasse. Der Klassenfrequenzrichtwert von 27 wird bei einer Aufnahme von insgesamt zunächst 108 (4 x 27) Schülerinnen und Schülern in vier Parallelklassen im Durchschnitt ebenfalls nicht unterschritten. Der Schulleiter konnte von der ihm in § 46 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW in Verbindung mit § 6 Abs. 5 Satz 3 der VO 2021 zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen und den Bandbreitenhöchstwert von 29 im Einvernehmen mit dem Schulträger um den Wert 2 unterschreiten, so dass insgesamt nur 108 Schülerinnen und Schüler aufgenommen wurden.
18vgl. zu vergleichbaren Fallgestaltungen: OVG NRW, Beschluss vom 30. Juli 2020 - 19 B 998/20 -, Rn. 3 f.; Urteil vom 23. Januar 2019 ‑ 19 A 2303/17 -, Rn. 90; Beschlüsse vom 19. Oktober 2018 ‑ 19 B 1353/18 -, Rn. 9, und vom 30. November 2016 ‑ 19 B 1142/16 -, Rn. 9; VG Aachen, Urteil vom 18. Januar 2019 ‑ 9 K 2380/18 -, Rn. 22; VG Köln, Beschlüsse vom 1. Juli 2021 ‑ 10 L 1088/21 -, Rn. 19 f., und vom 4. Juni 2020 - 10 L 757/20 -, Rn. 8 ff., alle juris.
19Die Entscheidung, die Bandbreite nicht auszuschöpfen, ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Insbesondere erweist sich die zugrundeliegende Ermessensausübung im Ergebnis als rechtsfehlerfrei, vgl. § 114 VwGO. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist die Reduzierung des Bandbreitenhöchstwerts auf den Klassenfrequenzrichtwert nicht im Sinne einer gesetzlichen Regelvorgabe intendiert und bedarf daher grundsätzlich einer gesonderten Begründung.
20Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. August 2021 - 19 B 1343/21 -, juris, Rn. 5, und vom 30. Juli 2020 - 19 B 998/20 -, a.a.O., Rn. 4 ff.
21Zwar lässt der Ablehnungsbescheid vom 15. März 2022 eine Ermessenausübung dahingehend nicht erkennen, sondern erwähnt lediglich die Ausschöpfung der "Klassenfrequenzhöchstwerte". Die für die Begrenzung maßgeblichen Ermessenerwägungen sind jedoch keine zwingenden Begründungselemente jedes die Aufnahme eines Schülers ablehnenden Bescheides.
22Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Juli 2020 - 19 B 998/20 -, a.a.O., Rn. 6, und vom 19. Oktober 2018 - 19 B 1353/18 -, a.a.O., Rn. 14 f., m.w.N.
23Im Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2022 ist ausgeführt, dass "damit [war] der Frequenzhöchstwert für die Klassenbildung unter Berücksichtigung der Inklusion ausgeschöpft" war. Daraus folgt, wenn auch stark vereinfachend, mit noch hinreichender Klarheit, dass die Begrenzung der Zahl der Schülerinnen und Schüler auf 27 je Klasse auf die Berücksichtigung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf zurückzuführen ist. Die Ausübung des durch § 46 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW eingeräumten Ermessens ist damit begründet und noch ausreichend dokumentiert.
24Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juli 2020 - 19 B 998/20 -, a.a.O., Rn. 4 ff.
25Das nach § 46 Abs. 4 SchulG NRW erforderliche Einvernehmen des beigeladenen Schulträgers liegt vor. Dies ergibt sich jedenfalls aus dem Schreiben der Beigeladenen vom 4. August 2022.
26Die Aufnahmekapazität der B. -M. -Gesamtschule H. ist darüber hinaus auch rechtlich erschöpft, da das Aufnahmeverfahren innerhalb des vom Schulträger festgesetzten Rahmens ordnungsgemäß durchgeführt und hierbei keine Plätze an Schülerinnen und Schüler vergeben wurden, die bei der Verteilung nicht hätten berücksichtigt werden dürfen.
27Anhaltspunkte dafür, dass der beigeladene Schulträger bei der Rahmenfestlegung im Sinne des § 46 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW auf vier Eingangsklassen von ihrem hinsichtlich des "Wie" dieser Organisationsentscheidung bestehenden,
28vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. November 2016 - 19 B 1066/16 -, juris, Rn. 24 f.; VG Köln, Beschluss vom 23. Juni 2021 ‑ 10 L 829/21 -, juris, Rn. 16 ff.,
29weiten Ermessensspielraum fehlerhaft Gebrauch gemacht hat, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
30Der danach bestehenden Aufnahmekapazität von 108 (4 x 27) Plätzen standen 147 Anmeldungen gegenüber. Davon standen neun in einem gesonderten Verfahren (vgl. § 1 Abs. 4 APO-S I) zu vergebende Plätze nur für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf zur Verfügung. Im Hinblick auf den Anmeldeüberhang für die übrigen 99 Plätze hatte der Schulleiter der B. -M. -Gesamtschule H. gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG NRW in Verbindung mit § 1 Abs. 2 APO-S I ein Auswahlverfahren durchzuführen.
31Der Antragsteller geht mit seiner Annahme fehl, der Schulträger habe einen Schuleinzugsbereich nach § 84 Abs. 1 SchulG gebildet, mit der Folge dass nach § 1 Abs. 3 Satz 1 APO-S I zunächst Kinder berücksichtigt würden, die im Schuleinzugsbereich wohnen oder bei denen ein wichtiger Grund nach § 84 Abs. 1 SchulG NRW besteht.
32Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW kann der Schulträger für jede öffentliche Schule ein räumlich abgegrenztes Gebiet als Schuleinzugsbereich bilden.
33Zwar hat der beigeladene Schulträger am 4. Juli 2012 zunächst eine entsprechende Rechtsverordnung erlassen. Allerdings hat er diese nach der Einführung des damaligen § 46 Abs. 6 SchulG NRW durch das 10. Schulrechtsänderungsgesetz vom 10. April 2014, wonach der Schulträger festlegen kann, dass Schülerinnen und Schülern, die in ihrer Gemeinde eine Schule der gewählten Schulform im Sinne des § 10 SchulG NRW besuchen können, die Aufnahme verweigert wird, wenn die Zahl der Anmeldungen die Aufnahmekapazität der Schule übersteigt, nach einem Hinweis der Bezirksregierung Köln vom 20. Januar 2015 aufgrund seiner Rechtswidrigkeit nicht mehr angewandt. Vielmehr wurde zunächst am 29. Januar 2015 ein Beschluss nach § 46 Abs. 6 SchulG a.F. getroffen, der mit Beschluss vom 19. November 2015 jedoch wieder aufgehoben wurde.
34Dagegen ist nichts zu erinnern. Eine Satzung bzw. Rechtsverordnung nach § 84 Abs. 1 SchulG NRW kann vom Schulträger nur erlassen werden, wenn er mehrere Schulen einer Schulform unterhält.
35Vgl. Jülich/van den Hövel, Schulrechtshandbuch Nordrhein-Westfalen, Stand: Juli 2022, § 84, Rn. 5
36Wenn auch der Wortlaut der Norm ("jede öffentliche Schule") vermeintlich eine andere Auslegung nahe legt, ergibt sich jedoch sowohl aus der Genese als auch aus der Zusammenschau mit § 46 Abs. 5 und 6 SchulG NRW a.F., dass die Bildung von Schuleinzugsgebieten voraussetzt, dass es im Gebiet des Schulträgers mehrere Schulen einer Schulform gibt.
37§ 84 Abs. 1 SchulG NRW ersetzt ausweislich der Begründung des Schulgesetzes den § 9 Abs. 1 Schulverwaltungsgesetz und "folgt dem geltenden Recht".
38Vgl. LtDrs. 13/5394, S. 113.
39Die genannte Norm besagte ausweislich ihres Satzes 2, dass für weiterführende öffentliche Schulen nach Schulform, Schulart und Schultyp im Gebiet des Schulträgers durch Rechtsverordnung ein räumlich abgegrenztes Gebiet als Schuleinzugsbereich gebildet werden konnte. Dies setzte denknotwendig voraus, dass es im Gebiet des Schulträgers mehrere Schulen einer Schulform gab.
40Auch aus der Einführung des § 46 Abs. 6 SchulG NRW a.F. ergibt sich, dass eine vorrangige Aufnahme gemeindeeigener Kinder durch einen entsprechenden Beschluss zu erfolgen hat, nicht jedoch durch die Bildung von Schuleinzugsbereichen.
41Übersteigt die Zahl der Anmeldungen die Aufnahmekapazität der Schule, hat der Schulleiter ein Auswahlverfahren durchzuführen, bei dem er Härtefälle zu berücksichtigen und im Übrigen für die Aufnahmeentscheidung eines oder mehrere der in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 6 APO-S I niedergelegten Kriterien heranzuziehen hat. Dabei steht dem Schulleiter hinsichtlich der Auswahl, welche Kriterien heranzuziehen sind, Ermessen zu.
42Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. August 2018 - 19 E 688/18 -, juris, Rn. 4 ff., vom 17. August 2016 - 19 B 826/16 -, juris, Rn. 5 ff., und vom 13. Dezember 2013 - 19 E 1086/13 -, juris, Rn. 14 f.; VG Aachen, Urteil vom 18. Januar 2019 - 9 K 2380/18 -, a.a.O., Rn. 28.
43Die Ermessensausübung des Schulleiters hat sich insofern im Sinne einer groben Zielvorgabe daran auszurichten, ob eine außergewöhnliche Sondersituation eines einzelnen angemeldeten Kindes vorliegt, in der es gewichtige, in dessen Person oder in seiner familiären Situation liegende individuelle Gründe unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten rechtfertigen, es auch unter Inkaufnahme einer Reduzierung der Aufnahmechance konkurrierender Schülerinnen und Schüler und ihrer Eltern bevorzugt aufzunehmen.
44Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. November 2016 - 19 B 1142/16 -, a.a.O., Rn. 10, und vom 13. Dezember 2013 - 19 E 1086/13 -, a.a.O., Rn. 10.
45Im Rahmen dieser allgemeinen Umschreibung verbleibt dem Schulleiter ein erheblicher Ermessensspielraum, insbesondere hinsichtlich der Schwelle des Härtefalls im Einzelfall. Die gerichtliche Überprüfung ist auf die in § 114 Satz 1 VwGO genannten Ermessensfehler beschränkt.
46Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Dezember 2013 - 19 E 1086/13 - , a.a.O., Rn. 11.
47Gemessen daran ist die Ermessensentscheidung des Schulleiters der B. -M. -Gesamtschule nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass der Schulleiter einen in der Person des Antragstellers liegenden Härtefall ermessensfehlerhaft nicht berücksichtigt hat, sind nicht ersichtlich. Eine derartige Berücksichtigung kommt grundsätzlich nur ausnahmsweise und nur unter Anlegung strenger Maßstäbe in Betracht, wenn wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls die Zuweisung zu einer anderen als der gewünschten Schule zu unzumutbaren Konsequenzen für die Betroffenen führen würde.
48Dass dies beim Antragsteller der Fall sein soll, ist nicht erkennbar. Insbesondere begründen sowohl ADS als auch Schulweglänge keine besonderen Umstände, aufgrund derer die Zuweisung zu einer anderen Schule zu unzumutbaren Konsequenzen für den Antragsteller führen würde.
49Dies gilt zunächst für den im Widerspruchsverfahren geltend gemachten Verdacht auf das Vorliegen von ADS und die nunmehr im gerichtlichen Verfahren durch die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des SPZ T. vom 29. Juli 2022 bestätigten Diagnose ADS, die es aus Sicht des Antragstellers "wünschenswert" mache, dass er die B. -M. -Gesamtschule H. besucht.
50Vgl. zu einem ähnlichen Fall (ADHS): OVG NRW, Beschluss vom 13. Dezember 2013 - 19 A 2054/13 -, juris, Rn. 11.
51Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller eine etwaige Förderung - sofern diese in einem gesonderten Verfahren nach der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke (AOSF) als notwendig erachtet würde - nur an dieser Schule erhalten könnte. Auch legt der Antragsteller nicht substantiiert dar, dass der Besuch einer wohnortnahen Schule nicht nur - wie für viele andere Schüler - wünschenswert, sondern wegen seiner Beeinträchtigungen von besonderem Gewicht ist.
52Auch die vom Antragsteller behauptete, auf "Kenntnissen" der Cousine seines Vaters beruhende Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln von einer Stunde stellt keinen besonderen Härtefall dar. Zunächst ist - wie auch § 13 Abs. 3 der Verordnung zur Ausführung des § 97 Abs. 4 Schulgesetz (Schülerfahrkostenverordnung) zum Ausdruck bringt - erst ein regelmäßiger Schulweg, der auch bei Ausnutzung der günstigsten Verkehrsverbindungen für die Hin- und Rückfahrt zusammengerechnet mehr als drei Stunden in Anspruch nimmt, nicht mehr zumutbar. Zudem beträgt der Schulweg etwa zur X. -C. -Gesamtschule in V. -Q. ausweislich der gängigen Datenbanken im Internet - beispielsweise mit der Linie 491 einschließlich des Fußweges - deutlich unter einer Stunde.
53Auch gegen die Auswahl der im Rahmen der Aufnahmeentscheidung herangezogenen Kriterien bestehen keine rechtlichen Bedenken.
54Hier hat der Schulleiter das gesetzlich vorgegebene Kriterium der Leistungsheterogenität sowie von den möglichen weiteren Auswahlkriterien nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 6 APO-S I im Rahmen seines Auswahlermessens die Kriterien "ausgewogenes Verhältnis von Mädchen und Jungen" (Nr. 2) und "Losverfahren" (Nr. 6) herangezogen.
55Fehler bei der Auswahl und Anwendung der Aufnahmekriterien, die zu Ungunsten des Antragstellers durchgreifen, sind nicht feststellbar.
56Der für Gesamtschulen in § 1 Abs. 2 Satz 3 APO-S I zwingend vorgeschriebene Grundsatz der Leistungsheterogenität verlangt, dass die Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule in ihrer Leistungsfähigkeit die gesamte Leistungsbreite in einem ausgewogenen Verhältnis vertreten. Wie dieses ausgewogene Verhältnis hinsichtlich der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu bilden ist, ist weder gesetzlich noch sonst rechtsverbindlich geregelt und obliegt daher dem Auswahlermessen des Schulleiters. Er kann der geforderten Leistungsheterogenität dadurch Rechnung tragen, dass er die angemeldeten Schülerinnen und Schüler in zwei oder drei Leistungsgruppen aufteilt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der neu gebildete Jahrgang das Leistungsprofil des gesamten Bewerberkreises proportional abbildet; sachgerecht ist vielmehr, wenn als Referenzrahmen der „gesamten Leistungsbreite“ das Leistungsbild aller Grundschulabgängerinnen und -abgänger am jeweiligen Standort der Gesamtschule zugrunde gelegt wird. Der Schulleiter hat im Rahmen des ihm zustehenden Auswahlermessens in sachgerechter Weise die Zahl der zu bildenden Leistungsgruppen und die Abgrenzungskriterien für die Gruppenbildung festzulegen. Sind dann anhand eines sachgerecht und zweckmäßig festgelegten Schwellenwerts (Notendurchschnitts) mehrere Leistungsgruppen gebildet worden, müssen aus jeder Gruppe möglichst gleich viele Schülerinnen und Schüler ausgewählt werden, wenn nicht ausnahmsweise besondere Gründe für ein abweichendes Vorgehen vorliegen.
57vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Januar 2019 - 19 A 2303/17 -, a.a.O., Rn. 49 ff., m.w.N.
58Insoweit wird die Aufnahme gleich vieler Kinder aus den jeweils gebildeten Leistungsgruppen verlangt, und zwar einschließlich der Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf.
59Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Januar 2019 - 19 A 2303/17 -, a.a.O., Rn. 66 und 104; VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. August 2021 ‑ 18 L 1576/21 -, juris., Rn. 34.
60Die hier vorgenommene Einteilung in drei Leistungsgruppen ist nicht zu beanstanden. Die Einteilung der Leistungsgruppen erfolgte dergestalt, dass jedes Leistungsniveau gleichermaßen vertreten sein sollte. Die dieser Einteilung zugrunde liegenden Erwägungen des Schulleiters sind sowohl sachgerecht als auch zweckmäßig. Auch die Bildung von drei Leistungsgruppen anhand eines Notendurchschnitts in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht von 1,5 und 3,0 als jeweiligem Grenzwert ist nicht zu beanstanden. Sie lässt unter Berücksichtigung von Prognoseunsicherheiten zum einen in etwa erwarten, dass eine im Allgemeinen für die Führung der gymnasialen Oberstufe ausreichende Zahl von leistungsstärkeren Schülerinnen und Schülern aufgenommen wird, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie die höheren Abschlüsse der Sekundarstufe I erreichen werden; sie ermöglicht zum anderen, dass bei der Aufnahme in grundsätzlich angemessener Zahl leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden, für die die sonstigen Abschlüsse der Gesamtschule erreichbar sind, wenn sie sich nicht doch gemäß ihrer durch ihre Fähigkeiten und Neigungen und die darauf abgestellte schulspezifische Förderung bestimmten schulischen Entwicklung für die höheren Abschlüsse qualifizieren.
61Vgl. aus der Rechtsprechung etwa: OVG NRW, Beschluss vom 27. Juli 2020 - 19 B 938/20 -, Rn. 12 ff. (zwei Leistungsgruppen mit einem Grenzwert von 2,5); Urteil vom 23. Januar 2019 - 19 A 2303/17 -, Rn. 51 und 61 (zwei Leistungsgruppen mit einem Grenzwert von 2,5 im Durchschnitt aller Noten außer dem Fach Religion und zweifacher Wertung der Fächer Sprache, Sachkunde und Mathematik), und Beschluss vom 4. Oktober 2002 - 19 B 1829/02 -, Rn. 10 f. (drei Leistungsgruppen mit Grenzwerten von 2,3 und 2,8 in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachkunde); VG Aachen, Urteil vom 18. Januar 2019 - 9 K 2380/18 -, Rn. 38 (zwei Leistungsgruppen mit einem Grenzwert von 2,5 in den Fächern Deutsch und Mathematik), und Beschluss vom 3. September 2010 - 9 L 310/10 -, Rn. 16 (zwei Leistungsgruppen mit dem Grenzwert von 2,8 im Gesamtdurchschnitt); alle juris.
62Dass es bei der konkreten Einteilung der Schülerinnen und Schüler in die Leistungsgruppen zu Fehlern gekommen ist, ist nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich.
63Die Heranziehung der Kriterien des ausgewogenen Geschlechterverhältnisses (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 APO-S I) und des Losverfahrens (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 APO-S I) neben dem Kriterium der Leistungsheterogenität ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht der bei Gesamtschulen verbreiteter Ermessenspraxis, mit der das Ziel verfolgt wird, den Aufnahmebewerberinnen und ‑bewerbern möglichst gleiche Aufnahmechancen zu geben und das Aufnahmeverfahren übersichtlich und effizient zu gestalten. Nach dem Maßstab des § 114 VwGO ist diese verbreitete Ermessenspraxis nicht zu beanstanden.
64Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Dezember 2013 - 19 E 1086/13 -, a.a.O., Rn. 16; VG Aachen, Urteil vom 18. Januar 2019 - 9 K 2380/18 -, a.a.O., Rn. 32; VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 6. August 2021 - 18 L 1576/21 -, juris, Rn. 24, und vom 25. Juni 2014 - 18 L 1210/14 -, juris, Rn. 25.
65Dies gilt auch hier. Dagegen, dass der Schulleiter im Rahmen seines Auswahlermessens das Kriterium der Schulwege (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 APO-S I) nicht herangezogen hat, ist nichts zu erinnern. Ein Anspruch auf eine Heranziehung eines bestimmten Auswahlkriteriums wie der Berücksichtigung der Schulwege – und damit des Wohnorts – besteht nicht.
66Soweit sich die Anwendung der Auswahlkriterien indes gleichwohl teilweise als fehlerhaft erweist, folgt hieraus kein Anspruch des Antragstellers auf Aufnahme oder auf Neubescheidung. Denn es ist nicht ersichtlich, dass sich der Fehler im Verfahren für den Antragsteller nachhaltig ausgewirkt hat.
67Der Schulleiter hat ausweislich des Protokolls der Auswahlsitzung am 25. April 2022 und der Stellungnahme des Antragsgegners vom 18. August 2022 bei der Einteilung der Schülerinnen und Schüler in die drei Leistungsgruppen und dem durchgeführten Losverfahren die fünf zieldifferent beschulten Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf nicht berücksichtigt. Dies ist fehlerhaft, da das Kriterium der Leistungsheterogenität – ungeachtet der Eigenständigkeit des Aufnahmeverfahrens der Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung nach § 1 Abs. 4 APO-S I – diese Schülerinnen und Schüler mit umfasst.
68Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Januar 2019 - 19 A 2303/17 -, a.a.O., Rn. 66 und 104; VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. August 2021 - 18 L 1576/21 -, a.a.O., Rn. 34.
69Dieser Fehler hat sich bei der Ablehnung der Aufnahme des Antragstellers aber nicht ergebnisrelevant ausgewirkt, da eine Mitberücksichtigung der fünf Schülerinnen und Schüler die Chancen seiner Aufnahme im Losverfahren nicht verändert hätte. Es liegt gleichsam auf der Hand, dass die betroffenen Schülerinnen und Schüler der Leistungsgruppe III zuzuordnen gewesen wären. Der Antragsteller ist jedoch in Leitungsgruppe II eingeordnet. In einem solchen Fall, in dem sich ein Fehler im Aufnahmeverfahren nicht auf einen Antragsteller auswirkt, folgt daraus kein Anspruch auf Aufnahme in die Schule.
70Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Juli 2020 - 19 B 938/20 -, a.a.O., Rn. 17, und Urteil vom 23. Januar 2019 - 19 A 2303/17 -, a.a.O., Rn. 83.
71Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer hat die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aus Billigkeit für nicht erstattungsfähig erklärt. Sie hat sich keinem Kostenrisiko ausgesetzt, weil sie keinen Antrag gestellt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
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