Beschluss vom Verwaltungsgericht Arnsberg - 6 L 211/00
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Entziehungsverfügung des Antragsgegners vom 26. Januar 2000 wird wiederhergestellt, soweit dem Antragsteller damit die Fahrerlaubnis der Klasse 3 entzogen worden ist.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 4.000,00 DM festgesetzt.
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G r ü n d e:
2Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 26. Januar 2000 wiederherzustellen, soweit ihm damit die Fahrerlaubnis der Klasse 3 entzogen wurde,
4ist begründet.
5Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus, da der angefochtene Verwaltungsakt nach dem Sach- und Streitstand im hier maßgebenden gegenwärtigen Zeitpunkt bei der gebotenen summarischen Prüfung offensichtlich rechtswidrig ist.
6Als Rechtsgrundlage der Entziehungsverfügung hat der Antragsgegner § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) in Verbindung § 46 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung, FeV) herangezogen. Deren Voraussetzungen liegen nicht vor. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen.
7Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 4 StVG ist geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen hat. Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV ist ein Inhaber einer Fahrerlaubnis insbesondere dann ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, daß der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, daß der Inhaber einer Fahrerlaubnis nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, so kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis die Beibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr anordnen (§ 46 Abs. 4 iVm § 11 Abs. 6 bis 8 FeV).
8Nach Maßgabe dieser Bestimmungen ist die Anordnung des Antragsgegners vom 14. Juli 1999, wonach der Antragsteller "zur Überprüfung der Fahreignung" eine Fahrprobe vor einem amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr ablegen sollte, rechtswidrig. Dies hat zur Folge, daß der Antragsgegner aus der Weigerung der Beibringung des zu Unrecht geforderten Gutachtens nicht auf die Nichteignung/Nichtbefähigung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen durfte (vgl. § 11 Abs. 8 FeV). Im Zusammenhang mit der Beurteilung der Eignung und Befähigung des Antragstellers zum Führen eines Kraftfahrzeuges hat dieser zunächst seine gesundheitliche Eignung durch die Vorlage des amtsärztlichen Zeugnisses vom 7. Juli 1999 nachgewiesen. Nach dem Untersuchungsergebnis ist der Antragsteller "weiterhin zum Führen von Kraftfahrzeugen, PKW, gesundheitlich geeignet"; weitere Maßnahmen - etwa eine Fahrprobe zur Abklärung einer altersbedingten Leistungsminderung - waren aus amtsärztlicher Sicht nicht erforderlich. Darüber hinaus liegen aufgrund des Polizeiberichtes vom 7. Mai 1999 keine Tatsachen für die Annahme vor, daß der Antragsteller nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen ist und deshalb das vom Antragsgegner geforderte Gutachten (Fahrprobe) vorlegen muß. Danach verursachte der Antragsteller am 7. Mai 1999 beim Einparken auf einem Parkplatz eines Kaufhauses einen Sachschaden und war u.a. nach Auffassung des PK L "in körperlicher Hinsicht nicht mehr in der Lage ein KFZ sicher zu führen" und von einem schuldhaften Verhalten nicht zu überzeugen. Seine Eignung zum Führen von PKW in "körperlicher Hinsicht" hat der Antragsteller jedoch - wie dargelegt - durch die Vorlage des amtsärztlichen Attestes vom 7. Juli 1999 nachgewiesen. Der von PK L hergestellte Zusammenhang zwischen der Verursachung eines Sachschadens bei einem Einparkvorgang und der geäußerten Vermutung, der Antragsteller sei aus körperlichen Gründen nicht in der Lage, ein Fahrzeug sicher zu führen ist, in dieser Allgemeinheit jedoch nicht geeignet ist, berechtigte Bedenken in Hinblick auf die Annahme der Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu begründen. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 5 Nr. 3 StVG - nur hierauf bezieht sich offenbar die Aufforderung des Antragsgegners vom 14. Juli 1999 - ist befähigt zum Führen von Fahrzeugen, wer die zum sicheren Führen eines KFZ erforderlichen technischen Kenntnisse besitzt und zu ihrer praktischen Anwendung in der Lage ist. Der zum Anlaß für die umstrittene Begutachtung genommene Unfall vom 7. Mai 1999 vermag Zweifel an der Befähigung im dargelegten Sinn nicht zu begründen. Aus dem polizeilichen Unfallbericht ergeben sich keine Besonderheiten, die eine entsprechende Annahme stützen könnten. Denn zum einen wurde weder der konkrete Unfallhergang geschildert noch die Höhe des Sachschadens konkretisiert; zum anderen handelt es sich bei diesem Vorfall um ein häufiger vorkommendes "alltägliches Geschehen", das ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht zur einer Überprüfung der Befähigung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen führen kann, auch wenn sich dieser im Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen uneinsichtig zeigt. Es ist auch nicht erkennbar, daß der bisher straßenverkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getretene Antragsteller z.B. durch eine unsichere Fahrweise aufgefallen ist; allein das Erreichen eines hohen Alters - ohne das Hinzutreten weiterer Umstände - begründet nicht Zweifel an der Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Einzelfall. Dies wird auch dadurch verdeutlicht, daß § 10 FeV allgemein nur das Mindestalter für die Erteilung einer Fahrerlaubnis regelt, sich aber nicht zu einem Höchstalter von Fahrerlaubnisinhabern verhält.
9Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 27. Juli 1990 - 10 S 1428/90 -, DAR 1991, 114 und vom 13. Dezember 1988 - 10 S 874/88 -, NZV 1989, 206; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Auflage, § 2 StVG Rdnr. 9; zur Anforderung eines ärztlichen Gutachtens vgl. Jagusch/Hentschel, § 11 FeV Rdnr. 11; zur Altersbegrenzung im Zusammenhang mit einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung siehe auch § 48 Abs. 5 FeV.
10Da somit der Antragsteller zu Recht die Vorlage des vom Antragsgegner mit Schreiben vom 14. Juli 1999 geforderten Gutachtens verweigert hat und deshalb die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig ist, war dem Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
11Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG). In Verfahren der vorliegenden Art ist es ausreichend und angemessen, das Interesse am vorläufigen Rechtsschutz in Höhe der Hälfte des in einem Hauptsacheverfahren anzunehmenden Regelstreitwertes von 8.000,00 DM zu bewerten.
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