Gerichtsbescheid vom Verwaltungsgericht Arnsberg - 1 K 1589/07
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand.
2Die am 23. Dezember 2005 in M. geborene Klägerin begehrt die Ausstellung eines Nachweises der deutschen Staatsangehörigkeit.
3Die simbabwische Mutter der Klägerin reiste mit einem Schengen-Visum am 11. Dezember 2004 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 4. Januar 2005 einen Asylantrag. Der wahrscheinlich angolanische Vater der Klägerin reiste bereits 1985 in die Bundesrepublik Deutschland ein, hielt sich hier mit verschiedenen Identitäten auf und beantragte mehrfach erfolglos Asyl. Vom 30. Mai 1985 bis jedenfalls zum 3. Oktober 1988 besaß er eine asylrechtliche Aufenthaltsgestattung. Seine Klagen auf Asylgewährung blieben ebenso ohne Erfolg wie Klagen auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung, Petitionen und eine Verfassungsbeschwerde. Am 6. März 2000 erhielt er eine auf zwei Jahre befristete und später verlängerte Aufenthaltsbefugnis. Mit Wirkung vom 27. Januar 2005 erteilte der Beklagte ihm eine Niederlassungserlaubnis. Der Vater der Klägerin erkannte die Vaterschaft der Klägerin bereits vor deren Geburt an.
4Unter dem 7. Februar 2006 teilte das Standesamt der Stadt M. der Mutter der Klägerin mit, dass es der zuständigen Meldebehörde mitgeteilt habe, dass die Klägerin gemäß § 4 Abs. 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe; diese Mitteilung habe keine rechtsbegründende Wirkung.
5In einem Schreiben vom 11. Juli 2006 erklärten die Prozessbevollmächtigten dem Beklagten unter Vorlage der Abstammungsurkunde und des Schreiben des Standesamtes M. , dass die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe. Dem widersprach der Beklagte mit Schreiben an die Prozessbevollmächtigten vom 18. Juli 2006.
6Mit Schreiben vom 3. Mai 2007 beantragte die Klägerin ausdrücklich die Erteilung eines Staatsangehörigenausweises.
7Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 30. Mai 2007 ab. Er führte zur Begründung u. a. aus, dass keines der Elternteile der Klägerin über einen achtjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt verfüge und damit der Klägerin den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit iure soli auch nicht habe vermitteln können.
8Die Bezirksregierung B. wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2007 zurück.
9Am 31. Juli 2007 hat die Klägerin die Klage erhoben. Sie meint, dass ihr Vater über einen achtjährigen ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland verfüge.
10Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 30. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung B. vom 26. Juni 2007 zu verpflichten, ihr einen Staatsangehörigkeitsausweis zu erteilen.
11Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
12Er verweist zur Begründung seines Antrages auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung B. sowie des Oberbürgermeisters der Stadt L. Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Das Gericht entscheidet nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid gemäß § 84 der Verwaltungsgerichtsordnung, weil es der Auffassung ist, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
16Die als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweis, weil sie keine Deutsche ist. Die angefochtenen Bescheide sind daher rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Kammer nimmt zur Begründung, um Wiederholungen zu vermeiden, gemäß § 117 Abs. 5 VwGO zunächst Bezug auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide.
17Ergänzend verweist die Kammer auf die Ausführungen in ihrem ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss vom 9. Oktober 2007. In diesem Rahmen hat die Kammer ausgeführt:
18"Ein Ausweis über die deutsche Staatsangehörigkeit wird erteilt, wenn der Anspruchsteller die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Die Klägerin ist jedoch nicht deutsche Staatsangehörige.
19Die vorliegend einzig in Betracht zu ziehende Rechtsgrundlage für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ist § 4 Abs. 3 Satz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 102-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970). Danach erwirbt ein Kind ausländischer Eltern durch die Geburt im Inland die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil 1. seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und 2. ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (BGBl. 2001 II S. 810) besitzt. Ein rechtmäßiger Aufenthalt ist zwar im Falle des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) oder einer der Aufenthaltsgenehmigungen des § 5 des Ausländergesetzes 1990 (AuslG 1990) wie auch bei einer asylrechtlichen Aufenthaltsgestattung (§ 55 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG -) regelmäßig gegeben. Für den rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG reicht es aber nicht aus, wenn die nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz erforderlichen acht Jahre eines rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts eines Elternteils nur unter Einrechnung von Zeiten einer Aufenthaltsgestattung zur Durchführung eines Asylverfahrens erreicht werden könnten, der Asylantrag aber unanfechtbar abgelehnt worden ist.
20Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 29. März 2007 - 5 C 8.06 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2007, S. 1088.
21Zudem muss die achtjährige Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes im Zeitpunkt der Geburt des Kindes erreicht sein.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2004 - 1 C 31.03 -, NVwZ 2005, S. 707.
23Nach diesen rechtlichen Maßgaben erfüllt keines der beiden ausländischen Elternteile der am 23. Dezember 2005 geborenen Klägerin die aufenthaltsmäßigen Voraussetzungen für einen "Ius-Soli-Erwerb" der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG durch die Klägerin.
24Die simbabwische Mutter der Klägerin reiste mit einem Schengen-Visum am 11. Dezember 2004 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 4. Januar 2005 einen Asylantrag. Sie hielt sich nach diesen Daten bis zur Geburt der Klägerin nur ein Jahr und zwölf Tage im Bundesgebiet auf und kann daher schon keinen achtjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen. Unabhängig davon besitzt sie auch kein unbefristetes Aufenthaltsrecht, sondern wird derzeit nur geduldet.
25Der wahrscheinlich angolanische Vater der Klägerin reiste bereits 1985 in die Bundesrepublik Deutschland ein, hielt sich hier mit verschiedenen Identitäten auf und beantragte mehrfach erfolglos Asyl. Seine Klagen auf Asylgewährung blieben ebenso ohne Erfolg wie Klagen auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung, Petitionen und eine Verfassungsbeschwerde. Am 6. März 2000 erhielt er eine auf zwei Jahre befristete und später verlängerte Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG 1990). Mit Wirkung vom 27. Januar 2005 erteilte der Beklagte ihm eine Niederlassungserlaubnis auf der Basis des § 26 Abs. 4 AufenthG. Hiernach hatte der Vater der Klägerin bei ihrer Geburt seinen rechtmäßigen Aufenthalt - ungeachtet etwaiger Unterbrechungen - im Bundesgebiet äußerstenfalls seit dem erstmaligen Erhalt einer Aufenthaltsgenehmigung in Gestalt der Aufenthaltsbefugnis, d. h. seit 5 Jahren, neun Monaten und siebzehn Tagen, so dass er im Zeitpunkt der Geburt der Klägerin im Dezember 2005 noch keinen achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt absolviert hatte. Zwar besaß er ab dem 30. Mai 1985 bis jedenfalls zum 3. Oktober 1988 eine asylrechtliche Aufenthaltsgestattung. Die Zeiten dieser Aufenthaltsgestattung dürfen der Zeit seines rechtmäßigen Aufenthaltes aber nach den oben dargelegten rechtlichen Maßgaben nicht zugerechnet werden, weil seine Asylanträge unanfechtbar abgelehnt wurden (vgl. auch § 55 Abs. 3 AsylVfG).
26Weil sonstige Erwerbsgründe für die deutsche Staatsangehörigkeit gleichfalls nicht ersichtlich sind, hat die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit nicht erworben.
27Schließlich begründet oder beweist auch die Mitteilung des Standesbeamten, dass die Klägerin durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit (zusätzlich) erworben habe, den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Klägerin nicht. Dieser Vermerk hat den Charakter eines Hinweises, der lediglich auf rechtlichen Erkenntnissen und Schlüssen des Standesbeamten beruht und daher am öffentlichen Glauben der Personenstandsbücher nicht teilnimmt. Die Eintragungen bei der Geburt eines Kindes ausländischer Eltern in Deutschland beweisen nur die Tatsache der Inlandsgeburt, nicht aber die rechtliche Eigenschaft des Kindes als deutscher Staatsangehöriger.
28Vgl. Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, Kommentar, 4. Aufl., 2005, § 4 StAG, Rn. 87 und 88."
29Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat die hiergegen erhobene Beschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 7. Oktober 2008 - 19 E 1134/07 - zurückgewiesen. Es hat ergänzend ausgeführt:
30"Soweit das Ausländeramt der Stadt L. unter dem 29. Juni 2006 in einem Formular vermerkt hat, der Vater der Klägerin habe zum Zeitpunkt ihrer Geburt "seit acht Jahren im Inland ununterbrochen rechtmäßigen Aufenthalt" gehabt, und der Standesbeamte unter dem 30. November 2006 in demselben Formular festgestellt hat, die am 23. Dezember 2005 geborene Klägerin habe die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 4 Abs. 3 StAG erworben, haben die Feststellungen weder unter dem von der Klägerin angeführten Aspekt der Selbstbindung der Verwaltung (Art. 3 Abs. 1 GG) noch sonst für das vorliegende, gegen den Beklagten gerichtete staatsangehörigkeitsrechtliche Verfahren rechtliche Bindungswirkung. Abgesehen davon sind die Feststellungen aus staatsangehörigkeitsrechtlicher Sicht auch unzutreffend. Bei der Geburt der Klägerin hielt sich ihr Vater nicht im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG seit acht Jahren rechtmäßig im Inland auf, weil ihm erstmals am 6. März 2000 eine Aufenthaltsbefugnis erteilt worden ist. In der Zeit vor dem 6. März 2000 hielt er sich lediglich gestattet oder geduldet im Bundesgebiet auf. Derartige Aufenthaltszeiten begründen aus den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts keinen rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG. ..... Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Ausländerbehörde der Stadt L. dem Beklagten nach dem 29. Juni 2006 telefonisch mitgeteilt hat, dass ihre Feststellung vom 29. Juni 2006 fehlerhaft sei und ein Antrag des Vaters der Klägerin auf Einbürgerung mit der Begründung abgelehnt worden sei, er verfüge nicht über den erforderlichen 8-jährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt."
31Die Kammer hält auch nach nochmaliger Prüfung an ihrer im Prozesskostenhilfebeschluss geäußerten Auffassung fest und macht sich im Übrigen die vorstehenden ergänzenden Anmerkungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zu eigen.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
33Die Kammer sieht von einer Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO ab, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.
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