Urteil vom Verwaltungsgericht Arnsberg - 9 K 2556/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
T a t b e s t a n d:
2Die am 00. geborene Klägerin wurde am 15. Februar 2011 in die Senioren-Residenz N. in vollstationäre Pflege (Pflegestufe I) aufgenommen. Am 21. Februar 2011 ging beim Beklagten ein Antrag der Trägerin der Senioren-Residenz, der N. GmbH & Co.OHG, auf Gewährung von Pflegewohngeld für die Klägerin ein.
3Die Klägerin und ihr Ehemann, Herr I1. , der mit Beschluss des Amtsgerichts T1. vom 22. März 2011 (5 XVII H 742) zum Betreuer für die Klägerin bestellt wurde, sind je zu ½ Eigentümer des Hausgrundstücks T2. , F. . Der Ehemann der Klägerin bezifferte die Grundstücksgröße mit 505 qm, die Wohnfläche des im Jahr 1939 erbauten Hauses mit 175 qm und den Verkehrswert mit 120.000,00 EUR.
4Am 7. Juni 2011 beantragten die Klägerin und ihr Ehemann Leistungen nach dem SGB XII und trugen zur Begründung vor, sie hätten die Heimkosten bisher aus Ersparnissen bestritten, die nunmehr aufgebraucht seien. Die Klägerin gab an, über kein Einkommen zu verfügen. Der Ehemann der Klägerin verfügte ausweislich der Einkommenserklärung über folgende Einkünfte:
5- Altersrente in Höhe von monatlich 1.323,81 EUR
6- Zusatzrente in Höhe von monatlich 83,90 EUR
7- Nebeneinkünfte in Höhe von monatlich 391,84 EUR
8Gesamt 1.799,55 EUR
9Mit Schreiben vom 31. Mai 2011 teilte die Sparkasse F. dem Ehemann der Klägerin mit, dass sie das Einfamilienhaus besichtigt habe und den Marktpreis auf ca. 115.000,00 EUR schätze.
10Mit Bescheid vom 8. Juni 2011 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Pflegewohngeld mit der Begründung ab, dass die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann zu je ½ Anteil Eigentümerin eines Einfamilienhauses in F. sei, das sie selbst nicht mehr bewohne.
11Mit Darlehensbescheid vom 9. Juni 2011 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass das Grundstück im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB XII verwertbar sei. Der Klägerin und ihrem Ehemann werde daher als Gesamtschuldner ab 1. Mai 2011 zur Finanzierung der Heimpflegekosten darlehensweise Sozialhilfe gemäß § 91 SGB XII nach dinglicher Sicherung ‑ Bestellung einer Grundschuld zugunsten des Beklagten in Höhe von 50.000,00 EUR ‑ gewährt.
12Mit notarieller Urkunde des Notars Q. , vom 30. Juni 2011 (Urkundenrolle Nr. 266/2011) bestellten die Klägerin und ihr Ehemann zur Absicherung der Gewährung von Sozialhilfe zugunsten des Beklagten auf dem Pfandobjekt (Grundbesitz Gemarkung F.) eine Grundschuld von 50.000,00 EUR.
13Mit Schreiben vom 14. September 2011 teilte die IKK-Pflegekasse der Klägerin mit, dass nach dem Gutachten des Medizinischen Dienstes bei ihr Pflegebedürftigkeit der Stufe 3 bestehe und die Pflegeversicherung ab dem 1. Juni 2011 die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege in Höhe von monatlich bis zu 1.510,00 EUR übernehme.
14Mit Bescheid vom 20. Dezember 2011 gewährte der Beklagte der Klägerin ab 1. Mai 2011 ein Darlehen zur Finanzierung der Heimkosten in der Seniorenresidenz N. und wies darauf hin, dass die Klägerin aus den Gesamteinkünften der Eheleute in Höhe von 1.799,55 EUR einen Eigenanteil in Höhe von 659,13 EUR an das Pflegeheim zu zahlen habe. Unter „Hinweis“ war unter anderem ausgeführt:
15„Die Höhe der monatlichen Sozialhilfe richtet sich nach der Pflegestufe, die Ihnen die Pflegekasse bestätigt hat oder zukünftig anerkennen wird. Außerdem richtet sich die Höhe nach den zwischen Heimträger und Pflegekassen vereinbarten täglichen Pflegesätzen und vom Träger der Sozialhilfe anerkannten täglichen Investitionskosten.“
16In der Anlage 1 zum Bescheid war unter Ziffer 3. Folgendes ausgeführt:
17„3. nachrichtlich:
18Zusätzlich zu den Leistungen nach dem SGB XII wird zur Deckung der Investitionskosten Pflegewohngeld i. H. v. 437,14 EUR monatlich gewährt.“
19Der Beklagte leistete für die Zeit vom 1. Mai 2011 bis 31. Januar 2012 einen Betrag in Höhe von 14.162,35 EUR an die Senioren-Residenz N. .
20Mit Schreiben vom 25. Dezember 2011 erhob der Ehemann der Klägerin gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2011 Widerspruch, den er im Wesentlichen wie folgt begründete: Er habe inzwischen vollständige Einsicht in die Gerichtsakte beim Betreuungsgericht erhalten. In diesen Akten werde die Klägerin als mittellos geführt. Aufgrund dieser Mittellosigkeit seien mehrere Rechnungen und Zahlungen aus der Staatskasse beglichen worden. Daher seien auch die Pflegekosten bzw. der Eigenanteil aus der Staatskasse zu begleichen; die Grundschuldeintragung sei demnach hinfällig und zu löschen.
21Mit Schreiben vom 4. Januar 2012 erklärte der Ehemann der Klägerin, dass er seinen Widerspruch „auf die gesamte Kostenberechnung, insbesondere die Kostenberechnung für seinen Lebensunterhalt“ erweitere.
22Mit Schreiben vom 2. November 2011 übersandte das Amtsgericht Lippstadt einen Grundbuchauszug, ausweislich dessen für das Grundstück G1., am 21. Oktober 2011 eine Grundschuld zu Gunsten des Beklagten in Höhe von 50.000,00 EUR eingetragen worden ist.
23Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2012 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück und führte hierzu aus: Gemäß § 2 SGB XII erhalte Sozialhilfeleistungen nicht, wer sich vor allem durch den Einsatz seines Einkommens und Vermögens selbst helfen könne oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhalte (Grundsatz der Subsidiarität). Aus dem Einkommen habe die Klägerin zur Deckung ihres Grundsicherungs- und Taschengeldbedarfs im Heim in der Zeit von Mai bis Dezember 2011 – abweichend von den Angaben im Bescheid vom 20. Dezember 2011 ‑ einen monatlichen Betrag in Höhe von 701,41 EUR und ab Januar 2012 in Höhe von 694,41 EUR einzusetzen. Die Klägerin verfüge als Miteigentümerin des Hauses T2. , F. auch über einzusetzendes Vermögen. Dies sei nicht nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII geschützt. Nach dieser Vorschrift dürfe die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt werde und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden solle. Die Angemessenheit bestimme sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes. Hiernach sei das Haus T2. , F. , nicht angemessen. Die Wohnfläche sei mit 175 qm unangemessen groß, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Wohnfläche von 130 qm für einen 4-Personen-Haushalt angemessen sei, wobei bei geringerer Bewohnerzahl ein Abschlag von je 20 qm für jede Person vorzunehmen sei, und ausschließlich der Ehemann der Klägerin dort wohne. Auch sei das Grundstück mit 505 qm für einen Bewohner unangemessen groß. Da aber für den Ehemann der Klägerin als Miteigentümer die sofortige Verwertung des Hauses eine Härte bedeuten würde, solle die Sozialhilfe als Darlehen im Sinne des § 91 SGB XII geleistet werden, wobei die Leistungserbringung von einer dinglichen Sicherung abhängig gemacht werden könne. Es möge zutreffen, dass die Klägerin beim Betreuungsgericht als mittellos gelte, da sie kein eigenes Einkommen habe. Die Klägerin verfüge aber über einzusetzendes Vermögen.
24Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht E. (Az.: S 41 SO 210/12) erhoben. Das Sozialgericht E. hat das Verfahren mit Beschluss vom 10. Februar 2014 bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens ausgesetzt. Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin am 17. Februar 2014 Beschwerde zum Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen eingelegt.
25Mit Schreiben vom 8. Juni 2012 – beim Beklagten eingegangen am 11. Juni 2012 ‑ stellte der Ehemann der Klägerin für diese erneut einen Antrag auf Bewilligung von Pflegewohngeld. Mit Schreiben vom 16. Juni 2012 wies er zur Begründung seines Antrags darauf hin, dass die Klägerin in der Betreuungsakte des Amtsgerichts M1. als mittellos geführt werde und daher mehrere Rechnungen ‑ u. a. für die Löschung des Grundpfandrechts – aus der Staatskasse beglichen worden seien.
26Mit Bescheid vom 31. August 2012 lehnte der Beklagte die Gewährung von Pflegewohngeld für die Klägerin ab und verwies zur Begründung darauf, dass die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann Eigentümerin von Haus- und Grundvermögen sei.
27Daraufhin hat die Klägerin am 12. September 2012 die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen geltend macht: Der angegriffene Bescheid verletze ihre Rechte aus §§ 12 Abs. 3 LPflG NW i. V. m. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII. Danach sei die Angemessenheit nach der Kombinationstheorie unter Würdigung aller Kriterien zu beurteilen. Eine Automatik, nach der bereits die Unangemessenheit eines Kriteriums zur Unangemessenheit des gesamten Grundstücks führte, sei gesetzeswidrig. Ausgehend hiervon überschreite das Hausgrundstück die Angemessenheitsgrenze nicht, da allein die Wohnungsgröße mit 120 qm als unangemessen zu bezeichnen sei. Der Zuschnitt und die dem im Baujahr 1980 üblichen Standard entsprechende Ausstattung des Hauses seien angemessen. Der Verkehrswert liege mit 115.000,00 EUR deutlich im unteren Bereich für freistehende Einfamilienhäuser im Landkreis des Beklagten und sei angemessen. Für die genannte Summe könne ein freistehendes Haus dieser Art nicht mehr hergestellt werden. Die Grundstücksgröße halte sich mit 505 qm im Rahmen der örtlichen Gegebenheiten. Aus den Lageplänen könne geschlossen werden, dass in dem maßgeblichen Teil von F. keine kleineren Grundstücke vorhanden seien.
28Die Klägerin beantragt – schriftsätzlich ‑,
29den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 31. August 2012 zu verpflichten, der Klägerin Pflegewohngeld in gesetzlicher Höhe ab dem 8. Juni 2012 zu gewähren.
30Der Beklagte beantragt – schriftsätzlich ‑,
31die Klage abzuweisen.
32Er bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid.
33Der Beklagte hat beim Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis T1. ein Kurzgutachten über den Verkehrswert des bebauten Grundstücks T2. , F. , Gemarkung F. , eingeholt. Ausweislich des Gutachtens ist das Grundstück 505 qm groß und die Wohnfläche beträgt 120 qm. Der Verkehrswert wurde zum Wertermittlungsstichtag 1. Juni 2011 mit 110.000,00 EUR ermittelt.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.
35E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
36Die Kammer entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung (vgl. § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑).
37Die als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Klage ist nicht begründet.
38Maßgeblicher Anspruchszeitraum ist hier die Zeit vom 11. Juni 2012 bis 10. Juni 2013. Gemäß § 7 Abs. 2 der Pflegeeinrichtungsförderverordnung (PflEinrFVO) vom 15. Oktober 2003, GV NRW 2003, 611 wird Pflegewohngeld (längstens) für einen Zeitraum von zwölf Monaten ab Antragstellung bewilligt. Ausgehend von dem Eingang des Pflegewohngeldantrags beim Beklagten am 11. Juni 2012 als Grundlage des klägerischen Anspruches endet der streitgegenständliche Zeitraum am 10. Juni 2013. Für diesen Zeitraum hat die Klägerin keinen Anspruch auf Bewilligung von Pflegewohngeld für ihren Heimplatz. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 31. August 2012 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
39Anspruchsgrundlage für das begehrte Pflegewohngeld ist § 12 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Umsetzung des Pflege-Versicherungsgesetzes (Landespflegegesetz Nordrhein-Westfalen - PfG NW) vom 19. März 1996 in der Fassung der Änderung vom 3. Mai 2005 (GV. NRW. S. 498). Danach wird vollstationären Dauerpflegeeinrichtungen zur Finanzierung ihrer betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen Pflegewohngeld gewährt. Gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 PfG NW wird vollstationären Dauerpflegeeinrichtungen Pflegewohngeld gewährt, wenn das Einkommen und das Vermögen der Heimbewohnerin und des Heimbewohners im Sinne des Absatzes 2 und seines nicht getrennt lebenden Ehegatten oder ihren eingetragene Lebenspartnerinnen oder seinen Lebenspartnern zur Finanzierung der Aufwendungen für Investitionskosten ganz oder teilweise nicht ausreicht. Die Vorschriften des Ersten bis Dritten Abschnitts des Elften Kapitels des SGB XII und die §§ 25 ff. BVG zur Bestimmung des anrechenbaren Einkommens und des Vermögens bei der stationären Hilfe zur Pflege gelten nach Satz 2 der Vorschrift entsprechend. Abweichend hiervon ist gemäß Satz 3 der Vorschrift bei der Anrechnung des Einkommens der Heimbewohnerin und dem Heimbewohner ein weiterer Selbstbehalt von 50 Euro monatlich, mindestens jedoch der jeweilige Einkommensüberhang, zu belassen. Die Gewährung von Pflegewohngeld darf nach Satz 4 der Vorschrift zudem nicht abhängig gemacht werden von dem Einsatz oder der Verwertung kleinerer Barbeträge und sonstiger Geldwerte in Höhe von bis zu 10.000 Euro. Der Fünfte Abschnitt des Elften Kapitels des SGB XII und die §§ 27g und 27h des BVG finden gemäß Satz 5 der Vorschrift keine Anwendung.
40Hiervon ausgehend hat die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum keinen Anspruch auf Bewilligung von Pflegewohngeld.
41Zwar reichte das Einkommen der Klägerin und ihres Ehemannes im gesamten streitigen Zeitraum nicht zur Finanzierung der Investitionskosten aus. Die Klägerin selbst verfügt über keine eigenen Einkünfte, ihr Ehemann bezieht ein monatliches Gesamteinkommen in Höhe von 1.799,55 EUR. Das insoweit einzusetzende Einkommen genügt nicht, um die nach Abzug der Pflegeversicherungsleistungen verbleibenden Kosten der Pflegeeinrichtung, darunter die Investitionskosten in Höhe von monatlich 437,14 EUR, zu begleichen. Die verbleibenden Kosten betrugen nach der vorgelegten Rechnung der Pflegeeinrichtung für den Monat Mai 2012 1.392,41 EUR.
42Die Klägerin und ihr Ehemann verfügen jedoch als Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks T2. in F. über einzusetzendes Vermögen, das zur Finanzierung der Aufwendungen im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 PflG NRW ausreicht. Diese Vorschrift schreibt die vollständige Zusammenrechnung des Vermögens des Heimbewohners und des Vermögens seines Ehegatten bei nicht getrennt lebenden Ehegatten zwingend vor. Allein auf dieses Gesamtvermögen ist der in § 12 Abs. 3 Satz 4 PflG NRW festgelegte, ungeteilte Vermögensschonbetrag von 10.000,00 EUR in Anrechnung zu bringen.
43Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 15. Januar 2014 – 12 B 1478/13 ‑, vom 28. Januar 2011 – 12 A 2782/10 ‑, juris, und vom 27. Dezember 2010 ‑ 12 A 2494/10 ‑, juris; Urteil vom 25. Mai 2009 – 12 A 2663/06 ‑, juris.
44Der Umstand, dass die Klägerin schon seit einiger Zeit in einem Pflegeheim lebt, führt nicht zu einem Getrenntleben der Eheleute. Denn die Tatsache der Unterbringung eines Ehegatten in einem Heim reicht allein für die Bejahung eines Getrenntlebens nicht aus, auch wenn die Unterbringung nicht nur vorübergehend ist. Für die Annahme eines Getrenntlebens ist vielmehr Voraussetzung, dass mindestens ein Ehegatte den Willen hat, sich vom anderen Ehegatten unter Aufgabe der bisherigen Lebensgemeinschaft auf Dauer zu trennen,
45vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 16. März 2006 – 5 B 97.05 -, juris; Urteil vom 26. Januar 1995 – 5 C 8.93 ‑, BVerwGE 97, 344, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Januar 2014 ‑ 12 B 1478/13 ‑, vom 28. Januar 2011 – 12 A 2782/10 ‑, juris, und vom 27. Dezember 2010 – 12 A 2494/10 ‑, juris; Landessozialgericht (LSG) NRW, Beschluss vom 28. Juni 2007 – L 20 B 37/07 SO ER ‑, juris,
46wofür hier nichts ersichtlich ist.
47Das Hausgrundstück der Klägerin und ihres Ehemannes ist nicht angemessen im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII und deshalb nach § 12 Abs. 3 Satz 2 PflG NRW i. V. m. § 90 Abs. 1 SGB XII als – den Schonbetrag im Wert weit übersteigendes – Vermögen einzusetzen bzw. zu verwerten.
48Nach § 12 Abs. 3 Satz 2 PflG NRW i. V. m. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII darf die Gewährung von Pflegewohngeld nicht abhängig gemacht werden von dem Einsatz oder der Verwertung eines angemessenen, selbstgenutzten Hausgrundstücks. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (z. B. behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes. Die Prüfung der Angemessenheit des Hausgrundstücks erfolgt in Anwendung der sog. Kombinationstheorie.
49Vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 7/08 R ‑, NVwZ-RR 2010, 152, juris; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 17. Januar 1991 – 5 C 53/86 ‑, BVerwGE 87, 278, juris; Urteil vom 17. Januar 1980 – 5 C 48/78 ‑, BVerwGE 59, 294, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Januar 2014 – 12 B 1478/13 – und vom 12. September 2011 – 12 A 199/11 ‑, juris; Urteil vom 28. August 1997 – 8 A 631/95 ‑, NVwZ-RR 1998, 503, juris; Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Auflage 2012, § 90 Rn. 48 und 54.
50Danach ist die Angemessenheit nach Maßgabe und Würdigung aller in § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII bezeichneten personen-, sach- und wertbezogenen Kriterien zu beurteilen. Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich das Hausgrundstück der Klägerin und ihres Ehemannes als unangemessen.
51Zwar ist zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass die mit 505 qm bezifferte Grundstücksfläche noch nicht unangemessen sein dürfte, weil der nach üblicher Praxis einschlägige Grenzwert für den ländlichen Bereich bei 500 qm zu veranschlagen ist,
52vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Januar 2014 – 12 B 1478/13 – und vom 12. September 2011 – 12 A 199/11 ‑, juris, m. w. N.,
53und auch der gemäß Kurzgutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis T1. ermittelte Verkehrswert in Höhe von 110.000,00 EUR eher dem unteren Bereich zuzuordnen sein dürfte. Anhaltpunkte dafür, dass der ermittelte Verkehrswert in Frage zu stellen wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
54Jedoch fällt zum Nachteil der Klägerin maßgeblich ins Gewicht, dass die Wohnfläche mit 120 qm weit über den bestehenden Bedarf hinausgeht und darüber hinaus weitere Nutzflächen vorhanden sind.
55Bei der Ermittlung des konkreten Wohnbedarfs erscheint es sachgerecht, sich an den für den öffentlich geförderten Wohnungsbau geltenden Wohnflächenobergrenzen des – außer Kraft getretenen - § 39 II. WoBauG mit hier 130 qm für ein Familienheim zu orientieren und von dieser an einem Vierpersonenhaushalt ausgerichteten Wohnfläche bei geringerer Bewohnerzahl einen Abschlag von je 20 qm pro Person bis zu einer Belegung des Hauses mit zwei Personen vorzunehmen. Diese Vorgehensweise entspricht den in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aufgestellten Grundsätzen zu den §§ 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII und 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II.
56Vgl. BSG, Urteile vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 7/08 R ‑, NVwZ-RR 2010, 152, juris, vom 15. April 2008 – B 14/7b AS 34/06 R ‑, BSGE 100, 186, juris, und vom 7. November 2006 – B 7b AS 2/05R ‑, BSGE 97, 203, juris.
57Es besteht keine Veranlassung, bei der entsprechenden Anwendung des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII im Pflegewohngeldrecht von diesen Grundsätzen abzuweichen.
58Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 12. September 2011 ‑ 12 A 199/11 ‑, juris.
59Demgemäß sind hier, da das Haus (nur) von dem Ehemann der Klägerin bewohnt wird, 40 qm von dem Ausgangswert (130 qm) in Abzug zu bringen, so dass sich ein Wohnflächenbedarf von 90 qm ergibt, der nach den tatsächlichen Verhältnissen um 30 qm – also um ein Drittel der Bedarfsfläche – überschritten wird. Darüber hinaus ist im Rahmen der Gesamtbetrachtung zum Nachteil der Klägerin zu berücksichtigen, dass das Hausgrundstück, wie aus dem eingeholten Kurzgutachten hervorgeht, über eine Garage und damit über weitere Nutzflächen verfügt.
60Das Hausgrundstück ist auch voraussichtlich in Höhe eines Betrags von 50.000,00 EUR wirtschaftlich verwertbar. Verwertbar ist ein Grundstück (nur) in Höhe des Verkaufserlöses abzüglich der Belastungen.
61Vgl. Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 90, Rn. 26.
62Vorliegend dürfte der in Höhe von 110.000,00 EUR ermittelte Verkehrswert des Hausgrundstücks auch als voraussichtlich zu erzielender Verkaufserlös anzusetzen sein. Nach Abzug der Vermögensschongrenze von 10.000,00 EUR verbleibt ein Betrag in Höhe von 100.000,00 EUR, von dem die im Zeitpunkt der Antragstellung zugunsten des Beklagten eingetragene Grundschuld in Höhe von 50.000,00 EUR in Abzug zu bringen ist.
63Dem Einsatz oder der Verwertung des Hausgrundstücks steht auch keine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII entgegen. Nach dieser – hier i. V. m. § 12 Abs. 3 Satz 2 PflG NRW entsprechend heranzuziehenden – Vorschrift darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde.
64Die Härtefallregelung erfasst atypische Fälle, bei denen aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls der Vermögenseinsatz die Betroffenen ganz oder jedenfalls teilweise unbillig belasten und den im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Leitvorstellungen des Gesetzgebers nicht gerecht würde.
65Vgl. BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 7/08 R ‑, juris, m. w. N.
66Dass der Ehemann der Klägerin einer solchen unbilligen Belastung ausgesetzt würde, erscheint schon deshalb fernliegend, weil er es in der Hand hat, eine Veräußerung des gemeinsamen Hausgrundstücks absehbar dadurch abzuwenden, dass er das vom Beklagten bewilligte und ausweislich des Verwaltungsvorgangs bereits dinglich gesicherte Darlehen vollständig in Anspruch nimmt. Anhaltspunkte dafür, dass das dinglich gesicherte Darlehen in Höhe von 50.000,00 EUR schon vor Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums für die Finanzierung der Heimkosten der Klägerin in vollem Umfang in Anspruch genommen worden ist, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Gegen eine vollständige Inanspruchnahme spricht auch bereits, dass die Klägerin gegen den Darlehensbescheid vom 20. Dezember 2011 Widerspruch erhoben und gegen den insoweit erlassenen Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2012 Klage vor dem Sozialgericht E. (Az.: S 41 SO 210/12) erhoben hat. Dass die Inanspruchnahme dieses Darlehens an unzumutbare Bedingungen geknüpft wäre, lässt sich nicht feststellen. Im Gegenteil folgt aus dem Darlehensbescheid vom 9. Juni 2011, dass das – bis zur Fälligkeit zinslos gewährte ‑ Darlehen erst nach dem Tod des letztlebenden Schuldners zurückzuzahlen ist (vgl. Ziffern 3.1 und 5.).
67Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
68Die Kammer sieht von einer Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO ab, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.
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