Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 12 K 4465/96
Tenor
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung G1 in X, das an die L Straße angrenzt.
3In der Zeit vom Januar 1989 bis September 1991 wurden in der L Straße Straßenbauarbeiten durchgeführt. Unter anderem wurden im Bereich zwischen C1- und Mstraße der Regenwasserkanal erneuert und die vorhandenen 4 alten Sinkkästen durch 14 neue ersetzt. Auf beiden Seiten der Straße wurden Parkflächen geschaffen, die in Längsrichtung durch neu hergestellte Baumscheiben unterteilt und begrenzt werden.
4Den Arbeiten lag ein Beschluß der Bezirksvertretung F vom 21. Juni 1988 (Drucksache Nr. 812/88) zugrunde, wonach in der L Straße zwischen Q- und C1straße folgende Straßenbauarbeiten durchzuführen waren:
51. Begrünung des Straßenraums
62.
73. Anordnen des Parkens in Längs- und Schrägaufstellung
84.
9Die Tiefbau- und Entwässerungsarbeiten wurden im Februar bzw. Mai 1990, die Baumpflanzungen am 21. Oktober 1991 abgenommen.
10Zu den anteiligen Kosten dieser Maßnahme im Bereich zwischen C1- und Mstraße zog der Beklagte den Kläger durch Bescheid vom 6. November 1995 auf der Grundlage von § 8 Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen - KAG - zu einem Straßenbaubeitrag in Höhe von 8.117,86 DM heran, auf den er anteilig für die Baumaßnahme gewährte Landeszuschüsse in Höhe von 1.101,78 DM anrechnete, so daß sich ein geforderter Betrag von 7.016,08 DM ergab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies er durch Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 1996, als Einschreiben zur Post am selben Tag, als unbegründet zurück.
11Mit der am 27. März 1999 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, der Bescheid sei bereits in formeller Hinsicht fehlerhaft, da er nicht eigenhändig unterschrieben sei. Zudem seien die Landeszuschüsse nicht richtig angerechnet worden. Sollte auch der Parkstreifen auf der Westseite abgerechnet worden sein, sei dies nicht rechtens, da auf der Westseite lediglich aufgrund einer Markierung das Parken halb auf der Fahrbahn und halb auf dem Gehweg erlaubt sei.
12Der Austausch von Sinkkästen sei bloße Instandsetzung, die nicht beitragsfähig sei. Die Maßnahme sei im übrigen überflüssig gewesen, da seines Erachtens die vorhandenen Sinkkästen nicht verschlissen gewesen seien. Kosten für Kanalerneuerung seien durch die Grundbesitzabgaben und den Anschlußbeitrag abgedeckt. Da die Maßnahme bereits 1989 abgeschlossen gewesen sei, sei die Beitragsforderung verjährt.
13Sein Grundstück sei sowohl bei der Abrechnung der M Straße als auch bei der vorliegenden Veranlagung jeweils mit der vollen Fläche in Ansatz gebracht worden.
14Der Kläger beantragt,
15den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 6. November 1995 in der Form des Widerspruchs- bescheides vom 26. Februar 1996 aufzuheben.
16Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Er hält die Beitragsforderung dem Grunde und der Höhe nach für gerechtfertigt. Es seien nur die standardmäßig ausgebauten Parkstreifen abgerechnet worden; sog. "halbachsiges Gehwegparken" sei im abgerechneten Abschnitt jedoch auch nicht anzutreffen. Eine Verjährung sei vor Erlaß des streitigen Beitragsbescheides nicht eingetreten, da das gemeindliche Bauprogramm erst mit der Abnahme der Baumpflanzung im Jahre 1991 erfüllt gewesen sei.
19Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
22Eine Straßenbaubeitragspflicht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - KAG - ist für das klägerische Grundstück dem Grunde nach entstanden, hinsichtlich der Höhe jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gerechtfertigt. Im übrigen sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23Dabei ist in formeller Hinsicht allerdings nicht zu beanstanden, daß der Beitragsbescheid nicht vom zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten eigenhändig unterzeichnet ist. Gem. § 119 Abs. 4 AO müssen schriftliche Verwaltungsakte, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen werden, nicht unterzeichnet sein. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Deckblatt und Berechnungsbogen, die die individuellen Angaben und Festsetzungen zum konkreten Beitragsschuldverhältnis enthalten, sind vorliegend nach Angaben des Beklagten, denen vom Kläger nicht substantiiert widersprochen wurde, mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitung automatisiert erstellt und im Original an die Beitragspflichtigen versandt worden. Demgegenüber ist es unschädlich, wenn die für alle Anlieger der abgerechneten Straße gleichlautenden Erläuterungen als Fotokopie beigefügt waren, da diese Anlagen lediglich dem Verständnis des Inhalts der Beitragsbescheide dienen, am Regelungscharakter des jeweiligen Verwaltungsakts jedoch nicht teilhaben.
24Materiell-rechtlich ist die geltend gemachte Beitragsforderung dem Grunde nach entstanden, der Höhe nach jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang berechtigt.
25Rechtsgrundlage ist § 8 KAG in Verbindung mit der im Zeitpunkt der Abnahme der Arbeiten im Oktober 1991 geltenden Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 8 KAG für straßenbauliche Maßnahmen im Gebiet der Stadt X vom 19. Oktober 1990 - KAGS -, die soweit es den hier in Rede stehenden Abrechnungsfall betrifft, gültiges Ortsrecht darstellt.
26Insbesondere ist nicht zu beanstanden, daß die Satzung keine Vergünstigung für sogenannte Eckgrundstücke enthält, mit der Folge, daß das Grundstück des Klägers sowohl bei der Veranlagung zu Beiträgen für die M Straße als auch im vorliegenden Beitragsverfahren jeweils mit der vollen Fläche in die Verteilung einbezogen wurde. Grundsätzlich steht die Entscheidung, ob eine Eckermäßigung gewährt werden soll, im Ermessen des Ortsgesetzgebers. Er kann sich auch ohne Rechtsverstoß dahin entscheiden, von einer Eckermäßigung gänzlich abzusehen, da die Vorteile der Eckgrundstücke und der sonstigen Grundstücke noch wenigstens annährend gleich sind und beide Gruppen daher gleich behandelt werden dürfen.
27Vgl. OVG NW, Urteil vom 20. Juli 1992 - 2 A 399/91 - mit weiteren Nachweisen.
28Nach den oben genannten Vorschriften erhebt die Stadt X Beiträge zum teilweisen Ersatz des Aufwandes für straßenbauliche Maßnahmen - dies sind gemäß § 1 Abs. 2 KAGS die Herstellung, Erweiterung und Verbesserung im Bereich der öffentlichen Straßen, Wegen und Plätze - und als Gegenleistung für die dadurch den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke gebotenen wirtschaftlichen Vorteile.
29Die in der L Straße durchgeführten Arbeiten stellen eine beitragsfähige, mit wirtschaftlichen Vorteilen für die Anlieger verbundene Maßnahme in diesem Sinne dar.
30Für die Beurteilung ist allerdings nicht allein auf den vom Beklagten abgerechneten Bereich zwischen C1- und Mstraße abzustellen; vielmehr umfaßt das hier maßgebliche Abrechnungsgebiet auch das anschließende Teilstück zwischen M- und Qstraße.
31Enthält die maßgebliche Beitragssatzung wie hier den sogenannten weiten Anlagebegriff, wonach eine "Anlage" nicht mit einer Erschließungsanlage im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts identisch sein muß, ist Anlage im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG alles, was im Bereich von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen Gegenstand einer Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift sein kann und was nach Maßgabe des Bauprogramms im Einzelfall hergestellt, erneuert oder verbessert werden kann.
32Vgl. OVG NW, Urteil vom 24. Oktober 1986, - 2 A 840/84 -, KStZ 1987, 74.
33Danach können grundsätzlich auch Teilstücke von Anbaustraßen selbständig abrechenbare Anlagen im beitragsrechtlichen Sinne sein,
34vgl. OVG NW, Urteil vom 5. Juli 1990, - 2 A 1691/88 -, GemHH 1992, 108 mit weiteren Nachweisen,
35wenn sich das maßgebliche Bauprogramm auf den entsprechenden Straßenbereich beschränkt. Wird dagegen aufgrund eines einheitlichen Bauprogramms im Zuge einer Gesamtbaumaßnahme eine vollständige Anbaustraße ausgebaut, und will die Gemeinde dennoch einzelne Bereiche dieser Straße einer jeweils selbständigen Beitragsveranlagung zuführen, ist dies nur im Wege einer förmlichen Abschnittsbildung nach § 8 Abs. 5 KAG möglich, es sei denn, die einzelnen Abrechnungsbereiche stellen sich bei objektiver Betrachtung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten jeweils als tatsächlich und rechtlich selbständige Erschließungsanlage dar.
36Vorliegend sah das gemeindliche Bauprogramm in Form des Beschlusses der Bezirksvertretung F vom 21. Juni 1988 (Drucksache Nr. 812/88) den Ausbau der L Straße zwischen Q- und C1straße vor. Anhaltspunkte, nach denen es sich bei objektiver Betrachtung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten bei dem Teilstück C1- bis Mstraße einerseits und der Anschlußstrecke M- bis Qstraße andererseits jeweils um tatsächlich und rechtlich selbständige Erschließungsanlagen handeln könnte, bestehen angesichts des weitgehend gleichartigen Ausbauzustandes und des untergeordneten Charakters der einmündenden Straßen nicht. Der Beklagte war zu einer gesonderten Abrechnung des Teilstücks zwischen C1- und Mstraße auch nicht etwa allein aufgrund dessen - rechtlich - gezwungen, daß - bei sonst weitgehend übereinstimmendem und zeitgleichem Ausbau - allein im abgerechneten Bereich der Regenwasserkanal vollständig erneuert werden mußte. Auch im Teilausbau einer Teileinrichtung kann nämlich eine beitragspflichtige Erneuerung in Bezug auf die gesamte Anlage liegen, was weiter unten noch ausführlich dargelegt werden wird.
37Eine separate Abrechnung des Bereichs zwischen C1- und Mstraße hätte mithin überhaupt nur im Wege der Abschnittsbildung erfolgen können, bei der sich jedoch die Frage stellen würde, ob es vorteilsgerecht wäre, allein die Anlieger dieses Abschnitts mit den Kosten der Kanalerneuerung zu belasten, obwohl die hiervon ausgehenden Vorteile den Eigentümern aller erschlossenen Grundstücke der gesamten L Straße zugute kommen dürften. Die Frage kann jedoch offen bleiben, weil ausweislich der Verwaltungsvorgänge vor Entstehen der Beitragspflicht für die L Straße insgesamt,
38vgl. hierzu Dietzel, Hinsen, Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 KAG NW, 3. Auflage 1995, Rdnr. 134 mit weiteren Nachweisen,
39eine Abschnittsbildung durch das hierfür zuständige Gemeindeorgan gar nicht vorgenommen wurde und nach diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich war.
40Das fehlerhaft gebildete Abrechnungsgebiet führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit und damit zur vollständigen Aufhebung des angefochtenen Beitragsbescheides. Bei Abgabenbescheiden, die eine durch materielles Recht begründete Abgabenpflicht lediglich deklaratorisch festsetzen, sind bei der gerichtlichen Überprüfung nämlich alle rechtlichen Begründungen und Tatsachen zu berücksichtigen, die die streitige Festsetzung zu rechtfertigen vermögen. Das schließt die Berücksichtigung auch solcher Rechtsgründe und Tatsachen ein, die die Verwaltungsbehörde zur Begründung des angefochtenen Bescheides nicht angeführt hat. Das Gericht hat also gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu prüfen, ob sich der Bescheid mit einer fehlerfreien Begründung ganz oder teilweise aufrechterhalten läßt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die anderweitige rechtliche Begründung oder das Zugrundelegen anderer Tatsachen zu einer Wesensänderung des Bescheides führen würde oder wenn die Rechtmäßigkeit des Beitrages und die (teilweise) Bestätigung des Bescheides einen Willensakt der Gemeinde voraussetzen würde und eine solche Entscheidung der Gemeinde nicht vorliegt.
41Vgl. zum Erschließungsbeitragsrecht BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1982, - 8 C 12.81 - DVBl. 1982 S. 548.
42Danach hatte das Gericht die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides unter Berücksichtigung des zutreffenden Abrechnungsgebietes zu beurteilen, weil es sich bei Fehlern infolge unrichtiger Abgrenzung des Abrechnungsgebietes nach der zitierten Rechtsprechung um reine, den Wesensgehalt des Bescheides nicht tangierende, Berechnungsfehler handelt und eine - wenn überhaupt mögliche - Abschnittsbildung vorliegend wegen des Entstehens der Beitragspflicht für die Kölner Straße insgesamt nicht mehr in Betracht kommen kann.
43Die in der L Straße in ihrer gesamten Ausdehnung durchgeführten Arbeiten erfüllen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 2 KAG i.V.m. § 1 Abs. 2 KAGS.
44Durch die Neuanlage der Parkstreifen wird die Gesamtfläche der Straße infolge der Schaffung einer zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen Teilanlage, die den ruhenden Verkehr aufnimmt, weiter funktional aufgeteilt. Die Trennung des fließenden vom ruhenden Verkehr ermöglicht einen leichteren und sichereren Verkehrsablauf. Dem steht nicht entgegen, daß die Anlieger bereits bislang ihre Fahrzeuge am Fahrbahnrand abstellen konnten. Durch die Anlegung des von der Fahrbahn getrennten Parkstreifens wird das Parken auf Dauer sicherer. Die abgestellten Fahrzeuge behindern nicht den fließenden Verkehr, sie selbst sind vor Beschädigungen durch vorbeifahrende Kraftfahrzeuge besser geschützt.
45Vgl. OVG NW, Urteil vom 20. September 1989 - 2 A 2052/86 -.
46Anhaltspunkte dafür, daß auch Bereiche abgerechnet worden sein könnten, in denen nur sog. halbachsiges Parken möglich ist, bestehen nach dem Vortrag des Beklagten und dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge nicht.
47Der Austausch des Regenwasserkanals gegen einen neuen Kanal gleicher Dimension stellt eine beitragsfähige Erneuerung dar, die dann anzunehmen ist, wenn die frühere Anlage infolge bestimmungsgemäßer Nutzung trotz ordnungsgemäßer Erhaltung und Instandsetzung so abgenutzt war, daß sie durch eine neue Anlage gleicher oder gleichwertiger Art ersetzt werden mußte.
48Vgl. OVG NW, Urteile vom 15. November 1991 - 2 A 1232/89 - und vom 4. Juli 1986 - 2 A 1761/85 -, ZKF 1987, 39 jeweils mit weiteren Nachweisen.
49Eine ordnungsgemäße Unterhaltung und Instandsetzung wird angenommen, wenn eine Anlage verschlissen und zumindest die übliche Nutzungszeit abgelaufen ist.
50Vgl. OVG NW, Urteile vom 15. November 1991 - 2 A 1232/89 - und vom 4. Juli 1986 - 2 A 1761/85 -, jeweils a.a.O.
51Daß diese Voraussetzungen bei einem Kanal, der lt. Aktenlage um die Jahrhundertwende verlegt wurde, im Jahre 1988 vorgelegen haben, kann nicht ernstlich zweifelhaft sein.
52Der Annahme einer Erneuerung steht auch nicht entgegen, daß nur der Kanal zwischen C1- und Mstraße erneuert wurde. Für das Merkmal "Erneuerung" ist nicht entscheidend, ob die Anlage quantitativ von der Strecke her nahezu vollständig vom Bauprogramm erfaßt wird. Maßgeblich ist vielmehr, ob bei natürlicher Betrachtungsweise lediglich eine oder mehrere punktuelle - nicht beitragsfähige - Unterhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten vorgenommen wurden, oder ob eine beitragsfähige Erneuerungsmaßnahme der Gesamtanlage unter Aussparung nach Einschätzung der Gemeinde nicht erneuerungsbedürftiger Teile vorliegt. § 8 Abs. 2 KAG will nämlich jedwede Verbesserung und Erneuerung einer Anlage gleich welchen räumlichen Umfangs von der Beitragspflicht erfaßt wissen und lediglich die laufende Unterhaltung und Instandsetzung ausscheiden. Daraus ergibt sich, daß eine Baumaßnahme in diese Typenkategorien eingeordnet werden muß, nicht aber danach unterschieden werden muß, ob sich eine Erneuerung räumlich mehr oder weniger vollständig auf die ganze Anlage erstreckt. Es würde die Gemeinden zu unnötigen, dem Grundsatz sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung widersprechenden Ausbauentscheidungen verleiten, wenn man für die Beitragsfähigkeit einer an sich notwendigen Erneuerung fordern würde, daß die Maßnahme in räumlicher Hinsicht bis auf untergeordnete Teile die vollständige Anlage umfaßt, weil die Gemeinden dann aus Gründen der Herbeiführung der Beitragsfähigkeit zu räumlich weiteren Bauprogrammen als der Sache nach für erforderlich gehalten geneigt sein könnten.
53Vgl. OVG NW, Urteil vom 8. Dezember 1995 - 15 A 2402/93 - zum vergleichbaren Fall einer Verbesserung i.S. des § 8 Abs. 2 KAG.
54Angesichts des Umstandes, daß der Austausch des Regenwasserkanals vorliegend ein 127 m langes, zusammenhängendes Teilstück der etwa 317 m langen L Straße betraf, können die durchgeführten Arbeiten nicht mehr als bloße Unterhaltung oder Instandsetzung bezeichnet werden, sondern sind als beitragsfähige Erneuerung im oben aufgezeigten Sinne zu qualifizieren.
55Demgegenüber stellt die Erhöhung der Zahl der Straßenabläufe eine beitragsrechtliche Verbesserung dar, weil hierdurch ein schnelleres Abfließen des auf die Straße auftreffenden Regenwassers ermöglicht wird.
56Vgl. Dietzel, Hinsen, Kallerhoff, a.a.O. Rdnr. 70.
57Anders als die Erneuerung setzt eine beitragsfähige Verbesserung allerdings keine Abnutzung der Anlage voraus
58vgl. OVG NW, Urteil vom 31. Januar 1992 - 2 A 2223788 -,
59so daß auch vorliegend offen bleiben kann, ob die vorhandenen Straßenabläufe verschlissen waren oder nicht.
60Durch die Anlegung der Parkstreifen ist auch ein wirtschaftlicher Vorteil in Form einer Steigerung des Gebrauchswertes der Anliegergrundstücke eingetreten. Die von der Fahrbahn abgegrenzten Parkstreifen verschaffen den Anliegern eine straßenrechtlich abgesicherte Parkmöglichkeit in unmittelbarer Nähe ihrer Grundstücke und verbessern insoweit die Erreichbarkeit der Grundstücke.
61Vgl. OVG NW, Urteile vom 28. Januar 1981 - 2 A 1277/79 und vom 22. Juli 1986 - 2 A 254/84 -.
62Wirtschaftliche Vorteile bieten auch die Erneuerung des Kanals und die erhöhte Zahl der Sinkkästen, da durch die Maßnahme nunmehr wieder eine auf Dauer - besser - funktionierende und störungsfreie Entwässerung der Straße gewährleistet wird, die die Erreichbarkeit der Grundstücke auf lange Zeit sichert.
63Vgl. insoweit OVG NW, Urteile vom 25. Februar 1989, - 2 A 2562/86 - und vom 21. Februar 1990, 2 A 2787/86 -.
64Die danach dem Grunde nach bestehende Beitragsforderung ist nicht verjährt. Gemäß § 12 Abs. 1 Ziffer 4 KAG in Verbindung mit § 69 Abs. 2 Abgabenordnung - AO - beträgt die Verjährungsfrist für Straßenbaubeiträge vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Beitragspflicht entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Gemäß § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG entsteht die Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Anlage, d.h. mit deren Fertigstellung entsprechend dem gemeindlichen Bauprogramm, wobei die programmgemäße Herstellung nicht bereits mit Beendigung der Arbeiten durch den Bauunternehmer, sondern erst mit der Abnahme der letzten zur Baumaßnahme gehörenden Arbeiten durch die Gemeinde abgeschlossen ist.
65Vgl. OVG NW, Urteile vom 5. Juni 1985 - 2 A 1864/83 - KStZ 1986 und vom 22. August 1995 - 15 A 3907/92 - mit weiteren Nachweisen.
66Danach ist die Beitragspflicht am 21. Oktober 1991 entstanden, weil an diesem Tage lt. Abnahmeprotokoll die Pflanzarbeiten in den neu angelegten Parkstreifen (Bäume) von der Gemeinde abgenommen worden sind. Die Bäume dienen der Gestaltung und Unterteilung der Parkstreifen und damit als Zubehör im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 3 StrWG der Verkehrsfunktion dieser Teileinrichtung,
67vgl. OVG NW, Urteil vom 29. November 1989 - 2 A 1419/87 -,
68mit der Folge, daß ihre Pflanzung zur programmgemäßen Herstellung der Parkstreifen gehört und erst nach Abnahme dieser Arbeiten eine Beitragspflicht entstehen konnte.
69Der Höhe nach sind die beitragsfähigen Kosten und die Verteilung des umlegungsfähigen Aufwands auf die erschlossenen Grundstücke nach dem oben Gesagten insoweit zu korrigieren, als der Aufwand für beide Teilstrecken der L Straße zusammenzufassen und auf alle zwischen C1- und Qstraße erschlossenen Grundstücke zu verteilen war.
70Zweifel an der Richtigkeit der vom Beklagten für die beiden Abschnitte jeweils ermittelten Kosten bestehen nicht. Insbesondere sind bei der Ermittlung der Entwässerungskosten zu Recht die vollen Kosten für die neuen Straßenabläufe sowie die Hälfte der für die Erneuerung des Kanals angefallenen Kosten der Straßenentwässerung zugeordnet und nach Abzug des Gemeindeanteils in den umlegungsfähigen Aufwand eingestellt worden.
71Entsteht in Erfüllung des Bauprogramms Aufwand an der Entwässerungsanlage, so ist zu beachten, daß diese aus mehreren Teilen besteht, die entweder allein der Straßenentwässerung, allein der Grundstücksentwässerung oder beiden Zwecken dienen. Im Rahmen des durch Straßenbaubeiträge zu deckenden Aufwands können nur die Aufwendungen beitragsfähig sein, welche die der Straßenentwässerung dienenden Teile betreffen. Uneingeschränkt beitragsfähig sind aus diesem Grund die Kosten für die Straßenabläufe und die diese mit dem Kanal verbindenden Leitungen, da diese ausschließlich der Straßenentwässerung dienen. Sind von der Ausbaumaßnahme - auch - Einrichtungen betroffen, die mehreren Zwecken dienen, z.B. ein Regenwasserkanal, der wie im vorliegenden Fall sowohl das auf der Straße als auch das auf den - versiegelten - Grundstücksflächen anfallende Regenwasser aufnimmt, so muß dem dadurch Rechnung getragen werden, daß die Straßenentwässerung nur mit einem bestimmten Anteil der für den Ausbau oder Erneuerung dieser Anlage entstandenen Kosten belastet wird. Denn durch das Betreiben und in der Folge durch die Erneuerung einer solchen Gemeinschaftseinrichtung werden Kosten gespart, die zusätzlich anfallen würden, wenn sowohl für die Straßen- als auch für die Grundstücksentwässerung getrennte Anlagen betrieben würden. Dabei ist es im Fall eines reinen Regenwasserkanals im oben beschriebenen Sinne nach der Rechtsprechung grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der auf die Straßenentwässerung und die Grundstücksentwässerung entfallende Anteil jeweils mit 50 % der entstanden Kosten angesetzt wird. Denn es ist davon auszugehen, daß in der Regel die Kosten für zwei getrennte Regenwasserkanäle im wesentlichen gleich hoch sein werden, da Verlegungstiefe und Rohrdurchmesser nicht voneinander abweichen werden.
72Vgl. Dietzel, Hinsen, Kallerhoff, a.a.O. Rdnr. 165 sowie Driehaus, Kommunalabgabenrecht § 8, Rdnr. 328, jeweils mit weiteren Nachweisen.
73Danach hat auch der Beklagte vorliegend zu Recht die Hälfte der für die Erneuerung des Kanals entstandenen Kosten in den beitragsfähigen Aufwand einbezogen. Dem steht nicht entgegen, daß die Stadt X im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung für die Nutzung des städtischen Kanalsystems, wie die im Verfahren vom Kläger vorgelegte Berechnung zeigt, von einem anderen Verhältnis der eingeleiteten Regenwasseranteile und einem nicht unerheblich höheren Anteil des auf den Grundstücken anfallenden Regenwassers ausgeht, da beide Ermittlungsmethoden, -grundlagen und -zwecke nicht vergleichbar sind. Während nämlich bei der Zuordnung der anteiligen Kosten für die Herstellung bzw. Erneuerung des Regenwasserkanals zur Straßenentwässerung einerseits und Grundstücksentwässerung andererseits Grundlage die Kostenersparnis ist, die dadurch eintritt, daß in der konkreten Straße statt zwei getrennter Regenwasserkanäle nur ein - gemeinsamer - Kanal gebaut bzw. erneuert werden mußte, sind Ausgangspunkt bei der Berechnung der Kanalbenutzungsgebühr nicht Herstellungs- bzw. Erneuerungskosten einzelner - konkreter - Kanäle, sondern die Betriebskosten für das gesamte Kanalnetz der Gemeinde. Während in diesem Rahmen von Bedeutung ist, in welchem Verhältnis die gesamte - vorhandene - städtische Kanalisation durch das auf die Straße im Stadtgebiet anfallende Regenwasser einerseits und das von den übrigen versiegelten Flächen eingeleitete Wasser andererseits in Anspruch genommen wird, stellt sich bei der Bemessung des Straßenbaubeitrags allein die Frage, welche Kosten bei Herstellung getrennter Regenwasserkanäle entstanden wären und wie hoch dementsprechend die Kostenersparnis im Falle einer gemeinschaftlichen Einrichtung ist.
74Aus denselben Erwägungen ist auch die Annahme des Klägers unzutreffend, mit den von ihm entrichteten Grundbesitzabgaben und dem Anschlußbeitrag sei auch der Aufwand für die Straßenentwässerung abgegolten, da diese Abgaben ausschließlich auf den die Grundstücksentwässerung betreffenden Anteil erhoben und gezahlt werden.
75Die für die Maßnahme gewährten Landeszuschüsse sind in zutreffender Weise zur Finanzierung der Maßnahme verwendet worden. Bei öffentlichen Zuweisungen vom Bund oder den Ländern spricht eine Vermutung dafür, daß sie zunächst zur Abdeckung des von der Gemeinde endgültig zu tragenden Aufwands, d.h. zur Deckung etwaiger nicht beitragsfähiger Kosten sowie des Gemeindeanteils am beitragsfähigen Aufwand dienen.
76Vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 5. Auflage, NJW-Schriftenreihe Heft 42, § 34, Rdnr. 34 und 35 mit weiteren Nachweisen.
77Überschreitet die Zuwendung die Höhe der von der Gemeinde endgültig zu tragenden Kosten, kann der überschießende Betrag - nur - dann den Anliegern gutgeschrieben werden, wenn der Zuschußgeber für diesen Fall von vornherein auf eine Rückzahlung des Überschusses verzichtet hat.
78Demgemäß bestimmt Ziffer 8.10.5 der hier maßgeblichen "Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung städtebaulicher Maßnahmen" (Rd.Erl. d. MLS vom 16. März 1983 - III B 1-50.10-815/83 -, MBL.NW. S. 715), auf die der Zuwendungsbescheid vom 13. November 1985 ausdrücklich Bezug nimmt, daß zuwendungsfähig bei Maßnahmen im Sinne von § 8 KAG allein der nach der Beitragssatzung auf die Gemeinde entfallende Anteil ist. Ob aus den zitierten Richtlinien und dem Zuwendungsbescheid ein etwaiger Verzicht auf Rückerstattung nicht zur Deckung dieser Kosten verwendeter Fördermittel herauszulesen ist, kann vorliegend dahinstehen, da der Beklagte den überschießenden Betrag auf die Beiträge der Anlieger angerechnet hat, so daß diese jedenfalls nicht beschwert sind.
79Sonstige Fehler bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes und der Verteilung desselben auf die erschlossenen Grundstücke sind nicht ersichtlich und wurden auch vom Kläger nicht geltend gemacht.
80Unter Berücksichtigung des zutreffenden Abrechnungsgebiets (L Straße in der gesamten Länge), d.h. eines berichtigten umlegungsfähigen Aufwandes von 73.281,18 DM und der neuen Summe der Beitragsquadratmeter von 31.907,76 qm errechnet sich ein Betrag von 2,296656 DM/qm. Auf dieser Basis entfällt auf das klägerische Grundstück - unter Berücksichtigung eines ebenfalls auf die gesamte Erschließungsanlage umgerechneten Zuschußanteils (Gesamtbetrag der auf beide Abschnitte anzurechnenden Zuschüsse: 12.675,84 DM / 31.907,76 qm = 0,397265 DM/qm) - ein Beitrag von 4204,10 DM. Soweit mit dem angefochtenen Bescheid ein diesen Betrag übersteigender Beitrag gefordert wird, war der Bescheid aufzuheben; im übrigen war die Klage abzuweisen.
81Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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