Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 13 K 1656/99
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erstattung der Schülerfahrkosten seines am 00.0.1987 geborenen Sohnes F, der im Schuljahr 1998/99 die 6. Klasse des N-Gymnasiums in E besuchte. Nach einem Umzug beantragte er die Übernahme der Schülerfahrkosten ab dem 1. Dezember 1998.
3Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 8. Januar 1999 ab, weil der kürzeste Schulweg zur besuchten Schule innerhalb einer Entfernung von 3,5 km liege.
4Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein und machte geltend: Der Schulweg sei besonders gefährlich. Er führe durch Bereiche mit starkem Straßen- und Straßenbahnverkehr. Die M Straße sei teilweise nur mit einem schmalen Gehweg ausgestattet, die Straßenbahn fahre direkt am Gehweg entlang, in der Winterzeit liege die Straße zur Zeit des morgendlichen Schulweges völlig im Dunkeln und die Straße führe an einem z.T. uneinsehbaren Wald vorbei.
5Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 1999, als Einschreiben zur Post gegeben am selben Tage, wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Er führte aus: Der Schulweg sei nicht beson-ders gefährlich. Er führe über innerstädtische Straßen, die mit Gehwegen versehen seien und, jedenfalls soweit sie als verkehrs-reich anzusehen seien, an Ampelanlagen überquert werden könnten. Der Gehweg an der M Straße biete ausreichend Platz für ein gefährdungsfreies Gehen, auch wenn die Straße stark befahren sei. Von einem 12-jährigen Schüler könne erwartet werden, daß er den ihn auf dem Gehweg passierenden Verkehr wahrnehme und im Be-gegnungszeitpunkt darauf achte, sich vom Verkehr auf der Fahr-straße in sicherer Entfernung zu halten. Auch befinde er sich nicht in einer schutzlosen Situation. Wegen des starken Straßenverkehrs könnten die Schüler bei etwaigen kriminellen Übergriffen stets mit der Hilfe von vorbeifahrenden Autofahrern rechnen.
6Der Kläger hat am 8. März 1999 Klage erhoben. Er macht geltend: Die Kreuzung T-/Hstraße müsse ohne Querungshilfe passiert werden. Die vorgeschriebene Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h und das Fahrverbot für Nichtanlieger würden teilweise nicht beachtet. Die Überquerung des T1platzes berge vielerlei Gefahren, insbesondere durch den Straßenbahnverkehr. Auf einem Teilstück der M Straße müßten zahlreiche Hausein- und -ausfahrten passiert werden; auch würden auf dem Gehweg PKW geparkt. Auf dem sich anschließenden, durch den Wald führenden Streckenabschnitt bestehe die Gefahr von Übergriffen, zumal es in den Wintermonaten zur Zeit des morgendlichen Schulweges noch dunkel sei. Auf der Cstraße seien schließlich nochmals größere Überquerungen nötig.
7Der Kläger beantragt sinngemäß,
8den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 8. Januar 1999 und seines Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 1999 zu verpflichten, die Kosten für die wirtschaftlichste Beförderung seines Sohnes F zum N-Gymnasium in E im Schuljahr 1998/99 ab dem 1. Dezember 1998 zu übernehmen.
9Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen,
11und nimmt im wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug.
12Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
13Aufgrund des Beweisbeschlusses vom 17. Februar 1999 hat der Einzelrichter die Örtlichkeit des Schulweges in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der hierüber gefertigten Niederschrift vom selben Tage und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten dazu ihr Einverständnis gegeben haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
16Die Klage ist nicht begründet.
17Die ablehnenden Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
18Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Erstattung von Schülerfahrkosten.
19Nach §§ 1 Abs. 3, 2 und 7 Schulfinanzgesetz (SchFG) in Verbindung mit §§ 1 und 4 Schülerfahrkostenverordnung (SchfkVO) gehören zu den vom Schulträger zu tragenden Sachausgaben der öffentlichen Schulen auch die Kosten, die für die wirtschaftlichste, dem Schüler zumutbare Art der Beförderung zu den Schulen im Sinne des § 7 SchFG notwendig entstehen (Schülerfahrkosten). Aus dieser Bestimmung kann nach ständiger Rechtsprechung ein auf Kostenerstattung gerichteter Anspruch zugunsten desjenigen erwachsen, der mit seinen Mitteln die Kosten für die Schülerbeförderung trägt oder tragen würde, hier also für den Kläger als Vater des Schülers.
20Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Schülerfahrkostener-stattung, weil die in der Schülerfahrkostenverordnung festgelegten Voraussetzungen nicht vorliegen.
21Schülerfahrkosten sind die notwendigen Kosten für die Beförderung von Schülern (§ 5 Abs. 1 SchfkVO). Sie entstehen notwendig, wenn die Länge des Schulweges in der einfachen Entfernung für Schüler der Sekundarstufe I - wie hier den Sohn des Klägers - mehr als 3,5 km beträgt. Diese Entfernungsgrenze wird hier nicht überschritten. Das wird auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Nach den Vorschriften der SchfKO ist die Bewältigung eines bis zu 3,5 km langen Schulweges mit dem damit verbundenen Zeitaufwand ohne weiteres zumutbar.
22Unabhängig von der Länge des Schulweges besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung dann, wenn der Schulweg nach den objektiven Gegebenheiten besonders gefährlich ist (§ 6 Abs. 2 Satz 1 SchfkO). Ein Schulweg ist inbesondere dann besonders gefährlich, wenn er überwiegend entlang einer verkehrsreichen Straße ohne Gehweg oder begehbaren Randstreifen führt oder wenn eine verkehrsreiche Straße ohne besondere Sicherung für Fußgänger überquert werden muß (§ 6 Abs. 2 Satz 2 SchfkO).
23Die Voraussetzungen des zuletzt genannten § 6 Abs. 2 Satz 2 SchfkO liegen hier nicht vor. Auf dem gesamten Schulweg sind Gehwege vorhanden. Belebtere Straßen können ausnahmslos an Fußgängerampeln überquert werden. Das gilt - wie die Augenscheinnahme ergeben hat - insbesondere auch für die im Bereich des T1platzes und der Cstraße zu überquerenden Straßen.
24Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 SchfkO liegen ebenfalls nicht vor. Der Schulweg ist nicht besonders gefährlich.
25Dieses Tatbestandsmerkmal beschreibt - wie eine Auslegung ergibt - eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit der Schädigung von Rechtsgütern. Demnach sind die üblichen Risiken, denen Schüler auf dem Weg zur Schule, insbesondere im Straßenverkehr häufig ausgesetzt sind, fahrkostenrechtlich unbeachtlich. Bei der erforderlichen Einschätzung der Gefährdung ist demnach ein Fehlverhalten des Schülers oder ein rücksichtsloses, grob verkehrswidriges Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer nicht zu berücksichtigen. Denn es handelt sich um Vorgänge, die sich zu jeder Zeit an beliebiger Stelle ereignen können, die aber nicht gerade in der Eigenheit des zu betrachtenden Schulweges begründet sind. Ebensowenig ist die entferntere Wahrscheinlichkeit in Betracht zu ziehen, daß Ampelanlagen ausfallen oder Teile von Gehwegen wegen Reparaturarbeiten längere Zeit nicht benutzt werden können. Bei der Einschätzung der Gefährdung ist auf die Situation einer Schülerin oder eines Schülers in dem Alter, das zu Beginn des streitigen Bewilligungszeitraumes erreicht war, abzustellen, hier also auf ein Alter von 11 Jahren.
26Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW), Urteil vom 5. Dezember 1990 - 16 A 2578/89 -.
27Eine besondere Gefährlichkeit des Schulweges kann sich auch aus einer gesteigerten Wahrscheinlichkeit krimineller Übergriffe von Sexualstraftätern oder sonstigen Gewalttätern auf dem Schulweg ergeben. Sie ist dann zu bejahen, wenn der betreffende Schüler (z.B aufgrund des Alters oder des Geschlechts) zu einem risikobelasteten Personenkreis gehört und wenn er sich auf seinem Schulweg in einer schutzlosen Situation befindet, insbesondere weil nach den örtlichen Verhältnissen eine rechtzeitige Hilfeleistung durch Dritte nicht gewährleistet ist.
28Vgl. OVG NW, Urteil vom 18. April 1989 - 16 A 2246/86 -.
29Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist hier der Schulweg nicht als besonders gefährlich zu qualifizieren.
30Der Schulweg ist nicht geeignet, Kinder unbeobachtet anzugreifen. Zwar gibt es auf einem Teil der M Straße auf beiden Seiten keine Wohnbebauung, so daß von da bei einem eventuellen Angriff eines Straftäters keine Hilfe zu erwarten ist. Auch in diesem Bereich verläuft der Schulweg jedoch direkt neben der Straße, die stark von Kraftfahrzeugen befahren wird. Zudem haben die Verkehrsteilnehmer einen weitestgehend ungehinderten Blick auf den als Gehweg ausgestalteten Schulweg neben der Straße. Auch in den Monaten November bis Februar, wenn es während des morgend-lichen Schulweges noch dunkel ist, gewährleisten die vorhandene Straßenbeleuchtung und in gewissem Umfang auch die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Kraftfahrzeuge eine ausreichende Erkennbarkeit der Schüler für Passanten. Diese kann zudem in zumutbarer Weise durch Ausstattung etwa mit reflektierender Kleidung noch erhöht werden. Schüler können daher, anders als bei einsam gelegenen und unübersichtlichen Schulwegen, gegebenenfalls mit Hilfe von Kraft-fahrern, die die neben dem Schulweg liegende Straße benutzen, rechnen. Bei der Bewertung der Gefährlichkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts davon auszugehen, daß sich Passanten rechtmäßig verhalten und erforderliche Hilfe leisten werden. Zu-mindest wird ein potentieller Täter die für ihn damit verbundene Gefahr bei der Auswahl des Tatortes berücksichtigen.
31Der Schulweg ist auch nicht im Hinblick auf den Straßenverkehr besonders gefährlich. Wie bereits dargelegt, kann dabei grob verkehrswidriges Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer, etwa ein Nichtbeachten von Rotlicht an Ampelanlagen, von Geschwindigkeitsbeschränkungen und Durchfahrverboten oder - ebenfalls vom Kläger angesprochen - ein rücksichtsloses Drauflosfahren von Straßen-bahnen keine Rolle spielen. Zwar hält das Gericht etwa den Ab-schnitt der M Straße von der Einmündung des Qweges bis zur Einmündung der Cstraße nicht für ungefährlich. Der Weg führt zunächst an einer Reihe von Hausausfahrten vorbei, die nach Angaben des Klägers bei Verlassen der Grundstücke durchweg rückwärts befahren werden. Zudem schränken die auf dem Gehweg, allerdings auf dessen straßenzugewandter Seite, parkenden Kraft-fahrzeuge die Übersichtlichkeit ein. Nach der erforderlichen An-leitung der Schülerinnen und Schüler durch ihre Eltern und gege-benenfalls nach Ausstattung mit reflektierender Kleidung ist je-doch zu erwarten, daß 11-Jährige dieses Wegstück mit der notwen-digen Aufmerksamkeit und Vorsicht ohne gesteigerte Gefährdung passieren können. Das Gleiche gilt für den an einer mit Bäumen und Büschen bewachsenen Böschung entlangführenden Abschnitt, der einen Gehweg mit einer Breite von nur etwa 1,20 m aufweist. Gefahren besonderer Art gehen von dem Kraftfahrzeugverkehr hier im übrigen auch deshalb nicht aus, weil eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 40 km/h gilt. Nach der SchfkO ist - wie ausgeführt - ein Schulweg insbesondere dann besonders gefährlich, wenn er überwiegend ent-lang einer verkehrsreichen Straße ohne Gehweg oder begehbaren Randstreifen führt. Eine damit vergleichbare Gefährdung der Schülerinnen und Schüler ist hier nicht erkennbar.
32Wenn demnach im vorliegenden Fall der Schulweg nicht besonders gefährlich im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 SchfkO ist, bedeutet das nicht, daß sich jedes Risiko für den Sohn des Klägers zuverlässig ausschließen ließe. Dem Kläger bleibt es ungenommen, seinen Sohn weiterhin zur Schule zu befördern oder befördern zu lassen; nur muß er die Kosten dafür selbst tragen.
33Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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