Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 4 L 1365/00
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 27.500,- DM festgesetzt.
1
Gründe:
2Der am 2. Mai 2000 eingegangene Antrag der Antragstellerin mit dem sinngemäßen Begehren,
3die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 7. April 2000 (betreffend die Beseitigung von 11 Werbetafeln auf dem unbebauten Grundstück vor dem Haus xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx in xxxxxxxxxx) wiederherzustellen bzw. erstmals anzuordnen (Zwangsgeldandrohungen über jeweils 1.000,- DM)
4ist zulässig, aber unbegründet.
5Die Kammer macht von der ihr durch § 80 Abs. 5 VwGO eingeräumten Aussetzungsbefugnis keinen Gebrauch. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung entspricht den gesetzlichen Anforderungen (§ 80 Abs. 3 VwGO).
6Die Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus, weil sich die mit dem Widerspruch angefochtene Ordnungsverfügung zum gegenwärtigen Zeitpunkt als rechtmäßig erweist.
7Der Antragsgegner hat die Antragstellerin rechtmäßig zur Beseitigung der Werbetafeln (mit Ausnahme der Haltepfosten) aufgefordert. Ermächtigungsgrundlage der Ordnungsverfügung ist § 61 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NW), gegebenenfalls in Verbindung mit § 60 Abs. 2 Satz 1 BauO NW und § 14 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (OBG NW). Gem. § 61 Abs. 1 Satz 1 BauO NW haben die Bauaufsichtsbehörden darüber zu wachen, dass u.a. bei der Errichtung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die auf Grund dieser Vorschriften erlassenen Anordnung eingehalten werden. In Wahrnehmung dieser Aufgaben haben die Bauaufsichtsbehörden nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (§ 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NW).
8Die Antragstellerin hat mit der Aufstellung der 11 Werbetafeln die öffentlich-rechtlichen Vorschriften der BauO NW verletzt, weil sie bauliche Anlagen ohne die hierfür erforderlichen Genehmigungen errichtet hat bzw. hat errichten lassen. Bei den Plakatanschlagtafeln für wechselnde Werbung handelt es sich um bauliche Anlagen i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 BauO NW und gleichzeitig um Werbeanlagen i.S.d. § 13 Abs. 1 BauO NW. Für die Errichtung dieser baulichen Anlagen bedurfte die Antragstellerin Baugenehmigungen, über die sie bis heute nicht verfügt.
9Die Antragstellerin verfügt nicht über die erforderlichen Baugenehmigungen. Zwar war ihr vom Antragsgegner Anfang der 60er-Jahre jeweils eine befristete Baugenehmigung für jeweils eine Plakatanschlagtafel erteilt worden, die durch weitere Baugenehmigung des Antragsgegners vom 15. August 1968 unbefristet verlängert worden war. Diese Genehmigung erstreckte sich jedoch nur auf die Anfang der 60er-Jahre tatsächlich errichteten 2 Plakatanschlagtafeln (und ohnehin nicht auf weitere 9 Plakatanschlagtafeln). Diese 2 Plakatanschlagtafeln sind jedoch spätestens anlässlich der Baumaßnahmen im Straßenraum anlässlich des U-Bahn-Baus im Jahre 1997 endgültig entfernt und dabei ersichtlich nicht wieder angebracht worden. Damit waren die für ihre Errichtung erteilten Baugenehmigungen verbraucht. Denn eine Baugenehmigung ist vorhabenbezogen und deckt nur die einmalige Ausführung des genehmigten Vorhabens. Danach ist sie verbraucht. Auch für die erneute Ausführung eines identischen Vorhabens ist eine neue Baugenehmigung erforderlich.
10Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 20. März 1992 - 11 A 610/90 -, NWVBl 1993, 52, 53 mit weiteren Nachweisen.
11Inwieweit aus Gründen des Bestandsschutzes keine neue Baugenehmigung erforderlich sein könnte, wenn dieselbe Werbeanlage vorübergehend von ihrem Aufstellungsort entfernt und später an derselben Stelle wieder angebracht wird, kann dahinstehen. Denn bei den im Ortstermin vom 5. Juni 2000 vorgefundenen Plakatanschlagtafeln handelt es sich sämtlich um Plakatanschlagtafeln aus jüngster Zeit, wie die im Ortstermin gemeinsam eingesehenen, Ende 1997/Anfang 1998 angefertigten Lichtbilder im Verwaltungsvorgang des Antragsgegners (Beiakte Heft 1 Seite 3) belegen. Keine der im Ortstermin vorgefundenen elf Plakatanschlagtafeln ist nach ihrer baulichen Substanz in den 60er-Jahren errichtet worden. Daher ist die der Antragstellerin 1968 erteilte Baugenehmigung für 2 Plakatanschlagtafeln verbraucht und nicht geeignet, zwei der vorgefundenen elf Plakatanschlagtafeln zu legalisieren.
12Nach 1968 sind der Antragstellerin keine Baugenehmigungen mehr erteilt worden.
13Eine Baugenehmigung ist ein antrags- und formbedürftiger Verwaltungsakt, der von der zuständigen Behörde nur auf entsprechenden Antrag hin schriftlich erteilt wird (§§ 75 Abs. 1 Satz 2, 69 Abs. 1 BauO NW, 22 Satz 2 Ziffer 2 VwVfG NW. Entsprechende Verwaltungsakte in Form der Baugenehmigung zur Legalisierung der Aufstellung von 11 Plakatanschlagtafeln hat die Antragstellerin nie beantragt; der Antragsgegner hat solche Verwaltungsakte auch weder erteilt noch in entsprechender Form zugesichert, solche Verwaltungsakte erteilen zu wollen (§ 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NW).
14Die schriftlichen Erklärungen des Straßen- und Ingenieurbauamtes des Antragsgegners vom 17. Februar 1997 und vom 24. Februar 1997 können bei verständiger Würdigung aus Sicht des Empfängerhorizontes nicht als Baugenehmigungen verstanden werden. Diese Schreiben sind bereits nicht unmittelbar an die Antragstellerin gerichtet, sondern an die Grundstückseigentümer. Ferner hatte das Straßen- und Ingenierbauamt des Antragsgegners die Antragstellerin zuvor mit Schreiben vom 30. Dezember 1996 unmissverständlich (und rechtlich zutreffend) darauf hingewiesen, dass für den Wiederaufbau der zu entfernenden Plakatanschlagtafeln eine entsprechende Genehmigung des Bauaufsichtsamtes erforderlich wird. Angesichts dessen beinhalten die späteren Schreiben des Straßen- und Ingenieurbauamtes des Antragsgegners lediglich die zivilrechtlichen Modalitäten der Abwicklung der Baumaßnahmen des U-Bahn-Baus, ohne insoweit Fragen der Baugenehmigung auch nur anzusprechen. Dies war für die Antragstellerin auf Grund der klaren Aussage im Schreiben des Straßen- und Ingenieurbauamtes des Antragsgegners vom 30. Dezember 1996 ohne weiteres zu erkennen.
15Die Antragstellerin ist auch richtige Adressatin der Ordnungsverfügung, weil sie die tatsächliche Gewalt über die 11 Plakatanschlagtafeln ausübt, ungeachtet der Frage, wer die Plakatanschlagtafeln dort errichtet hat. Auch wenn die 11 Plakatanschlagtafeln von der xxxxxxxx im Rahmen des U-Bahn-Baus errichtet worden wären, so wäre die xxxxxxxx damit für die Antragstellerin tätig geworden. Allein die Antragstellerin ist im Verhältnis zu den Grundstückseigentümern für den Zustand und die Nutzung der Plakatanschlagtafeln verantwortlich.
16Die danach festzustellende formelle Illegalität aller umstrittenen Plakattafeln rechtfertigt es regelmäßig und so auch hier, das öffentliche Interesse an der Ordnungsfunktion des formellen Baurechts höher zu bewerten als das Interesse der Antragstellerin an der Fortführung der Werbenutzung. (Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. Mai 1994 - 11 B 1233/95 -). Das gilt jedoch nur für diejenigen Anlagenteile, die ohne Substanzverlust demontiert werden können, bei herkömmlichen Plakatanschlagtafeln daher in der Regel die gesamte Anlage mit Ausnahme der Haltepfosten (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. Mai 1994, a.a.O.). Bei den vorgefundenen Plakatanschlagtafeln handelt es sich um solche herkömmlichen Plakatanschlagtafeln, die teilweise an Pfosten, teilweise an Mauerwerk befestigt sind, ansonsten einen selbstständigen körperlichen Gegenstand darstellen. Auch dies ergibt sich eindeutig aus den Lichtbildern im Verwaltungsvorgang des Antragsgegners, auch wenn die auf der Rückseite befindlichen Pfosten infolge der Verkleidung der Rückseite mit Strohmatten, mit der im Zeitpunkt der Anfertigung der Lichtbilder bereits begonnen worden war, im Ortstermin nicht zu erkennen waren. Dagegen spricht nichts dafür, dass es sich bei den Plakatanschlagtafeln, die nicht an der Mauer befestigt sind, ursprünglich um einen Bretterzaun gehandelt hat, bei dem lediglich durch aufgeklebte Markierungen die Formate von Plakatanschlagtafeln gebildet wurden und der bei einer Beseitigung einen endgültigen Substanzverlust erleiden würde.
17Die Ermessensausübung des Antragsgegners ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das gilt sowohl für die Aufforderung, diejenigen neun Plakatanschlagtafeln zu entfernen, für die eine Baugenehmigung auch in der Vergangenheit nie erteilt worden war, als auch für die Beseitigungsaufforderung betreffend diejenigen zwei Plakatanschlagtafeln, deren Vorgänger am entsprechenden Ort vom Antragsgegner genehmigt worden waren.
18Zwar hatte der Antragsgegner sein Entschließungsermessen ursprünglich gebunden, weil seine Mitarbeiter am 7. Februar 1997 der Antragstellerin mündlich erklärt hatten, es müssten 2 Plakatanschlagtafeln entfernt werden, und man sei ausnahmsweise damit einverstanden, wenn die selben beiden Plakatanschlagtafeln wieder aufgestellt würden (vgl. den Aktenvermerk im Verwaltungsvorgang des Antragsgegners, Blatt 2 Rückseite unten). Mit dieser mündlichen Erklärung hatte der Antragsgegner angemessen berücksichtigt, dass zwei der vormals am Ort befindlichen Plakatanschlagtafeln Bestandsschutz genossen hätten. Darauf kann sich die Antragstellerin jedoch nicht berufen, denn sie hat sich nicht an diese mündliche Zusage gehalten, weil sie nicht die ursprünglich dort angebrachten 2 Plakatanschlagtafeln wieder aufgestellt hat, sondern an Stelle der entfernten zwei alten Plakatanschlagtafeln neue Plakatanschlagtafeln errichtet hat (bzw. hat errichten lassen). Mit der Aufstellung von zwei neuen Plakatanschlagtafeln an Stelle von zwei alten, im Zuge der Bauarbeiten zu entfernenden Plakatanschlagtafeln hat der Antragsteller sich auch mündlich nie einverstanden erklärt. Inwieweit die Antragstellerin mit den bauausführenden Unternehmen etwas Anderes, nämlich den Wiederaufbau der Plakatanschlagtafeln, vereinbart haben könnte und ihr infolgedessen ein Schaden entstanden ist, der bei Wiederaufstellung der zwei alten Plakatanschlagtafeln nicht eingetreten wäre, spielt für die Frage der Ermessensbetätigung keine Rolle, sondern ist Sache im Innenverhältnis zwischen der Antragstellerin und den bauausführenden Unternehmen.
19Ob als milderes Mittel eine Baugenehmigung erteilt werden könnte, kann dahinstehen. Der Antragstellerin ist es zumutbar, das Baugenehmigungsverfahren abzuwarten. Eine Vorwegnahme dieser Prüfung kommt zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Betracht. Nach dem Eindruck des Berichterstatters von der Örtlichkeit spricht allerdings einiges dafür, dass es sich bei der näheren Umgebung um ein allgemeines Wohngebiet handelt, in dem Fremdwerbeanlagen generell nicht zulassungsfähig sind.
20Der Antragsgegner hat sein Recht zum Einschreiten gegen den formell illegalen Zustand auch nicht verwirkt. Verwirkung setzt mehr voraus als das bloße Untätigbleiben seitens der Behörde über einen längeren Zeitraum. Neben dem Zeitmoment ist ein Vertrauensmoment erforderlich, welches der Antragsgegner nicht gesetzt hat. Ein solches Vertrauensmoment ist insbesondere nicht darin zu sehen, dass der Antragsgegner bereits in der Vergangenheit den Versuch unternommen hatte, die Antragstellerin zur Beseitigung der Plakatanschlagtafeln aufzufordern. Den der Abbruch dieses Versuches ging nicht einher mit einer wie auch immer gearteten Zusicherung, die Antragstellerin nicht zukünftig erneut zur Beseitigung auffordern zu wollen.
21Zwar hätte der Antragsgegner der Antragstellerin angesichts dieser Vorgeschichte des erfolglosen Beseitigungsversuches aller Voraussicht nach eine längere Frist zur Beseitigung als vier Wochen nach Zustellung seines Bescheides einräumen müssen. Das ist jedoch im Ergebnis unschädlich, weil durch den Zeitablauf in diesem Verfahren die Antragstellerin nunmehr bereits länger als vom Antragsgegner verfügt Erträge aus den illegalen Werbeanlagen zieht. Eine Gesamtfrist von drei Monaten wäre auf jeden Fall angemessen gewesen; in den Genuss einer solchen Ausstandsfrist ist die Antragstellerin gelangt.
22Die Aussetzung der kraft Gesetz sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Zwangsgeldandrohung ist ein geeignetes Mittel zur Vollstreckung der sofort vollziehbaren Grundverfügung, die angedrohte Höhe ist nicht unverhältnismäßig. Vollstreckungshindernisse in Form von Rechten Dritter stehen der Zwangsgeldandrohung nicht entgegen. Die Plakattafeln, deren Entfernung der Antragsgegner der Antragstellerin aufgegeben hat, mögen zwar auch der Einfriedung des unbebauten Grundstückes dienen. Sie stehen jedoch im Eigentum der Antragstellerin und können von ihr daher (vorbehaltlich möglicher anderweitiger vertraglicher Vereinbarung, die die Antragstellerin jedoch selbst nicht behauptet) jederzeit von dem Grundstück entfernt werden, ohne dass der Grundstückseigentümer dem mit Aussicht auf Erfolg zivilrechtlich etwas entgegenhalten könnte. Dies ergibt sich aus § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB. Bei den Plakatanschlagtafeln handelt es sich um Werke, die von einem Berechtigten in Ausübung eines Rechtes an einem fremden Grundstück mit dem Grundstücke verbunden worden sind und die deshalb Eigentum des Berechtigten (oder eines Dritten) bleiben, nicht jedoch mit der Errichtung auf dem Grundstück in das Eigentum des Grundstückseigentümers übergehen. Der Vertrag der Antragstellerin mit dem Grundstückseigentümer berechtigt die Antragstellerin nicht nur, die Plakatanschlagtafeln auf dem Grundstück zu errichten und sie mit dem Grundstück zu verbinden, sondern auch dazu, sie jederzeit wieder zu entfernen und an sich zu nehmen.
23Dass als Folge der Beseitigung der Plakatanschlagtafeln möglicherweise die Pflicht des Grundstückseigentümers zur Einfriedung eines Grundstückes neu auflebt (vgl. § 10 Satz 1 BauO NW), ist kein der Vollstreckung entgegenstehendes Recht und führt nicht dazu, dass sich der Grundstückseigentümer gegen die Vollstreckung zur Wehr setzen könnte. Insoweit handelt es sich um eine faktische Folge der Vollstreckung, nicht aber um ein der Vollstreckung entgegenstehendes Recht des Grundstückseigentümers.
24Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 13 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 3 GKG. Die Antragstellerin trägt als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens. Für den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (Beseitigungsgebot) ist die Kammer für jede Plakatanschlagtafel von einem Hauptsachewert von 5.000,- DM (mal 11 = 55.000,- DM) ausgegangen, der zu halbieren war. Die verbundenen Zwangsgeldandrohungen geht darin auf.
25
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.