Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 1 L 3762/04
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der am 27.12.2004 gestellte, nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilende Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 26.11.2004 wiederherzustellen,
4hat keinen Erfolg.
5Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels in der Hauptsache gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kommt nach übereinstimmender Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte dann in Betracht, wenn die angefochtene Maßnahme offensichtlich rechtswidrig ist oder aufgrund einer Abwägung des Interesses des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegenüber dem öffentlichen oder privaten Interesse an der Beibehaltung der sofortigen Vollziehung vorrangig zu bewerten wäre. Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
6Die Verfügung der Antragsgegnerin vom 26.11.2004 ist nicht offensichtlich rechtswidrig; vielmehr spricht vieles für ihre Rechtmäßigkeit.
7Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung ist schriftlich in ausreichender Weise damit begründet worden, dass eine auch nur vorübergehende weitere Leitung der beigeladenen Stiftung durch die Person des Antragstellers als alleinigem und alleinvertretungsberechtigtem Stiftungsvorstand nicht länger zu verantworten sei, da dringender Anlass zu der Befürchtung bestehe, dass die Belassung des Antragstellers als Stiftungsvorstand - wegen nicht unerheblicher Zweifel an der ordnungsgemäßen Verwaltung des Stiftungsvermögens - weit über das bisherige Ausmaß hinaus besonders in finanzieller Hinsicht der Stiftung Schaden bereiten werde. Das öffentliche Interesse an einer geordneten Stiftungsverwaltung, auch im Hinblick auf den Willen der verstorbenen Stifter, sei gegenüber den privaten Interessen des Antragstellers höher zu bewerten.
8In materieller Hinsicht ist die Bestimmung des § 22 Abs. 3 Satz 1 des Stiftungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21.06.1977 (StiftG a.F.), GV NRW S. 274, einschlägig. Danach kann die Stiftungsaufsichtsbehörde die Abberufung eines Mitglieds eines Stiftungsorgans und die Berufung eines anderen anordnen, wenn es sich einer groben Pflichtverletzung schuldig macht oder zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Obliegenheiten nicht fähig ist. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ist im Hinblick auf § 9 Abs. 1 Satz 1 des neuen Stiftungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15.02.2005 (StiftG n.F.), GV NRW Nr. 5 vom 25.02.2005, S. 52, nicht ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung kann die Stiftungsaufsichtsbehörde die Abberufung eines Mitglieds eines Stiftungsorgans und die Berufung eines neuen Mitglieds an dessen Stelle verlangen, wenn es sich einer groben Pflichtverletzung schuldig macht oder zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner der Stiftung gegenüber bestehenden Pflichten nicht in der Lage ist. Ob hierin eine materiell-rechtliche Änderung liegt oder die Neufassung nur klarstellend sagt, was schon zur bisherigen Rechtslage galt
9- in diese Richtung deutet die Amtl. Begr. zu § 9 StiftG n.F. -,
10kann offen bleiben. Denn jene Bestimmung misst sich für die hier umstrittene Regelung noch keine Geltung zu. Zwar tritt mit dem In-Kraft-Treten des neuen Stiftungsgesetzes am Tage nach seiner Verkündung (§ 17 Abs. 1 Satz 1 StiftG n.F.) das StiftG a.F. außer Kraft (§ 17 Abs. 2 StiftG n.F.). Übergangsvorschriften für anhängige Verfahren bestehen nicht. Im Gesetzgebungsverfahren sind - soweit ersichtlich - die Schwierigkeiten der Abwicklung anhängiger Verfahren über den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des neuen Stiftungsgesetzes nicht erörtert worden.
11Vgl. Begründung des Gesetzentwurfes der Landesregierung vom 22.09.2004, Pkt. B zu §§ 9, 17, Drucksache 13/5987;
12Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Innere Verwaltung und Verwaltungsstrukturreform zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 13/5978, 2. Lesung, Drucksache 13/6503.
13Da das neue Stiftungsgesetz ausdrückliche Regelungen nicht enthält, ist die Frage des anzuwendenden Rechts nach allgemeinen Grundsätzen zu beantworten.
14Die Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage, auf die es nach dem anzuwendenden materiellen Recht für die Entscheidung ankommt. Dem materiellen Recht sind nicht nur die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
15Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 28.05.1991 - 1 C 20/89 -, NVwZ 1992, S. 177 ff.; Beschluss vom 08.02.1995 - 1 B 6/94 -, NVwZ-RR 1995, S. 392 f..
16Vorrangig ist damit die Auslegung des besonderen Verwaltungsrechts und seiner Systematik. Ergibt sich aus dem anzuwendenden fachspezifischen materiellen Recht keine Ausnahme, bleibt grundsätzlich eine nach dem Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung eingetretene tatsächliche oder rechtliche Veränderung ohne Einfluss auf die Rechtmäßigkeitsprüfung des Gerichts. War der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung rechtmäßig, bleiben grundsätzlich nachträglich eingetretene Änderungen der Sach- und Rechtslage außer Betracht und können die Aufhebung des Verwaltungsakts wegen inzwischen vorliegender Rechtswidrigkeit nicht rechtfertigen.
17Vgl. Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Stand: September 2004, § 113, FN 109 zu Rdnr. 21; Spannowsky, in: Sodan / Ziekow, VwGO, Stand: Januar 2003, § 113 Rdnr. 66, 68.
18In allen Fällen, in denen der Verwaltungsakt eine Reaktion, Schlussfolgerung oder Feststellung aufgrund besonderer situativer Gegebenheiten enthält, die später nicht einfach zu wiederholen sind und bei deren Bewertung es auf die Entscheidungsperspektive der Behörde ankommt, ist auch für die Kontrollorgane (die Widerspruchsbehörde oder das Gericht) der maßgebende Beurteilungszeitpunkt der Zeitpunkt der Entscheidung der Ausgangsbehörde.
19Vgl. Spannowsky, a.a.O., § 113 Rdnr. 82.
20Für die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr kommt es im Regelfall auf den Entscheidungszeitpunkt der Ausgangsbehörde an,
21vgl. BVerwG, Urteil vom 01.07.1975 - I C 35.70 -, BVerwGE 49, S.36 ff.; Kopp / Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 113 Rdnr. 44,
22denn Maßnahmen der Gefahrenabwehr sind dadurch gekennzeichnet, dass die Behördenentscheidung rasch und häufig ohne vollständige Sachverhaltsaufklärung getroffen werden muss.
23Vgl. Spannowsky, a.a.O., § 113 Rdnr. 75.
24Bei rechtsgestaltenden Verwaltungsakten ist grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten verwaltungsbehördlichen Entscheidung abzustellen.
25Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 28.05.1991, a.a.O.; Beschluss vom 08.02.1995, a.a.O.; Kopp / Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 113 Rdnr. 46.
26Auch in Fällen, in denen es auf eine subjektive Eignung oder Qualifizierung des Betroffenen zu einem im Gesetz bestimmten oder nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung oder der Natur der Sache maßgebenden Zeitpunkt ankommt, ist im Regelfall auf den Entscheidungszeitpunkt der Ausgangsbehörde abzustellen.
27Vgl. Spannowsky, a.a.O., § 113 Rdnr. 76; Kopp / Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 113 Rdnr. 44.
28Anhand dieser Grundsätze kommt es für die Rechtmäßigkeit des zu überprüfenden Verwaltungsaktes auf den Entscheidungszeitpunkt der Ausgangsbehörde an. Die vom Antragsteller angegriffene stiftungsaufsichtsrechtliche Maßnahme ist sowohl nach Kriterien der Gefahrenabwehr zugunsten des Stiftungsvermögens zu beurteilen, als auch nach Kriterien, die die subjektive Eignung oder Qualifizierung des Antragstellers als Vorstandsmitglied der Beigeladenen betreffen. Zudem wirkt die Antragsgegnerin als Stiftungsaufsichtsbehörde durch die Abberufung des Antragstellers rechtsgestaltend in das Stiftungsleben hinein.
29Die Verfügung der Antragsgegnerin spricht eine Rechtsfolge aus, die vom Gesetz vorgesehen ist. Wenn der Gesetzgeber die Aufsichtsbehörde ermächtigt, die Abberufung des Stiftungsorgansmitglieds anzuordnen, so beschränkt er sie nicht auf ein Verlangen, das noch der Umsetzung durch andere Stiftungsorgane bedürfte. Ein solches Vorgehen wäre vielfach ungeeignet; bei Fällen grober Pflichtverletzung ist aber gerade rasches Handeln geboten. Deshalb ist nicht streitig, das § 22 Abs. 3 StiftG a.F. auch zu Maßnahmen berechtigt, die "self-executing" sind.
30Vgl. Hof, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 2. Aufl. 1999, § 9, Rdnr. 118;
31ferner OVG Hamburg, Urteil vom 28.04.1977 - OVG Bf II 6/76 -, StiftRspr. III Nr. 91 = HmbJVBl. 1977, S. 107 (zu § 18 Abs. 4 hamb.AGBGB).
32Die Verfügung der Antragsgegnerin ist auch nicht deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 StiftG a.F. nicht vorliegen. Vielmehr ist nach den im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes der Kammer zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten naheliegend, dass der Antragsteller sich einer groben Pflichtverletzung schuldig gemacht hat.
33Die Regelung des § 22 Abs. 3 StiftG a.F. will Gefahren begegnen, die die Stiftung von innen bedrohen. Wegen der Eigenart der Stiftung, die keine kontrollierende Mitgliederschaft hat, ist es erforderlich, dass die Stiftungsaufsichtsbehörde in Ausnahmefällen die Abberufung von Organmitgliedern herbeiführen kann. Soweit nach der Stiftungssatzung allerdings ein eigenes Kontrollorgan der Stiftung vorhanden ist, hat die Stiftungsaufsichtsbehörde in der Regel zunächst abzuwarten, ob die Missstände stiftungsintern beseitigt werden.
34Vgl. Andrick, Stiftungsrecht und Stiftungsaufsicht unter besonderer Berücksichtigung der nordrhein-westtfälischen Verhältnisse, 1988, S. 145; Andrick / Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, 2001, § 8 Rdnr. 16.
35Mit Rücksicht auf die Subsidiarität aufsichtlichen Handelns hat der Anordnung deshalb eine Aufforderung oder Anordnung an die Stiftung voranzugehen, das betreffende Organmitglied abzuberufen oder zu ersetzen. Ist die Stiftung zur Abberufung des Organmitglieds nicht bereit oder nicht in der Lage, so kann die Aufsichtsbehörde die Abberufung selbst durchführen.
36Auf eine derartige Aufforderung oder Anordnung an die Beigeladene durfte die Antragsgegnerin allerdings verzichten, da das nach der Stiftungssatzung der Beigeladenen vorgesehene Kontrollgremium, i.e. das Kuratorium (§§ 6 Satz 1 Buchstabe c), 10, 11 der Stiftungssatzung) zum Zeitpunkt der angegriffenen Verfügung mangels Besetzung handlungsunfähig war.
37Voraussetzung für das Anordnungsrecht nach § 22 Abs. 3 Satz 1 StiftG a.F. ist entweder eine grobe Pflichtverletzung des Organmitgliedes oder dessen Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Obliegenheiten. Beide Merkmale zeigen, das es sich um schwerwiegende Mängel handeln muss, durch die das Wirken oder die Existenz der Stiftung wesentlich gefährdet wird. Eine Pflichtverletzung eines Mitglieds des Stiftungsorgans liegt vor, wenn es die aufgrund stiftungsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften oder die aufgrund der Stiftungssatzung oder eines Beamten- oder Dienstverhältnisses mit der Stiftung obliegenden Pflichten verletzt. Ob eine grobe Pflichtverletzung vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab; es kommt auf den Grad des Verschuldens und die Bedeutung der Pflichtverletzung für die Stiftung an.
38Andrick, a.a.O., S. 145; Andrick / Suerbaum, a.a.O., § 8, Rdnr. 17 f.; Hof, a.a.O., § 9 Rdnr. 118.
39Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Obliegenheiten eines Mitgliedes eines Stiftungsorgans ist anzunehmen, wenn das Mitglied aus fachlichen, gesundheitlichen oder charakterlichen Gründen nicht in der Lage ist, die ihm zugewiesenen Aufgaben ordnungsgemäß zu erledigen. Insoweit ist ein Verschulden nicht erforderlich. Die Stiftungsaufsichtsbehörde hat unter Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des betroffenen Organmitglieds nach objektiven Kriterien die Eignung für den ihm übertragenen Aufgabenkreis zu prüfen.
40Vgl. Andrick, a.a.O., S. 145; Andrick / Suerbaum, a.a.O., § 8, Rdnr. 10; Hof, a.a.o., § 9 Rdnr. 118.
41Die Unfähigkeit zu ordnungsgemäßer Geschäftsführung kann in der tatsächlichen oder rechtlichen Verhinderung bei der Wahrnehmung des Amtes aber auch in mangelnder Eignung und Vertrauenswürdigkeit für das Amt bestehen. Ungeeignet ist eine Person für das Vorstandsamt einer Stiftung, wenn erhebliche Bedenken begründet sind, sie sei zur zuverlässigen Ausführung der Aufgabe des Stiftungsvorstandes gemäß Stifterwillen und Satzung nicht bereit.
42Vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 28.04.1977 - OVG Bf II 6/76 -, a.a.O. (zu § 18 Abs. 4 hamb.AGBGB).
43Der der Aufsichtsbehörde eingeräumte Ermessensspielraum kann mit dem Gewicht der Verfehlungen oder sonstigen wichtigen Gründen schrumpfen, so dass als einzige Abhilfemöglichkeit die Abberufung bleibt, um die Funktionsfähigkeit der Stiftung sicherzustellen.
44Vgl. Hof, a.a.O., § 9 Rdnr. 118.
45Nach diesen Grundsätzen lagen zum Zeitpunkt der angegriffenen Verfügung die Voraussetzungen einer Abberufung des Antragstellers als Vorstandsvorsitzender gemäß § 22 Abs. 3 StiftG a.F. vor. Der Antragsteller dürfte sich sowohl einer groben Pflichtverletzung schuldig gemacht als auch zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Obliegenheiten nicht fähig erwiesen haben.
46Nach den Erkenntnissen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist naheliegend, dass sich der Antragsteller schon zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Obliegenheiten nicht fähig erwiesen hat. Der Antragsteller hat nach § 8 Abs. 2 der Stiftungssatzung im Rahmen des Stiftungsgesetzes und der Stiftungssatzung den Willen des Stifters
47- Förderung von Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur durch Pflege von Kunstsammlungen, Förderung von hochbegabten jungen Künstlern, insbesondere durch Einzelpreise und Freisemester und Unterstützung von zeitbegrenzten Lehraufträgen an Gast-Dozenten (in- und ausländischer Meister) in allen klassischen Kategorien der Malerei, ferner der Kunsterziehung, insbesondere von Kindern durch Malunterricht, insbesondere in Vorschuleinrichtungen (Kindergärten), § 2 Abs. 2 und 3 der Stiftungssatzung -
48so wirksam wie möglich zu erfüllen. Dabei ist seine Aufgabe u.a. insbesondere die Verwaltung des Stiftungsvermögens einschließlich der Führung von Büchern und der Aufstellung des Jahresabschlusses und die Beschlussfassung über die Verwendung der Erträgnisse des Stiftungsvermögens. Die Antragsgegnerin hat in der angegriffenen Verfügung die erheblichen Versäumnisse des Antragstellers erwähnt, i.e.
49seit Bestehen der Stiftung keine Vorlage von Jahresberichten,
50fehlender Nachweis von Aktivitäten für und durch die Stiftung bzw. Verfolgung des Stiftungszweckes,
51unterlassene Steuererklärungen nebst Jahresabschlüssen, keine Mitteilungen zur Geschäftstätigkeit der Stiftung gegenüber dem Finanzamt,
52Auskunftsverweigerung über Verbleib und Verwendung des Stiftungsvermögens,
53Nichtbesetzung der übrigen Stiftungsämter (Kuratorium / Geschäftsführer),
54Grundstücksbelastungen und Aufnahme von Darlehen zu Lasten der Beigeladenen ohne Anzeige / Genehmigung der Stiftungsaufsichtsbehörde (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 StiftG a.F.).
55Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid sowie auf die Ausführungen des Antragsgegners in der Antragserwiderungsschrift vom 18.01.2005 verwiesen. Zutreffend weist der Antragsgegner darauf hin, dass es bei einem Gründungsvermögen von damals rund 1.000.000,- DM und der laufenden Miet- und Zinseinnahmen angesichts der nicht nachgewiesenen Aktivitäten dringend gebotene Aufgabe des Antragstellers gewesen wäre, die Stiftungstätigkeit zu beleben und den Stifterwillen nachhaltig zu erfüllen. Schwerwiegend ist auch die Tatsache, dass weder das Kuratorium als das den Vorstand kontrollierende Organ seit Beginn der nunmehr über sechsjährigen Stiftungszeit vom Antragsteller besetzt worden ist, obwohl dies seine Aufgabe schon als Testamentsvollstrecker gewesen wäre (§ 10 Abs. 1 Stiftungssatzung), noch dass er einen Geschäftsführer bestellt hat (§ 9 der Stiftungssatzung).
56Auch die Kammer kann sich dem vom Antragsgegner sinngemäß geäußerten Eindruck nicht verschließen, die Stiftung werde vom Antragsteller gewissermaßen als "Privatveranstaltung" aufgefasst, in die weitere Personen möglichst nicht "hineinregieren" sollen. Dies zeigt auch deutlich das Schreiben des Antragstellers vom 29.04.2003 an den Regierungspräsidenten, mit dem er den Antrag gestellt hat, "die Stiftung von den Vermögensprüfungen freizustellen. (...) Der TV unterliegt nicht der Prüfung (durch die Bezirksregierung)." Derartiges Ansinnen ist weder von der Stiftungssatzung noch vom Stiftungsgesetz gedeckt.
57Auf dieser Grundlage ist auch der Vorwurf des Antragsgegners nicht von der Hand zu weisen, dass vieles für ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Antragstellers gegenüber der Stiftung spricht. Der Antragsteller trägt zur notwendigen Sachaufklärung nichts Nennenswertes bei, obwohl ihm als Stiftungsorgan daran liegen müsste. Jedenfalls ist dem Verwaltungsvorgang nicht zu entnehmen, dass er sich bislang um eine vollständige Klärung der Vorgänge bemüht hat. Die vom Antragsgegner angeforderten Jahresberichte hat er (bis heute) nicht vorgelegt, auch nicht nach förmlicher Anordnung durch den Antragsgegner unter Fristsetzung mit Verfügung vom 16.12.2003. Ebenso wenig erfolgte eine Reaktion auf die Mitteilung mit Schreiben des Antragsgegners vom 04.03.2004, den Antragsteller als Vorstandsvorsitzenden der Stiftung abzuberufen. Mehrfache Aufforderungen des Antragsgegners, Sachverhalte zu nach § 21 Abs. 1 Nr. 3 StiftG a.F. genehmigungspflichtigen Grundstücksbelastungen im Namen und zu Lasten der Stiftung aufzuklären, blieben unbeantwortet.
58Auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat der Antragsteller in Kenntnis weitergehender Vorwürfe durch die Antragsgegnerin keine relevanten Ausführungen gemacht. Soweit der Antragsteller überhaupt auf die Vorwürfe des Antragsgegners eingeht, versucht er offenbar, die dargestellten grundsätzlichen Versäumnisse und Pflichtverletzungen herunterzuspielen. Demgegenüber hat die Antragsgegnerin mit Schriftsätzen vom 18.01.2005, 21.01.2005, 25.01.2005, 16.02.2005 und vom 22.03.2005 eine Reihe weiterer Vorwürfe gegen den Antragsteller erhoben bzw. bekannte Vorwürfe vertieft und bezifferte zunächst den durch den Antragsteller verursachten Schaden auf rund 695.500,- Euro:
59keine Rechenschaft über den Verbleib der Mieteinnahmen aus den zum Stiftungsvermögen gehörenden Mietshäusern seit 1998 (vom Antragsgegner geschätzt auf mindestens 200.000,- Euro),
60wahrheitswidrige Auskünfte zum Vermietungsstand der Mietwohnungen,
61behaupteter, aber nicht nachgewiesener Verbrauch von Mieteinnahmen für Modernisierungsmaßnahmen,
62ungenehmigte Grundbuchbelastungen zu Lasten von Stiftungsimmobilien in Höhe von insgesamt 219.000,- Euro ohne Gegenleistung für die Stiftung und ohne Mitteilung über den Verbleib des abgesicherten Geldbetrages,
63Abhebung von Geldbeträgen vom Stiftungskonto in Höhe von damals insgesamt 335.936,- DM (zum Teil verbunden mit erheblichen Überziehungszinsen), ohne dass nachvollziehbar wäre, dass diese Gelder der Beigeladenen zugute gekommen wären,
64unbekannter Verbleib von zum Stiftungsvermögen gehörenden Schmucks im Gesamtwert von rund 125.000,- Euro.
65Mit Schriftsatz vom 08.04.2005, auf den der anwaltlich vertretene Antragsteller mit Schriftsätzen vom 15., 16. und 19.04.2005 persönlich erwidert hat, hat der Antragsgegner seine Schadensschätzung aktualisiert und beziffert diesen zuletzt auf 760.162,59 Euro. Die Anschuldigungen des Antragsgegners laufen auf den Vorwurf hinaus, der Antragsteller habe stiftungswidrig und möglicherweise strafrechtlich relevant ungehindert auf das Stiftungsvermögen zu eigennützigen Zwecken zugegriffen. Die für die Richtigkeit dieser Vorwürfe sprechenden, von der Antragsgegnerin zu den Gerichtsakten gereichten Unterlagen werden im einzelnen gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers zu prüfen sein; die vollständige Aufklärung des Sachverhaltes ist nicht - wie der Antragsteller offenbar erwartet - Aufgabe des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens. Vor allem die Schriftsätze des Antragstellers vom 15., 16., 19. und 21.04.2005 sind keinesfalls geeignet, die relevanten Vorwürfe auszuräumen oder auch nur abzumildern. Das Vorbringen des Antragstellers berührt hier nur einen geringeren Teil der Vorwürfe, nämlich den ungeklärten Verbleib von Bildern und Schmuckstücken aus dem Bestand der Beigeladenen. Sollten die Anschuldigungen der Antragsgegnerin zutreffen, kann kein Zweifel daran bestehen, dass - zumindest in der Summe der ihm zur Last gelegten Vorkommnisse - der Tatbestand einer schuldhaft begangenen groben Pflichtverletzung erfüllt ist.
66Fehlt es demnach an der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verfügung, fällt die allgemeine, von den Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs unabhängige, Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Es überwiegt das Interesse an der Beibehaltung der sofortigen Vollziehung der Verfügung vom 26.11.2004 gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen diese Verfügung. Das Vollzugsinteresse findet seine Rechtfertigung darin, vom Stiftungsvermögen vor allem finanziellen Schaden abzuwenden und damit letztlich dem Willen des Stiftungsgebers wirksam Geltung zu verschaffen. Es soll dem Antragsteller - unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz der Vorwürfe der Antragsgegnerin - verwehrt sein, durch Einlegen von Rechtsmitteln gegen die jeweiligen Verwaltungs- und verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen weiterhin Zugriff auf das Stiftungsvermögen zu gestatten. Gegenüber diesem Vollzugsinteresse ist das Interesse des Antragstellers daran, vor der Vollziehung der angefochtenen Maßnahme ein Hauptsacheverfahren durchlaufen zu können, als weniger gewichtig zu werten. Das Interesse des Antragstellers geht allein dahin, in der ihm anvertrauten Funktion tätig zu werden; dies muss aber angesichts der Schwere der Vorwürfe und der Bedeutung für die Beigeladene zurückstehen. Das Ziel der Funktionsfähigkeit der beigeladenen Stiftung hat gegenüber einem Recht auf Mitgliedschaft im Vorstand Vorrang,
67vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 28.04.1977, a.a.O.,
68erst recht wenn es darum geht, den Bestand der beigeladenen Stiftung - und damit den Stifterwillen - zu sichern.
69Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.
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